Die Hintergründe zur Stichwahl in Moldawien am Sonntag
Über die Wahlen in Moldawien habe ich viel berichtet. Vor zwei Wochen fand die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt, die die pro-westliche Präsidentin Sandu mit einem Referendum über den EU-Beitritt des Landes verknüpft hatte, und die von Manipulationen bei der Stimmabgabe für die im Ausland lebenden Moldawier überschattet war. Die Regierung hat in westlichen Ländern, wo etwa die Hälfte der Exil-Moldawier lebt, die für die Regierung sind, über 230 Wahllokale geöffnet hat, während in Russland, wo ungefähr die andere Hälfte der Exil-Moldawier lebt, die gegen die Regierung sind, nur zwei Wahllokale für knapp eine halbe Million Menschen eröffnet wurden.
Hier übersetze ich einen Artikel der russischen Nachrichtenagentur TASS über die Kandidaten, die es in Stichwahl geschafft haben, ihre politischen Standpunkte und die Lage in Moldawien.
Beginn der Übersetzung:
Die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Moldawien: Die Chancen der Regierung und ihrer Gegner
Vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Moldawien ist der Tag der Ruhe angebrochen, an dem der Wahlkampf laut Gesetz eingestellt wurde. Am Sonntag, den 3. November, werden die Wähler zwischen dem amtierenden Staatsoberhaupt Maia Sandu und dem ehemaligen Generalstaatsanwalt Alexandru Stojanoglo wählen müssen. In der ersten Runde, die am 20. Oktober stattfand, erhielten sie 42,4 bzw. 25,9 Prozent der Stimmen.
Aus den USA nach Moldawien
Sandu trat 2012 in die moldawische Politik ein, nachdem sie zuvor als Beraterin des Exekutivdirektors der Weltbank gearbeitet und in Washington, DC, gelebt hatte. Der Vorsitzende der proeuropäischen Liberaldemokratischen Partei, der ehemalige Premierminister Wladimir Filat, leitete ihre Karriere ein, indem er sie zur Bildungsministerin ernannte. Heute sagt er, er bedauere das und kritisiert sein ehemaliges Mündel scharf für ihr „Versagen und ihre Gesetzlosigkeit“.
Sandu kandidierte 2016 für das Präsidentenamt, verlor aber gegen Igor Dodon, der Sozialisten anführte, die für eine Annäherung an Russland eintraten. Im Jahr 2019 wurde sie auf Vorschlag von Dodon zur Ministerpräsidentin ernannt und 2020 schlug sie ihn in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen. Danach kühlten sich die Beziehungen Moldawiens zu Russland ab.
Nach ihrer Wahl besuchte die moldawische Präsidentin Brüssel, Bukarest und andere europäische Hauptstädte, reiste aber nie nach Moskau. Sie weigerte sich auch, an den Gipfeltreffen der GUS-Staatschefs teilzunehmen, und schloss sich stattdessen der von Kiew gegründeten „Krim-Plattform“ an. Die Partei der Aktion und Solidarität (PDS, die Sandu vor seiner Präsidentschaft führte), die die Kontrolle über Regierung und Parlament erlangt hatte, hob Dodons Entscheidung über die Teilnahme Mokdawiens an der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) als Beobachter auf und begann, GUS-Abkommen zu kündigen. Nach dem Beginn der Militäroperation verkündete Sandu trotz der in der moldawischen Verfassung verankerten Neutralität eine eindeutige Unterstützung für die Kiewer Regierung und eine Annäherung an die NATO.
Der in Ungnade gefallene Staatsanwalt
Stojanglo hatte eine erfolgreiche Karriere in Behörden, er gründete die Staatsanwaltschaft in Gagausien und war ihr erster Leiter. Anschließend wurde er zum Parlamentsabgeordneten und zum stellvertretenden Sprecher des Parlaments gewählt. Er gewann an Popularität im Land, nachdem er 2019 in einem von EU-Vertretern und der Regierung von Sandu organisierten Wettbewerb zum Generalstaatsanwalt gewählt wurde. Unter seiner Führung wurden bei den Ermittlungen zum „Diebstahl des Jahrhunderts“ – so wird in Moldawien die Veruntreuung von einer Milliarde Dollar aus den Banken des Landes genannt, die stattfand, nachdem eine von den USA und der EU unterstützte Koalition pro-europäischer Parteien 2009 an die Macht gekommen war – erhebliche Fortschritte erzielt.
Im Jahr 2021 wurde der Generalstaatsanwalt jedoch verhaftet und aufgrund eines zehn Jahre alten Presseberichts eines Abgeordneten der Regierungspartei wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Stojanoglo sagte, die Verhaftung sei eine Rache von Sandu, die gefordert hatte, dass er Strafverfahren gegen Dodon und Führer der Opposition einleitet. Das Verfahren gegen ihn fiel erwartungsgemäß in sich zusammen und er ging durch alle Instanzen, einschließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der seine Entlassung für rechtswidrig erklärte. Trotzdem unterzeichnete Sandu zwei Jahre nach der Verhaftung Stojanoglos ein Dekret über seine Entlassung.
Während Stojanoglo die Integration Moldawiens in die EU unterstützt, ist er gegen Sandus Kurs, mit Russland und der GUS zu brechen. In einem Gespräch mit einem TASS-Korrespondenten erklärte er, die Zusammenarbeit mit Russland sei für jeden moldawischen Bürger keine Frage der Ideologie, sondern der nationalen Interessen und der Stabilität. Der Politiker sprach sich auch gegen den Kurs der Regierung aus, mit der GUS zu brechen, und nannte sie „eine wichtige Plattform für Dialog und wirtschaftliche Zusammenarbeit“.
Die Schrauben anziehen
Obwohl Sandu in der ersten Runde mehr Stimmen als ihr Konkurrent bekam, sind sich viele Experten einig, dass die amtierende Präsidentin nicht leicht gewinnen wird. Und das trotz der vollen Kontrolle über die staatlichen Organe, die es ihr ermöglichte, das Wahlumfeld vor den Wahlen so weit wie möglich zu säubern.
Bereits im ersten Jahr von Sandus Amtszeit schossen die Preise in die Höhe, die Inflation erreichte zum ersten Mal seit den „wilden 1990er Jahren“ 30 Prozent, und in der Regierung kam es zu Korruptionsskandalen. Im Jahr 2022 schloss sich Moldawien den Sanktionen gegen Russland an, was einen weiteren Schlag für den Wohlstand der Moldawier bedeutete, die ihre Vorteile in Form von Absatzmärkten und billigen Energieträgern verloren. Die Regierung ging in die Offensive und beschuldigten ihre Gegner, einen Staatsstreich vorzubereiten und Verbindungen zu Russland zu unterhalten. Im Land wurde der Ausnahmezustand verhängt, das russische Fernsehen wurde verboten, 14 moldawische Fernsehsender und mehr als 50 Publikationen, die der Opposition eine Plattform boten, wurden eingestellt. Auf Antrag der Regierung verbot das Verfassungsgericht die Partei Shor. Sandu gründete das Patriotische Zentrum zur „Bekämpfung russischer Propaganda“ und der „Vaterlandsverräter“. Moldawien hat außerdem ein dem ukrainischen Zentrum „Mirotworets“ vergleichbares Zentrum eingerichtet, in dem Oppositionsführer, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und regierungskritische Journalisten verzeichnet sind.
Das Referendum
Die Misserfolge in der Wirtschaft haben Sandu und ihre Partei gezwungen, im aktuellen Wahlkampf den Status Moldawiens als EU-Beitrittskandidat als einzigen Trumpf zu nutzen, der als unglaublicher Erfolg der Präsidentin dargestellt wird. Zu diesem Zweck wurde am Wahltag am 20. Oktober ein Referendum zur Änderung der Verfassung abgehalten, in der die Unumkehrbarkeit des europäischen Kurses des Landes festgeschrieben werden soll, bei dem sich 50,35 Prozent für den Kurs der europäischen Integration aussprachen. Die Ergebnisse der Abstimmung erwiesen sich jedoch als kalte Dusche für die Regierung, als bekannt wurde, dass das Plebiszit in Moldawien selbst gescheitert war, wo 54 Prozent der Wähler gegen den europäischen Kurs stimmten.
Dennoch gelang es der Regierung, beim Referendum wegen der mehr als 200 Wahllokale in westlichen Ländern mit einem leichten Vorsprung ein positives Gesamtergebnis zu erzielen. In Russland, wo rund 400.000 Moldawier arbeiten, eröffnete die Wahlkommission nur zwei Wahllokale statt der versprochenen 29. Nach Angaben der Opposition sprachen sich bei einer Wahlbeteiligung von 50,72 Prozent nur 22,5 Prozent aller moldawischen Bürger für die Verfassungsänderung aus. Nichtsdestotrotz hat das Verfassungsgericht des Landes die Ergebnisse des Referendums in aller Eile gebilligt, obwohl die Mehrheit der Parteien, einschließlich der pro-europäischen, gegen die Änderung der Verfassung war und zwei der sechs Richter eine „abweichende Meinung“ abgegeben haben, die die Entscheidung nicht unterstützt.
In ihrem Bericht nach dem ersten Wahlgang stellten die Beobachter des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte fest, dass die Verbindung des Referendums über den EU-Beitritt mit den Präsidentschaftswahlen den Weg für den Missbrauch von staatlichen Ressourcen geebnet und die Kandidaten ungleich behandelt hat. So wurde festgestellt, dass der Premierminister und Mitglieder der Regierung, Abgeordnete und Beamte Wahlkampf für Sandu machten und Wahlpropaganda verteilten. Dabei wurden die Ausgaben dafür aus dem Staatshaushalt getätigt und waren in den Finanzberichten für den Präsidentschaftswahlkampf nicht ausgewiesen.
Die Verteilung der Kräfte
In einem Gespräch mit der TASS sagte der ehemalige Präsident Igor Dodon, dass Stojanoglo bessere Chancen auf einen Sieg habe, da die amtierende Staatschefin aufgrund ihrer Regierung die Unterstützung der Mehrheit der Wählerschaft verloren habe. Seiner Meinung nach hat Sandu bei der Wahl ihre Ressourcen in Form ihrer Anhänger bereits in der ersten Runde ausgeschöpft. „Jetzt kann sie nur noch auf Kosten von Fälschungen in den Wahllokalen in westlichen Länder gewinnen“, glaubt der ehemalige Staatschef.
In der einen oder anderen Form weigerten sich alle anderen Kandidaten bei der Wahl, Sandu zu unterstützen. Zu ihnen gehörten ihre Unterstützer bei der letzten Wahl, der ehemalige Innenminister Andrian Nastase und der Vorsitzende von „Unsere Partei“ Renato Usatii, der in der ersten Runde den dritten Platz belegte. Letzterer forderte seine Anhänger auf, selbst zu entscheiden, sagte aber, dass „er persönlich Sandu in keiner Form unterstützen kann“.
Der Ernst der Lage zwang das Präsidialamt, einen neuen Wahlspruch zu präsentieren: „Retten wir Moldawien“. Sandu selbst wird in ihren öffentlichen Reden nicht müde, zu erklären, vor wem Moldawien gerettet werden muss und behauptet, dass hinter Stojanoglo „der Kreml, Dodon, Shor“ sowie andere ihrer Gegner stehen, die angeblich „ein bitteres Schicksal für Moldawien vorbereiten“. Sie macht den Wählern Angst, dass das Land im Falle einer Niederlage die Visafreiheit mit der EU verlieren wird, keine europäischen Kredite für die Instandsetzung von Straßen erhält und Moldawier, die in der EU arbeiten, zu Parias werden. Sandu versprach auch, einige Minister, die „schlecht arbeiten“, bis Ende des Jahres zu entlassen.
Vor der zweiten Wahlrunde führten die Präsidentschaftskandidaten eine TV-Debatte. Aktivisten der Regierungspartei kritisierten Stojanoglo wegen seiner ihrer Meinung nach schlechteren Beherrschung der rumänischen Sprache (in die die moldawische Sprache umbenannt wurde). Außerdem wurde ihm vorgeworfen, nicht am Referendum über die europäische Integration teilgenommen zu haben, das er als „Wahlkampfveranstaltung“ von Sandu bezeichnete.
Die Präsidentschaftswahlen in Moldawien leiten unmittelbar einen neuen Wahlkampf ein, den der Parlamentswahlen. Die Befugnisse des Staatsoberhauptes sind hier sehr begrenzt, und die eigentliche Macht liegt in den Händen der Regierung, die von der Parlamentsmehrheit ernannt wird. Das endgültige Gleichgewicht der politischen Kräfte wird sich also erst im Sommer 2025 herausstellen, wenn die Parlamentswahlen stattfinden. Selbst wenn Sandu die zweite Wahlrunde gewinnt, wird sie in Zukunft mit ernsthaften Herausforderungen durch die Opposition rechnen müssen.
Ende der Übersetzung
6 Antworten
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Das Problem ist eher die „Gleichung“ auf dem Wege zum Ergebnis.
Stojanoglo ist in jeder Hinsicht besser — aber leider ist Sandu besser darin, Wahlen zu fälschen.
Zwischen Austin Powers und Reinhard Heydrich: Von der Leyens „EU-CIA“
Soso, jetzt will Brüssel also auch noch einen eigenen Geheimdienst. Man soll sich da nicht täuschen lassen – das, was da so scheinbar unverfänglich über einen Bericht lanciert wird, ist das, was vorher bestellt wurde. So läuft das Spiel, gerade auf Ebene der EU: Man bestellt sich einen scheinbar neutralen Bericht von einer Sprechpuppe, dann tut man etwas verblüfft, wenn das vorgeschlagen wird, was man haben wollte, ziert sich ein wenig, und dann sorgt man dafür, dass man es bekommt. Vielleicht sogar mit einem Umweg über das EU-Parlament, das ja ohnehin gerne immer noch viel fanatischer agiert als die nationalen Parlamente.
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Je mehr staatliche Macht Brüssel an sich zu reißen vermag, desto wahrscheinlicher wird es, dass den Menschen in den Mitgliedsländern nur noch die Wahl bleibt, sich wie die Ukrainer zum Kanonenfutter machen zu lassen oder aus dem System der EU gewaltsam auszubrechen, gleichsam den aufgezwungenen Pseudostaat in einem Bürgerkrieg untergehen zu lassen. Nichts, wirklich nichts an der Vorstellung eines EU-Geheimdienstes kann positive Erwartungen auslösen. Niemand braucht diese Kreuzung aus Austin Powers und Reinhard Heydrich, auch dann nicht, wenn die Person an der Spitze eine blonde Betonfrisur trägt und angeblich einst auf den Namen „Röschen“ hörte.
https://freedert.online/meinung/224354-zwischen-austin-powers-und-reinhard/
die EU gewinnt immer mit solchen zwielichtigen Gestalten . da werden noch Stimmen auf dem Mond gefunden . der Westen lässt sich Moldawien nicht entgehen . die nächste Front wird eröffnet
sehe ich anders, das wird der EU auf die Füsse fallen. Die offensichtlichen Wahlmanipulationen im Ausland untergraben die EU innenpolitisch mit.
Das macht mich neugierig. Wie untergräbt man etwas, das sowiso nie auf einem tragfähigen Fundament basierte?
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