Präsidentschaftswahlen in Abchasien

Teil 4: Wofür die Präsidentschaftskandidaten stehen

Am Samstag finden in Abchasien Präsidentschaftswahlen statt, zu denen ich als Beobachter eingeladen wurde. Da über Abchasien wenig bekannt ist, veröffentliche ich eine Artikelserie über das Land.

Über Abchasien ist im Westen kaum etwas bekannt, geopolitisch ist es aber nicht unwichtig. Im November kam es dort zu Unruhen, in deren Folge der Präsident zurücktrat und Neuwahlen beschlossen wurden, die nun stattfinden und zu denen ich als internationaler Beobachter eingeladen wurde.

Daher veröffentliche ich eine 4-teilige über das Land, in der ich über die Geschichte des Landes, die Gründe für die vorgezogenen Wahlen, die geopolitischen Hintergründe und über die zur Wahl stehenden Kandidaten berichten werde. Im ersten Artikel der Serie habe ich über die Geschichte Abchasiens berichtet, im zweiten Artikel ging es darum, wie es zu den vorgezogenen Neuwahlen kam, und im dritten Artikel ging es um die geopolitischen Interessen rund um Abchasien., und in diesem vierten Artikel will ich kurz über die zur Wahl stehenden Kandidaten berichten.

Die Vorgeschichte

Auch wenn ich das schon im zweiten dieser Serie Artikel erzählt habe, will ich hier noch einmal kurz zusammenfassen, wie es zu den vorgezogenen Neuwahlen in Abchasien gekommen ist.

Am 30. Oktober wurde ein Abkommen unterzeichnet, das es russischen Unternehmen ermöglicht, Investitionsprojekte in Abchasien durchzuführen, insbesondere im Wohnungsbau. Das Abkommen über russische Investitionen soll vor allem dem Tourismussektor helfen.

Die Abchasen befürchten, dass russische Firmen nun in Abchasien Landbesitzer werden, Tourismus im großen Stil organisieren und so dem bescheidenen abchasischen Mittelstand das Wasser abgraben. Hinzu kommt die Angst, dass wohlhabende Russen in Abchasien Ferienwohnungen kaufen und die Immobilienpreise in Abchasien dann für die Abchasen selbst unerschwinglich werden.

Eine Reihe von Oppositionspolitikern hat das Abkommen daher mit der Begründung abgelehnt, dass es „den Interessen der abchasischen Bevölkerung zuwiderläuft”. Die Opposition sprach sich dabei klar für die Partnerschaft mit Russland aus, sie spielte jedoch mit den Ängsten der Menschen, was einerseits verständlich ist, andererseits braucht Abchasien aber dringend die Investitionen aus Russland, zumal keine anderen Investoren bereit stehen.

Als Ergebnis der Proteste trat der abchasische Präsident Aslan Bzhania am 19. November zurück; mit ihm traten auch der Premierminister und der Chef der Staatssicherheit zurück.

Zum Verständnis ist es wichtig, dass die Proteste in Abchasien nicht gegen Russland gerichtet waren, sondern gegen das Gesetz, das die abchasische Regierung erlassen hatte. Laut Umfragen sehen über 90 Prozent der Abchasen in Russland ihren wichtigsten Partner.

Die Kandidaten

Badra Gunba

Gunba wurde in der abchasischen Hauptstadt Souchumi geboren. Anfang der 2000er Jahre bekleidete er verschiedene Positionen im Finanzbereich, war stellvertretender Justizminister und Kulturminister. Im Jahr 2020 übernahm er das Amt des Vizepräsidenten von Abchasien. Im Jahr 2024 zwang die Proteste gegen die Regierung ihn zum Rücktritt. In Absprache mit der ehemaligen Führung und der Opposition fungiert Gunba derzeit als amtierender Präsident.

Er war während der Proteste verantwortlich für die Beschaffung von Gummigeschossen, Blendgranaten und Gaskanistern, um die Menschen bei einer Demonstration im Herbst 2024 auseinanderzutreiben, worüber in Abchasien ein detaillierter Tagebucheintrag von Gunba geleakt wurde.

Gunba ist außerdem einer der größten Besitzer von Kryptofarmen: Während einer akuten Energiekrise nutzte er seine offizielle Position, um Abgeordnete persönlich davon zu überzeugen, nicht für ein Gesetz zu stimmen, das das Mining von Kryptopwährungen verbietet.

Trotzdem gilt er als der am besten geeignete Kandidat. In seinem Wahlkampf wirbt er für die Stärkung der russisch-abchasischen Beziehungen und für die Anziehung ausländischer Direktinvestitionen in die Wirtschaft des Landes.

Ein brisantes Thema in Abchasien ist der Bergbau. Er ist bis 2026 verboten, doch das hält die Abchasen nicht davon ab, illegal Bergbau zu betreiben, was die ohnehin instabile Stromversorgung verschlechtert. In Abchasien kommt es immer wieder zu Stromausfällen und die Stromnetze Abchasiens sind ständig überlastet, weil eine große Zahl von illegalen Bergarbeitern den kostenlosen russischen Strom nutzt, den Russland aus humanitären gratis liefert.

Adgur Ardzinba

Ardhinba wurde 1982 im abchasischen Ort Gudauta geboren und hat die Fakultät für Industrie- und Bauingenieurwesen mit Dissertation abgeschlossen. Der Oppositionskandidat präsentiert sich als Kämpfer gegen die Korruption in der Politik, die in Abchasien verbreitet ist. Von ihm stammt die Aussage:

“Wir haben so eine solche Regel, dass eine korrupte Person, die nicht rechtzeitig verhaftet wird, später unweigerlich zu einer politischen Figur wird”

Allerdings ist auch er kein Engel und für seine kriminelle Vergangenheit bekannt. Es geht die Geschichte um, dass er einem Treffen mit Wählern von einem jungen Mann gefragt wurde, warum man Ardzinba „Parasit“ nenne. Ardzinbas Anhänger hätten ihn daraufhin ihn aus dem Saal gezerrt und weggebracht. Angeblich ist er seitdem verschwunden.

Ardzinba ist ein Befürworter der Annäherung an die Türkei und der Entfremdung von Russland. Allerdings mag er laut Medienberichten sowohl russisches als auch türkisches Geld.

Libanon Mikka und Kana Kvarcija

Mikka und Kvarcija gehören wie Ardzinba zu den Befürwortern einer Annäherung an die Türkei. Russland hat ihnen kürzlich die Staatsbürgerschaft entzogen, weil sie zu den aktiven Teilnehmern an den Unruhen in Abchasien im Herbst 2024 gehörten. Als Reaktion darauf bezeichneten sie das Vorgehen Russlands als „Schlag ins Gesicht“ des gesamten abchasischen Staates.

Mikka und Kvarchia sind eher unbedeutende Akteure, der wichtigste Machtkampf wird zwischen Gunba und Ardzinba ausgetragen.

Da die beiden keine detaillierte Beschreibung ihres Wahlprogrammes vorgelegt haben, ist die Wahl im Wesentlichen ein Kampf um den Einfluss Russlands und der Türkei zwischen zwei Hauptkontrahenten.

Die Siegeschancen

Gunba, der prorussische Kandidat, hat bessere Chancen zu gewinnen, da er das größere Vertrauen der abchasischen Bevölkerung genießt. ihm hilft noch etwas anderes, denn in Abchasien gibt es eine große armenische Diaspora, und die Armenier in Abchasien wollen nicht, dass der Einfluss der Türkei in der Region gestärkt wird, wie es einst in Georgien passiert ist. Außerdem sind die Armenier nach der türkischen Unterstützung für Aserbaidschan im Krieg um Bergkarabach generell gegen die Türkei.

Die Türkei wiederum kann nicht direkt eingreifen, da Abchasien ein nicht anerkannter, de facto nicht existierender Staat ist. Aber wie gesehen, hat die Türkei trotzdem Hebel in der Hand.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

8 Antworten

  1. Interessant immer wieder zu sehen – wer welche Interessen hat und wo und warum – wer alles so seinen Zinken in die Angelegenheiten Anderer steckt… – und in der Regel immer über die Köpfe des jeweiligen Volkes hinweg… – dabei wäre ein friedliches Zusammenleben bzw. eine friedliche Ko-Existenz doch sooo einfach!

    Neid und Gier, Macht und Geld/Reichtum – dabei kann doch nach dem Abnippeln keiner was von seinen „Reichtümern“ mitnehmen…..

    1. Die Ägypter waren überzeugt, sie könnten ihre Reichtümer ins Jenseits mitnehmen. Unsere Religion stammt von Leuten, die Unterdrückung und Auszug aus Ägypten als Existenzberechtigung bezeichnen. Warum glauben Sie den Hebräern, nicht den Ägyptern?

      1. Ich glaube gar nichts – ich weis, wenn man mich in die Kiste packt, man mir – wenn ich Glück habe – wenigstens ein Totenhemd anzieht… – alles andere bleibt draußen.
        Und ab ins Reich der Würmer… – die kommen spätestens nach eineinhalb Tagen, von ganz alleine – so der Bestatter.

          1. Kann ich genauso sagen – du irrst… – doch beruht der „kleine Unterschied“ lediglich im Glauben, nicht im Wissen – doch mir soll’s egal sein – wenn das Licht aus ist – ist’s dunkel… – denn nie kam jemand zurück um von einer anderen Welt zu berichten…

  2. Also ist Bergbau verboten. Das ohne Ende Strom ziehende Kryptomining aber nicht.

    Mit Badra Gunba ist also eins der asozialsten Schweine von allen der Favorit auf den lokalen Diktatorenposten, welchem die Probleme mit der Stromversorgung aus reiner Selbstsucht am Arsch vorbeigehen.

    Und pro russisch ist er, logisch wo Russland den Strom doch kostenlos liefert.

    Danke, keine Fragen mehr.

  3. Das Parlament in Abchasien hat 35 Sitze. Vier Sitze gehen an die Partei „Amzachara“, ein Sitz an die Partei „Aitaira“ und je ein Sitz an 30 Unabhängige. Es gibt somit nur eine Partei mit mehr als einem Sitz. Abchasien ist keine parteiische Demokratie.

    Warum kandidieren nicht alle 35? Angesichts der kleinen Schar wäre dies doch logisch.

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