Ukraine-Konflikt

Hat Nordkorea Truppen zum Kampf in der Ukraine nach Russland geschickt?

Westliche Medien berichten unter Berufung auf Quellen in der Ukraine und den USA, dass Nordkorea Truppen nach Russland geschickt habe, um an den Kämpfen in der Ukraine teilzunehmen. Was tatsächlich darüber bekannt ist.

Schon als der russische Präsident Putin und der nordkoreanische Staatschef Kim sich im April 2023 in Russland getroffen haben, gab es Gerüchte, Nordkorea könnte Soldaten zur Teilnahme an den Kämpfen in der Ukraine nach Russland schicken, die sich jedoch nicht bestätigt haben.

Ich vermute, dass Nordkorea daran sogar durchaus interessiert sein dürfte, denn Nordkorea hat eine der grüßten Armeen der Welt und in dem Land gilt eine Staatsideologie, die unter anderem besagt, dass die Armee bei allem an erster Stelle steht. Da wäre es aus Sicht der nordkoreanischen Führung durchaus logisch, Truppen an die Front in der Ukraine zu schicken, damit diese Erfahrungen in der modernen Kriegsführung sammeln.

Der Westen tut schließlich das gleiche und analysiert alle Informationen über die Kämpfe in der Ukraine, um zu lernen, wie ein großer Krieg zwischen modernen Armeen in der heutigen Zeit geführt wird.

Dass einige tausend nordkoreanische Soldaten einen entscheidenden Unterschied an der Front machen, ist Unsinn, zumal die Zusammenarbeit zwischen russischen und nordkoreanischen Truppen kaum geübt wurde und es die Sprachbarriere gibt. Aber die Erfahrungen, die die nordkoreanische Armee bei einem (auch nur sehr begrenzten) Einsatz in der Ukraine sammeln könnte, wären für Nordkorea, das sich seit Jahrzehnten in ständiger Kriegsgefahr mit den USA und Südkorea befindet, sehr wertvoll.

Der Westen behauptet schon lange, Nordkorea würde Russland mit Raketen und Granaten beliefern und dafür aus Russland im Gegenzug moderne Militärtechnologie, Treibstoff und Lebensmittel bekommen. Belegt wurden diese vom Westen regelmäßig geäußerten Behauptungen allerdings nie.

Warum die Meldungen ein westlicher Propaganda-Trick sein könnten

Die Meldungen, dass nordkoreanische Soldaten in Russland ausgebildet und inzwischen an die ukrainische Front verlegt worden seien, lassen nicht überprüfen. Sie kommen vom ukrainischen Geheimdienst, dessen Meldungen erfahrungsgemäß mit großer Vorsicht zu genießen sind, dem südkoreanischen Geheimdienst und aus dem Pentagon.

Südkorea war unter den westlichen Staaten lange eine Ausnahme, weil es sich zunächst geweigert hatte, sich an den Russland-Sanktionen zu beteiligen. Auch die Lieferung von Granaten an Kiew, wovon Südkorea sehr große Lagerbestände hat, hat das Land lange verweigert. Später hat Südkorea sich de facto für indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden, indem es den USA Granaten als Ersatz für von den USA an Kiew gelieferte Granaten geschickt hat.

Hier stellt sich die Frage nach der Henne und dem Ei, denn ist zuerst passiert? Hat Südkorea zuerst begonnen, die Ukraine (indirekt) zu unterstützen und haben sich Russland und Nordkorea daraufhin angenähert, oder war es die Annäherung Russlands und Nordkoreas, die Südkorea zu einem Kurswechsel in der Ukraine-Frage gebracht hat? Das lässt sich nur schwer beantworten.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Meldungen, dass angeblich etwa 10.000 oder 12.000 nordkoreanische Soldaten auf dem Weg an die Front seien, ändert Südkorea nun seine Meinung wohl radikal, wie der Spiegel berichtet:

„In der südkoreanischen Regierung werden Stimmen laut, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russlands Angriffskrieg stärker zu unterstützen. Man könne angesichts der Entsendung nordkoreanischer Truppen nach Russland nicht untätig bleiben, sagte Außenminister Cho Tae Yul. »Ich glaube nicht, dass wir in einer Position sind, in der wir tatenlos zusehen können, wenn dies am Ende zu einer Bedrohung unserer Sicherheit wird«, sagte der Minister in einer parlamentarischen Anhörung.
Auf die Frage eines Abgeordneten, ob die südkoreanische Regierung auch direkte Waffenlieferungen an die Ukraine erwägen würde, entgegnete der Minister, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Die konkreten Maßnahmen würden unter anderem davon abhängen, welche Gegenleistungen Nordkorea von Russland erhalte.“

Im Westen dürften sich viele daher hinter vorgehaltener Hand über die Meldungen über nordkoreanische Soldaten in Russland freuen, weil das die in den USA und der EU lange erhoffte Änderung der südkoreanischen Politik bedeuten könnte.

Der Verteidigungspakt zwischen Russland und Nordkorea

Im Sommer haben Russland und Nordkorea einen ausgesprochen umfassende Partnerschaftsvertrag abgeschlossen, der auch eine Klausel zur gegenseitigen militärischen Unterstützung enthält, die weitaus umfassender ist als beispielsweise im NATO-Vertrag, wie ich hier aufgezeigt habe. Im russisch-nordkoreanischen Vertrag ist geregelt, dass die Parteien der jeweils anderen Seite bei einem „bewaffneten Angriff eines oder mehrerer Staaten (…) unverzüglich militärischen und sonstigen Beistand mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten“.

Dass es in der Beistandsklausel des russisch-nordkoreanischen Vertrages praktisch keine Einschränkungen gibt, hat den Vertrag so heikel und zu einem sehr deutlichen Signal an den Westen gemacht. In meinem oben verlinkten Artikel darüber habe ich schon im Sommer geschrieben, dass auch Südkorea nun seine Politik ändern und die Ukraine als Reaktion auf den Vertrag vollkommen offen unterstützen könnte. Damit wäre der russisch-nordkoreanische Vertrag zu einem Gamechanger geworden, der Konflikte in Europa und Asien untrennbar miteinander verbindet.

Das ist es, was wir nun anscheinend erleben. Unabhängig davon, ob die Meldungen über nordkoreanische Soldaten in Russland der Wahrheit entsprechen oder eine Erfindung sind, die Südkorea zu einer Änderung seiner Politik gegenüber Russland und der Ukraine bringen soll, tritt anscheinend genau das ein, was ich im Sommer schon vermutet habe.

Es scheint allerdings so, als würden die Meldungen über nordkoreanische Soldaten in Russland der Wahrheit entsprechen, denn der russische Präsident Putin hat das auf Nachfrage nicht dementiert, und auch aus Nordkorea gab es kein Dementi.

Was Putin zu den Meldungen gesagt hat

Auf der Pressekonferenz nach dem BRICS-Gipfel wurde Putin von einem NBC-Journalisten nach den Meldungen des Pentagon gefragt, wonach es Satellitenbilder gebe, die die Anwesenheit von nordkoreanischen Soldaten in Russland bestätigen, und ob das keine Eskalation darstelle. Darauf antwortete Putin (ich übersetze seine ganze Antwort darauf ungekürzt):

„Bilder sind eine ernste Sache. Wenn es Bilder gibt, bedeutet das, dass sie etwas widerspiegeln.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass es nicht Russlands Handlungen waren, die zur Eskalation in der Ukraine geführt haben, sondern der Staatsstreich von 2014, der vor allem von den USA unterstützt wurde. Es wurde sogar öffentlich erklärt, wie viel Geld die damalige US-Regierung für die Vorbereitung und Organisation dieses Staatsstreichs ausgegeben hat. Ist das etwa kein Weg zur Eskalation?
Und danach hat man uns acht Jahre lang betrogen, als man sagte, man wolle den Konflikt in der Ukraine durch das Minsker Abkommen mit friedlichen Mitteln lösen. Später, und Sie haben das wahrscheinlich auch gehört, haben einige europäische Staats- und Regierungschefs ganz offen gesagt, dass sie uns betrogen haben, weil sie diese Zeit genutzt haben, um die ukrainische Armee aufzurüsten. Ist das etwa nicht so? Doch, so ist das.
Die weiteren Schritte zur Eskalation bestanden darin, dass die westlichen Länder begannen, das Kiewer Regime aktiv aufzurüsten. Wie weit ist das gegangen? Bis zur direkten Beteiligung von NATO-Soldaten an dem Konflikt, denn wir wissen, was getan wird und wie es getan wird, wenn Marinedrohnen im Schwarzen Meer ausgesetzt werden. Wir wissen, wer dort anwesend ist, aus welchen europäischen NATO-Ländern und wie sie diese Arbeit verrichten.
Das Gleiche gilt für Militärausbilder, keine Söldner, sondern Soldaten. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Präzisionswaffen, einschließlich solcher Raketen wie ATACMS, Storm Shadow und so weiter. Die ukrainischen Soldaten können das nicht ohne Weltraumaufklärung, Zielbezeichnungen und Software aus westlicher Herstellung tun – und es geht nur unter direkter Beteiligung von Offizieren aus NATO-Ländern.
Was unsere Beziehungen zur Demokratischen Volksrepublik Korea betrifft, so wurde, wie Sie wissen, heute unser Vertrag über strategische Partnerschaft ratifiziert. Darin gibt es den Artikel 4, und wir haben nie daran gezweifelt, dass die nordkoreanische Führung unsere Vereinbarungen ernst nimmt. Aber was wir im Rahmen dieses Artikels tun und wie wir es tun, ist schon unsere Sache. Zunächst müssen wir entsprechende Verhandlungen über die Umsetzung von Artikel 4 des Vertrages führen, aber wir stehen in Kontakt mit unseren nordkoreanischen Freunden und werden sehen, wie sich dieser Prozess entwickelt.
Auf jeden Fall handelt die russische in allen Abschnitten Armee selbstbewusst, das ist bekannt, niemand bestreitet es, sie rückt an allen Teilen der Kontaktlinie vor. Sie ist auch in der Region Kursk aktiv: einige Einheiten der ukrainischen Armee, die in die Region Kursk eingedrungen sind, sind blockiert und umzingelt, etwa 2.000 Mann. Es wird versucht, diese Gruppe von außerhalb zu befreien und sie versucht, von innen durchzubrechen – bisher ohne Erfolg. Die russische Armee hat damit begonnen, diese Gruppe zu liquideren.“

Putin hat die Meldungen über nordkoreanische Soldaten in Russland also nicht dementiert, aber auch nicht bestätigt. Er hat sogar recht deutlich gesagt, dass das in Zukunft möglich ist. Da Putin normalerweise für seine unzweideutigen Aussagen bekannt ist, kann sich jeder seine eigenen Gedanken darüber machen, warum er hier so zurückhaltend geantwortet hat.

Wie Nordkorea reagiert hat

Der stellvertretende nordkoreanische Außenminister Kim Jong-gyu erklärte laut einer TASS-Meldung, die die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur zitiert, dass die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland, sollte sie stattfinden, im Einklang mit dem Völkerrechts stehen würde. Demnach sagte Kim Jong-gyu, der für die Beziehungen zu Russland zuständig ist:

„Ich denke, wenn das, worüber die weltweiten Medien so einen Lärm machen, tatsächlich so wäre, würde es im Einklang mit dem Völkerrecht stehen würde. Ich denke, dass es offensichtlich Kräfte gibt, die diese Aktion als illegal bezeichnen wollen.“

Kim Jong-gyu wies darauf hin, dass er die „Versionen über die Entsendung nordkoreanischer Streitkräfte nach Russland gesehen hat, die in letzter Zeit in den weltweiten Medien kursierten“, und er fügte hinzu:

„Das Außenministerium ist nicht direkt mit den Angelegenheiten des Verteidigungsministeriums verbunden, ich spüre keine Notwendigkeit, diese Informationen gesondert zu bestätigen.“

Auch hier muss man festhalten, dass das alles andere als ein Dementi ist. Das ist ungewöhnlich, denn die nordkoreanischen Ministerien sind in ihren Erklärungen in der Regel sehr deutlich. Auch hier darf sich also jeder seine eigenen Gedanken machen, was diese nebligen Formulierungen bedeuten könnten.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

8 Antworten

  1. Vielleicht auch ‚Nord‘ gegen ‚Süd‘?

    Interessante Beobachtungen und Überlegung zur Verlegung von Südkoreanischen Piloten plus Flieger nach RO.
    Westlich von Fetești befindet sich ein Militärflughafen. 320 km (Luftlinie) von Odessa entfernt.

    Interessant an diesem Kommentar sind die Einschätzungen zur Einsatzqualität der Kampfflieger, insbesondere im Vergleich zum UK

    Überschrift: „Süd-Korea hat beschlossen, offen gegen Russland zu kämpfen!?“
    maratkhairullin.substack.com/p/south-korea-has-decided-to-openly

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