Energiepreise

Reform des europäischen Gasmarktes: Die EU hat aus der Energiekrise nichts gelernt

Die Energiepreise explodieren, die europäischen Gasspeicher sind kaum gefüllt, aber die EU-Kommission will die Lage noch verschlimmern, wie die Reformpläne für den europäischen Gasmarkt zeigen.

Dass die neue Bundesregierung in Sachen Energiepolitik Harakiri veranstaltet, war dank der Regierungsbeteiligung der Grünen zu erwarten. Anstatt aus der aktuellen Energiekrise und den explodierenden Preisen zu lernen, setzt man in der neuen Regierung sogar auf einen noch schnelleren Ausbau der alternativen Energien, obwohl sie die aktuellen Probleme zu einem entscheidenden Teil verursacht haben.

Ich habe das zwar schon oft erklärt, wiederhole es aber noch einmal für alle Leser, die neu beim Anti-Spiegel sind, denn diese Informationen sind wichtig, um zu verstehen, wie irrsinnig die aktuellen Pläne der EU-Kommission sind. Stammleser, die das schon oft gelesen haben, können den folgenden Abschnitt gerne überspringen und sofort zu den Plänen der EU-Kommission kommen.

Die Gründe für die Energiekrise in Europa

Über die Gründe für die Energiekrise in Europa habe ich oft berichtet, daher fasse ich sie hier nur kurz zusammen.

Erstens: Der letzte Winter war kalt, weshalb viel Gas verbraucht wurde. Pipelines und Tanker reichen nicht aus, um im Winter genug Gas nach Europa zu bringen, weshalb die Gasspeicher normalerweise im Sommer aufgefüllt werden. Das ist in diesem Jahr ausgeblieben und während die Gasspeicher normalerweise zu Beginn der Heizsaison zu fast 100 Prozent gefüllt sind, waren es in diesem Jahr nur knapp 75 Prozent.

Zweitens: Die Energiewende hat zu einem zu großen Anteil von Windenergie am Strommix geführt. Da der letzte Sommer aber außergewöhnlich windstill war, fehlte die Windkraft und es wurde unter anderem Gas zur Stromerzeugung genutzt, das eigentlich in die Speicher hätte geleitet werden müssen.

Drittens: Der Wunsch vieler europäischer Politiker, russisches Gas durch vor allem amerikanisches Flüssiggas zu ersetzen, hat dazu geführt, dass in Europa nun Gas fehlt. Der Grund: In Asien sind die Gaspreise noch höher als in Europa und die fest eingeplanten amerikanischen Tanker fahren nach Asien, anstatt nach Europa.

Viertens: Die Reform des Gasmarktes der letzten EU-Kommission hat den Handel mit Gas an den Börsen freigegeben. Dadurch wurde Gas zu einem Spekulationsobjekt. Während Gazprom sein Gas gemäß langfristiger Verträge für 230 bis 300 Dollar nach Europa liefert, ist es für die Importeure ein gutes Geschäft, das Gas an der Börse für 1.000 Euro weiterzuverkaufen und diese Spekulationsgewinne in Höhe von mehreren hundert Prozent in die eigene Tasche zu stecken.

Warum Gazprom trotzdem langfristige Verträge möchte? Die Antwort ist einfach, denn das war auch in Europa so, als in Europa noch Gasfelder erschlossen wurden. Der Produzent von Gas muss Milliardeninvestitionen planen und das geht nur, wenn er weiß, wie viel Gas er langfristig zu welchem Preis verkaufen kann. Daher möchte ein Gasproduzent langfristige Verträge, auch wenn der Preis zeitweise möglicherweise viel niedriger ist als der, den er an der Börse erzielen könnte.

Auch für den Kunden ist es von Vorteil, wenn er die Gaspreise und die Gasmengen im Voraus planen kann, denn was passiert, wenn man sich auf kurzfristige Verträge einlässt, erleben wir gerade in Europa. Dass die EU-Kommission sich trotzdem für kurzfristige Verträge und Börsenhandel von Gas einsetzt, ist entweder Inkompetenz, oder der Wunsch europäischen Konzernen die lukrative Börsenspekulation mit Gas auf Kosten der Verbraucher zu ermöglichen, oder die politische Abhängigkeit von den USA, die auf kurzfristige Verträge setzen, weil ihrer schnelllebigen Frackingindustrie schnelle Gewinne wichtiger sind als langfristige Planungssicherheit.

Die Wettergötter

Der Spiegel hat am 15. Dezember unter der Überschrift „Klimaschutz – EU will keine Erdgaspipelines mehr fördern“ über die Reformpläne der EU-Kommission berichtet und wir schauen uns nun einmal an, was die EU-Kommission vorhat. Die EU will die Förderung von Gaspipelines abschaffen und stattdessen Stromnetze, Leitungen zu Offshorewindparks und für klimafreundliche Gase wie Wasserstoff fördern, um bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990 und bis 2050 klimaneutral zu werden, also alle Treibhausgase zu vermeiden oder zu speichern.

Das wird die Klimafans freuen, zumindest im Sommer. Denn sobald es – wie 2021 – mal wieder einen windarmen und möglicherweise auch noch bewölkten Sommer gibt, bedeuten diese Pläne der EU unweigerlich, dass die Menschen im Winter frieren müssen, wenn gleichzeitig auf Gas und Kohle verzichtet wird. Die alternativen Energien sind nun einmal keine stabilen Energielieferanten und egal, ob man auf Gas, Kohle oder auch Wasserstoff setzt, werden sich diese Probleme wiederholen, wenn der eingeplante Anteil von Wind- und Sonnenenergie einige Monate ausbleibt. Wind- und Sonnenenergie sind als Beimischung durchaus vernünftig, aber wenn ihr Anteil am Strommix zu groß wird, passiert das, was wir in diesem Jahr erlebt haben.

Experten außerhalb der EU schütteln über diese Politik den Kopf und kommentieren hämisch, dass das grüne Programm der EU auf der Illusion beruht, man könne das Wetter kontrollieren. Und wer weiß, vielleicht halten sich die Grünen und die Experten der EU-Kommission ja tatsächlich für Wettergötter?

Die Reformpläne für den europäischen Gasmarkt

Noch lustiger ist, was der Spiegel über die anstehende Reform des europäischen Gasmarktes berichtet:

„Hinzu kommt der Kampf gegen die steigenden Gaspreise. Deswegen will die EU-Kommission den europäischen Gasmarkt reformieren. Ebenfalls am Mittwoch präsentierten Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans und Energiekommissarin Kadri Simson ein entsprechendes Gesetzespaket, das unter anderem ein Verbot von Erdgas-Langzeitverträgen bis 2049 vorsieht. Viele Gasverträge mit deutschen Kunden laufen langfristig, teils bis 2050.“

Dass die Gaspreise aktuell so hoch sind, liegt daran, dass die EU immer weniger auf langfristige Lieferverträge setzt, sondern das Gas stattdessen zu Börsenpreisen kauft. Man fragt sich, was Energiekommissarin Kadri Simson raucht, wenn sie das Problem dadurch lösen will, dass sie langfristige Verträge verbieten und noch stärker auf Einkäufe zu Börsenpreisen setzen will. Auch wenn sie davon spricht, dass das Verbot erst 2050 in Kraft tritt, bedeutet das natürlich, dass – wenn ein solches Verbot beschlossen ist – schon wesentlich früher auf die Verlängerung oder den Neuabschluss solcher langfristigen Verträge verzichtet wird.

Wie absurd die Ideen von Frau Simson sind, zeigen ihre anderen Ideen zum Thema Gas. Der Spiegel schreibt weiter:

„Um Engpässe in der Energieversorgung zu vermeiden, könnten EU-Länder jedoch gemeinsame Gaseinkäufe tätigen und strategische Reserven anlegen. Das hatten etwa Frankreich und Spanien angesichts der steigenden Gaspreise gefordert.“

Und was soll das bringen? Wenn das Gas einerseits – wie in diesem Jahr – verfeuert wird, weil der Wind fehlt, andererseits aber das Gas nicht mehr zu halbwegs stabilen Preisen durch langfristige Verträge importiert wird, sondern zu Börsenpreisen eingekauft werden soll, wie sollen da strategische Reserven helfen?

Das Problem ist doch, dass man für diese strategischen Reserven neue Gasspeicher bauen muss, die verdammt groß sein müssten. Und wie passen solche Gasreserven zu der Legende, man wolle in der EU auf Gas verzichten und nur noch auf alternative Energien setzen? Bemerkt niemand in Brüssel, dass die Pläne von Simson nicht nur absurd sind, sondern sich auch noch selbst widersprechen?

Es gäbe eine ganz einfache Lösung gegen die steigenden Gaspreise: Die Rückkehr zu langfristigen Verträgen und das Verbot des Börsenhandels mit Gas. Bevor die EU-Kommission den Börsenhandel mit Gas erlaubt hat, gab es diese hohen Preise nämlich nicht.

Nord Stream 2

Es gäbe allerdings eine Möglichkeit, die in diesem Winter drohende Energiekrise vielleicht noch abzuwenden: Man müsste Nord Stream 2 endlich genehmigen. Aber nach EU-Recht, das mit der letzten Gasreform eingeführt wurde, bei der auch der Börsenhandel mit Gas erlaubt wurde, kann Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen, weil Gasproduzent und Pipelinebetreiber nach der Reform verschiedene Firmen sein müssen. Da Gazprom aber sowohl der Produzent des Gases als auch der Betreiber von Nord Stream 2 ist, gibt es da ein Problem.

Zwar gibt es die Möglichkeit, Nord Stream 2 gemäß deutschem Recht in Betrieb zu nehmen, aber das wird mit der neuen Regierung kompliziert, denn der zuständige Wirtschaftsminister in Deutschland ist nun der Grüne Habeck, ein erklärter Gegner von Nord Stream 2. Hinzu kommt, dass die Grünen anscheinend dafür gesorgt haben, dass im Koalitionsvertrag steht, dass für Energieprojekte EU-Recht angewendet werden soll, wie der Spiegel in einem anderen Artikel geschrieben hat:

„Dagegen hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Sonntag im ZDF-»heute journal« gesagt, die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass für Energieprojekte europäisches Energierecht gelte – »und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen«.“

Die Frage wird wohl sein, ob sich Kanzler Scholz durchsetzt und die Pipeline nach Schröder-Manier mit einem „basta!“ genehmigt, wozu er als Kanzler die Möglichkeit hätte. Die Grünen scheinen sich jedenfalls auf die Aussicht zu freuen, Nord Stream 2 verhindern zu können. Scholz wird also bald Farbe bekennen müssen.

Der neue österreichische Kanzler sieht das Thema übrigens ganz anders, wie man im gleichen Spiegel-Artikel erfahren konnte:

„»Das gilt natürlich auch für Österreich. Nord Stream 2 ist ein wichtiges Projekt, das der Europäischen Union Versorgungssicherheit in Energiefragen gibt«, so Nehammer. Zur Forderung der US-Regierung, die Gaspipeline, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland und in die EU bringen soll, als Druckmittel gegen Moskau im Ukrainekonflikt einzusetzen, sagte Nehammer: »Ich halte nichts davon, die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit dem russischen Verhalten in der Ukraine zu verknüpfen. Damit würde sich die Europäische Union nur selbst schaden.«“

Da hat er recht, nur scheint es weder der EU-Kommission, noch den Grünen um Energiesicherheit zu gehen. Ihnen geht es offenbar nur noch um Ideologie. Das Geheimnis, wie man mit Ideologie Strom produzieren und Heizungen betreiben will, das haben allerdings weder die EU-Energiekommissarin noch die Grünen bisher verraten.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

13 Antworten

  1. „Es gäbe eine ganz einfache Lösung gegen die steigenden Gaspreise: Die Rückkehr zu langfristigen Verträgen und das Verbot des BÖRSENHANDELS mit Gas. Bevor die EU-Kommission den Börsenhandel mit Gas erlaubt hat, gab es diese hohen Preise nämlich nicht.“
    – die Unersättlichen, die Gierigen, die haben sich also wieder durchgesetzt!
    – es besteht natürlich die Gefahr, dass dieser Raubtiergattung mal die Nahrung ausgeht. Soll ja vorkommen. Wölfe reissen eine ganze Schafherde, auch wenn die nur ein oder zwei futtern können. Irgendwann beginnen sie dann damit, sich gegenseitig aufzufressen.

    1. Die Einführung des Börsenhandels für Gas durch die EU ist für Gaslieferanten kein Nachteil. Die verkaufen ihr Gas, an deren Menge am Markt ein Mangel besteht, zu Höchstnotierungen an der Börse und kassieren selbst die Marge des Zwischenhandels. Natürlich wird der Endverbraucher hierbei nicht entlastet. Der hat nur die Wahl zwischen Gasverbrauch und zahlen oder Gas nicht verbrauchen und nichts zahlen und damit wird deutlich, dass die Freigabe des Gasbörsenhandels ein politisches Projekt befeuern soll.

      1. „dass die Freigabe des Gasbörsenhandels ein politisches Projekt befeuern soll.“: schon klar! Frage ist dabei wie immer, wer befeuert wen? Die Superreichen die Politiker, oder die Politiker die Superreichen?

  2. Man muss am Markt flexibel sein und Gewinnchancen erkennen, wobei es allemal vorteilhaft für den Lieferanten ist, wenn beim Abnehmer seines Produktes (hier Gas) ein Mangel bei der von ihm bezogenen Ware besteht. Wenn der Abnehmer sich vertraglich nicht mehr langfristig binden will und für Gas eine Börse eingerichtet wurde, verkauft man das Gas an der Börse, wo sich dann der frühere Abnehmer zu marktüblichen Preisen eindecken kann. Für Gazprom wird NS2 bei soviel Ablehnung eine Investitionsruine, deren Kosten man sich dann pro rata über den Gaspreis bezahlen lässt.
    Fazit : Gazprom kann auf bilateralem Wege mit einzelnen EU-Ländern weiterhin langfristige Gaslieferverträge abschließen und sollte die EU-Länder, die keine langfristigen Gaslieferverträge abschließen wollen, an die Börse verweisen.

      1. So sieht es aus. Dabei fällt mir hier in meiner warmen Bude immer Wilhelm Busch ein:

        „Lachen ist ein Ausdruck relativer Behaglichkeit. Der Franzel hinterm Ofen freut sich der Wärme um so mehr, wenn er sieht wie sich draußen der Hansel in die rötlichen Hände pustet.“

  3. Es ist unsinnig zu glauben, dass Politiker etwas leisten könnten, dass wir als vernünftig betrachten. Sie werden das tun, was man ihnen suggeriert. Verstehen tun sie es nicht.
    Es bleibt uns nichts anderes übrig, als eine Lobby für den Bürger zu initiieren. Und zwar schnell, da sie uns kahl fressen.

  4. falsch. Brüssel und Berlin haben gelernt. Nämlich, dass durch weitere Verknappung der Gasvorrätedie und damit Gewöhnung der Bevölkerung an exorbitante Preise die Bereitschaft für US-LPD-Gas endlich steigt. Eine klare Strategie bei weiterer Verdummung der Bevölkerung, umrahmt mit weiteren anti-russischen Falschbehauptungen, die die Schuld daran dann Russland zuweisen.
    Wer glaubt, das alles sein Dummheit der Verantworlichnen in Brüssel und Berlin, der ist unheilbar naiv.

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