Ende des ukrainischen Gastransits

Die humanitäre Katastrophe in Transnistrien

In Transnistrien, der von Moldawien abtrünnigen Provinz, sind Heizung und Strom fast komplett abgeschaltet, weil die Ukraine den Transit von russischem Gas eingestellt hat. Moldawien sieht darin eine Chance, das Gebiet zurückzuholen.

Weitgehend unbemerkt spielt sich in Europa eine humanitäre Katastrophe ab. In Transnistrien ist die Heizung abgeschaltet und auch Strom gibt es nur noch stundenweise. Das hat zwei Gründe, denn einerseits hat Kiew den Transit von russischem Gas eingestellt und andererseits hat Moldawien die Bezahlung offener Gasrechnungen in Höhe von etwa 700 Millionen Dollar verweigert, sodass Gazprom Moldawien nicht mehr beliefert. Moldawien kauft sein Gas nun viel teurer in Europa ein und lässt Transnistrien am ausgestreckten Arm verhungern, oder besser gesagt, erfrieren.

In deutschen Medien gibt es darüber kaum Berichte, allerdings hat der Spiegel darüber einen ausgesprochen zynischen Artikel mit der Überschrift „Notstand in Putins Protektorat Transnistrien – »Es bleibt uns kein anderer Ausweg, als hier wegzuziehen«“ veröffentlicht, über den ich in den nächsten Tagen noch gesondert berichten möchte, wenn ich es zeitlich schaffe.

Hier übersetze ich einen kurzen Bericht über die Lage in der Region, den das russische Fernsehen am Sonntag in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick gebracht hat.

Beginn der Übersetzung:

Die Ukraine und Moldawien lassen Transnistrien erfrieren

Auf dem europäischen Gasmarkt gibt es Turbulenzen. Seit Neujahr hat die Ukraine den Transit russischen Gases gänzlich eingestellt. Natürlich sind die Preise gestiegen und die Gasreserven in den unterirdischen Speichern der EU sind kritisch zurückgegangen.

Vor dem Hintergrund des kalten Winters gehen die Gasreserven in Europa schnell zur Neige. Am härtesten traf es die Slowakei und Österreich. Allerdings ist die Lage in Transnistrien noch akuter. Die Lage dort ist wirklich katastrophal. In der Region herrscht der Ausnahmezustand. Die Industrie steht still, es gibt praktisch keinen Strom, in den Häusern ist es kalt, wer kann, ist auf Brennholz umgestiegen. Nach Angaben der transnistrischen Behörden werden die letzten Gasreserven noch etwa drei Wochen reichen. De facto lassen die Ukraine und Moldawien Transnistrien erfrieren.

Aus dem Gebiet der humanitären Katastrophe berichtet Nikita Kondratow.

Kein Gas, keine Heizung, kein Warmwasser. Es kommt auch zu regelmäßigen Stromabschaltungen. Dörfer und ganze Stadtteile werden für fünf Stunden abgeschaltet. Aus Moldawien gibt es in Richtung Moskau nur Beschuldigungen, und Transnistrien wird vorgeschlagen, entweder an der Kälte oder am Hunger zu sterben.

Jelena lebt im Dorf Bytschok, sie ist Mutter von sieben Kindern, der Jüngste ist neun Monate alt. Einen Ofen gibt es im Haus nicht, nur eine elektrische Heizung. „Wir denken darüber nach, im Frühjahr einen Ofen einzubauen“, sagt Jelena Morarencu.

Hier, wie in ganz Transnistrien, ist der Strom abgestellt. Jelenas Familie sitzt täglich acht Stunden im Dunkeln und in der Kälte. „Ich gebe ihnen Joghurt und Kekse zu essen. Sobald das Licht angeht, fange ich sofort an zu kochen“, sagte Jelena Morarencu.

In einem Kinderheim für schwerhörige Kinder liegen Pelzmäntel auf einem Tisch und ich frage die Köchin: „So wie ich das verstehe, ist unter den Pelzmänteln das Mittagessen?“

„Ja, es wird gewärmt, denn es muss warm gehalten werden, wenn der Strom weg ist“, sagt Köchin Natalia Sorotschenko.

20 hörgeschädigte Kinder leben hier ohne Heizung. Sie wärmen sich mit elektrischen Heizkörpern, die sie jedoch nicht einschalten können, wenn es keinen Strom gibt. Der Gasifizierungsgrad der Republik beträgt 97 Prozent. Auch das Kraftwerk in Dnistrowsk, der wichtigste Stromerzeuger Transnistriens, wurde mit Gas betrieben. Nachdem die Gaslieferungen eingestellt wurden, stellte das Staatliche Bezirkskraftwerk auf Kohle aus der DNR um. Derzeit reicht der Vorrat für ca. 40 Tage.

„Das Ziel der regelmäßigen Stromabschaltungen ist es, die Stromversorgung nicht vollkommen zu verlieren“, sagte uns der erste stellvertretende Premierminister und Minister für wirtschaftliche Entwicklung Transnistriens Sergej Obolonik.

Die Helden Transnistriens sind in diesen Tagen die, die den Strom zurück in die Häuser bringen. Die einfachen Elektriker arbeiten rund um die Uhr und der Elektriker Juri Olischenko sagte uns: „Wir essen, wenn wir dazu kommen. Wir haben sogar herausgefunden, wie man Mittagessen auf einem Kanonenofen aufwärmt. Wir haben zu Mittag gegessen und sind weitergefahren.“

Es brennt in einem mehrstöckigen Gebäude im Zentrum von Tiraspol. In der Wohnung lebt eine bettlägerige Rentnerin. Sie hat sich mit einer elektrischen Heizung aufgewärmt, es gab einen Kurzschluss und das Zimmer begann zu brennen.

Im Dorf Tschobrutschi zündete ein Rentnerehepaar einen Ofen an. Sie erstickten an Kohlenmonoxid. Täglich gibt es Meldungen über Brände und Todesopfer. Die Industriebetriebe in Transnistrien liegen still. Ohne russisches Gas werden sie ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen. Und das metallurgische Werk in Rybniza könnte zu einem Denkmal der Gaskrise und der transnistrischen Industrie werden. Sein Geschäftsführer erzählt: „Ich denke, dass es nach diesen Ereignissen äußerst schwierig sein wird, das Unternehmen wieder in Betrieb zu nehmen.“

Der Fleischverarbeitungsbetrieb in Bender arbeitet noch. Als es kein Gas mehr gab, sind sie auf Strom und Diesel umgestiegen. Sie machen Pelmeni, Wareniki, hausgemachte Nudeln, Fleischbällchen und Koteletts. In den Werkshallen herrschen 12 Grad.

Statt eines Dialogs mit Moskau kommt es lediglich zu einer Verschärfung der Beziehungen. Moldawien weigert sich, die Schulden von 709 Millionen Dollar anzuerkennen. Moldawische Politiker und Experten sehen in der Gaskrise in Transnistrien eine Chance, die Transnistrien-Frage zu lösen, aber der transnistrische Regierungschef Vadim Krasnoselsky widerspricht: „Wenn jemand glaubt, dass Transnistrien in die Knie gehen und darum bitten wird, sich Moldawien anzuschließen, und Sie das transnistrische Volk verhöhnen werden, wie früher, wird das nicht funktionieren. Ihre Hoffnungen werden sich nicht erfüllen.“

Die moldawische Regierung bezeichnet die Ablehnung russischen Gases als „Preis der Freiheit“, aber die einfachen Bürger bezahlen dafür. Die Nebenkostenabrechnungen für Dezember sind bereits eingetroffen. Alleine für Heizung fallen Tausende von Lei an.

Die moldawische Präsidentin Sandu fuhr in die Provinz und wurde nicht nett empfangen. Eine Anwohnerin brüllte: „Unsere Gehälter sind niedrig und es gibt keine Arbeit. Nehmen das ganze Dorf und adoptieren Sie es!“

„Diese Krise wird von Gazprom verursacht“, antwortete Maia Sandu.

Darauf schrien sie ihr entgegen: „Erzählen Sie nicht den Blödsinn, Moskau wolle kein Gas geben. Sie wollen es nicht nehmen.“

Das war in einem transnistrischen Dorf, das nach dem Krieg von 1992 unter der Kontrolle von Chisinau blieb. Die Menschen dort haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie in ganz Transnistrien. Sandu bot an, sie an das moldawische Energiesystem anzuschließen und Strom und Gas zu den neuen Preisen zu liefern. Als Antwort schallte ihr entgegen: „Hau ab! In dein Chisinau!“

Unter den fehlenden Gaslieferungen aus Russland leiden die Menschen an beiden Ufern des Dnjestr.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Zunächst einmal: Den Begriff „Transnistrien“ mögen die Pridnestrowier überhaupt nicht. Warum das so ist, klärt https://novostipmr.com/ru/news/24-09-04/transnistria-dolzhna-byt-razbita ganz gut – ist zwar auf Russisch, aber der (richtige) Browser kann es ja übersetzen. (Kurzfasung: Der Begriff Transnistrien ist historisch falsch hat eine faschistische Vergangenheit.)

    Zu der Aussage: „In Transnistrien, der von Moldawien abtrünnigen Provinz, sind Heizung und Strom fast komplett abgeschaltet, weil…“

    Der Begriff „De-Facto-Staat“ halte ich für passender. Nach der Konvention von Montevideo (leider nur regionales Völkerrecht und daher für Pridnestrowien nicht rechtsverbindlich) ist, erfüllt Pridnestrowien alle Kriterien für einen Staat (“The state as a person of international law should possess the following qualifications: (a) a permanent population; (b) a defined territory; (c) government; and (d) capacity to enter into relations with the other states.”), und das auch schon seit über 30 Jahren.

    Zu „fast komplett abgeschaltet“: Wenn man an Fernwärme angeschlossen ist oder mit Gas heizt, dann ist man nicht „fast komplett“ sondern komplett ohne. Je nach dem, wie gut das Gebäude dämmt, ist das mehr oder weniger spaßig. Ich hatte die letzten Tage so zwischen 16° und 18° Grad, das ist nicht komfortabel, aber auch nicht lebensbedrohlich. Wobei das Wetter die letzten Tage eher gut war. Mal sehen, wie das diese Woche wird, wo kälteres Wetter angekündigt ist.

    Fast ohne Strom stimmt nicht. Im Moment sind es 5 Stunden, die vorher gut angekündigt werden, darauf kann man sich einstellen. Hinzu kommt noch, dass ab und an eine Sicherung kommt, weil die Leute zu viel mit Strom heizen – darauf ist das Netz nicht ausgelegt. Geschäfte und Gastronomie arbeiten während der Ausfälle viel mit Generatoren, manche Privatpersonen auch.

    Nachdem, was man hier auf den offiziellen Telegram-Kanälen liest, sind noch keine Leute erfroren, aber es gibt schon ein paar weniger Tote wegen Kohlenmonoxid-Vergiftungen. Die Regierung veröffentlicht auch laufend Hinweise auf die Gefahr und Anleitungen für deren Vermeidung.

Schreibe einen Kommentar