Meinungsfreiheit

Die Entwicklungen rund um die Verhaftung von Durow vom Montag

Am Wochenende wurde Pawel Durow, der Gründer von Telegram, in Frankreich verhaftet. Am Montag wurden die Anklagepunkte bekannt gegeben. Hier fasse ich die Ereignisse vom Montag und die Reaktionen auf die Verhaftung von Pawel Durow zusammen.

Die Verhaftung von Pawel Durow ist ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit, darin sind sich Experten und Regierungen außerhalb des Westens weitgehend einig, denn Telegram hat sich politisch neutral verhalten und nicht zensiert, weshalb sich Telegram in den meisten Ländern der Welt keine Freunde gemacht hat. Trotzdem ist man außerhalb des Westens überrascht bis schockiert darüber, dass und weswegen Durow verhaftet wurde.

Letztlich handelt es sich dabei um Willkür, denn unter den schwammigen Vorwürfen kann man so ziemlich jeden Betreiber einer Internetplattform verhaften, auf der User chatten oder ihre Meinung posten können. Ein Kommentator schrieb ironisch, dass man unter solchen Vorwürfen im Westen demnächst jeden Wirt für das Gerede am Stammtisch seines Restaurants verhaften kann.

Allerdings gibt es auch einen Punkt, der Durow durchaus berechtigt in Schwierigkeiten bringen könnte.

Weshalb Durow verhört wird

Die russische Nachrichtenagentur TASS zitierte am Montag aus einer Erklärung der französischen Staatsanwaltschaft. Demnach wurde Durow von französischen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen von Ermittlungen gegen eine „ungenannte Person“ wegen Verdacht auf mehre Fälle von Cyberkriminalität befragt.

Zu den Straftaten, derer eine „ungenannte Person“ verdächtigt wird, gehört die „Mittäterschaft bei illegalen Transaktionen im Rahmen organisierter Kriminalität bei der Verwaltung einer Online-Plattform“. Der „ungenannten Person“ wird außerdem Mittäterschaft in verschiedenen Punkten vorgeworfen, darunter der Besitz von kinderpornografischem Material, die „organisierte Verbreitung“ und „Bereitstellung“ solchen kinderpornografischen Materials, „Erwerb, Transport, Besitz, Anbieten oder Weitergabe von Betäubungsmitteln“ und „Weitergabe und Bereitstellung von Geräten, Werkzeugen, Programmen oder Daten ohne Rechtsgrundlage, die dazu bestimmt oder geeignet sind, das Funktionieren eines automatisierten Datenverarbeitungssystems zu untergraben oder darauf zuzugreifen“. Auch Beihilfe zum „Betrug als Teil einer organisierten Gruppe“ wurde in der Erklärung erwähnt.

Zu den weiteren Straftaten, derer die „ungenannte Person“ verdächtigt wird, gehört eine „kriminelle Verschwörung zur Begehung einer Zuwiderhandlung oder einer Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet wird“.

Die übrigen Anklagepunkte lauten: „Beihilfe zur Entziehung vor der Verantwortung für Straftaten einer organisierten Gruppe“, „Erbringung von nicht zertifizierten kryptografischen Diensten“, „Bereitstellung eines kryptografischen Werkzeugs ohne vorherige Erklärung, das nicht ausschließlich Authentifizierungs- oder Integritätskontrollfunktionen bietet“ und „Einfuhr eines kryptografischen Werkzeugs ohne vorherige Erklärung, das nicht ausschließlich Authentifizierungs- oder Integritätskontrollfunktionen bietet“. Hierbei scheint Frankreich es als illegal zu empfinden, dass Durow seine eigene Kryptowährung Ton entwickelt hat.

Objektiv problematisch könnte der Vorwurf der „Weigerung, zuständigen Behörden Informationen oder Dokumente zu übermitteln, die für die Durchführung und Nutzung rechtlich zulässiger Abgriffe erforderlich sind“ werden. Mit anderen Worten geht es dabei um die Weigerung Durows, bei der Aufklärung und Bekämpfung von Verbrechen zu kooperieren. Dazu kommen wir gleich noch einmal.

Noch keine Anklage erhoben

In der Erklärung ist nur von einer Vernehmung Durows die Rede, aber nicht, dass ihm einer der Punkte vorgeworfen wird. Meldungen, Durow sei bereits angeklagt worden, scheinen per Stand Montagabend nicht der Wahrheit zu entsprechen. Offensichtlich wurde dabei die Erklärung der Staatsanwaltschaft missverstanden. In der Erklärung heißt es nämlich:

„Dieser Polizeigewahrsam wurde am 25. August 2024 von einem Untersuchungsrichter verlängert und kann bis zu 96 Stunden (d. h. bis zum 28. August 2024) dauern, da das Verfahren für die oben genannten Straftaten, die unter organisierte Kriminalität fallen, gilt.“

Durow ist bisher also zur Befragung in Gewahrsam, wäre er angeklagt worden, säße er bereits in Untersuchungshaft.

Macron: Keine politische Entscheidung

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat auf X (früher Twitter) erklärt, dass die Entscheidung, Pawel Durow in Frankreich zu verhaften, keine politische Entscheidung sei:

„Die Verhaftung des Chefs von Telegram auf französischem Territorium erfolgte im Rahmen einer laufenden Untersuchung. Das ist keineswegs eine politische Entscheidung. Es ist Sache der Richter, zu entscheiden.“

Macron beklagte auch, dass er „nach Durows Verhaftung viele Falschinformationen über Frankreich“ sehe. Er schrieb, Frankreich sei „wie nie zuvor der Redefreiheit, der Innovation und dem Unternehmertum verpflichtet“. Er fügte hinzu, die Durchsetzung der Gesetze liege bei den Gerichten, „die vollkommen unabhängig sind“. In einem Rechtsstaat würden die „Freiheiten in sozialen Netzwerken wie im wirklichen Leben innerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens ausgeübt, um die Bürger zu schützen und ihre Grundrechte zu respektieren.“

Praktisch keine offiziellen Reaktionen

Dass weder die UNO, die OSZE oder auch Staaten wie Russland bisher kaum offizielle Reaktionen auf die Verhaftung von Durow veröffentlicht haben, erklärt sich dadurch, dass es noch keine offizielle Anklage gegen Durow gibt, zu der man eine offizielle Reaktion veröffentlichen könnte.

Allerdings zeigen die internationalen Reaktionen nach der Verhaftung von Durow, dass man außerhalb der westlichen Welt ziemlich entsetzt über diesen Umgang mit der Meinungsfreiheit ist. Die ganze Welt hatte jahrelang für Julian Assange gehofft und kaum ist der frei, könnte sich ein ähnliches Schicksal wiederholen.

Wessen Durow sich tatsächlich schuldig gemacht haben könnte

Durow bezeichnet sich selbst als libertär oder sogar „ultra-libertär“. Libertarismus ist eine politische Philosophie, die in der individuellen Freiheit den höchsten politischen Wert sieht. Libertäre versuchen, politische Freiheit zu maximieren und sie sind grundsätzlich skeptisch gegenüber Autorität und staatlicher Macht.

Das dürfte erklären, warum Durow sich bisher so weit wie irgend möglich geweigert hat, mit staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten. In Russland hat er Probleme bekommen, als er sich weigerte, dem russischen Geheimdienst Informationen über Verdächtige von konkreten Straftaten zu geben. Der russische Geheimdienst wollte keine „Hintertür“, um nach Lust und Laune in Telegram-Chats zu stöbern, wie westliche Geheimdienste sie bei westlichen Messengern, vor allem beim gläsernen WhatsApp, schon lange haben. Er wollte zu konkreten Straftaten Informationen bekommen.

Wegen dieses Streits mit den russischen Behörden hat Durow Russland 2014 verlassen und ist in den angeblich freien Westen gegangen.

Dmitrij Medwedew, der ehemalige russische Präsident und heutige stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrates, schrieb nach Durows Festnahme:

„Vor einiger Zeit fragte ich Durow einmal, warum er bei schweren Verbrechen nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten wolle. „Das ist meine prinzipielle Haltung“, erklärte er. „Dann gibt es in jedem Land ernste Probleme“, sagte ich ihm.“

Diese Weigerung, Staaten auch bei schweren Verbrechen den Zugang Daten zu verweigern, könnte für Durow tatsächlich zu einem Problem werden. Alle anderen Punkte, wegen denen Durow verhört wird, sind – wenn er deswegen tatsächlich angeklagt wird – reine Abschreckung an andere Betreiber von Internetplattformen, sich dem Zensurwahn des Westens endlich unterzuordnen.

Ich bin sicher, dass beispielsweise Elon Musk die Entwicklungen in Frankreich sehr aufmerksam verfolgt…


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

17 Antworten

  1. Abseits des konkreten Falles ist das natürlich auch generell eine schwierige Frage.
    Hat eine Staatsanwaltschaft durch konventionelle Ermittlungen einen erhärteten Verdacht gegen einen vermeidlichen Straftäter, dann ist je nach schwere dieser Beweise eine Auskunft kaum abzuweisen.
    Handelt es sich aber um Ermittlungen die ansatzlos geführt werden um über Personen Daten zu sammeln, dann ist das auch schon rein rechtlich sehr problematisch.

    Leider haben viele Staaten längs aufgehört sich an solide Rechtsgrundsätze zu halten und in vielen Bereichen ist der Bürger inzwischen völlig gläsern geworden. Früher gab es mal ein Arztgeheimnis und ein Bankgeheimnis, aber zu beiden hat sich der Staat inzwischen uneingeschränkten Zugriff gestattet. Ganz offenbar geht es bei dieser Verhaftung darum, eine der letzten Oasen der Meinungsfreiheit trocken zu legen bzw. ungehindert anzapfen zu können. Und was Macon angeht, so ist der der lebende Beweis dafür, dass Frankreich die schlimmsten Straftäter gewähren lässt solange sie die „richtige Gesinnung“ haben.

    1. @Mircutux

      Das ist tatsächlich genau so & auch eine schwierige Angelegenheit.

      Kriminalität wird es immer geben & normale Menschen möchten auch, dass die aufgeklärt werden – nicht erst wenn sie selber Opfer dessen geworden sind.
      Selbst dabei kann man differenzieren. Niemand muss alle Daten von auch Nichtkriminellen sammeln – aber natürlich wenn es um Terrorismus geht oder um Kinderpornographie, Organhandel, der mit Mord einher geht – das sind schon andere Kaliber & da würde ich eine „libertäre bzw- ultra-libertäre“ Position eines Durow auch eher problematisch finden & da hat auch ein Staat eine Verpflichtung seinen Bürgern gegenüber……

      Doch genau an dieser Stelle muss man aufpassen, dass der Staat nicht der Kriminelle wird!

  2. Meinem Eindruck nach kommt wegen der Verhaftung von Durow kein supergroßer Aufschrei der Empörung vom russischen Staat. Es schwingt etwas mit von „da muß er sich nicht wundern“ und „das er nun davon!“

    Unklar ist mir, wer in welchem Umfang bei Telegram das Sagen hat (→ https://t.me/s/vatfor/9508 von vorgestern), und inwieweit die physische Festsetzung Durows wirklich die Anwendung kompromittieren kann (sollte eigentlich nicht sein).

    1. @Lumi
      „Meinem Eindruck nach kommt wegen der Verhaftung von Durow kein supergroßer Aufschrei der Empörung vom russischen Staat.“

      hm… es ist immer wieder erstaunlich, dass Westler es nicht ablegen können, dass – hier RF – nicht so reagieren, wie die Westler selber reagieren – sobald etwas „öffentlich“ wird!

      Sie erwarten Hysterie & Panik, Aufschrei & gackernde Hühner!
      Und wenn andere ganz anders reagieren, kann es nicht etwa an einem selber liegen – dass man evt. nur ein Ignorant ist? – es muss etwas falsch mit den anderen sein….

      Kein Wunder, dass die Russen den 2.WK entschieden obwohl der „Westen“ denen ja immer unterbelichtete Taten – die man selber begehen würde – unterstellten….

  3. Hätte Telegram beim Maidan die verlangten Daten dem russischen Geheimdienst übergeben, dann hätte es den Putsch vielleicht nie gegeben und somit auch keinen Krieg – Und womöglich auch keine BRICS Staaten die sich in Folge gegen den Westen beginnen zu formieren.

    Wenn man darüber nachdenkt, was er zweifelsohne tat, wird es wie oben richtig kompliziert.

    Verbrechen darf man nicht schützen, anderseits wie geht man mit all den farblichen Zwischentönen um.

    1. Die BRICS-Länder wird man nicht mehr verhindern können !
      Vor einigen Tagen hat sogar Palästina den Beitritt zu BRICS beantragt , BRICS hat das bestätigt und wird Palästina aufnehmen , somit sollte klar sein das Palästina eine Zukunft haben wird !

    1. Das ist nicht so einfach. Seit 30 Jahren wissen wir, die Gesetze zur Regulierung von Kommunikationsdiensten gehen an der Realität vorbei. Diese Gesetze führen zu absurden Gerichtsurteilen.

      Nach 30 Jahren haben wir immer noch keine klaren Gesetze, die wir als sinnvoll und gerecht empfinden.

      Da kommt der Verdacht auf, diese Gesetze sind absichtlich so schwammig und widersprüchlich, damit Halb-demokratische Machthaber unliebsame Meinungsäußerungen unterdrücken können.

  4. Wenn ich staatlichen Institutionen vertrauen würde, wäre ich für für eine Einzelfallbasierte Offenlegungspflicht, nachdem ein Gericht einen Durchsuchungsbeschluss ausgestellt hat. Es würde Verantwortlichkeit für diese Maßnahme geben, dh. leichtfertige oder böswillige Herbeiführung eines Durchsuchungsbeschluss würde nichtverjährend strafrechtlich verfolgt.

    Bisher habe ich noch keinen Staat gefunden, dem ich vertraue.

    Bei allen Staaten, bei denen ich nachgesehen habe, gab es nachweisbaren Missbrauch, der nicht verfolgt wurde.

    1. Gena. u so könnte eine Rechtliche BASIS gelegt werden, die solche „hilfreichen“ Massnahmen untersucht und gegebenenfalls bewilligt. Allerdings müsste dafür ein Neutraler Richter, nicht wie in Deutschland von Parteien eingestzt und nicht gewählt, die Untersuchenungen und die klar umschriebene Hildfestellung ausarbeiten. Es dürfte keine Haldenwangs oder Fäiserinnen geben. Wenn ein solches rechtlich basiertes Corsett vorhanden ist, dann könnte man in Einzelfällen über eine Einsicht diskutieren. Aufgrund meines persönlichen heutigen Wissens und meiner Erfahrung gegenüber der Politik, hätte ich wohl auch dann noch meine echten Bedenken. Ich bin gespannt, wie schnell da was an die Oberfläche gespühlt wird. Danke für diesen guten Einwurf. MfG b.schaller

  5. „“Er schrieb, Frankreich sei „wie nie zuvor der Redefreiheit, der Innovation und dem Unternehmertum verpflichtet“. Er fügte hinzu, die Durchsetzung der Gesetze liege bei den Gerichten, „die vollkommen unabhängig sind“. In einem Rechtsstaat würden die „Freiheiten in sozialen Netzwerken wie im wirklichen Leben innerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens ausgeübt, um die Bürger zu schützen und ihre Grundrechte zu respektieren.““

    hmm, also genau das Gegenteil von dem was in BRD abgeht……………kann das jemand bestätigen oder wieder nur Augenwischerei?

  6. Genau so könnte eine Rechtliche BASIS gelegt werden, die solche „hilfreichen“ Massnahmen untersucht und gegebenenfalls bewilligt. Allerdings müsste dafür ein Neutraler Richter, nicht wie in Deutschland von Parteien eingestzt und nicht gewählt, die Untersuchenungen und die klar umschriebene Hildfestellung ausarbeiten. Es dürfte keine Haldenwangs oder Fäiserinnen geben. Wenn ein solches rechtlich basiertes Corsett vorhanden ist, dann könnte man in Einzelfällen über eine Einsicht diskutieren. Aufgrund meines persönlichen heutigen Wissens und meiner Erfahrung gegenüber der Politik, hätte ich wohl auch dann noch meine echten Bedenken. Ich bin gespannt, wie schnell da was an die Oberfläche gespühlt wird. Danke für diesen guten Einwurf. MfG b.schaller

  7. Der erste Punkt der Anklage lautet:

    „Mittäterschaft bei der Schaffung einer Webplattform zum Zweck der Durchführung einer illegalen Transaktion in einer organisierten Gruppe“

    Damit wird unterstellt, daß Telegram aus einer kriminellen Motivation heraus entwickelt wurde, was jeglicher Beweise entbehrt. Hier findet eindeutig eine Beweislastumkehr statt, die jedem echten Juristen die Haare zu Berge stehen lassen…

Schreibe einen Kommentar