Energiekrise

Hausgemachte Probleme: Europäische Gasspeicher leeren sich schnell, Gaspreise steigen wieder

Annalena Baerbock hat mit ihren Aussagen zu Nord Stream 2 eine neue Explosion der Gaspreise hervorgerufen. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, denn die Gasspeicher in der EU leeren sich schnell und die Nachfrage nach Gas wird steigen.

Das russische Fernsehen hat 15. Dezember zwei Artikel zum Thema Gaskrise in Europa veröffentlicht, die ich in der Reihenfolge übersetzt habe, in der sie erschienen sind. Bevor wir zu den Übersetzungen kommen, will ich aber für alle, die neu auf dem Anti-Spiegel sind, kurz auf die Gründe der Gaskrise in Europa eingehen. Stammleser, die die Gründe schon kennen, können den Abschnitt überspringen und direkt zu den russischen Meldungen gehen.

Die Gründe für die Energiekrise in Europa

Über die Gründe für die Energiekrise in Europa habe ich oft berichtet, daher fasse ich sie hier der Vollständigkeit halber nur noch einmal kurz zusammen.

Erstens: Der letzte Winter war kalt, weshalb viel Gas verbraucht wurde. Pipelines und Tanker reichen nicht aus, um im Winter genug Gas nach Europa zu bringen, weshalb die Gasspeicher normalerweise im Sommer aufgefüllt werden. Das ist in diesem Jahr ausgeblieben und während die Gasspeicher normalerweise zu Beginn der Heizsaison zu fast 100 Prozent gefüllt sind, waren es in diesem Jahr nur knapp 75 Prozent.

Zweitens: Die Energiewende hat zu einem zu großen Anteil von Windenergie am Strommix geführt. Da der letzte Sommer aber außergewöhnlich windstill war, fehlte die Windkraft und es wurde unter anderem Gas zur Stromerzeugung genutzt, das eigentlich in die Speicher hätte geleitet werden müssen.

Drittens: Der Wunsch vieler europäischer Politiker, russisches Gas durch vor allem amerikanisches Flüssiggas zu ersetzen, hat dazu geführt, dass in Europa nun Gas fehlt. Der Grund: In Asien sind die Gaspreise noch höher als in Europa und die fest eingeplanten amerikanischen Tanker fahren nach Asien, anstatt nach Europa.

Viertens: Die Reform des Gasmarktes der letzten EU-Kommission hat den Handel mit Gas an den Börsen freigegeben. Dadurch wurde Gas zu einem Spekulationsobjekt. Während Gazprom sein Gas gemäß langfristiger Verträge für 230 bis 300 Dollar nach Europa liefert, ist es für die Importeure ein gutes Geschäft, das Gas an der Börse für 1.000 Euro weiterzuverkaufen und diese Spekulationsgewinne in Höhe von mehreren hundert Prozent in die eigene Tasche zu stecken.

Warum Gazprom trotzdem langfristige Verträge möchte? Die Antwort ist einfach, denn das war auch in Europa so, als in Europa noch Gasfelder erschlossen wurden. Der Produzent von Gas muss Milliardeninvestitionen planen und das geht nur, wenn er weiß, wie viel Gas er langfristig zu welchem Preis verkaufen kann. Daher möchte ein Gasproduzent langfristige Verträge, auch wenn der Preis zeitweise möglicherweise viel niedriger ist als der, den er an der Börse erzielen könnte.

Auch für den Kunden ist es von Vorteil, wenn er die Gaspreise und die Gasmengen im Voraus planen kann, denn was passiert, wenn man sich auf kurzfristige Verträge einlässt, erleben wir gerade in Europa. Dass die EU-Kommission sich trotzdem für kurzfristige Verträge und Börsenhandel von Gas einsetzt, ist entweder Inkompetenz, oder der Wunsch europäischen Konzernen die lukrative Börsenspekulation mit Gas auf Kosten der Verbraucher zu ermöglichen, oder die politische Abhängigkeit von den USA, die auf kurzfristige Verträge setzen, weil ihrer schnelllebigen Frackingindustrie schnelle Gewinne wichtiger sind als langfristige Planungssicherheit.

Nun kommen wir zu dem ersten russischen Beitrag über die Gründe für die erneut steigenden Gaspreise in Europa.

Beginn der Übersetzung:

Europäische Gaspreise erreichen erneut ihren lokalen Höchststand

Die Gaspreise in Europa erreichen erneut ihren lokalen Höchststand. Tausend Kubikmeter kosten jetzt mehr als 1.525 Dollar.

Die Gründe für diesen Anstieg liegen in der Instabilität. Vor ein paar Tagen war die Aussage der deutschen Außenministerin, dass Nord Stream 2 nicht den Anforderungen des europäischen Energierechts entspricht, der ausschlaggebende Faktor. Am Dienstag wiesen die Händler jedoch auf die unmittelbare Folge hin, nämlich die kritisch niedrigen Reserven in den unterirdischen Speichern.

Dabei befinden sich die schwächsten Reserven nicht im Mittelmeerraum, der seit 2010 nicht mehr in der Lage ist, seine frühere Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen, sondern in den vorbildlichen Volkswirtschaften der EU. Vor allem in den Niederlanden sind die Speicher weniger als zu Hälfte gefüllt, in Österreich sogar zu weniger als 40 Prozent.

Gleichzeitig haben Gazprom und das chinesische Staatsunternehmen CNPC vereinbart, die Gaslieferungen nach China im nächsten Jahr deutlich zu erhöhen. Das Treffen fand in Form einer Videokonferenz statt.

Dabei wurden auch die Ergebnisse dieses Jahres zusammengefasst. Im November-Dezember lagen die Lieferungen über die Pipeline Power of Siberia deutlich über den vereinbarten Mengen. Ein weiterer Anstieg des Exportvolumens ist daher zu erwarten.

Außerdem wurden auch Pläne für den Bau der Pipeline Union-East besprochen. Sie wird eine Fortsetzung von Power of Siberia 2 sein. Die Leitung wird eine jährliche Kapazität von bis zu 50 Milliarden Kubikmetern Gas haben und durch die Mongolei führen.

Ende der Übersetzung

Nun noch die Meldung über den Füllstand der europäischen Gasspeicher.

Beginn der Übersetzung:

EU: Europas Erdgasspeicher sind nur zu 62 Prozent gefüllt

Es bestehe keine Gefahr einer Gasversorgungskrise in der EU, aber vieles hänge vom Wetter ab.

„Der Füllstand der Gasspeicher in der EU liegt bei 62 Prozent der Kapazität. Das sind 12 Prozent weniger als zu dieser Zeit üblich. Wir sehen aber keine Gefahr einer Versorgungskrise. Aber es gibt eine wichtige Variable: das Wetter. Die Frage ist, was das für ein Winter wird“, sagte der EU-Kommissar für Energie, Kadri Simson.

Gleichzeitig hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, den EU-Ländern zu verbieten, langfristige Gasverträge über das Jahr 2049 hinaus zu verlängern, um kohlenstoffarmen und erneuerbaren Gaserzeugern den Markteintritt zu erleichtern“.

Gazprom seinerseits stellte am 15. Dezember fest, dass 32,6 Prozent des im Sommer und Herbst in die europäischen Gasspeicher gepumpten Gases bis Mitte Dezember bereits verbraucht worden waren.

Die aktive Gasmenge in den europäischen unterirdischen Gasspeichern ist bis zum 13. Dezember im Jahresvergleich um 24,5 Prozent (19,9 Milliarden Kubikmeter) zurückgegangen.

Dabei speist Gazprom weiterhin Gas in fünf europäische Gasspeicher ein.

Die Gasreserven in den ukrainischen Gasspeichern sind auf 15,34 Milliarden Kubikmeter gesunken, was einem Rückgang von 39,2 Prozent (9,9 Milliarden Kubikmeter) entspricht. Fast das gesamte Gas, das in Vorbereitung auf den Winter in die Speicher gepumpt wurde, wurde aus den ukrainischen Speichern entnommen.

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Die Unstellung des Gasmarktes hin zur Börse hat ganz viel mit ganz viel Geld der ganz toll Superreichen zu tun.

    Am Gashandel lassen sich so leicht Milliarden verdienen. Gas knapp halten, Verbrauch erhöhen und Nachlieferungen verhindern. Russland freuts. Es gibt für die Hälfte das doppelte.

  2. Aus Sicht gewerblicher Letztverbraucher (zB. Bäcker) ist nicht allein der Fokus auf Gas bedrohlich (Primär-Effekt) – noch (weil zusätzlich) bedrohlicher: die aus dem Mix (Kohle, KK, WK, Gas, PV) gehandelten Kraftwerks-Kapazitäten in Grundlast – deren Stabilität 2021 ‚längst zur Sau‘ gegangen ist. Resultat: der Energiepreis (gehandelte MW-Kapazitätskosten) in jeder kWh Arbeitspreis hat sich innerhalb letzten Quartals verdreifacht, verglichen zu Jahresbeginn vervierfacht (4.5 Ct auf 21 Ct/kWh). So werden aktuell schon für relativ günstigere Stadtnetze Strom-Arbeitspreise zu 2022 mit netto 45 Cent/kWh berechnet und geboten. Basis 2021 war: 21 Cent/kWh. Der bewusste Gas-Streik der EU hat in Deutschland die Import-Kohle Gas noch weiter substituiert und uneinholbar auf Platz eins festigt. Lt. Stat. BA hat Gasverstromung zu 2020 um 38% reduziert – Grund: der hohe Importpreis. Denkt man das Szenario zu Ende und die Bundesbank plus EZB machen das jedenfalls nicht, dann heizt der ideologische Gas-Streit um NS2 die Inflation mächtig an, was die EZB zu Änderung der Zinspolitik zwänge. Das aber wäre der plötzliche Zusammenbruch des EUR-Systems, wenn US und UK plötzlich ihre Rating-Agenturen wie die Pest losschickten. Italiens Zukunft wird sein, dass sie einen ehemaligen EZB-Chef am Regieren hat, der diese Bindungen entweder nicht zu verstehen scheint oder ihm seine Eitelkeit am überbewerteten, geliebten Sitz in der G7 ‚das: sehenden Auges‘ absolut verbietet. Hätte Dragi Weitsicht, dann müsste er Mussolini ausgraben und nach Greifswald schicken, um spontan ein italienisches Protektorat zu errichten. Fassen wir mal zusammen: Baerböggchens Erklärungen zu Nordstream-2 und Habecks ‚Schanzen-Viertel‘ könnten gemeinsam die Grundlage bilden, was man auch „Schabowskis kleiner Zettel“ (… äh, das gilt sofort) nennt.

  3. Das sind ja endlich einmal Gute Nachrichten. Denn die Gasspeicher in Deutschland sind deutlich besser gefüllt als in den Niederlanden und der Schweiz. Wenn Der Bär jetzt den Bock schießt und Nordstream 2 nicht zulässt, dann werden die beiden Länder der „Damen“ schon erklären, dass sie da was machen muss. Wenn den Menschen kalt wird, und auch kein Strom mehr da ist, dann wird das schwieriger mit Teile und Herrsche. Auch ist den Menschen durch die MS Presse bekannt, dass da 2 fertige Pipelines liegen, die alle Gasprobleme in der EU sofort lösen können. Ich denke nach der Aussage von Baerböck werden die Telefonleitungen schon heiß gelaufen sein. Ich sehe hier zumindest ein Licht am Ende des Tunnels. Denn wenn die Baerböck jetzt nicht einlenkt, riskiert sie eine große EU Kriese.

    1. Seit wann interessiert einen nachplappernden Papagei, der nicht einmal in der Lage ist auch nur einen zusammenhängenden Satz fehlerfrei zu sprechen, geschweige denn Zusammenhänge zu erkennen, eine EU Kriese?
      Da gibt es wichtigeres.

  4. Man kann diesen Geldsegen gut verkaufen: Wenn es teurer wird, wird das Klima geschützt, weil wir weniger verbrauchen. Das leuchtet doch ein, oder?
    Preisanstieg 100% – Minderverbrauch 20%, da bleibt etwas übrig.

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