Geopolitik

Das russische Fernsehen über den BRICS-Gipfel: „Das illusorische Kalkül des Westens wurde durchkreuzt“

Der BRICS-Gipfel hat in deutschen Medien kaum eine Rolle gespielt, obwohl er das vielleicht wichtigste geopolitische Ereignis des Jahres war. Hier zeige ich, wie in Russland darüber berichtet wurde.

Natürlich war der BRICS-Gipfel am Sonntagabend das vielleicht wichtigste Thema im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens. Hier übersetze ich den recht langen Beitrag, der in der Sendung darüber gezeigt wurde.

Beginn der Übersetzung:

Historischer BRICS-Gipfel: Das illusorische Kalkül des Westens wurde in Kasan durchkreuzt

Der Name von Kasan, der Hauptstadt der russischen Region Tatarstan, war in diesen Tagen in allen Sprachen der Welt zu hören. Kasan wurde zu einem Ereignis, das in die Geschichtsbücher eingehen und die Entwicklung der Menschheit nach anderen Prinzipien als bisher vorgeben wird.

Die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Länder haben den Wind des globalen Wandels in ihren Segeln aufgefangen und die Mehrheit der Welt mit sich gerissen. Nicht durch Zwang, sondern durch ein ehrliches Bekenntnis zu internationaler Gerechtigkeit. Wir werden die Art dieser Gerechtigkeit heute entschlüsseln, aber was die Weltmehrheit angeht, so ist sie eine mathematische Tatsache. Ich habe es selbst nachgerechnet, und Sie können es selbst tun. Glauben Sie keinen anderen Zahlen. Zählen Sie die Bevölkerung der 36 in Kasan vertretenen Länder zusammen und Sie erhalten 4,7 Milliarden Menschen. Das sind etwa 60 Prozent der Menschheit.

Die Zahl ist wichtig. Aber vielleicht noch wichtiger ist die Qualität der Führungspersönlichkeiten, die ihre Länder vertreten haben. Ich spreche jetzt nicht einmal von den Titanen an der Spitze der BRICS-Großmächte – Narendra Modi, Wladimir Putin und Xi Jinping -, sondern vom durchschnittlichen Niveau. Verglichen etwa mit der farblosen politischen Elite Europas hat Kasan Persönlichkeiten von weitaus größerem Kaliber versammelt. Sie sind durch den Schmelztiegel großer Erfahrung gegangen, haben ihr Recht auf Führung bestätigt und klare Orientierungspunkte gefunden.

Nur auf einen kurzen Blick und durcheinander, nicht in alphabetischer Reihenfolge. Sisi aus Ägypten, Erdogan aus der Türkei, Ramaphosa aus Südafrika, Lula da Silva aus Brasilien, Peseschkjan aus dem Iran, Alijew aus Aserbaidschan, Abbas aus Palästina, Denis Sassou Nguesso aus der Republik Kongo, Abiy Ahmed aus Äthiopien…

Sie sind alle sehr verschieden, aber vergleichen Sie die innere Kraft eines jeden von ihnen mit der einer Liz Truss, einer von der Leyen, eines Scholz, einer Baerbock oder eines Macron, bei denen es nur Posieren und Heuchelei gibt.

Daher die geballte Kraft der BRICS, es ist die Weltmehrheit mit der geeinten Kraft verantwortungsvoller Anführer.

Einige im Westen reiben sich die Hände nach dem Motto, dass die nichts hinkriegen. Sie seien zu unterschiedlich, es gäbe so viele Widersprüche. Ja, aber warum muss man Unterschiede als Schwäche ansehen? Meine Herren, dies ist die wirkliche Inklusivität – und sie ist viel tiefgreifender als die Inklusivität gegenüber Minderheiten, auf die sich der Westen beschränkt, indem er ganzen Völkern und Zivilisationen die gleichen Rechte vorenthält.

Noch einmal: Niemand wurde gezwungen, nach Kasan zu kommen. Jeder hatte sein eigenes und zugleich ein gemeinsames Interesse.

Jeder der Teilnehmer brachte dem russischen Präsidenten Putin besonderen Respekt entgegen. Und das nicht nur, weil Russland als BRICS-Vorsitzender das Gastgeberland ist. Sondern weil…

Erstens: Für die Mehrheit der Weltbevölkerung ist Putin ein Symbol für Gerechtigkeit und eine Chance für freie Entwicklung.

Zweitens: Macht ist attraktiv. Russland unterstützt wirklich das globale nukleare Gleichgewicht. Das nukleare Gleichgewicht ist eine Voraussetzung für die Entwicklung aller, von Indien und China bis Afrika und Lateinamerika. Die Weltmehrheit schätzt diese Chance. Ja, Russland führt in der Ukraine jetzt einen zivilisatorischen Kampf – nicht gegen die Ukraine, sondern gegen den gesamten Westen – für einen neuen, gerechten Aufbau der Welt. Gleichzeitig wird Russland weiterhin vom Nordatlantik-Block bedroht. Aber was ist der Sinn?

„Kann man drohen? Man kann jedem drohen. Es hat keinen Sinn, Russland zu drohen, weil uns das nur motiviert“, betonte Wladimir Putin auf der Pressekonferenz nach dem Gipfel.

Es war die vereinte Kraft aller in Kasan Versammelten, die UN-Generalsekretär Antonio Guterres nach Kasan lockte. Er konnte es sich nicht leisten, nicht zu kommen, und er tat das Richtige. Er sprach vorsichtig, aber positiv: „Keine Gruppe, kein Land kann allein arbeiten. Was wir brauchen, ist eine Gemeinschaft von Ländern, die wie eine große Familie handeln, um die Herausforderungen der Welt zu bewältigen, wie die wachsende Zahl von Konflikten, die Zerstörung, den Klimawandel, die Umweltverschmutzung, den Verlust der biologischen Vielfalt, die zunehmende Ungleichheit und die Armut.“

Putin unterstützte das von Guterres gezeichnete Bild der Menschheit als Familie, und mit seinem – ich würde sagen – gewohnten Charme schärfte und vertiefte er die Idee: „Der verehrte Herr Generalsekretär sagte, dass wir alle als eine große Familie leben sollten. Lieber Herr Generalsekretär, so leben wir doch. In Familien gibt es leider oft Streit, Skandale, Streit um Eigentums, manchmal sogar Prügeleien. Das Ziel der BRICS ist es, die notwendigen Mechanismen der Zusammenarbeit und eine günstige Atmosphäre im gemeinsamen Haus zu schaffen. Wir tun das und werden es auch weiterhin tun, auch in enger Abstimmung mit der UNO.“

Das Thema Ukraine nahm in Kasan nur wenig Raum ein, aber Putin setzte von seiner Seite das i-Tüpfelchen: „Wir sind bereit, alle Optionen für Friedensvereinbarungen auf der Grundlage der sich am Boden abzeichnenden Realitäten zu prüfen. Und wir sind zu nichts anderem bereit.“

Was die Qualität der in Kasan versammelten Staats- und Regierungschefs betrifft, so hat sie wirklich Aufmerksamkeit erregt. Sagen Sie mir, können Sie den Namen des Präsidenten von Bolivien, Luis Alberto Arce Catacora, nennen? Er ist brillant ausgebildet, hat an den besten Universitäten der Welt gelehrt, und als Wirtschaftsminister war er der Architekt des bolivianischen Wirtschaftswunders. Unter ihm wuchs die Wirtschaft des Landes um Hunderte von Prozenten. Doch nun sagte er, nur als Beispiel für das Denken der vielen nicht sehr bekannten, aber starken Führungspersönlichkeiten in Kasan: „Ich betone unsere Überzeugung, dass die BRICS der greifbare Beweis dafür ist, dass wir eine neue multipolare Welt schaffen können, die für die Menschheit ausgewogener und gerechter ist. Heute ist ein Schlüsseltag für eine neue Etappe in der Geschichte der Weltwirtschaft. Das ist ein Tag der Hoffnung.“

Und dann sprach er über die Diktatur und sogar Tyrannei des Dollars, der wie „für periphere Volkswirtschaften eine Zwangsjacke“ sei. Er sprach über die Unzulässigkeit der Organisation von Staatsstreichen, darüber, dass man Länder und Völker nicht nur als eine Summe statistischer Daten behandeln darf, sondern dass man ihre Geschichte und Kultur respektieren muss. Und hier sind die Bestrebungen der Weltmehrheit noch einmal in den Worten des bolivianischen Präsidenten: „Man muss ein internationales, multilaterales System aufbauen, das flexibler, effektiver, repräsentativer, legitimer, demokratischer und verantwortungsvoller ist, mit der Beteiligung, einer effektiveren Beteiligung der Entwicklungsländer, um ihnen das Recht zu geben, zu wählen, das ihnen jetzt vorenthalten wird.“

Wir geben Ihnen die Rede des bolivianischen Präsidenten in konzentrierter Form wieder, gerade weil sie den Gleichklang zum Ausdruck bringt, der die 36 Länder, die sich in Kasan zum gemeinsamen Handeln versammelt hatten, ausdrückte. Das Wertvollste, was es dort gab, war die Stimmung, nach einem gemeinsamen Weg zu suchen, das Gefühl eines inspirierenden Moments der Kraft gemeinsamer Bestrebungen. Niemand hat irgendwem Befehle erteilt, irgendwem gedroht oder Bedingungen gestellt. Im Gegenteil, in Kasan herrschte eine Atmosphäre der Befreiung und der aufregenden Möglichkeiten. Für viele war das so neu und so ungewohnt, dass sie sich innerlich fragten: „Ach, so geht es auch?“.

Ja, das geht.

Aus Kasan berichtet unser Korrespondent.

Das Ausmaß der Veranstaltung wurde von den ersten Minuten an deutlich. Die Flugzeuge von Präsidenten, Premierministern, Leitern internationaler Organisationen und anderen Delegationsleitern trafen am Flughafen von Kasan in einem endlosen Strom ein, für den man sogar ein eigenes Vorfeld gebaut hatte, das danach von allen Passagieren genutzt wird. Dutzende von Flugzeugen mussten untergebracht werden.

Und kam das Gruppenfoto der hohen Persönlichkeiten, eine nicht ganz einfache Aufgabe für die Fotografen, zumal die Staatsoberhäupter jede Minute zum Reden nutzten. Das war die Demonstration der breiten Repräsentativität und des wachsenden Einflusses der BRICS. Die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Länder und der Staaten von drei Kontinente, die ihre Werte teilen, sitzen in einem Raum an einem runden Tisch von beeindruckender Größe. Das war das sogenannte „Outreach“/„BRICS Plus“-Format.

„Die hier vertretenen Staaten haben wirklich enorme Fähigkeiten und Ressourcen, genießen hohes Ansehen auf der Weltbühne und nutzen all dies aktiv, um tatsächlich zur Gewährleistung der globalen Sicherheit und zur Förderung nachhaltiger Entwicklungsprozesse in der Welt beizutragen“, betonte Wladimir Putin.

Ein deutlicher Beweis für die wachsende Macht: Der Anteil des BIP der BRICS-Länder am weltweiten BIP in Kaufkraftparität nimmt stetig zu und wird in diesem Jahr fast 37 Prozent betragen, was den Wert der westlichen G7-Länder souverän übertrifft, die bei 30 Prozent liegen. Das veränderte Gleichgewicht spiegelt sich jedoch noch nicht in der globalen Politik und Finanzwelt wider. Mehr noch, der Westen tut alles, um das Wachstum zu bremsen.

„Der Übergang zu einer gerechteren Weltordnung ist nicht einfach“, sagte der russische Präsident. „Seine Entstehung wird durch Kräfte behindert, die gewohnt sind, in der Logik der Beherrschung von allem und jedem zu denken und zu handeln. Es werden illegale einseitige Sanktionen, unverhohlener Protektionismus, Manipulation von Währungen und Aktienmärkten, Einmischung in innere Angelegenheiten unter dem Vorwand, sich um Demokratie und Menschenrechte zu kümmern und den Klimawandel zu bekämpfen, eingesetzt“.

Die Zahl der von den USA unter allen möglichen Vorwänden verhängten Sanktionen hat sich in den letzten Jahren um mehr als tausend Prozent erhöht. Zunehmend werden auch gegen China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, Sanktionen verhängt. Und auch Peking will sich das nicht gefallen lassen und verkündet seine Entschlossenheit in einer orientalischen Bildsprache und unter Verwendung von Beispielen aus russischen Klassikern.

„Der kollektive Aufstieg der Länder des globalen Südens ist ein deutliches Zeichen für eine sich dynamisch verändernde Welt“, sagte Xi Jinping. „Als führende Länder des globalen Südens haben wir die Pflicht, unsere Gedanken und Bemühungen zu vereinen. Wir müssen handeln wie in Tschernyschewskis Roman „Was zu tun ist“, in dem der Held einen außergewöhnlich starken Willen und Entschlossenheit zeigt, um seine Ziele zu erreichen. Diese Art von Standhaftigkeit braucht es heute.“

Diese Entschlossenheit wird durch die persönliche Teilnahme des chinesischen Staatsoberhauptes am Gipfel und die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und China, die auf die höchste Ebene gebracht wurden, bestätigt. Ein anschauliches Symbol dafür ist die Eskorte des chinesischen Fluges Nummer 1 durch Flugzeuge der russischen Luftwaffe und der Empfang am Boden auf höchstem Niveau. Allein die Tatsache, dass dies das dritte persönliche Treffen der beiden Staatsoberhäupter in diesem Jahr war, spricht für sich.

„Die Beziehungen haben den Charakter einer umfassenden Partnerschaft und strategischen Zusammenarbeit. Sie könnten ein Modell dafür sein, wie die Beziehungen in der modernen Welt aussehen sollten“, sagte der russische Staatschef.

Moskau und Peking vertreten in wichtigen Fragen der Weltpolitik enge oder übereinstimmende Positionen.

„Mein lieber langjähriger Freund“, antwortete Xi. „In den letzten Jahrzehnten haben die chinesisch-russischen Beziehungen einen nie dagewesenen Charakter angenommen. Die internationale Lage befindet sich in einem tektonischen Wandel, wie es ihn seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hat, und unterliegt schwerwiegenden Veränderungen und Umwälzungen. Aber das kann meine Überzeugung von der Unantastbarkeit der strategischen Entscheidung beider Länder für eine feste gegenseitige Unterstützung, die tiefe, jahrhundertealte Freundschaft zwischen unseren Staaten und das unvergessliche Gefühl des Pflichtbewusstseins Chinas und Russlands als Großmächte nicht erschüttern.“

Die Gespräche zwischen Putin und Xi sind natürlich die wichtigste Nachricht der Welt. Und was für eine Aufregung herrschte im Saal!

Die Journalisten stürmten fast die alten Gemächer des Kasaner Kremls. Alles nur, um den besten Platz zu bekommen und kein einziges Wort zu verpassen. Vor nicht allzu langer Zeit hatten sich die Präsidenten Russlands und Chinas das Ziel gesetzt, den Handelsumsatz auf 200 Milliarden Dollar zu steigern, jetzt sind es bereits knapp 230 und er wächst weiter. Der Schlüsselbereich ist die Energie.

Der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Novak sagte mir: „Heute erwägen wir ein Abkommen über die langfristige Entwicklung der Beziehungen und langfristige Lieferungen. Und gerade jetzt verhandeln wir mit chinesischen Partnern.“

Und dann ist da noch die Zusammenarbeit in Industrie, Hochtechnologie, Wissenschaft und Tourismus. Aus diesem Grund ist der Saal mit Ministern, Beratern und Delegationsmitgliedern überfüllt. Und es gibt so viel Presse, dass die Zahl der Medienvertreter begrenzt ist. Wir mussten ohne Kameramann arbeiten und mit dem Smartphone filmen, aber dann kam unerwartet Finanzminister Anton Siluanow, um bei den Dreharbeiten zu helfen und nahm mir das Telefon ab, um mich bei meinem Aufsager zu filmen. Andere Sender haben gefilmt, wie Minister Siluanow für mich den Kameramann spielte.

Indien ist seit deren Gründung ein weiteres wichtiges Mitglied der BRICS. Der Dialog ist umso wichtiger, als alle Entscheidungen in den BRICS auf der Grundlage des Konsenses getroffen werden. Das heißt, alle müssen zustimmen. Gegenseitiger Respekt für die Interessen der anderen stärkt letztlich die Vereinigung.

Zwischen Moskau und Neu-Delhi besteht eine besonders privilegierte strategische Partnerschaft und in vielen Fragen herrscht völliges gegenseitiges Verständnis. So zögerte auch der Dolmetscher lange, sich einzumischen, als Putin die Begrüßungsworte zum indischen Premierminister sprach. „Ich bin dankbar, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind und persönlich zum BRICS-Gipfel nach Kasan gekommen sind“, bedankte sich Putin. „Wir müssen eine Reihe von Entscheidungen treffen, um die Aktivitäten der Vereinigung zu verbessern und die vielfältige Zusammenarbeit in ihrem Rahmen zu stärken“.

Als der Dolmetscher schließlich unterbrach, um zu übersetzen, antwortete der russische Präsident lachend: „Wir haben solche Beziehungen, dass ich dachte, Sie würden alles auch so verstehen.“

Zwischen den Ländern gibt es im gegenseitigen Handel ein Rekordwachstum von über 60 Prozent und es sind bereits knapp 60 Milliarden Dollar. Außerdem ist Indien seinerseits bereit, sich an Friedensinitiativen zur Lösung von Konflikten zu beteiligen.

„Es ist ermutigend, dass ich das Glück hatte, nach Kasan zu kommen, um am BRICS-Gipfel teilzunehmen. Was den anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine angeht, so stehen wir in ständigem Kontakt. Wir sind der Meinung, dass der Konflikt friedlich gelöst werden sollte, und wir sind bereit, jede Art von Unterstützung zu leisten“, antwortet der hohe Gast aus Indien.

Das Thema Ukraine wurde natürlich auch auf den gemeinsamen Versammlungen erörtert. Auch vor dem Hintergrund der Einmischung ausländischer Kräfte, die den Konflikt nicht nur in der Ukraine nur anheizt. Das palästinensische Staatsoberhaupt Abbas sprach auf dem Gipfel, und auch der iranische Präsident Peseschkjan gab eine Erklärung ab: „Die Zeit der Unipolarität geht zu Ende. Die Politik der westlichen Länder verschlimmert die Lage in allen Teilen der Welt nur. Die Amerikaner haben zum Anwachsen von Konflikten und Kriegen in der ganzen Welt beigetragen. Wir wissen genau, was derzeit im Libanon und in Palästina geschieht.“

Der russische und der iranische Präsident erörterten die akute Krise im Nahen Osten bei einem separaten bilateralen Treffen. Sie führten auch Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Die Präsidenten befassten sich auch mit gemeinsamen Wirtschaftsthemen. Obwohl die Türkei NATO-Mitglied und in vielen Fragen ein Verbündeter der USA ist, spürt sie starken Druck von außen und ist natürlich unzufrieden mit dem derzeitigen Ungleichgewicht in der Weltpolitik.

„Vor dem Hintergrund der Fragilität der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und der Veränderungen in den weltweiten Finanzen sehen wir, dass das nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Finanzsystem verändert werden muss“, sagte Erdogan.

Die Länder sprechen sich für eine Reform der UNO, des IWF und der Weltbank aus. Parallel dazu entwickelt die BRICS ihre Neue Entwicklungsbank. „Die geopolitische Lage wird durch die Tatsache kompliziert, dass der Dollar als Waffe eingesetzt wird, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verändern, was auch das internationale Finanzsystem betrifft“, so Dilma Rousseff, die Chefin der BRICS-Entwicklungsbank.

„Aber das tun nicht wir, das tun andere“, betonte Putin. „Und wir lehnen den Dollar nicht ab, wir kämpfen nicht gegen den Dollar. Aber wenn man uns nicht mit ihm arbeiten lässt, was können wir dann tun? Wir sind dann gezwungen, nach anderen Alternativen zu suchen.“

In einer Sitzungspause wurde den Staats- und Regierungschefs sogar eine symbolische Banknote der Brics-Währung gezeigt. Auf der experimentellen Banknote sind Flaggen und Totemtiere der verschiedenen Länder abgebildet. Obwohl die Einführung einer gemeinsamen Währung noch in weiter Ferne liegt, setzen die Länder bereits auf Abrechnungen ohne den Dollar in nationalen Währungen.

„Der Handel in nationalen Währungen und der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr werden unserer Zusammenarbeit nur zugute kommen“, sagte Narendra Modi. Die Länder sprechen auch über die Schaffung eines eigenen Abrechnungssystems namens BRICS-Bridge.

Der brasilianische Präsident da Silva sagte: „Dies ist ein Marshall-Plan, aber umgekehrt, früher haben die Entwicklungsländer die Industrieländer unterstützt, aber die BRICS-Initiative bricht mit dieser Logik. Jetzt muss man eine alternative Währungsbeziehung zwischen unseren Ländern schaffen.“

Das Problem ist auch für Südamerika und Afrika akut. „Ägypten hält es für äußerst wichtig, die Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS weiter auszubauen. Insbesondere beim Übergang zu Finanzabrechnungen in lokalen Währungen“, betonte der ägyptische Präsident Al-Sisi.

Es überrascht nicht, dass der Westen auf den BRICS-Gipfel äußerst empfindlich reagiert hat. „Das ist eine historische Wende, die nicht unterschätzt werden darf. Zum ersten Mal in den letzten 100 Jahren sehen wir einen ernsthaften wirtschaftlichen Rivalen für die USA. Das haben weder Sie noch ich zu unseren Lebzeiten erlebt“, so der Wirtschaftswissenschaftler Richard Wolff.

Viele westliche Politiker noch im Stadium der Verleugnung und meinen, dass die BRICS aufgrund interner Widersprüche keinen Erfolg haben werden. Führende Experten wiederum raten dazu, das nächste Stadium zu erreichen und die Realität zu akzeptieren. Charles Kupchan, Professor für internationale Beziehungen an der Georgetown University, sagte: „Wir sind Zeugen der Geburt einer neuen Weltordnung. Das Wichtigste an dieser ganzen Geschichte ist, dass eine große Zahl von Ländern des sogenannten globalen Südens, Länder mit wachsenden Volkswirtschaften – Indien, Brasilien, die Türkei, Indonesien – ihre Risiken absichern. Heute kooperieren sie mit den USA und ihren demokratischen Verbündeten, morgen mit Russland und China. Ein wichtiger Akteur, Premierminister Modi, kommt zu einem Staatsbankett in die USA und umarmt anschließend Wladimir Putin. So ist die neue Welt.“

John Mearsheimer, Professor an der University of Chicago, pflichtete bei: „Es ist uns nicht gelungen, Putin zu einem Paria zu machen und ihn auf der internationalen Bühne zu isolieren. Das mag innerhalb des Westens so sein, aber außerhalb des Westens nicht. Der BRICS-Gipfel hat das allen gezeigt. Außerdem ist es klar, dass die amerikanische Politik in der Ukraine, alle Absichten Bidens, völlig gescheitert sind. Die Ukraine ist dabei, den Krieg zu verlieren. Mit anderen Worten: Die NATO verliert den Krieg. Biden ist es nicht gelungen, die Russen in die Knie zu zwingen.“

Die Teilnahme des UN-Generalsekretärs am Gipfel war in diesem Sinne ein Meilenstein. Eine so repräsentative Zusammenkunft von Ländern und ihre vom Westen abweichende Meinung, auch zur Ukraine, konnte Antonio Guterres einfach nicht ignorieren. Bei der Gelegenheit schätzte er auch die russische Gastfreundschaft

Auch die Atmosphäre des Gipfels selbst unterschied sich wohltuend von den eintönigen Kongressen der G7. Jedes Staatsoberhaupt erwartete eine üppige und farbenfrohe Begrüßungszeremonie. Ein roter Teppich, eine Ehrengarde und ein Leckerbissen aus den Händen von Schönheiten in Nationaltrachten. Russisches Brot mit Salz und süßes tatarisches Tschak-Tschak, das für die Staats- und Regierungschefs zu einer Art Quest wurde. Was soll man probieren und wie? Der südafrikanische Präsident Ramaphosa erhielt vom tatarischen Staatschef Minnichanow einen Kurs in Sachen Verkostung.

Alexander Lukaschenko konnte dem Leckerbissen nicht widerstehen und warf Minnichanow im Scherz vor, ihn in Versuchung zu führen, wo Lukaschenko doch ohnehin schon ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hat.

Ausnahmslos alle Staats- und Regierungschefs lobten das hohe Niveau des Gipfels. Bequeme Unterbringung und Logistik, ein reichhaltiges Kulturprogramm und komfortable Bedingungen für die Verhandlungen.

Die Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan unterhielten sich während des BRICS-Plus-Treffens, offensichtlich auf Russisch, fast eine Stunde lang angeregt. Sie sind der Unterzeichnung eines Friedensvertrags näher denn je. Und vom Gipfel in Kasan kam auch eine exklusive Eilmeldung. Für den 26. Januar 2025 sind in Weißrussland Präsidentschaftswahlen angesetzt, und Lukaschenko erklärte gegenüber Olga Skabejewa, der Moderatorin der „Sendung 60 Minuten“, im Interview zum ersten Mal, dass er als Präsident kandidieren werde.

Viele Länder, darunter auch Weißrussland, haben sich bereits um die Aufnahme in die BRICS beworben. Die Vereinigung hat sich in diesem Jahr bereits vergrößert und zum ersten Mal fanden in Kasan ein Treffen in der neuen Zusammensetzung statt.

Es gibt, entsprechend der Anzahl der Teilnehmer, 10 Flaggen, aber es gibt mehr dreimal so viele Kandidaten, und die Staatschefs müssen Kriterien ausarbeiten, um die BRICS so effektiv wie möglich zu machen. Das ist bereits geschehen. Es wurde das neue Konzept der BRICS-Partnerländer eingeführt, das sich in der von den Staats- und Regierungschefs angenommenen Erklärung von Kasan widerspiegelt. Inzwischen haben 13 Staaten diesen Status erhalten.

Wladimir Putin fasste es so zusammen: „Wir bemühen uns, uns gleichgesinnte Länder in die bestehenden Arbeitsformate der Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS einzubeziehen und eine gleichberechtigte und für alle Seiten vorteilhafte Partnerschaft mit ihnen aufzubauen. In diesem Sinne und unter dem Motto „Stärkung des Multilateralismus für eine gerechte globale Entwicklung und Sicherheit“ hat der russische Vorsitz in diesem Jahr gearbeitet. Liebe Freunde, ich danke Ihnen, dass Sie heute hier sind, und bringe einen Toast aus: auf das Wohlergehen unserer Völker, auf die Stärkung unserer Zusammenarbeit und auf die Gesundheit aller Anwesenden!“

Der Vorsitz der viel nun stärkeren und einflussreicheren Vereinigung wird im Januar von Russland an Brasilien übergehen. Der BRICS-Gipfel in Kasan, Dutzende von bilateralen Treffen und informellen Gesprächen zwischen dem russischen Präsidenten und führenden Politikern aus Asien, Afrika und Lateinamerika sind nun offiziell beendet.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Der Bericht hört sich an wie ein „Friede, Freude, Eierkuchen“-Gelob-Gehudel aus Ostblockzeiten, untereinander. Springt der Funke über?

    Bei so vielen neuen beteiligten Staaten wird man um Rangordnungen nicht herumkommen, siehe UNO. So wird sich, parallel zur UNO, auch eine Art Sicherheitsrat bilden müssen aus den mächtigsten BRICS-Staaten. Ob damit dann alle zufrieden sind, in eine 2. Reihe geschoben zu werden? Hier wird es dann auf eine Unterstützungspraktik, wie in der EU, hinauslaufen. Es gibt also Vorbilder, auf deren Ideen man sich berufen kann. Eine schwerfällige UNO wäre hier nicht konstruktiv, wohl aber eine Art interkontinentale EU mit ständigen Beratungsorganen und Entscheidungsmöglichkeiten. Der „Westen“ müßte lernen, sich unterzuordnen. Und damit hat er wohl seine Schwierigkeiten, weswegen er das BRICS-Treffen bewußt nicht beachtet.

  2. Eine riesige Aufgabe… und es gibt auch Schwierigkeiten dabei.
    Z.B das Brasilien sich gegen die Aufnahme von Venezuela und Nicaragua ausgesprochen hat.
    Lula da Silva sitzt nicht so fest im Sattel wie Putin, Modi und Xi.
    Lula hat keine Mehrheit im Parlament.
    Und die brasilianische Elite ist weiter kulturell auf die USA und Europa fixiert.
    Es scheint möglich, dass die USA alles Mögliche in Brasilien unternehmen, um das Land wie Argentinien aus den BRICS wieder rauszuholen.
    Es wird im nächsten Jahr spannend, wenn Brasilien den BRICS-Vorsitz hat.
    Da könnte sich etwas klären.
    Der aktuelle Gipfel war bestimmt ein großer Erfolg für die russische Regierung.
    Es wäre trotzdem interessant, auch etwas über die Schwierigkeiten und Probleme
    der BRICS zu erfahren.

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