Warum wohl? Kein Wort in den Medien über UNHCR-Bericht zur Menschenrechtslage in der Ukraine und auf der Krim

Am 12. März ist der 29. Bericht des UNHCR über die Menschenrechtslage in der Ukraine veröffentlicht worden. Warum die deutschen „Qualitätsmedien“ nicht darüber berichtet haben, versteht man sofort, wenn man den Bericht liest.

Aus Anlass des Artikels aus dem Deutschlandfunk über die Lage auf der Krim sechs Jahre nach ihrer Vereinigung mit Russland, über den ich heute geschrieben habe, habe ich mir den aktuellen Menschenrechtsbericht des UNHCR einmal angeschaut. Immerhin lesen wir ja in in unseren „Qualitätsmedien“ immer wieder, wie schlimm alles auf der Krim ist und wie toll es in der Ukraine seit dem Maidan angeblich ist. Ob das alles der Wahrheit entspricht, kann man beim UNHCR nachlesen, das seit 2014 insgesamt 29 Berichte zur Lage der Menschenrechte in der Ukraine und auf der Krim veröffentlicht hat.

Der aktuelle Bericht ist am 12. März veröffentlicht worden. Um es vorweg zu nehmen: Der Bericht beschäftigt sich auf 17 Seiten mit den Problemen in der Ukraine, die Probleme auf der Krim füllen keine drei Seiten. Daher wundern Sie sich nicht, wenn dieser Artikel praktisch ausschließlich Kritik an der Situation in der Ukraine enthält. Das ist nicht meine Schuld, das steht so im Bericht des UNHCR. Ich werde nicht alle Kritikpunkte an Kiew aufzählen können, es sind zu viele. Aber ich werde alles aufzählen, was das UNHCR auf der Krim zu bemängeln hat.

Nach 15 Seiten mit Einleitung und Erklärungen, sowie einigen Kommentaren zum Krieg im Osten des Landes ist der erste Kritikpunkt des UNHCR, dass Kiew den Rentnern in den Rebellengebieten im Osten des Landes die Auszahlung der Renten erschwert. Wer als Rentner im Osten lebt, muss alle 60 Tage die Frontlinie überqueren und in der Ukraine bürokratische Hürden meistern, wenn er seine ohnehin minimale Rente ausbezahlt bekommen möchte. Dazu müssen die Rentner alle 60 Tage persönlich vorsprechen. Das ist auch ein Verstoß gegen das Minsker Abkommen, denn dort hat sich Kiew schon 2015 verpflichtet, die Rentenzahlungen wieder aufzunehmen, die 2014 eingestellt worden sind. Die Details des Minsker Abkommens finden Sie hier.

Der nächste ernsthafte Kritikpunkt des UNHCR betrifft Folter. Das UNHCR wirft sowohl den Rebellen, als auch der Kiewer Regierung Folter vor und beschreibt auch konkrete Fälle. Besonders detailliert geht das UNHCR auf das Straflager Nummer 25 ein, das die Kiewer Regierung in der Stadt Charkow betreibt. Von dort gibt es Berichte über Folter inklusive Vergewaltigungen durch das Wachpersonal. Die Schilderungen erinnern an Abu Ghraib im Irak. Die Regierung in Kiew reagiert darauf nicht, die Zustände sind bekannt, das Wachpersonal wird auch nicht ausgetauscht, geschweige denn bestraft.

Ende 2019 gab es einen Gefangenenaustausch zwischen Kiew und den Rebellen. Das UNHCR konnte die meisten der ausgetauschten Gefangenen befragen und die meisten von ihnen berichteten davon, in der Gefangenschaft gefoltert worden zu sein, unabhängig davon, auf welcher Seite sie in Gefangenschaft waren. Die in der Ukraine gefangenen Rebellen berichteten darüber hinaus auch über Geheimgefängnisse des ukrainischen Geheimdienstes SBU, in denen sie gefangen gehalten und gefoltert worden sind.

Die UNHCR bemängelt weiter, dass in der Ukraine bei Gerichtsverfahren, die mit dem Krieg zu tun haben, einen Mangel an fairen Prozessen gibt. So werden fast alle Angeklagten, die als Feinde Kiews vor Gericht stehen, schuldig gesprochen. Im Gegensatz dazu berichtet das UNHCR, dass ein ukrainischer Geheimdienstoffizier, der am 4. März 2017 einen Zivilisten getötet haben soll, immer noch im Dienst ist und zwei Verfahren gegen ihn gescheitert sind.

Schon traditionell ist die Kritik des UNHCR an den Untersuchungen der Todesschüsse vom Maidan und der Tragödie von Odessa vom Mai 2014, bei der über vierzig Maidan-Gegner gelyncht worden sind. Obwohl Kiew seit 2014 Aufklärung verspricht, ist seitdem nichts geschehen. Das kritisiert das UNHCR in jedem seiner Berichte über die Ukraine.

Das UNHCR meldet, dass es in dem Berichtszeitraum vier Angriffe auf Journalisten in der Ukraine gab, die als regierungskritisch gelten. Über die Lage der Pressefreiheit in der Ukraine ist das UNHCR besorgt, weil Kiew mit neuen Gesetzen „Desinformation“ unter Strafe stellen will (ich habe darüber berichtet). Das bedeutet, dass die Regierung de facto entscheiden kann, was wahr ist und was Desinformation ist. Wer nicht im Sinne der Regierung berichtet, kann nach dem neuen Gesetz bestraft werden.

Eine eigenes Kapitel in dem UNHCR-Bericht ist Übergriffe und Diskriminierungen von Homosexuellen in der Ukraine gewidmet. Das UNHCR hat über viele konkrete Fälle berichtet.

Ebenfalls ein eigenes Kapitel hat in dem Bericht das Thema der Sprachen in der Ukraine. Dort wurde ein Sprachengesetz in Kraft gesetzt, das die Sprachen der vielen nationalen Minderheiten extrem diskriminiert, was das UNHCR ebenfalls kritisiert und auf den Schutz der der Rechte der nationalen Minderheiten pocht.

Das waren die wichtigsten Kritikpunkte des UNHCR an der Ukraine. Nun kommen wir zur Krim. Um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, ich würde da etwas weglassen, werde ich über alle Kritikpunkte des UNHCR an der Situation auf der Krim berichten. Es sind ja nur drei.

Der erste Kritikpunkt des UNHCR ist, dass auf der Krim junge Männer zum Wehrdienst eingezogen werden. Das UNHCR bezeichnet die Krim als „besetztes Gebiet“ und die „Besatzungsmacht“ dürfe gemäß Völkerrecht in einem „besetzten Gebiet“ keine Menschen zum Wehrdienst zwingen.

Der zweite Kritikpunkt betrifft Ausweisungen von Ukrainern von der Krim. Der Bericht zählt Fälle auf, in denen Ukrainer auf der Krim ausgewiesen worden sind, weil sie keine gültigen Papiere und auch keinen Wohnsitz auf der Krim haben. Außerdem wurde einem ukrainischen Journalisten die Einreise nach Russland dauerhaft untersagt. Auch hier argumentiert das UNHCR, dass eine „Besatzungsmacht“ gemäß Völkerrecht keine Staatsbürger des „besetzten Landes“ deportieren darf. Es wird den russischen Gerichten also nicht etwa mangelnde Rechtsstaatlichkeit vorgeworfen, sondern das UNHCR argumentiert wieder mit dem „besetzten Gebiet“.

Der dritte Punkt zum Thema Krim ist keine Kritik, sondern ein Lob. Kiew hat die Reisebeschränkungen, die es gegen die Krim in Kraft gesetzt hat, ein wenig gelockert, was das UNHCR positiv bewertet.

Interessanterweise findet sich in dem Bericht keine Kritik an Russland wegen der Krimtataren, obwohl die deutschen „Qualitätsmedien“ immer behaupten, deren Situation wäre so unerträglich. Dass das nicht wahr ist, habe ich immer wieder berichtet, auch heute wieder in meinem Artikel über das Machwerk im Deutschlandfunk, in dem genau diese Lüge wieder ausführlich breitgetreten wurde. Schön, dass das wenigstens das UNHCR das bestätigt.

Wen wundert es, dass dieser UNHCR-Bericht den westlichen „Qualitätsmedien“ keine Zeile wert war?


Wenn Sie sich für die Ukraine nach dem Maidan und für die Ereignisse des Jahres 2014 interessieren, als der Maidan stattfand, als die Krim zu Russland wechselte und als der Bürgerkrieg losgetreten wurde, sollten Sie sich die Beschreibung zu meinem Buch einmal ansehen, in dem ich diese Ereignisse detailliert auf ca. 670 Seiten genau beschreibe. In diesen Ereignissen liegt der Grund, warum wir heute wieder von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Obwohl es um das Jahr 2014 geht, sind diese Ereignisse als Grund für die heutige politische Situation also hochaktuell, denn wer die heutige Situation verstehen will, muss ihre Ursachen kennen.

https://anti-spiegel.com/2019/in-eigener-sache-mein-buch-ueber-die-ukraine-ist-in-zwei-wochen-lieferbar/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Zu dem ersten Punkt: Rentenauszahlung

    Den größten Vorwurf ist den Deutschen zu machen. Sie verpflichteten sich schon 2015 in der UN-Resolution zum Aufbau eines funktionierenden Bankensystems in Donezk & Lugansk.

    Geschehen ist NICHTS.

    https://www.un.org/press/en/2015/sc11785.doc.htm

    „8. Definition der Modalitäten für die vollständige Wiederaufnahme der sozioökonomischen Beziehungen, einschließlich sozialer Transfers wie Rentenzahlungen und anderer Zahlungen (Einkommen und Einnahmen, rechtzeitige Zahlung aller Stromrechnungen, Wiedereinführung der Besteuerung im rechtlichen Rahmen der Ukraine).

    Unter Maßnahmepakete :
    „Deutschland und Frankreich werden technisches Fachwissen für die Wiederherstellung des Segments des Bankensystems in den von Konflikten betroffenen Gebieten bereitstellen, möglicherweise durch die Einrichtung eines internationalen Mechanismus zur Erleichterung von Sozialtransfers.

    Zu diesem Zweck wird die Ukraine die Kontrolle über das Segment ihres Bankensystems in den von Konflikten betroffenen Gebieten wieder aufnehmen und möglicherweise einen internationalen Mechanismus zur Erleichterung solcher Überweisungen einrichten.

    1. In den wichtigsten Punkten bestimmen die USA, was in der Ukraine passiert und was nicht. Und die Fortsetzung des Krieges dürfte den USA besonders am Herzen liegen, weil sie damit ein Propagandadruckmittel gegen Russland haben, die Ukraine peu á peu mit eigenen Waffen ausstatten können und die Ressentiments zwischen Ukrainern und Russen weiter schüren.
      Und du kennst doch unsere Merkel und diese ganze transatlantische Bagage hierzulande! Die werden nie gegen die US-Befehle räsonieren!
      Die Umsetzung von Minsk II würde ja auch den Abzug der US-Truppen beinhalten! Auch das ist ausgeschlossen!
      Die USA haben über den IWF und Sanktionsdrohungen gegen die Oligarchen die Hebel in der Hand. um den Krieg zu beenden. Aber offensichtlich haben sie daran kein Interesse! Zum Schluss läuft es doch ohnehin auf ein de facto Unabhängigkeit des Donbass hinaus. Die werden sich nie wieder den US-Marionetten in Kiew unterordnen. Auch das dürfte allen Beteiligten klar sein. Und auch deshalb wird niemand Druck auf die Ukraine ausüben, endlich Minsk II umzusetzen.

Schreibe einen Kommentar