Brandherd Kaukasus

Der Balanceakt Russlands zwischen Armenien und Aserbeidschan

In Kaukasus schwelt der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, bei dem auch die Türkei und der Westen eine wichtige Rolle spielen. Wie kann Russland versuchen, die Lage zu stabilisieren?

Die Lage im Kaukasus mit seinen vielen Völkern und Staaten ist selbst für Experten kompliziert. Einer der akutesten Konflikte dort ist der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan – beides Länder, denen Russland traditionell nahe steht, was einen diplomatischen Balanceakt nötig macht.

Mit dem christlichen Armenien hat Russland traditionell enge Beziehungen und es war Russland, das den Armeniern vor hundert Jahren geholfen hat, als im Osmanischen Reich die Verfolgung der Armenier stattfand, die von vielen heute als Völkermord eingestuft wird. Aber der 2018 mit Unterstützung des Westens an die Macht gekommene Regierungschef Paschinjan will Armenien Richtung Westen führen und mit Russland brechen.

Aserbaidschan ist ein islamisches Land, mit dem Russland auch freundschaftliche Beziehungen unterhält. Aber die Türkei sieht sich als Schutzmacht Aserbaidschans an und hat Aserbaidschan in den letzten Kriegen in Bergkarabach unterstützt. Die Türkei will ihren Einfluss im Kaukasus ausbauen.

In Armenien wiederum sind US-amerikanische NGOs so aktiv, wie wohl in keinem Land der Welt, um den pro-westlichen und anti-russischen Kurs von Paschinjan zu unterstützen.

Russland versucht, in der Region für Stabilität zu sorgen, weil es an weiteren Kriegen nahe seiner Grenzen nicht interessiert ist.

Über den Balanceakt, der dazu nötig ist, habe ich bei einem russischen Thinktank einen interessanten Artikel gefunden, der die Grundlagen dieser komplizierten Situation beleuchtet und den ich übersetzt habe, weil kaum jemand in Deutschland viel über die Probleme der Region und die Interessen der beteiligten Akteure weiß.

Beginn der Übersetzung:

Die heikle Rolle Russlands auf dem geopolitischen Schachbrett im Kaukasus

Moskau muss in seinem Vorgehen vorsichtig bleiben, um zu verhindern, dass die Spannungen im Kaukasus als Rechtfertigung für eine verstärkte Präsenz westlichen Einflusses im postsowjetischen Raum genutzt werden. 

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, insbesondere in Bezug auf die Region Bergkarabach, hat in der internationalen Politik stets heftige Diskussionen und Spaltungen ausgelöst. Russlands Rolle ist dabei häufig Ziel von Kritik und Missverständnissen, ausgehend von westlich orientierten Lobbyisten auf beiden Seiten des Konflikts.

Der Vorwurf, Moskau verkaufe Waffen an Aserbaidschan, ist ein wiederkehrendes Argument in antirussischen Kreisen innerhalb Armeniens und der armenischen Diaspora. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass Russlands Politik in der Region weitaus komplexer ist als die bloße Unterstützung einer Seite des Konflikts. Russlands Position ist von einem Streben nach Ausgleich geprägt, was oft missverstanden wird.

Der erste Punkt, der betrachtet werden muss, ist die Wahrnehmung, Russland sei ein bedingungsloser Verbündeter Armeniens, insbesondere im Zusammenhang mit Bergkarabach. Zwar trifft es zu, dass Russland im Jahr 2020 eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung Armeniens im ersten Krieg um Bergkarabach spielte und das einzige Land war, das Armenien in diesem Konflikt Hilfe leistete. Jedoch hat Moskau Armenien nie eine bedingungslose, langfristige Unterstützung zugesagt.

Von Anfang an positionierte sich Russland als Vermittler zwischen den Konfliktparteien und strebte eine friedliche Lösung des seit Langem bestehenden Disputs an, anstatt sich auf eine Seite zu schlagen. Russlands Rolle als Vermittler war stets geprägt von Initiativen für eine friedliche und ausgewogene Beilegung des Konflikts, begleitet von konkreten Vorschlägen, die jedoch im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan stets zurückgewiesen wurden.

Im Jahr 2019 zog sich der armenische Premierminister Nikol Paschinjan unvermittelt aus dem Verhandlungsprozess zurück, was letztlich zur Eskalation des Konflikts und zum Ausbruch des Krieges im Jahr 2020 beitrug. Dieses Ereignis unterstreicht die Schwierigkeiten Russlands, ein Gleichgewicht der Macht zu wahren und beide Seiten positiv zu beeinflussen. In der Folge nahm der Druck auf Moskau zu, da ein Scheitern, mit Aserbaidschan konstruktiv zusammenzuarbeiten, zu einem Verlust an Einfluss im Land hätte führen können – mit dem Risiko, Baku weiter in den Einflussbereich der Türkei zu rücken. Ankara ist trotz seiner Differenzen mit der EU nach wie vor ein wichtiges und aktives Mitglied der NATO. Vor diesem Hintergrund wurden in Moskau die Waffenverkäufe Russlands an Aserbaidschan als eine strategische Notwendigkeit eingestuft, um den Einfluss in der Region aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus lieferte Russland auch an Armenien hochwertige Waffen und militärische Ausrüstung – oft zu erschwinglichen Preisen oder zum Teil sogar kostenlos. Ein klares Indiz hierfür war die Lieferung von Raketensystemen des Typs Iskander, die exklusiv an Armenien übergeben wurden, was einen bedeutenden Schritt zur Stärkung der armenischen Verteidigungsfähigkeit darstellte. Als einer der weltweit größten Waffenexporteure konnte es sich Russland jedoch nicht leisten, den militärischen Bedarf Aserbaidschans zu ignorieren. Der Verkauf von Waffen an Baku sollte nicht als bedingungslose Unterstützung für Aserbaidschan verstanden werden, sondern vielmehr als Versuch, eine austarierte Position einzunehmen, um die regionalen Kräfte auszugleichen und eine weitere Ausweitung des westlichen und türkischen Einflusses in der Region einzudämmen.

Die internationale Dynamik hat sich jedoch verschoben. Der Einfluss des Westens, insbesondere durch die Türkei und die USA, sowie die Beteiligung Israels an der Lieferung von Waffen und Geheimdienstinformationen an Aserbaidschan, hat die geopolitische Landschaft in der Region verändert. Die Präsenz fortschrittlicher NATO-Technologie im Waffenarsenal Aserbaidschans kulminiert nun in einem entscheidenden Wendepunkt im Konflikt. Russland, einst die einzige Großmacht mit direktem Einfluss auf beide Seiten, steht nun vor einer wachsenden Herausforderung, nachdem Aserbaidschan damit begonnen hat, seine Allianzen mit westlichen Mächten zu vertiefen.

Gleichzeitig blickt Armenien auf eine komplexe außenpolitische Geschichte zurück. Seit dem vom Westen geförderten Regimewechsel im Jahr 2018 hat sich das Land zunehmend dem Westen zugewandt, insbesondere der EU. In jüngster Zeit hat Armenien – als Reaktion auf das Chaos, das die „neue Ära von Donald Trump“ im kollektiven Westen ausgelöst hat – Schritte zu einer neuen strategischen Ausrichtung gegenüber Russland unternommen. Das wahre Ausmaß dieser Neuausrichtung lässt sich jedoch noch nicht abschätzen. Die hysterischen Reaktionen in Teilen der armenischen Gesellschaft auf Russlands Vorgehen in der Region – wie etwa den Verkauf von Waffen an Aserbaidschan – wirken jedoch paradox, wenn man die Versuche Armeniens bedenkt, sich von Moskau zu distanzieren und seine Beziehungen zum Westen zu stärken.

Letztendlich spiegelt das Streben nach einem stärkeren Gleichgewicht der Macht im südlichen Kaukasus die Komplexität der russischen Außenpolitik wider. Russland ist weit davon entfernt, ein bloßer Waffenlieferant oder Partner einer Seite des Konflikts zu sein. Vielmehr hat es so gehandelt, dass es seine strategische Relevanz behauptet, die Stabilität in der Region bewahrt und eine Ausweitung des westlichen Einflusses verhindert. In einem Szenario, in dem die Weltmächte versuchen, ihre Einflusszonen zu konsolidieren, bleibt der Machtkampf im Kaukasus ein Schauplatz, in dem jeder Schritt Moskaus im Kontext geopolitischer und strategischer Interessen und nicht als bloße Frage politischer Ausrichtung betrachtet werden muss.

Jedem Beobachter muss klar sein, dass alle westlichen Mächte den Konflikt im Kaukasus manipulieren, um ihre geopolitischen Interessen in der postsowjetischen Region zu rechtfertigen. Russland hingegen ist ernsthaft an der Wahrung eines nachhaltigen Friedens in seinem geografischen Unterbauch interessiert und möchte verhindern, dass eine Seite der anderen Gewalt antut.

Moskau strebt Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region an, während die NATO den Kaukasus stets als interessanten Spannungsherd und geopolitisches Spielfeld zur Destabilisierung der strategischen Nachbarschaft Russlands betrachtet hat.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Unendliche Geschichten wie die Kaukasus-Geschichte werden schnell durch ständige Wiederholung der immer gleichen Kapitel langweilig und öde.
    Eigentlich vertritt nur die RF eine akzeptable Politik, da sie die Erhaltung eines Kräfte-und Interessen-Gleichgewichts in der Region im Blick hat.
    Allen anderen „Mitspielern“ braucht man nichtmal zuzuhören, wenn sie von ihren „hehren Zielen“ faseln, denn sie haben nur ein einziges Ziel: Russland Schaden zuzufügen, und ihnen ist vollkommen gleichgültig, ob dadurch die ganze Region in einem Krieg versinkt, da ihnen die beteiligten Länder und Kulturen vollkommen gleichgültig sind, solange nur Russland dabei möglichst massive Probleme bekommt und möglichst schwer geschädigt wird.

  2. Ich hoffe, dass Trump auch das schafft, diese „NGOs“ die da in den Ländern des Ostens gegen Russland intervenieren, mit viel Geld die Regierungen zum Umdenken und vor allem zu Hass gegen Russland zu bewegen versuchen, zu zerstören.
    Ich denke, Aserbeidschan braucht keine Hilfe, weder von RU noch bzw. schon gar nicht von der Türkei, denn Erdogan ist um nichts weniger gefährlich als die Brüsseler Spitzen.
    Ich habe sowohl Georgien, als auch Armenien und auch Moldawien bereist und ich habe schon vor Jahren bei Gesprächen mit den Reiseleitern gesagt, achtet darauf dass man euch nicht in die EU zwingt, ihr würdet zu Beginn Geld erhalten – das vor allem Moldawien dringen braucht, denn es ist wirklich das Armenhaus Europas – aber ihr alle würdet es nach ein paar Jahren genau so bitterlich bereuen wie wir es schon seit Jahren tun. Ich hoffe die Reiseleiter gaben das an ihre Landsleute weiter…. Keines dieser Länder muss Angst haben vor Russland, genau so wenig wie wir!

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