Telegram knickt ein

Wenigstens „sitzt“ Durow in einem freien Land…

Telegram-Gründer Pawel Durow wurde letzten Monat in Frankreich unter anderem deshalb verhaftet, "extremistische Inhalte" auf der Plattform zugelassen und die Zusammenarbeit mit den Behörden verweigert hat. Nun hat Telegram die Nutzungsbedingungen entsprechend geändert.

Telegram wurde 2013 gegründet und schon Ende 2013 bekam Telegram Probleme mit dem russischen Geheimdienst FSB, weil Teile der damals laufenden Maidan-Proteste über Telegram koordiniert wurden. Der FSB forderte von Telegram Informationen über die Organisatoren des Maidan. Durow lehnte das ab und verließ Russland knapp ein halbes Jahr später. In einem Interview mit TechCrunch sagte er danach:

„Leider kann man in dem Land kein Internet-Business betreiben. Ich fürchte, für mich gibt es keinen Weg zurück, vor allem, nachdem ich es öffentlich abgelehnt habe, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.“

Durow, ein Libertärer, dem Freiheit über alles geht und der daher die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden auch bei der Bekämpfung „echter“ Verbrechen wie Drogenhandel und anderem ablehnt, fühlte sich in Russland unterdrückt und floh in den seiner Meinung nach freien Westen.

Er lernte recht schnell, dass der Westen ganz und gar nicht so frei ist, wie er dachte. In einem Interview mit Tucker Carslon erzählte Durow später, wie US-Behörden versucht haben, einen seiner Entwicklungsingenieure direkt bei der Ankunft am Flughafen in den USA anzuwerben und wie er selbst immer wieder vom FBI behelligt wurde. Das selbsternannte Land der Freiheit mied Durow danach wenn möglich.

Doch alles half nichts, Ende August wurde Durow in Paris in Gewahrsam genommen und einige Tage später wurde er mit einer langen Liste strafrechtlicher Anklagen entlassen, darf Frankreich aber nicht mehr verlassen und muss sich zweimal wöchentlich bei der Polizei melden.

Dass es dabei vor allem darum ging, Durow gefügig zu machen, damit Telegram endlich mit Behörden (und Geheimdiensten) westlicher Staaten zusammenarbeitet, war jedem von Anfang an klar. Und so ist es nun auch gekommen, denn Telegram hat einen Monat nach Durows Festnahme nachgegeben und seine Nutzungsbedingungen geändert. Der entscheidende Absatz in der entsprechenden Mitteilung von Telegram lautet:

„Um Kriminelle noch mehr davon abzuhalten, die Telegram-Suche zu missbrauchen, haben wir unsere Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien aktualisiert und sichergestellt, dass sie weltweit einheitlich sind. Wir haben klargestellt, dass die IP-Adressen und Telefonnummern derjenigen, die gegen unsere Regeln verstoßen, auf rechtmäßige Anfragen hin an die zuständigen Behörden weitergegeben werden können.“

Welche „zuständigen Behörden“ nun „rechtmäßige Anfragen“ an Telegram stellen können und dann IP-Adressen und Telefonnummern von Telegram-Nutzern bekommen, wird nicht konkretisiert. Das ist ein weitaus stärkeres Entgegenkommen, als es Russland 2013 von Durow gefordert hat. Und Durow wurde in Russland nicht in polizeiliches Gewahrsam genommen und mit mehr oder weniger konstruierten Strafverfahren erpresst, den Forderungen des russischen Staates nachzugeben. Stattdessen konnte Durow die Zusammenarbeit verweigern und Russland verlassen.

Ob Durow nun wohl in einem Interview demnächst über Frankreich und die USA das gleiche sagt, was er seinerzeit über Russland gesagt hat? Ich wiederhole seine Aussage von damals:

„Leider kann man in dem Land kein Internet-Business betreiben. Ich fürchte, für mich gibt es keinen Weg zurück, vor allem, nachdem ich es öffentlich abgelehnt habe, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.“

Der ehemalige russische Präsident Medwedew hat nach Durows Festnahme auf Telegram geschrieben, er habe Durow mal gefragt, warum er bei schweren Verbrechen nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten wolle. „Das ist meine prinzipielle Haltung“, erklärte Durow ihm. „Dann gibt es in jedem Land ernste Probleme“, antwortete Medwedew.

Und so ist es ja nun auch gekommen.

In Russland wurde nach Durows Festnahme gewitzelt, dass Durow, wenn er in Frankreich verurteilt wird, wenigstens in einem freien Land „sitzen“ würde.

Lustig ist das allerdings nicht, denn offenbar ist die Privatsphäre nun auch bei Telegram Vergangenheit. Und das hat nicht die böse Diktatur Russland verursacht, sondern der angeblich so freie Westen.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Libertäre „lieben die Freiheit“ über alles, weil sie frei von jeglichen Gesetzen sein wollen. Interessant ist bei dieser Spezies, dass es sich fast ausschließlich um pervers Reiche handelt. Die anderen Verfechter des Libertarismus sind nur nützliche Idioten, die meinen zu den Gewinnern in einer dystopischen kapitalistischen Anarchie zu gehören oder wenigstens nach unten treten zu können.

    Auch zieht das Argument mit Russland nicht, denn damals, als es um den Maidan ging, war Telegram noch weit von dem entfernt, was es heute ist. Und wer sich *prinzipiell* weigert, auch bei schwersten Straftaten mit den Behörden zu kooperieren, bekommt *zu* *recht* überall auf der Welt Probleme. Wer so „libertär“ ist, dass er sämtliche Gesetze ablehnt, sollte tunlichst alle Länder meiden, die sich Rechtsstaat nennen, von den Unrechtsstaaten ganz zu Schweigen. Deshalb wollen solche Leute wie Peter Thiel – *der* Libertäre schlechthin – ja auch lieber gleich ihre eigenen Länder, z.B. auf abgelegenen Inseln. Was für ein Haufen verstrahlter Größenwahnsinniger.

    Kein Mitleid für absolut antisoziale Psychopathen!

    Und wer eben meinte, sich hinter Telegram verstecken zu können, in der Hoffnung, dass die eigene Telefonnummer schon nicht herausgegeben wird, der ist halt auch nur ein nützlicher Idiot. So was einfach mit einer echten Personenidentität Verknüpfbares benötigt man nämlich nicht, wenn man es ernst meint mit anonymer Kommunikation. Das Gleiche gilt übrigens auch für alle anderen Dienste, die mit dem „Smartphone“ und somit der Telefonnummer verknüpft sind, z.B. WhatsApp und Signal. Letztere versuchen zwar darüber hinwegzutäuschen, dass sie schlussendlich die Telefonnummer als ID nutzen, indem sie diese „hashen“, allerdings ist es ein Leichtes, alle Hashes für alle Telefonnummern zu berechnen – also nur Augenwischerei.
    Einfacher Selbsttest: Kann man – ohne bei einem blauen Mond durch einen brennenden Reifen zu springen – die Anwendung auch auf einem ganz gewöhnlichen Computer verwenden? Wenn die Antwort „Nein“ lautet, dann ist die Anonymität nicht vorhanden und man selbst dem „Guten Willen“ des Anbieters ausgeliefert.

    Es gibt auch – im IT-Maßstab gerechnet – uralte Alternativen, die aber eben *nicht* einfach ohne den Einsatz der grauen Masse nutzbar sind, z.B. XMPP/Jabber (uralt) und „Off-The-Record-Verschlüsselung“ (OTR, fast genauso alt), oder OMEMO (das Signalprotokoll ohne Rufnummernbindung); das Ganze über Tor betrieben, vorzugsweise mit dem eigenen Server – man kann aber auch freie Anbieter im Internet finden. Abstriche beim Komfort muss man allerdings hinnehmen, denn Sicherheit und Komfort befinden sich im Zielkonflikt.

  2. Übrigens, was hat Russland denn bitte für Ansprüche gegen Leute, die damals am Maidan beteiligt waren? Der Maidan (der Ort) befindet sich schließlich in Kiew, also in einem souveränen (zumindest damals noch, nominell) Land. Klar, der FSB möchte da sicher seinem Auftrag als Geheim- bzw. Nachrichtendienst gerecht werden, und darf dann auch mal höflich anfragen, ob denn der Betreiber eines gewissen Kommunikationsnetzwerkes denn zur Kooperation bereit ist, mehr aber auch nicht. Das heißt, dass Russland schon allein deshalb keinerlei rechtliche Mittel zur Verfügung standen.

    Und die Kampagne gegen Telegram, die Russland wegen Durows Verweigerung der Kooperation gefahren hatte – bis hin zur Blockade des Dienstes -, „vergisst“ Hr. Röper gleich ganz. Interessant, geradezu ironisch in diesem Zusammenhang ist doch die Tatsache, dass das offizielle Russland mittlerweile selbst von der vermeintlichen Zensurfreiheit bei Telegram Gebrauch macht, wie die Kanäle des Außen- und Verteidigungsministeriums eindrücklich beweisen. Die Krönung: Russland spielt sich jetzt Hort der Freiheitsrechte auf. George Orwell hat angerufen und darauf hingewiesen, dass „1984“ nicht als Anleitung zu verstehen ist. 😉

    Wenigstens wird Durow in Frankreich sicher nicht an den Haftbedingungen zugrunde gehen, wie es gewissen anderen Personen in Russland schon mal passiert – ist halt kalt in Sibirien.

  3. Du checkst es wirklich nicht, oder?

    „Libertäre „lieben die Freiheit“ über alles, weil sie frei von jeglichen Gesetzen sein wollen. Interessant ist bei dieser Spezies, dass es sich fast ausschließlich um pervers Reiche handelt.“

    Wem Freiheit etwas Wert ist , dem soll sie genommen werden? Ist das die Quintessenz deiner Aussage? Wenn Ja, dann definiere FREIHEIT erst mal, bevor du die Hexenjagt eröffnest…Es gibt keine halbe Freiheit, oder halbe Wahrheiten!

    „Die anderen Verfechter des Libertarismus sind nur nützliche Idioten, die meinen zu den Gewinnern in einer dystopischen kapitalistischen Anarchie zu gehören oder wenigstens nach unten treten zu können.“

    Das ist Unsinn und hat das Thema völlig verfehlt. Es geht hier um sehr viel mehr, wenn der Staat sich in die öffentliche eigene Meinung einmischt, um die kritiker des Systems zu verfolgen und Mundtot zu machen und wer aus der Corona-Diktatur nichts begriffen und gelernt hat, der hat anscheinent auch keine Ahnung ,mit wem er es überhaupt zu tun hat. Es geht nicht um ein paar Aufwiegler oder Krimminelle ! Es ist ein Weltumspannendes Problem um die totale kontrolle über die gesamte Menschheit nicht zu verlieren. Denn für die Reichen, steht alles auf dem Spiel…

    1. Lern erst mal Lesen *und* Verstehen. Freiheit von jeglichen Gesetzen lässt sich unter Anarchie zusammenfassen. Wenn das von „Libertären“ kommt, heißt das *Kapitalistische* Anarchie, ohne Zügel für die Gier. Es gibt ein schönes Buch, das mal ansatzweise ausgemalt hat, wie das Aussehen könnte: „Snow Crash“ von Neal Stephenson. Polizei? Gibts nicht, aber stattdessen die Privatarmee des jeweiligen Oligarchen vor Ort. Gesetze? Ditto…

      Du solltest auch den Teil lesen, der beschreibt, warum man sich nicht auf die „Freiheit“ von Diensten verlassen sollte, die mit der eigenen Telefonnummer per (Fail-/Fehl-)*Design* verknüpft sind. Das war schon immer Bullshit und wird es immer bleiben. Aber „Smartphone“-Nutzer, die sich was drauf einbilden, einen Computer mit einer Benutzeroberfläche, die sogar Kleinkinder beherrschen, bedienen zu können und sich, dank armseliger „Telefon“-App, vorgaukeln lassen, dass es sich um ein Telefon handelt, fallen halt auf solchen Scheiß rein und heulen dann was von „Freiheit“, die eben immer schon eine Illusion war.

  4. Alles läuft darauf hinaus das Telegram in Russland bald kein Thema mehr sein wird weil man es einfach abstellen wird.
    Frankreich bekommt weitaus mehr Zugriff als der Öffentlichkeit offenbart wurde, der Idealist Durow ist wie erwartet gleich eingeknickt. In Russland benutzen mehr Leute Telegram als WhatsApp, zumal Telegram schon immer weitaus ausgereifter gewesen ist.

    Als nächstes werden wohl so Meldungen aus Russland folgen wonach Frankreichs Behörden die Daten der russischen Bevölkerung einsehen wonach Telegram verbannt wird.
    Eine Diskussion ums RuNet wird entfacht werden mit so Losungen das man sich von dem Internet aus den Staaten lösen müsse und Russland wird nach und nach dami

    YouTube ist spätestens im November in Russland auch kein Thema mehr, Facebook und Telegram ebenfalls gesperrt.

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