Kriegsbeteiligung

Putin im O-Ton über den Beschuss von Zielen in Russland und die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine

Der russische Präsident Putin hat sich drei Stunden der internationalen Presse gestellt. Dabei wurde Putin auch danach gefragt, wie Russland auf die Erlaubnis westlicher Staaten, mit aus dem Westen gelieferten Waffen Ziele in Russland anzugreifen, und auf die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine reagiert.

Der russische Präsident Putin hat sich drei Stunden den Fragen von 15 Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen gestellt, darunter übrigens auch die deutsche dpa und führende Agenturen aus Großbritannien, Frankreich und den USA. Ich werde in den nächsten Tagen die in meinen Augen interessantestes Fragen und Antworten übersetzen. Übrigens ist diese Veranstaltung schon deshalb bemerkenswert, weil es undenkbar ist, dass sich Biden (oder Scholz, Macron, etc.) drei Stunden den Fragen internationaler Nachrichtenagenturen, darunter russische, chinesische, syrische, iranische und so weiter stellen.

Hier übersetze ich eine weitere Frage und Putins Antwort aus dem Pressegespräch, die vor allem deshalb wichtig ist, weil westliche Medien über Putins Antwort berichtet haben, Putin habe dem Westen gedroht. Das ist ziemlich perfide, denn der Westen lässt Russland mit seinen Waffen beschießen, und wenn Putin sich dazu äußert, ist das angeblich eine Drohung an den Westen. http://kremlin.ru/events/president/news/74223

Aber sehen Sie selbst, ob Sie in Putins Antwort eine Drohung finden.

Beginn der Übersetzung:

Moderator: Wir kommen zum nächsten Teilnehmer, zu Stefano Polli, stellvertretender Chefredakteur der italienischen Agentur ANSA. Herr Polli hat übrigens, wie auch Samia Nakhoul von Reuters, eine sehr reiche Erfahrung mit der Arbeit in Krisengebieten. Und überhaupt hat die italienische Agentur ANSA kein einziges solches Treffen mit Ihnen versäumt, er ist unser regelmäßiger Gast.

Sie haben das Wort, Herr Polly.

Polli: Ich danke Ihnen. Guten Abend, Herr Präsident!

Ich danke Ihnen für die Organisation dieses Treffens. Ich möchte eine Frage zu den jüngsten Entwicklungen in der Ukraine stellen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg schlug vor, der Ukraine die Möglichkeit zu geben, Ziele in Russland mit aus Europa gelieferten Waffen anzugreifen. Europäische Länder haben dieser Idee zugestimmt, ebenso wie die USA. Nicht alle, aber die USA sind dabei. Gleichzeitig wird in einigen Ländern über die Entsendung von Militärberatern und Ausbildern diskutiert.

Ich möchte Sie bitten, diese beiden Entscheidungen zu kommentieren und zu erläutern, wie Russland darauf reagieren wird.

Ich danke Ihnen.

Putin: Was die Anwesenheit von Beratern und Ausbildern betrifft, so gibt es hier nichts Neues. Sie sind auf dem Territorium der Ukraine präsent. Leider müssen sie Verluste hinnehmen. Ich bin mir sicher, dass das nicht absichtlich geschieht, aber bei Militäroperationen kommt es zu Verlusten. Es stimmt, die europäischen Länder und die USA ziehen es vor, das zu verschweigen. Das ist der erste Punkt.

Zweitens, was die Präzisionswaffen mit großer Reichweite betrifft, müssen wir dieses Thema in zwei Teile aufteilen.

Der erste Teil sind konventionelle Waffen, Mehrfachraketenwerfer und Langstreckenwaffen mit 70 Kilometer und Ähnliches. Sie werden schon seit langem eingesetzt. Die ukrainischen Soldaten können das sogar selbst tun. Aber was die modernen, hochtechnologischen, hochpräzisen und weitreichenden Angriffsmittel angeht, wie die britischen Storm Shadow oder die amerikanischen ATACMS oder die französischen Raketen – was kann man dazu sagen? Auch darüber habe ich übrigens schon gesprochen, bevor ich aus Usbekistan abgereist bin.

ATACMS hat eine Reichweite von 300 Kilometern. Wie werden sie eingesetzt, wie werden sie übergeben? Sie haben das Raketensystem geliefert, das Pentagon hat es geliefert, also die Amerikaner haben es übergeben. Aber wie wird es eingesetzt? Die ukrainischen Streitkräfte können nicht alles selbst machen und mit dieser Rakete angreifen. Sie sind technologisch einfach nicht in der Lage dazu. Dazu braucht man Satellitenaufklärung, dann muss man auf der Basis dieser Satellitenaufklärung, die die amerikanische Satellitenaufklärung ist, eine Flugmission bilden, und erst dann gibt man sie in das Raketensystem ein. Und der Soldat, der da steht, der macht das ganz automatisch: Er drückt die Knöpfe. Er weiß vielleicht nicht einmal, was als Nächstes passieren wird.

Woran können sich ukrainische Soldaten beteiligen, nicht diejenigen, die sitzen und Knöpfe drücken, sondern auf einer höheren Ebene? An der Auswahl des Ziels. Sie können sagen, welches Ziel für sie vorrangig und notwendig ist. Aber sie entscheiden nicht, ob sie dieses Ziel angreifen oder nicht, denn, ich wiederhole, es wird eine Flugmission gebildet, und die wird praktisch nur von denen gebildet, die diese Waffen liefern. Wenn es sich um ATACMS handelt, dann macht es das Pentagon. Wenn es sich um Storm Shadow handelt, dann machen es die Briten. Und im Fall von Storm Shadow ist es sogar noch einfacher. Die Einfachheit liegt in der Tatsache, dass die Flugmission automatisch eingegeben wird, ohne dass Militärpersonal am Boden beteiligt ist, automatisch. Die Briten machen das, und das war’s.

Und als die Bundeswehrsoldaten darüber nachdachten, ob sie die Krimbrücke oder andere Objekte angreifen sollten, dachten sie für sich selbst. Niemand hat für sie gedacht, oder? Sie wollten es tun. Das Gleiche gilt für die französischen Spezialisten. Es sind westliche Spezialisten, die das tun. Wir machen uns also keine Illusionen in dieser Sache.

Was sollten wir als Reaktion darauf tun?

Zunächst werden wir natürlich unsere Luftabwehrsysteme verbessern. Wir werden sie [die in Richtung Russland abgeschossenen Raketen] vernichten.

Zweitens überlegen wir uns, dass wir, wenn es jemand für möglich hält, solche Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern, um unser Territorium zu treffen und uns Probleme zu bereiten, das Recht haben, unsere Waffen derselben Klasse in jene Regionen der Welt zu liefern, wo sie empfindliche Einrichtungen jener Länder treffen werden, die Russland das antun. Die Antwort könnte also symmetrisch sein. Wir werden uns darüber Gedanken machen.

Drittens, natürlich werden solche Aktionen letztendlich, sie haben bereits den höchsten Grad der Degradierung erreicht, aber sie werden letztendlich die internationalen Beziehungen zerstören und die internationale Sicherheit untergraben. Wenn wir am Ende sehen, dass diese Länder in einen Krieg gegen uns hineingezogen werden, und das ist ihre direkte Beteiligung an einem Krieg gegen die Russische Föderation, dann behalten wir uns das Recht vor, auch so zu handeln. Aber insgesamt ist das ein Weg zu sehr ernsten Problemen. Ich denke, das ist alles. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, bitte. Aber ich glaube nicht, dass ich noch etwas hinzufügen kann.

Moderator: Herr Polli, haben Sie noch weitere Fragen? Oder haben Sie schon alles gehört, was Sie hören wollten?

Polli: Ich habe noch eine Frage, eine andere Frage, aber ich weiß nicht, ob das der richtige Zeitpunkt ist, sie zu stellen.

Putin: Es wird keinen anderen Moment geben, wir gehen jetzt auseinander, und das war’s. Das ist also der richtige Moment.

Polli: Ich möchte eine Frage zu Italien stellen, wenn ich darf.

Italien unterstützt die Ukraine politisch und militärisch, aber es sagt auch, dass Italien nicht im Krieg mit Russland ist. Ich möchte Sie bitten, die Position der italienischen Regierung zu kommentieren.

Putin: Wir sehen, dass die Position der italienischen Regierung zurückhaltender ist als die vieler anderer europäischer Länder, und wir achten darauf und bewerten das entsprechend. Wir sehen, dass Italien keine steinzeitliche Russophobie pflegt, und auch das behalten wir im Hinterkopf. Wir gehen fest davon aus, dass wir die Beziehungen zu Italien schließlich wiederherstellen können, vielleicht sogar schneller als zu jedem anderen europäischen Land, sobald die Situation in der Ukraine in irgendeiner Weise geregelt ist.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Wer sich den Top-Diplomaten Schulenburg oder gar den Präsidenten von Serbien in den Interviews verfolgte, dem kann es schon Angst und Bange werden für die Zukunft……

    https://www.youtube.com/watch?v=MRUpAQEi2tM

    …. Und doch hat gerade diese Übersetzung der Fragen an den russischen Präsidenten mit seinen Antworten einen ganz erstaunlichen Umkehrschluß an dem man seine klare saubere Zukunftsvision für sein Land und Europa sieht.

    Die Russen wollen Zukunft und er ( der Präsident ) wird das Zepter über den Einsatz von Atomwaffen NICHT gemäß der Nukleardoktrin der russischen Föderation den Militärs auch dann nicht übergeben, wenns so aussieht, dass es unvermeidlich sein müßte, um der Doktrin gerecht zu werden.

    Putin spricht :
    Wir gehen fest davon aus, dass wir die Beziehungen zu Italien schließlich wiederherstellen können, vielleicht sogar schneller als zu jedem anderen europäischen Land, sobald die Situation in der Ukraine in irgendeiner Weise geregelt ist.

    Irgendwie wird er mit den Chinesen die Sache „schaukeln“. Er wird sich nicht nach den Regeln der Dummheit leiten lassen … !

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