Präsidentschaftswahlen in Abchasien

Teil 1: Die Geschichte Abchasiens

Am Samstag finden in Abchasien Präsidentschaftswahlen statt, zu denen ich als Beobachter eingeladen wurde. Da über Abchasien wenig bekannt ist, veröffentliche ich eine Artikelserie über das Land.

Am Samstag finden in Abchasien Präsidentschaftswahlen statt, zu denen ich als Beobachter eingeladen wurde. Da über Abchasien wenig bekannt ist, veröffentliche ich eine Artikelserie über das Land.

Über Abchasien ist im Westen kaum etwas bekannt, geopolitisch ist es aber nicht unwichtig. Im November kam es dort zu Unruhen, in deren Folge der Präsident zurücktrat und Neuwahlen beschlossen wurden, die nun stattfinden und zu denen ich als internationaler Beobachter eingeladen wurde.

Daher veröffentliche ich eine 4-teilige über das Land, in der ich über die Geschichte des Landes, die Gründe für die vorgezogenen Wahlen, die geopolitischen Hintergründe und über die zur Wahl stehenden Kandidaten berichten werde. In diesem ersten Artikel geht es um die Geschichte des Landes.

Abchasien sieht sich als unabhängigen Staat an, wird aber außer von Russland nur von vier weiteren Staaten international anerkannt. Georgien sieht Abchasien als Teil seines Landes an. In Abchasien leben etwa eine Viertelmillion Menschen, die Abchasen sind eines der unzähligen kleinen Völker des Kaukasus.

Abchasien während der Sowjetzeit

Abchasien ist eine landwirtschaftlich geprägte Region und war bekannt für die Produktion von hochwertigem Tabak, Tee, Zitrusfrüchten, Weintrauben, Gemüse, Getreide und Viehzucht. Auch Kurorte und Tourismus waren für die Wirtschaft Abchasiens immer von großer Bedeutung.

Ursprünglich war Abchasien eine eigene Sowjetrepublik, aber 1931hat Stalin, der bekanntlich Georgier war, Abchasien als autonomes Gebiet der georgische Sowjetrepublik zugeschlagen, was innerhalb des einheitlichen Staates Sowjetunion, wie auch bei der Krim, als sie von Chrustschow, einem Ukrainer, der ukrainischen Sowjetrepublik zugeschlagen wurde, kein großes Problem war. Die wirklichen Probleme begannen in Abchasien, auf der Krim und in anderen Teilen der Sowjetunion erst, als die Sowjetunion in eigenständige Staaten zerfiel.

Schon in der Sowjetzeit wurde das abchasische Gebiet wurde von Georgiern besiedelt und die abchasische Sprache wurde 1950 aus dem Lehrplan der weiterführenden Schulen gestrichen und durch das obligatorische Erlernen der georgischen Sprache ersetzt. Ende der 1980er Jahre lag der Anteil der Abchasen bei 18 Prozent, der der Georgier bei über 45 Prozent.

Im Zuge der fortschreitenden Destabilisierung der Sowjetunion brachen in Abchasien 1989 Massenproteste aus, deren Ziel die Abspaltung Abchasiens von Georgien war. Bei Zusammenstößen zwischen Georgiern und Abchasen in der abchasischen Hauptstadt Sochumi kam es damals zu Toten und Verletzten.

1992, nach dem Zerfall der Sowjetunion, als Abchasien Teil des nun selbständigen georgischen Staates geworden war, flammten die Konflikte wieder auf, als georgische Truppen unter dem Vorwand, einen in Abchasien inhaftierten georgischen Vizepremierminister befreien zu wollen, in Abchasien einmarschierten. Der Konflikt eskalierte zu einem Krieg, in dem Georgien um seine territoriale Integrität und die abchasische Regierung um ihre Unabhängigkeit kämpften. An den Kämpfen beteiligten sich sowohl die georgischen Streitkräfte als auch bewaffnete Verbände verschiedener ethnischer Gruppen in Abchasien, darunter Freiwillige aus dem Nordkaukasus. Der Krieg endete 1993 mit einem abchasischen Sieg und die georgischen Streitkräfte mussten sich vollständig aus dem Gebiet zurückziehen.

Eine ähnliche Geschichte spielte sich gleichzeitig mit dem kleinen Volk der Osseten ab. Schlussendlich kam es in Abchasien und Ossetien zu Waffenstillständen, die von Friedenstruppen der GUS unter Führung der russischen Armee überwacht wurden.

Bei der UN-Generalversammlung 2006 in New York hielt der damalige georgische Präsident, der durch eine Farbrevolution in Georgien an die Macht gekommene Nationalist Michail Saakaschwili, eine zwanzigminütige Rede über die destruktive Rolle Russlands bei der Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens:

„Diese Regionen wurden von unserem nördlichen Nachbarn Russland annektiert, der ihre Einverleibung durch die massenhafte und vorsätzliche Ausgabe russischer Pässe unterstützt und damit gegen internationales Recht verstößt. Ich bezweifle, dass irgendjemand in diesem Saal eine solche Einmischung auf seinem eigenen Territorium dulden würde.“

Georgien machte jedoch nie Vorschläge, wie man den Konflikt mit den abtrünnigen Republiken lösen könnte, weshalb der Status Quo erhalten blieb.

Wladimir Putin erklärte immer wieder, dass die Existenz nicht anerkannter Staaten durch den Willen ihrer Bevölkerung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker bestimmt werden müsse. Dass Russland den Abchasen, und übrigens auch den Osseten, Pässe ausstellte, hatte vor allem den Grund, dass diese Menschen keine georgischen Pässe wollten und ansonsten staatenlos gewesen wären und nicht einmal hätten reisen können.

Am 5. Januar 2008 fand in Georgien, wo der vom Westen unterstützte Nationalist Saakaschwili an der Macht war, parallel zu den Präsidentschaftswahlen ein Referendum über eine NATO-Mitgliedschaft statt, bei dem sich 77 Prozent der Wähler für einen NATO-Beitritt aussprachen. Die russisch-georgischen Beziehungen verschlechterten sich daraufhin zusehends.

Der Kaukasus-Krieg 2008

Im August 2008 startete Saakaschwili in dem Glauben, die USA würden ihn unterstützen, einen Angriff auf Ossetien und die von Russland angeführten GUS-Friedenstruppen. Russland entsandte Truppen, die einen Tag später am Ort der Kämpfe eintrafen. Auch Abchasien griff in den Konflikt ein und startete eine Operation zur Vertreibung der georgischen Truppen.

Der Kaukasuskrieg dauerte nur wenige Tage und endete mit einer vernichtenden Niederlage der georgischen Armee. Westliche Politiker und Medien stellen den Krieg bis heute als russische Aggression und Beleg für einen angeblichen russischen Imperialismus da, obwohl die EU schon 2009 in einem Untersuchungsbericht eindeutig festgestellt hat, dass der Grund für den Krieg der georgische Angriff war, den die EU in dem Bericht als völkerrechtswidrig bezeichnete. Laut der EU war Russlands Vorgehen bestenfalls übertrieben, aber vom Völkerrecht gedeckt.

Am 26. August 2008 unterzeichnete der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew Dekrete, die die Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens auf der Grundlage des freien Willens ihrer Völker anerkennen und sich auf die Charta der Vereinten Nationen, die Erklärung über die Prinzipien des Völkerrechts von 1970, die KSZE-Schlussakte von Helsinki von 1975 und andere wichtige internationale Dokumente berufen. Am 28. August stellte der Ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, Vitali Tschurkin, diese Dekrete in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates vor.

Die Entscheidung Russlands löste im Westen, der Jahre zuvor in einer vergleichbaren Situation die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hatte, Ablehnung aus.

2020 brach in Abchasien eine politische Krise aus, ausgelöst durch die Unzufriedenheit der Opposition mit den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen vom August/September 2019. Diese Unzufriedenheit gipfelte im Januar 2020 in massiven Protesten, die zum Rücktritt von Präsident Raul Chadschimba führten. Die Regierung setzte daraufhin für den 22. März 2020 Neuwahlen an, aus denen Aslan Bzhania als Sieger hervorging und neuer Staatspräsident wurde. Bzhania, der von 2020 bis 2024 abchasischer Präsident war, trat nach den Protesten in Abchasien im vergangenen Herbst zurück, woraufhin die Neuwahlen ausgerufen wurden, zu deren Beobachtung ich nun eingeladen wurde.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

15 Antworten

  1. Die weiter amtierende georgische Regierung sucht ja den Ausgleich mit der Rußl. Föderation. Wenn es dort anders als in der Ukraine gelingt, die Minderheitenrechte der kleinen Völker in der Verfassung „wasserdicht“ zu verankern und gleichzeitig die Einmischungen von EU und NATO (die hat nahe dem Bahnhof von Tbilissi in einer Villa ein „Verbindungsbüro“, warum!?) zu stoppen, spräche nichts gegen die Wiedereingliederung der „abtrünnigen“ Landesteile nach Georgien.

    PS: daß die russische Regierung weiterhin die Chance nicht sieht, wie Georgien auch Japan aus dem antirussischen Block zu lösen, indem sie gegen entsprechende Zusagen die Rückgabe der von Stalin geraubten und für die RF faktisch belanglosen Kurileninseln aushandelt, erschließt sich mir nicht.

        1. @ devi

          Es ist so, dass die Amis die Japaner dazu bringen würden, dass die Amis dort Militär stationieren „dürfen“! Und genau das ist das Problem!
          Russland wird nicht zulassen, dass irgend Jemand die Einsatzfähigkeit der russischen Pazifikflotte gefährdet! Von daher sind diese Inseln, die offiziell russisches Territorium sind, von strategischer Bedeutung!

    1. @ Chris Kuhn

      „die Rückgabe der von Stalin geraubten und für die RF faktisch belanglosen Kurileninseln“ …
      Komiker! … Wenn du über die Historie nichts weisst, dann lasse solche Kommentare!

      „von Stalin geraubt“ … Lass mich raten! … Du bist ein Wessi, der NICHTS über den Krieg im Pazifik weiss!

      Würde Japan diese Inseln für die Amis sperren, ganz offiziell, dann hätte die RF kein Problem, die Inseln zurückzugeben! Aber Japan hat noch immer keinen Friedensvertrag mit Russland! Faktisch gibt es nur einen Waffenstillstand!

      Dürften die Amis auf diesen Inseln Marschflugkörper installieren, dann wäre die russische Pazifikflotte in Gefahr!
      Und genau deswegen ist die Rückgabe vorerst ausgeschlossen! Japans Haltung dazu, seine Unwilligkeit und US-Hörigkeit, hat dazu geführt, dass Russland nun seinerseits Militär dort stationiert!
      Die Japaner sind das Problem! Nicht Russland!

  2. Neues von Seymour Hersh zur Zerstörung von Nord Stream durch Dementia Biden. Man achte bei dem Titelbild auf den strahlenden Herrn in der Mitte bei der Eröffnung von Nord Stream 1: Mark Rutte

    NORD STREAM AND THE FAILURES OF THE BIDEN ADMINISTRATION
    A president asleep at the wheel brought disasters to the world and Trump back to the White House—this time with Elon Musk
    Seymour Hersh
    Feb 11, 2025
    https://seymourhersh.substack.com/p/nord-stream-and-the-failures-of-the

    Die deutsche Übersetzung gibt es von Fabio de Masi auf Twitter
    [https://x.com/FabioDeMasi/status/1889605948664160660]

  3. Welche Aufgaben hat ein Wahlbeobachter dort? Sind Sie nur an einem Ort? In einem Wahllokal? Bei der Stimmauszählung? Sind Sie allein oder im Team unterwegs?

    Was für Qualifikationen braucht man dafür? Wie wurden Sie Wahlbeobachter? Wem sind Sie Rechenschaft schuldig?

  4. Herr Röper, es gibt zwei Sowjetunion – die vor dem XX. Parteitag und die danach. Auch wenn letztere ebenso noch sozialistisch war so gab es viele Rückschritte.
    Was Stalin betrifft so hat er vor allem die Minderheiten geschützt, ihre Sprachen gefördert und solchen die noch keine Schriftsprachen hatten eine geschaffen. Aber mit und ab dem Antikommunisten Chruschtschow gings dann rückwärts und abwärts.
    Die Sowjetunion geteilt und gespalten hat dann der Sozialdemokrat, Volksverräter und Kapitalist Gorbatschow und nach ihm der dauerbesoffene Jelzin. Das ist nicht die Schuld von Stalin und nicht die von Lenin.

    Stalin: Was ist besser – Sozialismus oder Kapitalismus?
    https://sascha313.wordpress.com/2015/12/21/stalin-was-ist-besser-sozialismus-oder-kapitalismus-3/

    1. So 1990 rum erzählte mir ein Kollege aus Dresden: „Mein erste Praktikum hatte ich in einem Betrieb gemacht, der mir selbst gehörte. Aber das hatte damals niemand verstanden.“

      Einen Punkt hat Stalin übersehen. Ein Kapitalist steuert dagegen, wenn sich inkompetente Labertüten in seinem Betrieb breit machen. Im Kommunismus gibt es niemanden, der die wieder rauswirft. In den volkseigenen Betrieben übernehmen die unfähigen Knalltüten immer mehr Führungsaufgaben.

        1. Ja, wir haben gar keinen Kapitalismus mehr. Damit sich der Kapitalist den Mehrwert unter den Nagel reißen kann, muss sein Unternehmen einen Mehrwert produzieren. Die Konzerne versuchen das gar nicht mehr. Nutzloses oder Schädliches zum 20 fachen Preis an die Präsidentin der EU Kommission verkaufen ergibt so bombastische Gewinne – kapitalistische Ausbeutung lohnt sich nicht mehr.

      1. In den volkseigenen Betrieben übernehmen die unfähigen Knalltüten immer mehr Führungsaufgaben.

        Demnach müssten vd Leyen, Rutte, Stoltenberg etc. Hardcore-Kommunisten sein. Unfähige werden in allen Systemen nach oben weggelobt.

  5. Gute Reise wünsche ich. An netten Gesprächen und gutem Essen sollte es auch nicht mangeln.
    Ich weiß so gut wie nichts über Abchasien und freue mich darauf hier mehr von Land und Leute zu erfahren.

  6. Trump sollte man Eines sagen …

    Betrügt er, wie bei „Minsk II“ betrogen wurde, dann gibt es für ihn ein böses Erwachen!
    Dann wird ein kleiner Funke genügen, um die Welt in Brand zu setzen!

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