Die EU will es so: Der harte Brexit wird kommen
Wenn kein Wunder geschieht, dann kommt es zum harten Brexit. Mit allen negativen Konsequenzen für England. Und es wird kein Wunder geschehen, es sei denn England nimmt den Brexit zurück, was kaum zu erwarten ist. Die EU ist an einer Einigung gar nicht interessiert und will ein Exempel statuieren.
Seit der Entscheidung für den Brexit wundere ich mich über die Naivität der Briten. Nicht weil sie für den Brexit gestimmt haben, das war ihre freie Entscheidung und es gibt und gab gute Gründe für den Brexit und dagegen. Fakt ist, dass auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich oder Italien Politiker laut über einen Austritt aus der EU nachdenken.
Und es gibt ja auch Gründe dafür. Die EU ist inzwischen zu einem bürokratischen und undemokratischen und wahrscheinlich sogar unreformierbaren Moloch geworden. Jedenfalls hat die heutige EU nicht mehr viel mit dem Friedensprojekt zu tun, für das vor 60 Jahren die Menschen demonstriert haben. Ein Staat, der so aufgebaut ist, wie die EU, würde niemals in die EU aufgenommen werden, weil er zu undemokratisch ist. Und da kann man verstehen, wenn manche Menschen sagen, lieber keine EU als so eine EU.
Andererseits hat die EU auch viele Vorteile gebracht. Der Binnenmarkt ist durchaus ein Vorteil, der für Länder wir Griechenland erst zum Nachteil wurde, als sie den Euro einführten. Die Tschechen und Polen haben die Einladung, dem Euro beizutreten abgelehnt und werden das danach sicher nicht bereut haben. Aber über den Binnenmarkt freuen sie sich.
Auch die Reisefreiheit ist positiv. Es ist doch etwas Schönes, ohne Grenzkontrollen zu reisen oder sich, wenn man will, auf Mallorca niederlassen zu können, wenn man es möchte.
Das sind ohne Zweifel Vorteile der EU. Aber sie hat eben auch Nachteile, fragen Sie mal die Griechen, denen es heute besser ginge, wenn sie dem Euro nicht beigetreten wären.
Von daher ist es die Entscheidung der Briten, wenn sie aus der EU rauswollen. Aber dass die Briten in ihrer Naivität glaubten, mit der EU ein faires Abkommen aushandeln zu können, das verstehe ich nicht. Anscheinend haben sie einerseits die Motive der EU nicht verstanden und andererseits immer noch den Größenwahn einer Kolonialmacht, die der Meinung ist, andere würden sich schon beugen, wenn London es will. Dabei können die Briten sogar gute Vorschläge machen, sie würden von der EU trotzdem abgelehnt.
Und der Grund ist einfach: Wenn die EU es zulässt, dass ein Land die EU verlässt und es geht dem Land danach nicht schlechter als vorher in der EU, dann könnten andere dem Beispiel folgen. Und das will Brüssel um jeden Preis verhindern. Ich kann kaum glauben, dass die Briten die Hoffnung auf ein Abkommen hatten.
Dabei muss man keineswegs in der EU sein, um in Wohlstand und Freiheit zu leben. Die reichsten Länder, die nach allen möglichen Umfragen den höchsten Lebensstandard und die zufriedensten Bevölkerungen haben, sind die Schweiz und Norwegen. Und beide sind nicht in der EU. Trotzdem haben beide viele Kooperationsverträge mit der EU geschlossen und das wäre mit etwas guten Willen auch mit Großbritannien möglich gewesen. Problem: Die EU hatte keinen guten Willen, sie hat stattdessen ein Motiv, den Brexit zu einem abschreckenden Beispiel für alle zu machen, die auch mit dem Gedanken spielen, die EU zu verlassen.
Die Probleme sind natürlich kompliziert, vor allem rund um Nordirland. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Die EU ist in keinem Punkt auf die Briten zugegangen, sondern hat von Anfang an gesagt, was alles für sie nicht verhandelbar ist. Und das war so ziemlich alles. Und so wurden alle britischen Vorschläge abgelehnt, wobei man fairerweise sagen muss, dass viele der britischen Vorschläge auch nicht eben hilfreich waren. Es saßen sich zwei Partner gegenüber, die von ihren Maximalforderungen nicht abrücken wollten. Aber auch vernünftige Vorschläge der Briten wurden zurückgewiesen.
Hätte die EU ihre Verhandlungen mit der Schweiz oder Norwegen in dem Tonfall geführt, wie jetzt mit England, die beiden Länder hätten bis heute keine Verträge mit der EU. Aber wie gesagt, Länder an die EU binden ist ein Ziel von Brüssel und so redet man mit derartigen Kandidaten höflich, mit Austrittskandidaten hingegen am liebsten gar nicht.
Wie geht es nun weiter? Es gibt drei Szenarien.
Erstes Szenario: Man einigt sich im letzten Moment noch. Das ist kaum vorstellbar, denn um eine Einigung in allen Mitgliedsländern in Gesetzesform zu gießen, braucht es mindestens sechs Monate. Man müsste also im Oktober eine Einigung finden und da die Verhandlungen schon eineinhalb Jahre auf der Stelle treten, ist das kaum zu erwarten.
Zweites Szenario: Die Briten entscheiden sich für ein zweites Referendum und sagen dann den Brexit ab. Das ist ebenfalls unrealistisch. May und ihre Konservativen werden das nicht tun und eine Neuwahl mit Machtwechsel und anschließendem Blitzreferendum ist kaum zu erwarten.
Drittes Szenario: Darauf läuft es also hinaus: Ein harter Brexit. Das wird England sicher hart treffen und nicht einmal Experten können voraussagen, wie hart. Andererseits ist die britische Wirtschaft nach der Entscheidung für den Brexit weiterhin kräftig gewachsen, allen Unkenrufen zum Trotz. Sie glauben das nicht, weil Medien und Politik ständig das Gegenteil erzählen? Googeln Sie die Entwicklung des britischen BIP selbst, Sie werden sich wundern.
Trotzdem ist der harte Brexit für die EU offensichtlich das Ziel, trotz aller Lippenbekenntnisse aus Brüssel. Denn ein für England erfolgreicher Brexit würde andere Länder ermutigen, das gleiche zu versuchen.
Sogar in der Presse kann man das zwischen den Zeilen lesen, wie etwa heute im Spiegel: „May hat die schlechteren Karten. Ein „No Deal“-Brexit würde die EU wirtschaftlich hart treffen, für Großbritannien wäre er eine Katastrophe. Schon deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die EU in letzter Minute doch noch einknickt.“
Mit anderen Worten: Die EU wird nicht einknicken, auch wenn es sie selbst hart trifft, Hauptsache, es trifft die Briten noch härter.
Wie war das mit den westlichen Werten? Also zum Beispiel die Anerkennung des demokratischen Willens der Mehrheit beim Brexit-Referendum? Fehlanzeige. Solidarität mit langjährigen (Nato-) Partnern? Keine Spur.
Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr, das wird sich Theresa May wahrscheinlich auch gerade denken.
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