Propaganda und Zwang?

Teil 1: Das gesamte TV-Interview von Roman Protasewitsch auf Deutsch

Da das Interview von Roman Protasewitsch im Westen Schlagzeilen macht und als "erzwungen" bezeichnet wird, werde ich das gesamte Interview in drei Teilen übersetzen. Hier ist Teil 1.

Die Übersetzung des Interviews ist schwierig, weil es kein Transkript gibt. Aber auf YouTube wurde es in Fragen aufgeteilt. Ich werde alle Fragen übersetzen und die Antworten von Protasewitsch mal wörtlich zitieren, mal zusammenfassen. Dabei werde ich immer die Zeitstempel der Frage beifügen, sodass jeder sich die betreffende Passage anschauen und zum Beispiel Mimik und Körpersprache sehen und für sich entscheiden kann, ob Protasewitsch gezwungen oder natürlich wirkt.

Der Journalist, der das Interview mit Protasewitsch geführt hat, war selbst auf der Todesliste, die die Putschisten für den vereitelten Putschversuch vorbereitet hatten. Der Putschplan sah vor, Lukaschenko, seine Söhne und einige Dutzend der wichtigsten Vertreter der weißrussischen Regierung und staatlichen Medien in der ersten Stunde des Putsches zu erschießen oder zu internieren. Das muss man wissen, wenn man sich vor Augen führen möchte, wie emotional schwierig das Interview wahrscheinlich für beide Beteiligten war, denn Protasewitsch wusste zumindest von den Putschplänen.

Daher leitete der Moderator das Interview mit folgenden Worten ein:

Journalist:Für mich, der ich auf der Todesliste stand, ist es nicht einfach, über die Prozesse zu sprechen, an denen Sie direkt beteiligt waren und über die wir heute sprechen werden. Aber ich versuche es. Und ich sage es ehrlich, das tue ich nicht für mich, sondern eher für die Menschen, damit sie lernen, miteinander zu reden, wenn sogar wir beide das können.
Die Journalisten-Kollegen, da bin ich sicher, hätten gerne so eine Möglichkeit bekommen. Aber ich habe die Erlaubnis bekommen. Darum werde ich das Gespräch heute aufteilen und werde die Frage stellen, die wohl die von der Opposition abhängigen Medien stellen würden, und auch die Fragen, die die staatlichen Medien stellen würden. Ich werde diese Fragen also ab und an trennen.
Ich hoffe, dass zumindest Sie verstehen, dass es keine unabhängigen Medien gibt
.“
Protasewitsch:Selbstverständlich.“
Journalist: Gut, dass Sie das verstehen, denn dann müssen wir vieles nicht extra erklären.“

0:01:21 Machen Sie dieses Interview freiwillig? Wie fühlen Sie sich?

Die Anwtort war kurz, Protasewitsch sagte, er mache das freiwillig und fühle sich bis auf eine Erkältung gut.

0:01:37 Wie werden Ihre Mitstreiter Ihrer Meinung nach über unser Gespräch denken?

Protasewitsch sagte dazu, dass ihm das egal sei, dass er aber vermute, er werde als Verräter bezeichnet werden. Aber er lebe im Hier und Jetzt, ihm sei das egal. Er wolle ehrlich den Schaden, den er angerichtet habe, wieder gut machen. Er fügte hinzu, dass er in der Opposition gezwungen war, „meine Nase immer weniger in Angelegenheiten zu stecken, die mich nichts angehen, woher welche Gelder kommen, welche Geheimdienste wen beeinflussen, je mehr ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, desto schlimmer wurde das alles.“

0:02:48 Hat die Opposition Angst vor Ihrem Auftritt?

Ich denke ja, das wird für einigen Wirbel sorgen.“

0:02:56 Wurden Sie vor diesem Interview geschminkt?

Ich wurde gar nicht angefasst, mir wurden nur diese beiden Mikrofone angesteckt.“

Wer das Video anschaut, kann das unschwer überprüfen. Sogar Pickel auf der Stirn und andere Unreinheiten der Haut sind deutlich sichtbar.

0:03:26 Wer wusste, dass Sie auf diesem Flug waren?

Der Journalist leitete die Frage mit den Worten ein, dass er über den Flug nicht sprechen wolle, da das Thema für beide bereits eindeutig geklärt sei, wozu Protasewitsch nickte.

Vorweg nennt Protasewitsch seinen Urlaub einen „erzwungenen Urlaub“. Warum das so ist, dazu wird er später noch erzählen. Weiter sagt er, er habe während des „erzwungenen Urlaubs“ nur einmal mitgeteilt, wo er sich befinde. Und das war 40 Minuten vor dem Abflug aus Athen in einem geschlossenen Chat. Er nennt dann einige der Teilnehmer der Chat-Gruppe, mit einem besonders bitteren Lächeln nennt er Franak Viačorka, den wichtigsten Berater von Tichanowskaja, der nach eigenen Angaben Fellow beim Atlantic Councel ist und früher bei den US-amerikanischen Staatsmedien USAGM und Radio Liberty gearbeitet hat.

Diesen Gesichtsausdruck bei der Nennung des Namens Viačorka griff der Journalist auf, als er die nächste Frage stellte.

0:04:11 Mit wem in dem Chat hat hatten Sie ein schlechtes Verhältnis?

Protasewitsch erzählte von persönlichen Konflikten, die er in der letzten Zeit mit einigen Vertretern der Opposition gehabt habe, weil er sich geweigert habe, „bestimmte politische Aufgaben zu übernehmen“ und dass Viačorka in einem Chat geschrieben habe, dass man nach der Rückkehr von Protasewitsch aus dem Urlaub generell über die Perspektiven der Zusammenarbeit sprechen müsse. Es sei über seine Entlassung aus den Oppositionsprojekten gegangen und er selbst hätte nichts dagegen gehabt, er hätte inzwischen lieber als Fotograf gearbeitet.

0:05:01 Wer hat mit Ihnen über Ihre Kündigung gesprochen?

Das war eine Online-Konferenz, an der ich selbst aus einem ganz dummen Grund nicht teilnehmen konnte, weil das W-LAN in dem Hotel so schlecht war. Da wurde über meine Kündigung gesprochen, weil ich irgendwelche unwichtigen Deadlines verpasst hatte.“

0:05:18 Wer konkret darauf aufmerksam gemacht, dass es ein Gespräch über Ihre Kündigung geben würde?

Protasewitsch nennt in dem Interview immer wieder Daniel Bogdanowitsch, so auch hier. Der soll es gewesen sein, mit dem Protasewitsch in Konflikt stand. Laut den verfügbaren Quellen ist Bogdanowitsch aus dem Umfeld von Tichanowskaja, aber über den Mann ist im Internet nicht allzu viel zu finden, er scheint aber im „Medienapparat“ der Opposition eine hohe Funktion zu haben.

0:05:34 Warum waren Sie sicher, dass Sie nicht von „denen“ verraten werden?

Bei der Diskussion über diese Frage ging es dann auch um Protasewitschs Beteiligung an dem Projekt „Weißrussisches Schwarzbuch“. Das war ein Projekt, bei dem die Opposition persönliche Daten von Polizisten, Journalisten der staatlichen Medien, aber Lehrern und anderen Staatsangestellten gesammelt hat, die sie der Treue „zum Regime“ verdächtigten. Diese Daten wurden dann im Internet mit der Aufforderung veröffentlicht, den Frauen und Kindern dieser Leute „Besuche abzustatten“. Es ging darum, in den Reihen dieser Menschen Angst und Schrecken zu verbreiten.

Protasewitsch bestreitet allerdings, mit dem Projekt etwas zu tun gehabt zu haben. Er habe dort nur einmal einen Grundkurs in Journalistik gegeben.

Der Journalist fragt dann nach der ebenfalls in Minsk verhafteten Freundin von Protasewitsch, Sofia Sapega, die Redakteurin in dem Telegramkanal „Weißrussisches Schwarzbuch“ war, was Protasewitsch bestätigt. Der Journalist erzählt dann, dass auch er und seine Mitarbeiter auf der Liste standen (das ist allgemein bekannt) und dass in Sofias Telefon noch etwa 80 weitere, noch unveröffentlichte Datensätze waren.

0:06:53 Wie sind Sie an die persönlichen Daten für das „Weißrussische Schwarzbuch“ gekommen? Wurde dafür bezahlt?

Protasewitsch weist nochmal darauf hin, mit dem Projekt nicht direkt zu tun gehabt zu haben. Aber nach dem, was er wisse, kämen die Daten von (ehemaligen) Kollegen der Betroffenen, es habe Maulwürfe gegeben.

0:08:05 Haben unsere ehemalige Kollegen, Journalisten, Informationen über uns durchsickern lassen?

Protasewitsch weist nochmal darauf hin, mit dem Projekt nicht direkt zu tun gehabt zu haben. Er wisse darüber nichts, er habe nur mal gehört, dass man Dienstpläne der Medien bekommen habe.

0:08:44 Wie denken Sie über weißrussische Prominente, die die Seiten gewechselt haben?

Es gab in den Zeiten der Proteste im Sommer 2020 viele weißrussische Prominente, die in sozialen Netzwerken mit der Opposition sympathisiert haben. Protasewitsch hatte nicht viele gute Worte für diese Leute übrig, denn er fragte, warum diese Leute ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ihre oppositionellen Einstellungen entdeckt hätten, oder – wenn sie schon immer mit der Opposition sympathisiert haben – wie das zu ihrer offiziellen Treue zu Lukaschenko passt. Mit anderen Worten, in seinen Augen waren das Opportunisten, für die er nicht viel Sympathie gezeigt hat. Konkret spricht er dabei Journalisten an, die immer treu für die staatlichen Medien gearbeitet haben und nun plötzlich ihre Sympathie für die Opposition entdeckt hatten.

Der Journalist sagte dazu: „Das ist wie in dem Witz, wenn einer in seinen Memoiren schreibt, er habe im System gearbeitet, um das System von Innen zu verändern…

Protasewitsch lachend: „Das ist lächerlich.“

0:10:03 Warum haben Sie und Sofia im Flugzeug nicht alle Informationen auf Ihrem Telefon gelöscht?

Protasewitsch erklärt das mit der Panik, in der sie sich befunden haben, als sie erfahren hatten, dass das Flugzeug nach Minsk fliegt. Er vergleicht das mit den Gedanken, die ein Menschen haben muss, wenn er zum Schafott geführt wird.

0:11:21 Warum haben Sie im Flugzeug darüber gesprochen, dass die Todesstrafe hier auf Sie wartet?

Protasewitsch erklärt das damit, dass er in die Liste der Terroristen aufgenommen wurde und für bestimmte Delikte in Weißrussland die Todesstrafe gilt.

0:11:37 Wofür sollten Sie Ihrer Meinung nach zur Rechenschaft gezogen werden?

Der Journalist fügte hinzu, dies sei kein Verhör und er sei kein Richter, ihn interessiere einfach, an welchem Punkt Protasewitsch erkannt hat, dass er die Grenzen des Zulässigen überschritten hat.

Protasewitsch erzählt, dass er bei der Verkündung der Anklage sofort und in vollem Umfang gestanden hat, zu Massenunruhen aufgerufen zu haben. Ihn habe es berührt, dass in Minsk danach drei Tage Chaos geherrscht hat.

Der Journalist hakt nach und weist auf ein Interview hin, dass Protasewitsch einem bekannten russischen Blogger gegeben hat, in dem er offen erzählt hat, dass er die Proteste koordiniert hat. Proteste ließen sich nicht mit einem einfachen Aufruf koordinieren, das brauche Organisatoren. Er weist auch auf Instruktionen hin, wie man in Weißrussland Terroranschläge auf die Eisenbahn verüben kann (solche Versuche gab es) und dass einfache Leute das Wissen dafür nicht haben, dass sie dafür Anleitungen bekommen haben müssen.

0:12:46 Ihr NEXTA-Kanal diente als Koordinator des Protests. War „Lavkhata“ ist ein Werkzeug dafür?

„Lavkhata“ war laut Protasewitsch ein Chat, in dem die Proteste geplant und koordiniert wurden.

0:14:41 Wer war Teil dieses geheimen „Lavkhata“-Chats?

Protasewitsch nennt viele Namen, darunter Bogdanowitsch und auch Viačorka, der dort konkrete Anweisungen gegeben habe. Aber auch andere von ihm genannte Namen sind in Weißrussland bekannt, darunter weitere Leute aus dem Stab von Tichanowskaja. Ein Name dürfte besonders interessant sein: Artjom Schraibman.

Schraibman war für das Protal tut.by tätig, dass der Opposition nahe stand und dem erst vor kurzem die Tätigkeit in Weißrussland verboten wurde, wobei Redakteure von tut.by verhaftet wurden.

In dem Chat wurde laut Protasewitsch alles geplant und festgelegt, er spricht von dem „Informationskrieg“, der dort koordiniert wurde.

0:16:21 Hat Schraibman die Unruhen koordiniert?

Das bestätigt Protasewitsch nicht, aber Schraibman habe dort sehr oft seine Meinung zu all dem gesagt und mitgeteilt, wie die Opposition seiner Meinung mehr erreichen könnte.

0:16:45 Woher wussten Sie, wer wer ist, da die Leute in geheimen Chats Codenamen tragen?

Protasewitsch sagt, dass nicht alle ihre Identitäten versteckt haben, aber es sei bekannt gewesen, wer hinter welchem Codes steckt, auch wenn die ihre Namen teilweise wöchentlich geändert hätten.

0:17:44 Ist dieser Chatraum noch aktiv?

Ja, aber er wurde sicherlich umbenannt oder neu gegründet.“

Der Journalist sagt dann, dass sich die verschiedenen Stäbe (und Strömungen) der Opposition in Vilnius und Warschau angeblich vereinigt hätten und fragt, ob Protasewitsch glaubt, dass diese Allianz funktionieren kann:

0:18:08 Glauben Sie, dass Putilo Vetscherko nicht verraten wird, dass Latuschko mit Tichanowskaja auskommen kann und Strizhak nicht alle verraten wird, wenn es zu seinem Vorteil ist? Glauben Sie an eine solche Allianz?

Protasewitsch unterbricht hier und nennt ein Beispiel für die internen Kämpfe in der Opposition. Latuschko in Polen habe Zugang zu einem Projekt von Tichanowskaja bekommen, in dem sie ihre Schattenregierung vorstellen wollte und hat ihr das Projekt einen Tag vor der Verkündung „gestohlen“ und es der Öffentlichkeit als sein Projekt präsentiert. Daraufhin habe Viačorka einem der Beteiligten „fast aufs Maul gehauen„.

Das sei eines der Beispiele für die große Zahl der inneren Konflikte und Machtkämpfe in der Opposition. Die größte Angst der Stäbe sei es, dass diese Dinge in die Öffentlichkeit gelangen.

0:19:48 Worum kämpfen die Gruppen innerhalb der Opposition?

Protasewitsch nennt mehrere Beispiele mit Namen, eine der genannten Frauen lebe seit 10 Jahren in Lettland, habe ein 600-Quadratmeter-Haus in bester Lage in Vilnius und sie versucht, sich in ihren Videos in den Vordergrund zu drängen, dabei sei sie zum Beispiel überhaupt nicht an Macht interessiert, ihr gehe es nur um Geld. Die Beispiele, die er nennt, drehen sich alle um die internen Kämpfe um die Gelder, mit denen die Opposition unterstützt wird.

0:21:25 Haben Sie dagegen protestiert?

Protasewitsch erzählt, dass diese Dinge „auf den Gängen“ aber nicht öffentlich kritisiert wurden. So habe sich Latuschko nie öffentlich gegen Tichanowskaja ausgesprochen, ihr das Projekt aber gestohlen, um seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen, was Tichanowskaja geschluckt hat. Die Stäbe seien aber alle bemüht, diese Konflikte nicht öffentlich zu machen, es gäbe aber „massenhaft Beispiele„. Dabei gehe es um Geld, politischen Strömungen und „Einflusszonen„.

0:22:35 Wie leben die politischen Führer im Ausland, also Latuschko und Tichanowskaja zum Beispiel?

Protasewitsch sagt, dass die politischen Führer gut leben. Die wichtigsten Stäbe seien Tichanowskaja in Litauen und Latuschko in Polen, die allerdings in der Hierarchie nicht gleichberechtigt seien. Tichanowskaja sei für den Westen jetzt nun mal die wichtigste weißrussische Politikerin.

0:23:22 Was hält Latuschko davon, dass Tichanowskaja für den Westen die wichtigste Politikerin ist?

Der Journalist fügt hinzu, er kenne Latuschko persönlich, er sei ein intelligenter Mann und es sei offensichtlich, dass Latuschko Tichanowskaja nicht ernst nimmt.

Protasewitsch erzählt, dass Latuschko sich notgedrungen unterordnen muss, weil er zu wenig politisches Gewicht und vor allem zu wenig Unterstützung hat.

0:24:54 Wo wohnt Latuschko?

Nach Protasewitschs Aussage mietet Latuschko eine Wohnung für 3.000 Euro in Warschau, er sei da aber nie gewesen, das werde „in den Gängen“ diskutiert.

Über Tichanowskajas Lebenswandel könne er nichts sagen, er wisse nicht, in welchem Haus sie lebt und alle Informationen über ihre Finanzen seien vollkommen geheim. Aber sie wird vom litauischen Sicherheitsdienst wie eine Präsidentin bewacht und hat einen Mitarbeiterstab wie eine Präsidentin, was ja von irgendwem bezahlt werden müsse.

Tichanowskaja ist in russischsprachigen Ländern generell ein Thema, denn sie war früher eine „graue Maus“, die nun ihr Aussehen sehr verändert hat und jetzt in teurer Markenkleidung auftritt, wobei sich die Menschen fragen, wer das alles bezahlt.

0:26:02 Wer bezahlt für Tichanowskajas Aussehen?

Protasewitsch sagt, dass ein ganzes Team aus Designern und Stilisten für Tichanowskaja arbeitet.

Der Journalist fragt weiter nach den Kosten für ihre Reisen in andere Staaten, ihren großen Stab und all die Kosten, er fragt „Wer bezahlt das Bankett?

Protasewitsch sagt, dass ein Teil von litauischen Staat, „vom litauischen Steuerzahler„, bezahlt wird. Außerdem seien da einige litauische Geschäftsleute, wer die sind, wisse er aber nicht. Und dann käme noch Geld aus der weißrussischen Diaspora. Die größte Teil der Unterstützung käme aber vom Staat, er nennt nochmal die Sicherheitskräfte, ihre Autokolonne und so weiter.

0:28:12 Wer zahlt für Latuschkos Wohnung? Warum ist es für Polen vorteilhaft, Latuschko und Tichanowskaja zu unterhalten?

Das erklärt Protasewitsch mit Geopolitik. Er hat zunächst in Warschau und dann in Vilnius gelebt und nennt Litauen ein armes Land, wo die Preise höher und die Löhne geringer sind als in Polen. Litauen ist ein kleines Land. Aber – so Protasewitsch – Litauen wendet sich nun sogar gegen China.

Seine Erklärung für die Unterstützung der Opposition liegt in der westlichen Rückendeckung, die es Litauen und Polen erlaubt, in der Geopolitik eine weit größere Rolle zu spielen, als es ihnen nach ihrem politischen Gewicht und ihrer wirtschaftlichen Stärke eigentlich zusteht. Er sagt lachend: „Die Unterstützung des kollektiven Westens erlaubt es Litauen, ungestraft die ganze Welt anzubellen. Das ist nur lustig. Wo ist Russland? Wo ist China? Und wo ist Litauen? „

Ihr ungestraften außenpolitischen Ambitionen erkaufen sich die Länder seiner Meinung nach mit der Unterstützung der weißrussischen Opposition, was auch die Konflikte zwischen den oppositionellen Stäben in Warschau und Vilnius erklärt.

0:31:04 Ist BYPOL die Idee von Polen oder Litauen?

BYPOL ist eine Vereinigung ehemaliger Mitarbeiter von weißrussischen Militärs und Polizisten, die Daten über das Militär, die Polizei und ihre Mitarbeiter an die Opposition weitergeben.

Protasewitsch: „BYPOL ist in Warschau. Mehr noch, das ist lustig, die haben ihr Büro im gleichen Gebäude, die der Stab von Latuschko. Das muss ein unglaublicher Zufall sein (lacht). Auch die Finanzierung dürfte aus den gleichen polnischen Quellen kommen, die müssen ja Gehälter bezahlen, Wohnungen mieten und so weiter.“

Протасевич о своих кураторах, самолете Ryanair, Лукашенко, Тихановской, санкциях и бунтах (Eng subs)

Den zweiten Teil der Übersetzung finden Sie hier.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Ich hatte als Kommentar zum vorherigen Artikel:
    „Nur ein Gedanke: Wie wäre es, wenn Roman Protasewitsch von Anfang an ein Mitarbeiter des KGB gewesen wäre und im Moment der Gefahr der Enttarnung aus der Schusslinie genommen wurde? Jetzt kann man seine Informationen offiziell ohne jeden Verdacht verwerten. Da passt auch der Donbass, ich kann mich martialisch präsentieren (Vertrauen schaffen) und kann im Zweifelsfall, so es soweit kommt, immer noch daneben schießen. Und würde das ein westlicher Geheimdienst zugeben? Marcus Wolf lässt grüßen.“
    Diese Übersetzung bestärkt mich in dieser Annahme. Ich sehe dies auch nicht negativ. Es ist das Recht jedes souveränen Staates, sich über Aktivitäten gegen selbigen im Ausland eine Übersicht zu verschaffen und diese abzuwehren. Wenn ich lese:
    „meine Nase immer weniger in Angelegenheiten zu stecken, die mich nichts angehen, woher welche Gelder kommen, welche Geheimdienste wen beeinflussen, je mehr ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, desto schlimmer wurde das alles.“
    dann war vermutlich ein Anfangsveracht vorhanden. Ich hoffe es sind noch viele „Roman Protasewitschs“ in der „Opposition“ unterwegs.

    1. Denkbar, aber ohne weitere Anhaltspunkte bloße Spekulation. Der Mann ist von seinen „Freunden“ buchstäblich ans Messer geliefert worden (glaubte an Todesstrafe) als Propagandafutter – reicht das nicht als Motiv? Man hätte das bei ruhiger Überlegung zwar voraussehen können, doch diese geldgeilen Hampelmänner sind keine Schachspieler.

  2. Auch der Glaube an die Todesstrafe ist rein spekulativ. Der kleine Kerl ist mir im Interviev etwas zu fröhlich. Wie gesagt, es wäre gut, wenn dem KGB dieser Einsatz gelungen wäre. Und ein richtiger „Hardliner“würde doch wohl an dieser Stelle ohne Waterboarding o.ä. jetzt nicht so einfach plaudern? Grüße aus Guantanamo… Zudem wird, nach meiner Wahrnehmung, zwar die Flugzeug(zwangs?)landung aufgebauscht, der Delinquent ist aber z.B. in der Betrachtung gegenüber „Krawallny“ relativ sekundär.

  3. Danke Herr Röper, dass Sie Ihren Usern eine Übersetzung dieses Interviews bieten. Ich freue mich schon auf die Teile 2 und 3.

    Die Details über den gehobenen Lebens- u. Arbeitsstil der Exilanten sind
    super interessant. Ich bin gespannt, ob noch genaueres herauskommt über die Verbindung der Opposition zum Westen. Bisher ergibt sich ein Bild, das wesentlich geprägt ist von der Unterstützung durch den polnischen bzw. litauischen Staat und die müssen ihre Aufwendungen dann ja wohl aus Washington bzw. verschiedenen westeuropäischen Hauptstädten ausgeglichen bekommen, sehr wahrscheinlich aus Stiftungen und von NGOs.

    1. Im ersten Bericht von Herrn Röper über das Interview von heute morgen, glaube ich, erwähnt er auch, dass das was gesendet wurde, nur 1,5 h von dem 4 stündigen Gesamtinterview seien, weil aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht alle Informationen an die Öffentlichkeit gelangen
      dürfen. Ein zweiter Grund dürfte sein, dass ein 4- stündiges Sendeformat eher ungeeignet ist, weil es die Aufmerksamkeitsspanne der allermeisten Zuschauer sicher deutlich überschreitet.

      Ich bin mit den bisher angebotenen 1,5 h sehr zufrieden, weil diese schon
      eine Vielzahl wertvoller Informationen enthalten, die helfen die Lage immer besser und realistischer einzuschätzen. So viel politischen In-formationsgehalt zu Russland und Weißrussland bekommt man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht, auch wenn man 1 ganze Woche hintereinander zuschauen oder zuhören würde.

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