Haftbefehl gegen Netanjahu?

Die Doppelmoral des Westens bei Haftbefehlen des Internationalen Strafgerichtshofes

Die Reaktion des Westens auf Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zeigt ein weiteres Mal die Doppelmoral des Westens auf.

Die ganze Welt ist Zeuge von Israels Vernichtungskrieg in Gaza, bei dem bisher mehr als 34.500 Palästinenser getötet und mehr als 77.500 verletzt wurden. Der Internationale Strafgerichtshof prüft, ob er gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und andere hochrangige Vertreter Israels Haftbefehle ausstellen wird. Die westliche Reaktion ist bezeichnend.

Die israelischen Kriegsverbrechen

Der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) prüft Anklagen gegen eine Reihe hochrangiger Vertreter Israels inklusive des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu. Dabei geht es um das israelische Vorgehen in Gaza, bei dem offensichtlich bewusst massenhaft zivile Ziele und Zivilisten bombardiert werden. Alleine in den letzten Tagen wurde gemeldet, dass das Gesundheitssystem im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 430 Mal angegriffen wurde, wobei mehr als 720 Menschen wurden getötet und mehr als 920 verletzt wurden. Außerdem wurden bei einem von Israel besetzten Krankenhaus nach dem israelischen Abzug viele Leichen mit Kopfschüssen und Folterspuren und sogar mit Hinweisen auf illegale Organentnahmen gefunden.

Hinzu kommt die israelische Hungerblockade des Gazastreifens, die fast 600.000 Menschen mit dem Hungertod bedroht, weil Lebensmittel, Wasser und Medikamente fehlen, die bereitstehen, aber aufgrund der israelischen Blockade nicht nach Gaza geliefert werden können.

Brisant ist die Lage auch in der Stadt Rafah, in die hunderttausende Palästinenser vor dem israelischen Angriffen geflohen sind und die Israel stürmen will. Gegenwärtig befinden sich etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge in der Stadt, in der ursprünglich nur etwa 300.000 Menschen lebten. Israels Pläne, die Stadt anzugreifen, haben sogar zu Kritik der USA geführt, weil die internationale Reaktion auf so einen Massenmord mit direkter oder indirekter Unterstützung der USA das internationale Ansehen der USA selbst schwer beschädigen würde, während die USA eigentlich im globalen Süden politisch gegen Russland und China punkten wollen.

Israel und die USA

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat Joe Biden nun gebeten, den IStGH daran zu hindern, einen Haftbefehl gegen die israelische Führung zu erlassen. Gerüchten ist auch ein Haftbefehl gegen den israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant im Gespräch, der für den brutalen israelischen Angriff verantwortlich ist.

Die USA, die dem IStGH selbst nicht beigetreten sind, haben den Richtern und Staatsanwälten des IStGH schon 2020 mit Sanktionen gedroht, sollte der IStGH gegen US-Bürger wegen Kriegsverbrechen beispielsweise in Afghanistan ermitteln. Daher kann Netanjahu durchaus auf US-Unterstützung hoffen.

Axios zitiert eine Quelle im Weißen Haus daher wenig überraschend mit den folgenden Worten:

„Wir haben uns sehr klar über die IStGH-Untersuchung geäußert. Wir unterstützen sie nicht. Wir glauben nicht, dass sie Jurisdiktion haben.“

Die westliche Doppelmoral

Die USA bestreiten demnach, dass der IStGH überhaupt zuständig ist, und dass er daher keine Haftbefehle gegen Vertreter Israels wegen des Vorgehens in Gaza ausstellen darf. Das dürfte auch für die Bundesregierung gelten, die sich zuvor klar dafür ausgesprochen hat, Haftbefehle des IStGH konsequent zu vollstrecken. Allerdings ging es dabei um den Haftbefehl des IStGH gegen den russischen Präsidenten Putin. Bei Netanjahu dürften die Erklärungen der Bundesregierung anders klingen, sollte es zur Ausstellung eines Haftbefehls kommen.

Nur der Vollständigkeit halber erinnere ich daran, dass der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin auf sehr merkwürdige Weise zu Stande gekommen ist, bei Interesse können Sie das hier nachlesen.

Wo ist der IStGH zuständig?

Der Spiegel hat über die Frage, ob der IStGH für die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza zuständig ist, einen Artikel geschrieben, in dem wir erfahren:

Israel ist kein Vertragspartner – die PA schon
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ermittelt bereits seit 2021 zu Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten – kurz zuvor hatte das Gericht seine Zuständigkeit für das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem angenommen. Israel ist dem 1998 gegründeten Gerichtshof nie beigetreten – die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hingegen im Jahr 2015. Der IStGH ermittelt nicht gegen Staaten, sondern gegen Individuen. So kann er auch gegen israelische Offizielle ermitteln, sofern sie mutmaßlich Verbrechen auf dem Boden einer Vertragspartei begangen oder angeordnet haben. Und somit auch gegen Netanyahu.“

Der IStGH ist also für die israelischen Kriegsverbrechen zuständig. Dass der IStGH ein Machtinstrument des Westens und kein „echter“ Gerichtshof ist, habe ich schon öfter aufgezeigt. Allerdings haben sowohl der Westen als auch der IStGH jetzt ein Problem, denn wenn der IStGH bei den offensichtlichen Kriegsverbrechen der israelischen Führung einfach wegschaut, delegitimiert er sich vor Weltöffentlichkeit, also vor allem im globalen Süden, wo seine Parteilichkeit ohnehin bereits kritisiert wird. Das könnte am Ende dazu führen, dass diese Länder den IStGH verlassen und er seine Autorität verliert.

Das wird am Beispiel der Ukraine deutlich, denn dort ist die IStGH definitiv nicht zuständig, weil die Ukraine das Römische Statut, das die Grundlage des IStGH ist, zwar unterzeichnet aber nicht ratifiziert hat. Da auch Russland dem Römischen Statut nicht beigetreten ist, ist der IStGH für den Konflikt in der Ukraine gar nicht zuständig, denn daran sind keine Mitgliedsstaaten des Römischen Statuts beteiligt.

Dass der IStGH den Haftbefehl gegen Putin trotzdem ausgestellt hat, zeigt, dass er kein „echter“ Gerichtshof, sondern ein Machtinstrument des Westens ist. Und dass die USA die Umsetzung des (illegalen) Haftbefehls gegen Putin fordern, aber im Falle Netanjahus davon reden, der IStGH sei gar nicht zuständig, zeigt die ganze Doppelmoral des US-geführten Westens auf, die die Position des Westens im globalen Süden schwächt.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Möglich wäre, dass das Anrufen des IStGH durch Länder wie Südafrika oder Nigeria, denen vom Westen eigentlich nur Rollen auf der Anklagebank zugedacht waren, als Warnschuss zu verstehen ist. An den Westen, aber auch an den IStGH selbst: entweder, Justitia zieht endlich ihre Augenbinde auf und urteilt auf der Basis von Gesetzen, für alle gleich. Oder man verabschiedet aus dem System. Kaum vorstellbar jedenfalls, dass sich Regierungen des Südens weiterhin als internationale Watschenmänner anfertigen lassen von einem Gericht, dass sich im Wesentlichen als Propagandabühne der NATO versteht.

  2. Wer verstehen möchte, wo die Reise des „Wertewestens“, und hierzu zählt nicht nur die Doppelmoral,
    hingehen soll, dem sei das äußerst interessante Interview von Tucker Carlson mit Aleksandr Dugin ans
    Herz gelegt. Aleksandr Dugin erklärt hier sehr klar und verständlich, was genau der Plan hinter dieser
    Agenda ist.

    Tucker Carlson scheint mehr und mehr zu verstehen, in welchem System er sich befindet und bezeichnet
    es mittlerweile als „horrifying“.

    Klaus Schwab, Transgenderism, and AI | Russian Philosopher Aleksandr Dugin
    https://www.youtube.com/watch?v=GIULmTprQ6o

  3. Ich bin aber sowas von totaaaahl empört! Also wirklich, sowas geht ja mal gar nicht. Hat denn der IstGH nicht einen Klassensprecher dem man das melden kann? Oder einen SMV-Vorsitzenden? Eine schriftliche Protestnote wäre auch eine drakonische Maßnahme. Da hätte der Westen aber nix mehr zu Lachen…

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