Ost-West-Konflikt

Russisches Außenministerium: Die Beziehungen zu den USA könnten „jederzeit abgebrochen werden“

In einem Interview hat der stellvertretende russische Außenminister Rjabkow über den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen Russland und dem US-geführten Westen gesprochen. Hier finden Sie das komplette Interview.

Der stellvertretende russische Außenminister Rjabkow hat Interfax ein Interview über den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen Russland und dem US-geführten Westen gegeben, das sehr viele hochinteressante Aussagen enthält. Daher habe ich es komplett übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Frage: Wenn die Entnazifizierung, die Entmilitarisierung als Ergebnis der Militäroperation stattfindet und wenn die Ukraine einen garantierten neutralen Status erhält, wird das ausreichen, damit sich Russland vor den USA und der NATO sicher fühlt, oder sind weitere Schritte erforderlich, damit dies geschieht?

Rjabkow: Zwei Seiten dieses Falles sind entscheidend. Die erste bezieht sich auf das, was Sie in Ihrer Frage direkt formuliert haben. Sicherlich müssen alle diese Ziele erreicht werden. Natürlich ist die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO in jedem Stadium für uns kategorisch inakzeptabel. Natürlich ist die Lösung der Aufgaben der Militäroperation einfach das Gebot der Stunde. Ohne das können wir nicht nur nicht über unsere Sicherheit, sondern auch nicht über die Beendigung der Militäroperation sprechen. Das ist die vom Präsidenten und der politischen Führung formulierte Forderung, die wir, wie auch das Verteidigungsministerium und alle Exekutivorgane des Bundes, konsequent und unnachgiebig erfüllen.

Was die andere Seite der Medaille betrifft: Werden wir uns sicherer fühlen, wenn alle diese Ziele erreicht sind? Ja, die Sicherheit wird gestärkt, aber reicht das aus, um zu sagen, dass wir uns jetzt in einer ganz anderen Lage fühlen und es uns egal ist, was auf der NATO-Seite passiert? Nein, absolut nicht. Denn die NATO, angeführt von den USA, ist ein rein aggressiver Block, ihre gesamte Politik, sowohl früher als auch heute, zielt darauf ab, Russland zu schwächen, unsere Rolle als unabhängiges Machtzentrum, als einflussreicher internationaler Faktor zu beseitigen. In den letzten Jahren hat sich dieser aggressive Charakter der NATO noch stärker als zuvor manifestiert. Ohne eine Änderung, eine radikale Änderung des anti-russischen Kurses der USA und ihrer Untergebenen und den Beginn einer Arbeit auf der Grundlage der Gleichheit der Interessen der Staaten und ihrer Achtung kann man daher nicht von einer ernsthaften qualitativen Stärkung unserer Sicherheit sprechen.

Das mag traurig klingen, aber es ist wahr.

Frage: Und wie können wir sie überzeugen?

Rjabkow: Wir brauchen einen Generationswechsel. Ich sage nicht gern „Elitenwechsel“. Es müssen Menschen in die Führungs- und Entscheidungszentren kommen, die anders wahrnehmen, was um sie herum geschieht. Das wird früher oder später geschehen.

Frage: Dabei kann die NATO doch bleiben, oder? Sie muss nicht aufgelöst werden?

Rjabkow: Wir können hier aus eigenem Antrieb nichts ändern. Wir stellen eine Selbstverständlichkeit fest, die für uns völlig verständlich und nachvollziehbar ist. Eine NATO-Erweiterung ist immer gleichbedeutend mit einer Beeinträchtigung unserer Interessen, unserer Sicherheitsinteressen. Wie das innerhalb der NATO wahrgenommen wird, was die Staaten, die beitreten, motiviert, ist für uns von geringer Bedeutung. Wir werden in unseren Einschätzungen, unserem Verständnis und unserer Interpretation der Ursachen und Folgen nie mit dem westlichen Block übereinstimmen.

Das haben wir in der Vergangenheit schon oft versucht, ohne Ergebnis. Die Unfähigkeit der NATO, zumindest in ihrem Beziehungen zu uns, Verträge einzuhalten, ist einfach ihr Hauptmerkmal. Der Block ist eine Quelle von Drohungen und eine Quelle von Druck, nichts weiter.

Frage: Zum kürzlichen 90. Jahrestag der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und den USA erklärte das Außenministerium, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern „jederzeit abgebrochen werden könnten“. Sie sagten vorhin, dass eine der möglichen roten Linien die Konfiszierung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte sein könnte. Ist diese Erklärung nun eine Linie, nach der die Aufrechterhaltung der Beziehungen unmöglich wird? Gibt es noch andere Auslöser, die für uns mit der weiteren Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und den USA unvereinbar wären?

Rjabkow: Die russisch-amerikanischen Beziehungen sind im Grunde in einen komatösen Zustand verfallen und das ist die Schuld Washingtons, das eine falsche und gefährliche Haltung nicht nur formuliert, sondern auch doktrinär und konzeptionell gefestigt hat, um Russland eine strategische Niederlage zuzufügen. Ich kann nicht ausschließen, dass Washington irgendwann in der Zukunft, wenn es keine Änderung der Einschätzung der Geschehnisse in der Welt und speziell in Russland und der Ukraine gibt, nicht über das „Nahezu-Null“-Niveau, auf dem sich die Beziehungen jetzt befinden, hinausgehen wird. Das heißt, es wird tatsächlich eine offizielle Reduzierung der diplomatischen Präsenz in Moskau bzw. Washington oder sogar einen vollständigen Abbruch anstreben. Für uns wäre das nicht unerwartet.

Noch hüten sich die Amerikaner davor, alles bis auf die Grundmauern zu zerstören, aber sie sind nicht bereit, auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite fair zu verhandeln, nicht mal in der Theorie. Das bestehende prekäre Gleichgewicht im russisch-amerikanischen Dialog und die bruchstückhafte Arbeit an bestimmten, sehr eng gefassten Themen kann durch die Rücksichtslosigkeit Washingtons und insbesondere der dort derzeit regierenden Administration jederzeit zerstört werden.

Natürlich sind die diplomatischen Beziehungen selbst kein Totem, das angebetet werden muss, oder eine heilige Kuh, die von allen gehegt und gepflegt werden muss. Aber wir werden nicht die Initiative ergreifen, um sie abzubrechen. Es entspricht nicht unseren Regeln, so zu handeln, auch nicht, weil wir verstehen, dass Russland und die USA eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit und strategischen Stabilität spielen. Was den Auslöser für eine mögliche Konfrontationsrunde mit dem Potenzial für einen Abbruch der Beziehungen angeht, so könnte der Auslöser die Beschlagnahme von Vermögenswerten, eine weitere militärische Eskalation und vieles andere sein. Ich möchte mich hier nicht auf negative Prognosen einlassen. Ich sage das alles nur, damit klar ist, dass wir auf jedes Szenario vorbereitet sind, und die USA sollten sich nicht der Illusion hingeben, dass Russland, wie sie es nennen, die diplomatischen Beziehungen zu diesem Staat mit beiden Händen festhält.

Frage: Nun, wenn wir auf alle Optionen vorbereitet sind, dann denke ich, dass wir die guten Optionen in Betracht ziehen.

Rjabkow: Unter anderem ja.

Frage: Ist die Wiederherstellung oder zumindest die Rückkehr zur Normalität in den russisch-amerikanischen Beziehungen nach unseren Prognosen eine Frage von Jahrzehnten, oder ist es immer noch möglich, dass das noch zu unseren Lebzeiten geschehen könnte?

Rjabkow: Für mich ist offensichtlich, dass wir uns in einer langen historischen Periode des zumindest tiefen Einfrierens der bilateralen Beziehungen befinden. Und dieses Konfrontationspotenzial, diese Konfrontationsladung, ist so groß, dass es sehr schwierig sein wird, sie loszuwerden. Das Problem ist, dass es für die herrschenden Kreise in den USA extrem schwierig ist, sich mit der veränderten Weltordnung zu arrangieren. Und viele von ihnen sind organisch einfach nicht in der Lage, sich vom Denken in der eigenen Überlegenheit zu lösen.

Immer mehr Staaten in der Welt sind nicht geneigt, Washington nachzuplappern. Ich spreche nicht mal von der Stimmung in den gesellschaftlichen und politischen Kreisen vieler Länder, auch nicht in denen, die seit langem zu den verlässlichen Verbündeten Washingtons gehören. Wir wollen keine Luftschlösser bauen und keine außenpolitischen Gewinnspiele veranstalten, bei denen es darum geht, wann, wer und wo etwas gewinnen oder durchsetzen kann. Wir sind von unserer eigenen Stärke und der Richtigkeit unseres Kurses überzeugt. Wir bieten den Amerikanern eine vernünftige und meines Erachtens heute einzig mögliche Formel für ein friedliches Zusammenleben an, wo Dialog und Kooperation möglich sind. Offensichtlich ist das nicht in allen Fragen möglich, sondern nur in bestimmten Bereichen, aber auch das ist bedingt und hängt weitgehend davon ab, ob die regierenden und politikgestaltenden Kreise in Washington in der Lage sind, unsere nationalen Interessen tatsächlich anzuerkennen und ernsthaft zu verhandeln.

Unsere Position, gestützt auf unsere Entschlossenheit, unsere Ziele zu erreichen, sollte Washington letztlich zu der Einsicht bringen, dass ein Umdenken notwendig ist und dass die Suche nach einem Kompromiss auf der Schiene der Beziehungen zu Russland der einzige realistische Weg nach vorn ist.

Frage: Im Jahr 2026 wird der START-Vertrag nicht mehr existieren. Ist es unter den gegenwärtigen Umständen möglich, wenn nicht einen Vertrag zu entwickeln, der START ersetzt, so doch zumindest einige Übergangsvereinbarungen, um ein Vakuum in diesem Bereich zu vermeiden? Und wie können wir das Szenario eines Abstiegs ins Chaos in diesem Bereich der Rüstungskontrolle verhindern?

Rjabkow: Wir haben diesen Zeitrahmen natürlich im Auge. Wir sind uns durchaus bewusst, dass es ab Februar 2026 ein Vakuum in diesem Bereich geben wird. Der Prozess der Deregulierung der START-Sphäre ist ja bereits eingeleitet worden. Ich kann nur sagen, dass die angesammelte kritische Masse der zerstörerischen Aktionen Washingtons es uns unmöglich gemacht hat, den START-Vertrag zu erfüllen, mit Ausnahme der Einhaltung der zentralen quantitativen Beschränkungen für Sprengköpfe und Trägersysteme. Die Aussetzung des START-Vertrags unsererseits ist absolut legitim. Und der Hauptgrund für diesen Schritt ist der Kurs der USA, Russlands Sicherheit an allen Fronten zu untergraben. Die zutiefst anti-russische Politik Washingtons ändert sich nicht und wird nicht abgeschwächt. Washington blockiert weiterhin den Weg zum Dialog über neue Abkommen, die den START-Vertrag ersetzen könnten. Wir sehen keine Möglichkeit, die Rüstungskontrolle für Atomraketen irgendwie von dem negativen militärpolitischen Hintergrund zu „isolieren“, einschließlich des allgemein schlechten Zustands der Beziehungen zwischen Russland und den USA.

Was die Aufgabe angeht, eine endgültige Chaotisierung der strategischen Sphäre zu verhindern, so gibt es ein gewisses Potenzial für die Aufrechterhaltung eines akzeptablen Niveaus an Vorhersehbarkeit und Zurückhaltung, insbesondere durch die Umsetzung einseitiger Schritte.

In den letzten Jahren hat Russland wiederholt auf diese Mechanik zurückgegriffen. Neben der erwähnten Entscheidung, die im START-Vertrag festgelegten quantitativen Werte einzuhalten, möchte ich das Moratorium für die Stationierung bodengestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen erwähnen sowie unsere bekräftigte Absicht, die beiden Vereinbarungen mit den USA über die Notifizierung von Starts ballistischer Raketen bzw. von größeren strategischen Manövern weiterhin einzuhalten. Was in diesen Bereichen geschehen wird, hängt auch von den Maßnahmen der USA ab. Ich glaube nicht, dass es heute irgendwelche Elemente in der Herangehensweise der US-Seite gibt, die Anlass geben, über das Entstehen einer realen Perspektive für den Aufbau von etwas Neuem zu sprechen, auch auf der Grundlage des bevorstehenden Auslaufens des START-Vertrags.

Frage: Das heißt, dass wir für die Zeit nach 2026 nicht die Möglichkeit einer Art gemeinsamen Dokuments in Betracht ziehen, um irgendwie die Verpflichtung zu quantitativen Werten zu dokumentieren?

Rjabkow: Der Vertrag selbst sieht eine einzige Verlängerung vor und diese Verlängerung wurde nur wenige Tage vor Ablauf der ursprünglichen Zehnjahresfrist umgesetzt. Damals war die Situation eine völlig andere. Jetzt haben wir den Vertrag ausgesetzt, weil wir unter den Bedingungen des total anti-russischen Kurses der USA und der Führung eines hybriden Krieges gegen uns keine andere Möglichkeit sehen. Wenn es in der nächsten Zeit keine Änderungen an diesem Plan gibt, wird es keinen Vertrag geben, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird es auch keine anderen Dokumente oder Beschlüsse geben, die als Ersatz für den Vertrag dienen könnten. Wir signalisieren den Amerikanern, dass sie, wenn sie daran interessiert sind, einen gewissen Rahmen der Vorhersehbarkeit und Stabilität in diesem Bereich zu gewährleisten, anfangen sollten, an ihren eigenen Fehlern zu arbeiten und ihre Politik gegenüber Russland insgesamt zu ändern. Ohne das wird nichts funktionieren.

Frage: Änderungen in der amerikanischen Politik?

Rjabkow: Auf jeden Fall.

Frage: Wie nahe stehen die Amerikaner Ihrer Einschätzung nach davor, landgestützte Raketen, die gemäß dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verboten sind, auf dem Gebiet Europas und der asiatisch-pazifischen Region zu stationieren? Könnte die Weigerung der USA, den KSE-Vertrag zu erfüllen, ihre Pläne zur Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa beschleunigen, und sind wir bereit, so bald wie möglich eine spiegelbildliche Antwort zu geben? Haben wir in unserem Arsenal alles, was wir dazu brauchen? Gerade haben die Amerikaner eine Raketenabwehrbasis in Polen in Betrieb genommen und wir haben immer gesagt, dass die Aegis, die dort stationiert werden, nicht nur zur Raketenabwehr dienen, sondern auch zum Abschuss von Marschflugkörpern, die durch den Vertrag über Kurz- und Mittelstreckenraketen verboten wurden. Sehen wir die Eröffnung dieses Stützpunktes nicht als ein Signal, dass es für uns an der Zeit ist, auch zu reagieren?

Rjabkow: Nach dem Eifer zu urteilen, mit dem die USA auf die praktische Umsetzung ihrer Pläne für die schnellstmögliche Stationierung landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen hinarbeiten, war die nicht vollendete Entwicklung fortgeschrittener Waffen der entsprechenden Klasse durch den militärisch-industriellen Komplex der USA fast das einzige Hindernis auf diesem Weg. In jüngster Zeit haben die Amerikaner jedoch echte Fortschritte in diesem Bereich gemacht und einige Elemente solcher Waffen tauchen bereits sporadisch außerhalb des Staatsgebiets der USA, insbesondere in Europa, auf. In den letzten Tagen wurde viel darüber gesprochen, dass die Stationierung solcher Systeme im asiatisch-pazifischen Raum kurz bevorsteht.

Ich möchte betonen, dass wir alle diese amerikanischen Vorbereitungen aufmerksam verfolgen und darauf hinweisen, dass das einseitige russische Moratorium, das ich bereits erwähnt habe, in engem Zusammenhang mit dem Auftauchen von landgestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen aus US-Produktion in den betreffenden Regionen steht. Es sollte keinen Zweifel an unserer Entschlossenheit geben, die materielle Antwort Washingtons zu spiegeln. Nach der Entwicklung der Ereignisse zu urteilen, rückt der Zeitpunkt näher, an dem die notwendigen politischen Entscheidungen in Moskau unverzüglich getroffen werden können. Unsere Antwort wird nicht lange auf sich warten lassen.

Was die Raketenabwehrbasis in Redzikowo und die Tatsache betrifft, dass es den Vertrag über das Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen nicht mehr, er wurde von den Amerikanern zerstört, als sie der Meinung waren, dass dieser Vertrag ihre Pläne zum Bau solcher Waffen und zu ihrer Stationierung in verschiedenen Regionen der Welt zu behindern begann; daher ist es durchaus möglich, dass die von Ihnen erwähnten Mittel, die zuvor durch diesen Vertrag verboten waren, auf dieser Basis auftauchen könnten. Wir berücksichtigen das natürlich, auch in unserer eigenen militärischen Planung. Im Übrigen möchte ich sagen, dass, wie die Amerikaner selbst zugeben, nicht nur Tomahawk-Marschflugkörper, die für den Einsatz von bodengestützten Abschussvorrichtungen angepasst sind, sondern auch Flugkörper anderer Klassen – Angriffswaffen – durchaus die MK-41-Universalabschussvorrichtungen nutzen können, mit denen die Aegis-Ashore-Systeme ausgestattet sind, einschließlich der auf der von Ihnen erwähnten Raketenabwehrbasis. Der Kurs auf die Universalisierung der Abschussvorrichtungen und die Fähigkeit, die Waffen je nach Aufgabenstellung zu wechseln, ohne die sogenannte grundlegende Infrastruktur zu verändern, ist sehr typisch für den amerikanischen Ansatz bei militärischen Aktivitäten. Aber es gibt hier keinen Zusammenhang mit der Aussetzung des KSE-Vertrags durch die Amerikaner. (Anm. d. Übers.: Worum es bei der US-Raketenabwehr und den MK-41-Abschussvorrichtungen geht, können Sie hier nachlesen)

Frage: Haben wir etwas auf die anhaltenden und zunehmenden Waffenlieferungen der Amerikaner an die Ukraine zu antworten?

Rjabkow: Die Palette der Waffen und Ausrüstungen, die in die Ukraine geliefert werden, wird immer größer. Wir erinnern uns, dass alles mit Panzerabwehrraketensystemen und tragbaren Boden-Luft-Raketensystemen begann und nun Kriegsschiffe, Flugzeuge und Raketen mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern erreicht hat. Wir wollen die damit verbundenen Gefahren nicht verharmlosen.

Erstens setzt das Regime in Kiew die Waffen, die es erhält, in krimineller Weise gegen die Zivilbevölkerung in Gebieten ein, die legal und rechtmäßig Teil der Russischen Föderation geworden sind, sowie gegen zivile Infrastruktur. Offensichtlich geschieht das zur Einschüchterung und zur sogenannten kollektiven Bestrafung.

Zweitens bleibt ein beträchtlicher Teil der in die Ukraine eingeführten Rüstungsgüter nicht dort, sondern gelangt in den illegalen Umlauf und wird auf den Waffenschwarzmarkt in verschiedenen Regionen der Welt geschmuggelt. Zu den jüngsten Beispielen gehört dr Nahen Osten, wo ebenfalls Waffen aus der Ukraine aufgetaucht sind.

Drittens trägt der Westen mit der Lieferung immer ausgefeilterer und tödlicherer Systeme an die Ukraine nicht nur zur Eskalation des Konflikts bei, sondern wird selbst tiefer in den Konflikt hineingezogen und riskiert eine direkte militärische Auseinandersetzung mit Russland.

So wird beispielsweise die Frage der Weitergabe von F-16-Flugzeugen an die ukrainischen Streitkräfte diskutiert. Das extreme Risiko dieses Transfers liegt auf der Hand, zumal einige der Flugzeuge dieses Typs für den Einsatz von Atomwaffen zugelassen sind. Darüber hinaus gibt es angesichts der schweren Schäden an den Flugplätzen, auf denen die Flugzeuge in der Ukraine stationiert sind, Überlegungen, sie vom Hoheitsgebiet der benachbarten NATO-Mitgliedstaaten aus einzusetzen. Wir warnen die Schirmherren und Sponsoren des Kiewer Regimes so ernsthaft wie möglich vor den möglichen schlimmen Folgen einer solchen Kehrtwende.

Gleichzeitig sind die Hoffnungen Kiews auf eine Art Wunderwaffe vergebens. Die Erfahrung zeigt, dass unsere Streitkräfte schnell wirksame Gegenmaßnahmen finden: Vom Westen gelieferte Panzer verbrennen, Flugzeuge werden abgeschossen, Raketen und Drohnen verfehlen ihr Ziel, werden abgefangen, Munition wird in den Lagern zerstört – das wird auch weiterhin so sein. Keine NATO-Waffe, auch nicht die modernste, wird den Kurs der Militäroperation ändern, ihre Ziele werden erreicht werden.

Frage: Als der russische Präsident neulich die Information kommentierte, dass Moskau einen Vorschlag der USA zum Gefangenenaustausch abgelehnt hat, sagte er, dass wir diese Frage unter gegenseitigen Bedingungen prüfen werden. Bedeutet das, dass wir den Amerikanern einen Gegenvorschlag zu dem gemacht haben, womit wir nicht zufrieden waren, und beeinflusst die Situation in unseren Beziehungen insgesamt den Verlauf der Verhandlungen über den Gefangenenaustausch?

Rjabkow: Die Frage des Austauschs von Bürgern, die in Russland und den USA Haftstrafen verbüßen, ist äußerst heikel. Entscheidungen in diesem Bereich werden oft durch die rege öffentliche Diskussion behindert. Die amerikanischen Medien insgesamt sind auf Geheiß der derzeitigen Regierung geradezu damit beschäftigt, diese Geschichten auszukosten. Über die Geheimdienste werden Kontakte hergestellt, die in der Vergangenheit bereits zu Ergebnissen geführt haben, und mehrere unserer Bürger sind aus den USA, wo sie lange, irrsinnige Haftstrafen verbüßt haben, zurückgekehrt. Es ist interessant, dass die Teilnehmer an diesen Kontakten von amerikanischer Seite aus auf völliger Vertraulichkeit bestehen, auch wir halten uns an diese Linie, aber dann gibt es gewisse Wendungen, wenn das Weiße Haus regelmäßig „Leaks“ organisiert und beginnt, sensible Themen im öffentlichen Raum zu diskutieren. Die konkreten Schicksale der Menschen werden nicht berücksichtigt, PR-Erwägungen haben Vorrang. Ich denke, die Antwort des russischen Präsidenten an die Journalistin der New York Times, dass wir trotz allem auf einen Kompromiss hoffen, aber die amerikanische Seite uns zuhören und die russischen Interessen respektieren muss, deckt die aktuelle Situation umfassend ab.

Die Kontakte wurden nicht ausgesetzt, sondern verlaufen nach diesem Algorithmus. Das ist kein Zeitplan, sondern der Rahmen für die Erörterung dieser Fragen, der sich logischerweise aus dem Inhalt der hypothetischen Pläne ergibt. Darauf kann ich nicht eingehen.

Frage: Hemmt der gegenwärtige Stand der Beziehungen diese Prozesse?

Rjabkow: Hier, wie in vielen anderen Bereichen, sehen wir den traditionellen Wunsch der Amerikaner, mehr für sich selbst zu bekommen und das Minimum zu geben, wie man sagt. Aber wir sprechen hier über die Schicksale von Menschen, die sich wirklich in extrem schwierigen Lebenssituationen befinden, so dass es im Prinzip unmöglich ist, in der Öffentlichkeit eine Abwägung vorzunehmen. Es ist ein sehr schwieriger Prozess, selbst wenn er vertraulich hinter verschlossenen Türen durchgeführt wird. Das ist charakteristisch für die Amerikaner insgesamt, diese Eigenschaft beherrscht ihre Herangehensweise an jedes Thema, und zwar nicht nur mit uns, sondern auch mit anderen wichtigen Akteuren, mit ihren Verbündeten, sicherlich mit allen. Das ist wie eine Charaktereigenschaft, ein Charakterzug, der Wunsch, so viel wie möglich zu bekommen und so wenig wie möglich zu geben, der charakteristisch ist für viele Menschen, aber besonders für die Amerikaner.

Frage: Kürzlich trafen sich die Staats- und Regierungschefs der USA und Chinas und es hieß, sie hätten unter anderem über die Frage der Rüstungskontrolle gesprochen. Was halten wir von dieser Tatsache und gibt es Befürchtungen, dass China in gewissem Maße und irgendwann zwischen Russland und den USA wählen muss, und dass diese Wahl nicht zu unseren Gunsten ausfallen könnte?

Rjabkow: Ich halte es für falsch, diese Frage überhaupt so zu stellen: China ist eine Großmacht, die in verschiedenen Bereichen eigene Interessen und klar definierte Prioritäten hat. China handelt in seinen Beziehungen zu den USA genauso souverän wie wir. In dieser Hinsicht ist die Herangehensweise absolut identisch: Wir bestimmen selbst, mit wem und zu welchen Themen wir Kontakte und Konsultationen haben wollen, und China tut das auch. Angesichts des hohen Niveaus unserer Beziehungen zu Peking behandeln wir die jeweiligen Schritte des anderen mit unbedingtem gegenseitigem Respekt. Wir sehen kein Problem darin, dass Peking und Washington den Dialog über bestimmte Fragen der Rüstungskontrolle wieder aufgenommen haben, der vor einigen Jahren ausgesetzt wurde. Das untergräbt oder verletzt in keiner Weise die russischen Interessen. Schon allein deshalb, weil wir selbst eine sehr intensive, strukturierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit China in einem breiten Spektrum internationaler Sicherheitsfragen, einschließlich Fragen der Rüstungskontrolle, aufgebaut haben und mit der Qualität und Effektivität dieser Arbeit vollauf zufrieden sind.

Frage: Das Außenministerium hat bereits über die Pläne gesprochen, sich auf die Entwicklung der Beziehungen zum globalen Süden zu konzentrieren. Wird das Außenministerium die diplomatischen Vertretungen in Lateinamerika ausbauen, neue Konsulate eröffnen? Gibt es Pläne, unsere Botschaften in den USA und Kanada und die entsprechenden Abteilungen im Außenministerium zu reduzieren?

Rjabkow: Nach unserem Verständnis ist Lateinamerika und die Karibik eine eigenständige zivilisatorische Schicht, eines der Zentren des neuen Weltsystems, das sich gerade bildet. Selbst in der gegenwärtig sehr turbulenten geopolitischen Lage erhalten wir aus vielen lateinamerikanischen Hauptstädten Signale, dass die Partnerschaft mit Russland trotz der vom Westen auferlegten Hindernisse erhalten und ausgebaut werden muss. Politischer Dialog, Wirtschaft, zwischenmenschliche Kontakte, Tourismus, Zusammenarbeit auf internationalen Plattformen, einschließlich der UNO und, mit einigen von ihnen, in der G20 und den BRICS. All das ist ein Verdienst unserer Beziehungen zu Lateinamerika. Keiner der lateinamerikanischen Staaten hat sich der Politik der anti-russischen Sanktionen angeschlossen. Wir unsererseits sind bereit für das Niveau und den Umfang der Beziehungen, für die diese Länder selbst bereit sind.

Was den Ausbau bestehender russischer Auslandsvertretungen, sowohl von Botschaften als auch von Generalkonsulaten, und die Eröffnung neuer Vertretungen betrifft, so ist das durchaus möglich, wenn unser Partner – der Akkreditierungsstaat – ein entsprechendes Interesse daran hat. Wir werden daran arbeiten, auch wenn es nicht billig ist, denn seien wir ehrlich, die Region ist geografisch abgelegen, aber wir werden trotzdem weiter daran arbeiten. In den letzten Jahren hat sich unsere diplomatische Präsenz etwas verstärkt, auch in den Reisezielen, die vom Standpunkt des russischen Tourismus aus gesehen beliebt sind. Aber wir stehen in dieser Hinsicht noch am Anfang des Weges. Ich sehe keinen direkten Zusammenhang mit der Neuausrichtung des Personals oder anderer Ressourcen oder Personalpläne in den von Ihnen erwähnten nordamerikanischen Ländern, aber auch in diesem Bereich sind Anpassungen und Reformen im Gange. Diese Anpassung muss nicht publik gemacht werden; wir führen diese Arbeit in einem funktionierenden System durch und haben sie bereits bis zu einem gewissen Grad abgeschlossen.

Was die Zahl unserer diplomatischen Vertretungen in den USA und in Kanada betrifft, so waren wir in den letzten Jahren leider Zeuge einer endlosen Flut anti-russischer Äußerungen, auch in Form von Einschränkungen der Fähigkeit, das erforderliche Maß an diplomatischer Präsenz zu gewährleisten, und in Bezug auf die Funktionalität der Reisen unserer Diplomaten in diese Länder. Das sind rein feindselige Maßnahmen, die von den Amerikanern und Kanadiern ergriffen wurden. Wir sind gezwungen, spiegelbildlich zu reagieren, wir haben immer wieder vorgeschlagen, diese Abwärtsspirale von gegenseitigen Aktionen und Gegenaktionen zu stoppen, aber bisher können wir noch nicht einmal von einer relativen Stabilisierung in diesem Bereich sprechen.

Frage: Die Anpassung ist im Gange, Sie meinen die Anpassung der entsprechenden Abteilungen im Außenministerium?

Rjabkow: Ja.

Frage: Wurde der Zeitplan für die Treffen im Rahmen der russischen Koordinierung in der fünf Nuklearmächte für das kommende Jahr bereits bestätigt?

Rjabkow: Wir haben einen ungefähren Zeitplan. Im ersten Quartal findet die Hauptveranstaltung statt, danach wird es mehrere thematische Kontakte geben, auch unter Einbeziehung junger Fachleute, das ist die Praxis der fünf Nuklearmächte. Abschließen werden wir das auf der zweiten Sitzung des Vorbereitungsausschusses für die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im August.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

9 Antworten

  1. Wie bringt man einen Lügner zur Wahrheit?
    Indem man ihn offen und Sinnlos belügt, der Lüge wegen!

    Was wäre eine echte Gegensanktion?
    Wenn Russland aufhören würde die „Urheberrechte“ feindlicher Staaten u schützen.

    Dies würde die Digitalwirtschaft tief treffen, mit KI Technologie wird das sehr einfach werden.
    Wie hält man den Dieb davon ab dich zu bestehlen?

    Indem offen darüber gesprochen wird, über ein umlaufgesteuertes Vollgeld nachzudenken, den Rubel dahingehend zu verändern!

    China hat die Vorbereitung dazu abgeschlossen und amerikanisches Militär hängt am Dollar.
    Wenn du mich ausraubst so werde ich deine Vermögen auflösen!

    1. Ich hab Ihre ersten beiden Sätze absolut nicht verstanden und sofort bedacht: ich bin nur einfach zu blöd.

      Deshalb habe ich mich bei allen weiteren SIEBEN! besonders tapfer angestellt!
      Ergebnis: ich bin saublöd …

  2. Spiegelbildlich? Warum sollte Russland nicht doch auch mal voran gehen? Warum finde ich Russland ist immer noch zu nachsichtig, geduldig und gutmütig?
    Es begann mit dem XX. Parteitag der Sowjetunion. Der Antikommunist Chruschtschow wollte Gleicher unter Gleichen mit den Usa und Freund sein. Doch Russland sollte endlich zurück zur Politik Lenins und Stalins, den besten Staatschef die es je in der Menschheitsgeschichte gab. SIE erkannten die Ziele und die Feindlichkeit der kapitalistischen Imperialisten und sie handelten, vervielfachten die Wirtschaftleistung und Lebensmittelversorgung, sorgten für Wohlstand, Fortschritt, Bildung. Nebenbei enteigneten sie Rothschilds, Rockefellers, JPMorgan und alle anderen Oligarchen.

    Chruschtschow und die Amnestie seiner faschistischen Landsleute
    https://sascha313.wordpress.com/2023/12/21/117184/

  3. Mal zum Mitschreiben. Rjabkow findet es äußerst wichtig, dass bestimmte Themen (hier der Gefangenen- oder richtiger formuliert Geiselaustausch) zwischen Geheimdiensten abgesprochen und in Hinterzimmern entschieden werden. So, dass die Bevölkerung nichts mitbekommt.
    Dann beschwert er sich über die USA, die eben solche Themen in den Medien – fürs Volk – öffentlich macht.
    Ein wahrer Vorzeigedemokrat, der wohl auch dagegen ist die – seiner Ansicht nach unmündige – russische Bevölkerung über die eigenen Verluste im Ukraine Krieg zu informieren.
    Ach ja, die Verluste gehen dem Volk ja nichts an. Es reicht ja, wenn die Geheimdienste, die Hinterzimmer, die Oligarchen und der Kreml informiert sind.

    1. Das russische Volk erwartet eine funktionierende Diplomatie und keinen vorlauten Pimpf wie Maas und keine Krähe wie Baerbock. Dazu gehört, daß gewisse Dinge vertraulich und diskret geregelt werden. Jedenfalls scheinen die Russen mit der Diplomatie ihres Präsidenten und seiner Regierung zufrieden zu sein.

      Hier der Empfang des Rossijskij Prezident auf Staatsbesuch.
      https://youtu.be/2PQULYysXPE

      Der wird nicht eine halbe Stunde auf der Treppe vergessen wie unserer dort in der Gegend.

    2. @Logik Fan
      Mit Logik haben Ihre Ausführungen wenig zu tun: Medien-gestützte Diplomatie hat noch nie funktioniert, denn öffentliche Diplomatie erlaubt keine offenen und ehrlichen Verhandlungen.
      Jegliche Art von Austausch zwischen derart gegensätzlichen Ländern wie derzeit RU und USA können nur in Gang gesetzt werden, wenn diese zuvor im Geheimen starten, ohne dass Spatzengebrüll, wie es auch Ihres darstellt, diese Verhandlungen beenden, bevor sie richtig begonnen haben.
      „Ein wahrer Vorzeigedemokrat, der wohl auch dagegen ist die “ – ist das jetzt Wissen oder Vermutung? Ich tippe mal: blindes Behaupten auf Stammtisch-Niveau.

  4. Ich kann immer mehr verstehen,dass die Amerikaner viel Angst vor den Russen haben,denn so wie die Russen mit den tiefgreifenden Fragestellungen umgehen zeigt,auf wessen Seite die wirkliche Diplomatie betrieben wird,und die Welt merkt es zunehmend .
    Entweder der Hegemon gewöhnt sich an den Gedanken ,dass die erpresserische Dominanz anderer Länder vorbei ist,oder er wird an seiner Hybris zugrunde gehen,was für den Weltfrieden nur gut wäre.

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