Das russische Fernsehen zeigte die bisher beste Zusammenfassung der Fakten im „Fall Strache“
Das russische Fernsehen hat am Montagabend in den Hauptnachrichten die beste Analyse zum „Fall Strache“ geliefert, die ich bisher gesehen habe. Es werden die bekannten Fakten zum Video und auch zu der Hauptperson, der geheimnisvollen, angeblichen russischen „Oligarchen-Nichte“ genannt. Und auch auf die wichtige Frage „Cui bono“, wer profitiert davon, wird eingegangen.
Viele dieser Fragen wurden mir heute von Lesern per Mail gestellt und hier sind die bislang bekannten Antworten auf die offenen Fragen. Ich habe den Bericht übersetzt, es lohnt sich auch ohne Russischkenntnisse, den Beitrag des russischen Fernsehens anzuschauen, weil zusammen mit diesem Text viel auch so einigermaßen verständlich ist. Und wo es um das Strache-Video geht, ist es zum Verständnis nicht unwichtig, auch die entsprechenden Fragmente im Bericht anzuschauen.
Beginn der Übersetzung:
Die österreichische Staatsanwaltschaft lehnte es ab, Ermittlungen gegen den früheren Vizekanzler Heinz-Christian Strache wegen eines Video-Skandals einzuleiten. Aber das Video hat auch so seinen Zweck erfüllt. Das Kompromat wurde vor zwei Jahren aufgenommen, tauchte aber aus irgendeinem Grund erst jetzt auf, unmittelbar vor den Wahlen zum Europäischen Parlament.
Die Regierungskrise in Österreich ist das Ergebnis eines „kontrollierten Leaks“. So nennt man es, wenn ein Kompromat zum von den interessierten Organisatoren oder Diensten gewünschten Zeitpunkt an die Medien weitergegeben wird.
Die Situation ist ungewöhnlich, weil in diesem Fall die Medien, die deutschen „Der Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“, die Herkunft des Videos nicht kennen.
„Vor ein paar Monaten wurde uns von diesem Video erzählt. Uns wurden die ersten Fragmente gezeigt, danach haben wir alle Aufnahmen auf einem USB-Stick in einem kleinen Hotel bekommen. Leider haben wir keine verifizierten Informationen darüber, wer hinter dem Video steht“ sagte die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung Leila al-Serori.
Wie dem auch sei, die Spitzen der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs, Strache und Gudenus, wurden Opfer einer klassischen Falle.
Zu Beginn der Aufnahmen, die 2017 auf Ibiza gemacht wurden, installiert ein Mann in weißer Hose, vermutlich der Besitzer des Hauses, die Kameras: Zwei in einem Zimmer und eine auf der Veranda. Auf dem Video trägt nur ein Mann eine weiße Hose, er ist Deutscher, der angebliche Freund der Frau, die in der Presse als „Nichte eines russischen Oligarchen, Alena Makarova“, bezeichnet wird. Doch laut Strache stellte sie sich als lettische Bürgerin vor.
Das Gesicht dieser Frau ist auf dem Video unkenntlich gemacht, um die Identifizierung der Frau zu erschweren. Es ist nicht bekannt, wer das getan hat, die Autoren des Kompromates oder Mitarbeiter der Medien. Dazu gibt es keine weiteren Informationen. Igor Makarov, Chef der Unternehmensgruppe „Arteti“, der auf Platz 48 auf der Liste der reichsten Menschen Russlands steht, ist bestürzt.
„Es ist allgemein bekannt, dass ich ein Einzelkind bin und deshalb habe ich keine Nichten. Ich habe keine Verwandtschaftsbeziehungen zu einer Frau, die Alena Makarova heißt“ sagte der Russe Igor Makarov.
Die für den österreichischen Vizekanzler kompromittierendsten Dinge konnte man auf der Veranda hören: Wahlkampffinanzierung der Partei und den Kauf der einflussreichen Kronenzeitung im Gegenzug für geschäftliche Vorteile. Später, als sie im Zimmer sitzen, taucht bereits Alkohol auf, Männer sprechen durcheinander, Gudenus versucht zu übersetzen. Hier hört man das einzige Mal die Stimme der geheimnisvollen Frau, die natürlich weiß, was tatsächlich vor sich geht.
„Ich verstehe nichts, können wir normal sprechen? Können wir normal sprechen?“ fragte sie mehrmals ungeduldig auf russisch.
Sie meinte wahrscheinlich: „Sprechen Sie bitte langsamer, wir versuchen, alles aufzunehmen.“
Übrigens war die einzige Person, die Verdacht schöpfte, die Frau, die rechts von Strache sitzt. Dabei handelt es sich um die bosnisch-serbische Ehefrau von Gudenus, Tayana Gudenus. Ihre Kommentare sind in dem veröffentlichten Video nicht enthalten, werden aber von Zeitungen zitiert.
Gudenus Frau ist die einzige, die ein paar Mal skeptisch fragt, ob das alles eine Falle ist. Ihr Mann und Strache winkten ab. Wie dem auch sei, Strache wiederholt im Video jedoch immer wieder:
„Alles muss legal ablaufen, in Übereinstimmung mit dem Gesetz und unserem Programm.“
Hätte er auf die weibliche Intuition gehört, hätte er heute nicht seinen Rücktritt als Minister und Parteichef einreichen brauchen. Und das auch nur auf der Grundlage der politischen Kultur, denn die Staatsanwaltschaft hat nichts kriminelles an den Aktionen von Strache und Gudenus gefunden und lehnte es ab, weitere Ermittlungen aufzunehmen. Auch die Sonderprüfung der Parteikonten aus der Zeit vor den Wahlen 2017 ergab keine verdächtigen Zahlungen. Es wurden keine Verstöße festgestellt, wie der neue Chef den österreichischen Freiheitlichen Partei, Norbert Hofer, nun bestätigte.
„Gestern habe ich alle Spenden studiert, die die Partei in den vergangenen Jahren erhalten hat. Und ich kann Ihnen sagen, dass dies alles unbedeutende Summen waren“ sagte der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs, der Verkehrsminister von Österreich, Norbert Hofer.
Doch die Kronenzeitung, die größte Zeitung Österreichs, wurde wirklich verkauft. Aber erst ein Jahr nach der Österreich-Wahl. Und gekauft hat sie die deutsche Funke Mediengruppe. (Anm. d. Übers.: Nach Hinweis eines Lesers sei angemerkt, dass die Autoren des Beitrages hier etwas verwechselt haben. Die Funke Mediengruppe war seit 1987 Teilhaber der Kronenzeitung und hat 2018 die Hälfte ihrer Anteile an die Sigma Holding von Rene Bento verkauft und nicht gekauft.)
Und trotzdem forderte der Skandal Opfer und Selbstaufopferung.
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, die Regierungskoalition sei beendet. Die Neuwahlen finden voraussichtlich im Frühherbst statt. Kurz plant, ohne auf die Wahlen zu warten, auch Innenminister Klickl abzusetzen , auch er ist aus der Partei der „Freiheitlichen“, doch dann drohte das Kabinett damit, dass alle Minister der „Freiheitlichen“ ihre Ämter niederlegen, darunter auch die Chefin des Außenministeriums Karin Kneissl. Eine Minderheitsregierung zu führen, ist nicht die beste Option für einen Politiker vor vorgezogenen Wahlen.
Der Skandal, der die Koalition gesprengt hat, kann der österreichische Bundeskanzler also auch als Angriff auf sich persönlich und seine rechtszentristische Volkspartei sehen. Zumal das alles den Tricks eines alten Bekannten sehr ähnlich sieht, es geht um einen israelischer Politologen, der bereits gegen Kurz gearbeitet hat.
„Die Methoden erinnern mich sehr an Tal Silberstein, Berater der SPÖ im Wahlkampf 2017. Er hat ähnliche Methoden auf der ganzen Welt angewandt. Ich denke, es ist möglich, dass Silberstein dahinter steckt“ mutmaßte Sebastian Kurz.
Neben dem Verdacht auf Geldwäsche, Urkundenfälschung und Betrug, ist Silberstein selbst als Organisator von Programmen zur verdeckten Finanzierung der israelischen Wahlen bekannt geworden, er hat auch für die ukrainische Politikerin Julia Timoschenko bei ihrem gescheiterten Präsidentschaftswahlkampf 2014 gearbeitet. Während der Arbeit in Kiew, hat er wahrscheinlich viele Menschen kennengelernt, auch russischsprachige Frauen.
Wenn Silberstein tatsächlich hinter der Provokation gegen die österreichische Regierung steht, und Kanzler Kurz war kaum so unvernünftig, bei der Pressekonferenz ohne Grund an ihn zu erinnern, kann Silberstein diesen Coup als großen beruflichen Erfolg betrachten.
Doch Politologen arbeiten nicht aus Begeisterung. Es stellt sich die Frage: Wer hat das alles bestellt und dafür bezahlt? Da kommen sehr viele in Frage. Der zwei Jahre alte Film, der wie eine Flasche teuersten Weins zur Feier eines Erfolges am Vorabend der Wahlen zum Europäischen Parlament serviert wurde, kam praktisch absolut allen politischen Kräften sehr gelegen. Allen, außer den rechten Euroskeptikern.
Ende der Übersetzung
Bleibt noch hinzuzufügen, dass man sich eine solche Zusammenstellung der Fakten und darauf basierende Analyse von den deutschen „kritischen und objektiven“ Medien wünschen würde. Aber das wird wohl ein Traum bleiben.
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