Pressefreiheit in der EU? In Estland drohen Journalisten von Sputnik Strafverfahren, wenn sie nicht bis 1.1.2020 kündigen

Im Baltikum drohen Journalisten, die für russische Medien arbeiten, ab 1. Januar 2020 Strafverfahren. Diese massive Einschränkung der Pressefreiheit in der EU, ist den deutschen Medien keine Zeile wert.

Was nach einem geschmacklosen Aprilscherz klingt ist, wahr. In Estland gibt es eine neue Regelung, die estnischen Mitarbeitern der russischen Nachrichtenagentur Sputnik, die nicht bis zum ersten Januar gekündigt haben, mit Strafverfolgung droht. Als Argumentation wird herangezogen, dass der Chef der russischen staatlichen Medienholding „Russia Today“, Dimitri Kiselyov, auf der Sanktionsliste der EU steht. Und wer für jemanden arbeitet, der auf der Sanktionsliste steht, verstößt gegen die Sanktionen und das kann eine Straftat sein. Die estnische Polizei hat am 18. Dezember angekündigt, Strafverfahren gegen jeden Journalisten von Sputnik in Estland zu eröffnen, der nicht bis Neujahr bei Sputnik gekündigt hat.

Paradox ist dabei, dass „Russia Today“ nicht auf der Sanktionsliste steht. Und da Kiselyov nicht der Eigentümer von „Russia Today“ ist, sondern nur der Chef, ist die Argumentation der estnischen Behörden kaum haltbar. Aber das stört in Estland niemanden.

Die Vorgänge in Estland reihen sich nahtlos ein in andere Versuche in baltischen Staaten die russischen Medien, vor allem Sputnik, zu zensieren. Im Sommer gab es in Litauen den Versuch, Sputnik unter fadenscheinigen Vorwänden im Internet zu sperren.

Die Chefin der Auslandssender von „Russia Today“, Margarita Simonjan, hat an die OSZE appelliert, denn die OSZE hat sich dem Schutz der Presse- und Medienfreiheit in ihren Mitgliedsstaaten verschrieben und hat auch Vollmachten, um zu handeln. Die Drohung mit Strafanzeigen gegen Journalisten, nur weil sie für den „falschen“ Sender arbeiten, müsste die OSZE eigentlich auf den Plan rufen. Simonjan sagte, wenn die OSZE nicht einmal auf solche grobe Verletzungen der Pressefreiheit in einem Mitgliedsland reagiert, könne sie sich auch gleich „selbst auflösen“.

In Deutschland findet sich dazu natürlich keine Meldung in den Medien. Überhaupt hört man in Deutschland nicht viel über die baltischen Staaten, in denen die Veteranen der Waffen-SS noch immer als Freiheitskämpfer glorifiziert werden.

Nachtrag: Nachdem ich diesen Artikel veröffentlicht habe, hat sich der OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit per Twitter zu Wort gemeldet und Estland aufgefordert, von diesen Maßnahmen abzusehen. Er schrieb:

„Ich habe der estnischen Regierung wegen der Maßnahmen gegen Journalisten von Sputnik wegen der individuelle Sanktionen gegen Herrn Kiselyov geschrieben. Ich fordere die Regierung auf, von unnötigen Einschränkungen der Arbeit ausländischer Medien abzusehen, die den freien Fluss von Informationen beeinflussen können.“

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Solange diese schwachsinnige Regelung gilt, daß es in der EU eine einstimmige Entscheidungsfindung geben muß und keine Mehrheitsentscheidung, so lange können diese 3 baltischen „Zwergstaaten“ machen, was sie wollen. Ca. 6 Mio Einwohner in diesen 3 Staaten bestimmen somit mit ihrem Anteil von ca. 1,2% der EU Bevölkerung den Kurs in der EU. Und somit können sie sich auch solche Stunts erlauben. Ob bei uns darüber berichtet wird, oder nicht, es kann sowieso nichts dagegen unternommen werden. Ich will hier nicht in Abrede stellen, daß diese „Zwergstaaten“ ihre geschichtlichen Probleme mit anderen Staaten haben. Alles ok! Aber darunter sollte nicht die gesamte EU leiden. Die EU sollte endlich zur Demokratie zurückkehren und die Entscheidungen sollten mehrheitlich oder zumindest bei extrem wichtigen Vorgängen mit einer 2/3 Mehrheit erfolgen.

  2. https://www.nachdenkseiten.de/?p=55488 (NachDenkSeiten)

    „Die baltischen Staaten sind willfährige Erfüllungsgehilfen der Amerikaner“ – so Harald Ferbar

    Der Autor des folgenden Textes ist ausgebildeter Bankkaufmann, er lebt seit 15 Jahren in Lettland, ist mit einer Lettin verheiratet und hat zwei Kinder.

    Harald Ferbar:

    Es ist an der Zeit, mit dem Märchen aufzuräumen, die baltischen Staaten im Allgemeinen und Lettland im Besonderen seien durch Russland bedroht, man fürchte eine Art von Okkupation oder Einmarsch, um das Baltikum Russland anschließen zu können.

    Nichts, aber auch gar nichts davon entspricht der Wirklichkeit. Natürlich versuchen lettische Medien mit tatkräftiger Unterstützung amerikanischer Medienmogule jenes Szenario aufrechtzuerhalten, nicht ohne Erfolg. Obwohl die Bevölkerung persönlich keine Bedrohung empfindet, wird allgemein ein Unbehagen zum Ausdruck gebracht. Die Propaganda der Amerikaner wirkt, der böse Iwan existiert.
    …“

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