Ukraine-Krise

Wie der Spiegel über Russlands Verhandlungsbereitschaft desinformiert

Der Spiegel hat in einem Artikel behauptet, Putin habe kein Interesse an Verhandlungen mit der Ukraine. Bekanntlich ist das eine Lüge.

Der Spiegel hat am Morgen des 4. Juli einen Artikel mit der Überschrift „Krieg in der Ukraine – Putin erteilt Erdoğan Absage – keine Vermittlerrolle erwünscht“ veröffentlicht, der mit folgender Einleitung begann:

„Der türkische Präsident hatte angeboten, mit Russland und der Ukraine über ein Ende des Kriegs zu verhandeln. Wladimir Putin hat allerdings kein Interesse.“

Der erste Absatz des Artikels lautete:

„Der russische Präsident Wladimir Putin hält den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan nicht für einen geeigneten Vermittler im Krieg mit der Ukraine. Ein Sprecher des Kremlchefs sagte auf die Frage, ob Erdoğan eine solche Rolle übernehmen könne: »Nein, das ist nicht möglich.«“

Das klingt für jeden, der die russische Position zum Ukraine-Konflikt kennt, ausgesprochen ungewöhnlich, denn bekanntlich erklärt Putin bei jeder Gelegenheit, dass er zu Verhandlungen mit der Ukraine „schon morgen“ bereit sei. Das verschweigt der Spiegel seinen Lesern jedoch konsequent in all seinen Artikeln, weshalb kein Spiegel-Leser über diese Aussage von Kremlsprecher Peskow überrascht sein dürfte.

Um es gleich zu sagen: Der Spiegel hat korrekt berichtet, auch in russischen Medien war dieser Absatz so zu finden. Im Spiegel wurde im Prinzip eine Übersetzung dessen veröffentlicht, was russische Medien berichtet haben.

Das Problem ist, dass man zum Verständnis die russische Position kennen muss. Russland ist zu Verhandlungen nicht nur bereit, sondern fordert sie sogar regelrecht, weiß aber auch, dass nur direkte Verhandlungen zu einem Ergebnis führen können, weshalb es Vermittlungsversuchen skeptisch gegenübersteht und darin eher den Versuch Kiews und des Westens sieht, auf Zeit zu spielen. Wenn der Westen und Kiew verhandeln wirklich wollen, dann bitte gerne, aber direkt und mit dem wirklichen Willen, nicht nur einen Waffenstillstand zu erreichen (der nur eine Feuerpause sein würde, bis die Ukraine neu aufgerüstet wäre), sondern mit dem ehrlichen Willen, einen echten und dauerhaft tragfähigen Frieden zu erreichen.

Leser des Anti-Spiegel wissen das, ich habe unzählige Aussagen von Putin oder dem russischen Außenministerium übersetzt, die alle diesen O-Ton haben. Spiegel-Leser wissend das hingegen nicht, weil der Spiegel die russischen Erklärungen verschweigt oder als so verzerrt berichtet, dass die Spiegel-Leser ihre Ernsthaftigkeit nicht verstehen können.

Allerdings muss man hier auch sagen, dass der Kremlsprecher es westlichen Medien wie dem Spiegel dieses Mal sehr leicht gemacht hat, als er am Abend des 3. Juli – entgegen seiner üblichen Gewohnheiten – nur diese kurze Antwort gegeben hat, anstatt sie auch zumindest kurz zu begründen.

Das tat Präsident Putin am 4. Juli, als er nach dem Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit vor Journalisten trat. Ich übersetze hier die Frage der Journalistin, die bei der Pressekonferenz gestellt wurde, und Putins Antwort komplett.

Beginn der Übersetzung:

Muchametschina: Vor einigen Tagen sagte Wladimir Selensky, er halte es für möglich, mit Russland über Vermittler zu verhandeln, wie es beim Getreideabkommen der Fall war. Wie beurteilen Sie diese Idee, und wer könnte in einem solchen Fall als Vermittler auftreten?

Putin: Wir sind immer für Verhandlungen eingetreten, das wissen Sie gut, wir haben sie nie abgelehnt. Die Frage ist nur, dass es mir unwahrscheinlich erscheint, dass der Konflikt mit Hilfe von Vermittlern und nur durch sie endgültig beendet werden kann. Vor allem, weil es unwahrscheinlich ist, dass ein Vermittler die Vollmacht hat, endgültige Dokumente zu unterzeichnen. Mehr noch: nicht einmal, endgültige Dokumente zu unterzeichnen, sondern endgültige Dokumente auch nur zur Unterschrift zu bringen. Die prinzipille Frage ist hier nicht nur die Kompetenz der Vermittler, sondern auch ihre Vollmachten. Wer kann einem Vermittler solche Vollmachten geben, die dem Konflikt ein endgültiges Ende setzen könnten? Ich meine, das ist unwahrscheinlich.

Aber eine Vermittlung, wie sie Herr Erdogan zum Beispiel während unseres Verhandlungsprozesses in Istanbul vorgenommen hat, eine Vermittlung an sich, die begrüßen wir.

Ende der Übersetzung

Nun muss man eingestehen, dass der Spiegel-Artikel vor Putins Pressekonferenz erschienen ist, aber nach der Pressekonferenz hat der Spiegel den Artikel nicht um diese entscheidenden Aussagen ergänzt und der Spiegel hat auch keinen neuen Artikel mit Putins Erklärung veröffentlicht, dass er eine Vermittlung begrüßt, aber skeptisch bei den Vollmachten eines Vermittlers ist. Schließlich würde das die Aussage von Kremlsprecher Peskow verständlich machen.

Das Beispiel zeigt ein weiteres Mal, dass westliche Medien wie der Spiegel reine Propaganda-Instrumente sind, denen es nicht um vollständige und korrekte Berichterstattung geht. Ihnen geht es um die Verbreitung der westlichen Propaganda und wenn etwas nicht ins Bild passt, lassen sie es weg, damit ihre Leser es nicht erfahren.

Das hat so derartig System, dass in Deutschland dafür das „Lückenpresse“ geschaffen wurde.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

12 Antworten

  1. Moment, hier kann ich Putins Argumentation nicht folgen. Er sagt, er lehnt eine Vermittlerrolle Erdogans ab, weil die Frage der Kompetenz und der Vollmachten für Unterschriften ungeklärt ist, aber er begrüßt eine Vermittlerrolle der Türkei wie bei den Verhandlungen in Istanbul im April 2022?

    Ist es nicht genau das, was Erdogan anbietet? Die gleiche Rolle wie April 2022? Was ist denn diesmal anders, dass Putin dieses Angebot ablehnt? Es sollte doch erstmal darum gehen, die gegenseitigen Positionen abzuklären. Unterschriften kommen doch eigentlich erst später. Hier verstehe ich Putins Argumentation nicht.

    1. Es steht ja nicht da, dass er eine Vermittlerrolle Erdogans ablehnt.
      “ Die Frage ist nur, dass es mir unwahrscheinlich erscheint, dass der Konflikt mit Hilfe von Vermittlern und nur durch sie endgültig beendet werden kann.“ Der Schwerpunkt sollte hier auf endgültig liegen und das Ganze macht vielleicht erst mit der Aussage von Peskow zusammen Sinn: „Derzeit kann er es tatsächlich nicht, weil die Ukraine momentan jegliche Verhandlungen mit der Russischen Föderation ablehnt – mit oder ohne Vermittler.“ Auch das bezieht sich auf Erdogan … unmöglich, weil die Ukraine Verhandlungen ablehnt.
      Summa summarum … Vermittler auf einer rationalen Grundlage gern, im Endeffekt müsste aber zwischen der Ukraine und Russland ein Dokument ausgearbeitet werden, was dann auch von beiden Seiten an einem Tisch unterzeichnet wird. Schon dazu braucht man ja irgendeinen neutralen Vermittler, der den Raum dazu zur Verfügung stellt 😉

      1. @hector2
        Der Kremlchef sagte »Nein, das ist nicht möglich.«, klingt erstmal wie eine Ablehnung. Aber gut, ich kann auch nachvollziehen, dass es jetzt eine andere Situation ist, da der Clown Selensky Verhandlungen unter Strafe gestellt hat. Da ist natürlich logisch, dass Putin dann nach dem Sinn von Vermittlungen fragt.

        1. Ich habe mich das gleiche gefragt und mir es dann so zusammengereimt:

          Es gibt vermutlich aber einen Unterschied, ob eine Person sich zuständig sieht, eine Vermittlung zu veranstalten, oder ob sie tatsächlich als offizieller Vermittler auftritt.

          Sprich:
          Die Russen wollen mit einer legitimen Vertretung der Ukraine sprechen. Da sie aber Selenskyj nicht als legitimen Präsidenten ansehen, heißt dies indirekt, dass es sich eine Delegation des ukrainischen Parlaments handeln muss.

          Daher schließt Russland wohl auch eine indirekte Vermittlung aus, da diese dann Selenskyj vorgelegt werden könnte, was Russland aber nicht akzeptieren würde.

          Selenskyj könnte so auch sämtliche Ergebnisse der Verhandlungen in Frage stellen, wodurch es wieder nur ein Spiel auf Zeit wäre, bei dem man ggf. von den Russen wieder „Guten Willen im Voraus“ erwartet hat … also bspw. einen Abzug aus dem nördlichen Grenzbereichen um Charkiv.

          Es läuft also darauf hinaus, dass die Ukraine – wenn sie denn verhandeln will – zunächst einmal Selenskyj entmachten müssten und die Gesetze wieder so anpassen müssen, dass ein Vertragsabschluss mit Russland juristisch überhaupt wieder Gültigkeit hätte.

  2. Ich versuche das mal in meine Worte zu packen:

    1. So wie Russland das versteht, ist man an Verhandlungen sehr interessiert.
    2. Eine Vermittlerrolle der Türkei würde nicht im Wege stehen.
    3. Allerdings fehlt für eine ukrainische Vermittlerrolle die Legitimation.

    Bedeutet. Egal wer vermittelt wird in der Türkei wahrscheinlich nicht zu einem Ergebnis gelangen und die Legitimation von Unterschriften unter ein Dokument von Personen, die zu diesen Friedensgesprächen kommen sollten, sind von wem authorisiert diese Gespräche zu fühern?
    Wie allgemein bekannt kann Selensky nicht mehr (auf Grund der eigenen Verfassung) als legitimer Präsident der Ukraine betrachtet werden. Dafür fehlt Ihm die Legitimität. Ergo kann auch er keine Abgesandte schicken für die Ukraine zu sprechen, oder gar zu unterzeichnen.

    Ich denke das Gespräch ging eher in diese Richtung und daher lehnte die russ. Föderation auch insgesamt die Vermittlerrolle in der Türkei hinsichtlich dieser Diskrepanz ab!

    Das der Spiegel das auf die Ablehnung reduzieren würde, muss klar gewesen sein. Um so mehr bin ich diesem Artikel dankbar, denn am Anfang dachte ich auch: Warum eigentlich? Es ist eine normale Reaktion. Aber kurze Antworten sind hier immer wieder relativ skeptisch zu betrachten, denn sie blenden meist den Grund des Handelns aus.

  3. Über was genau ist Putin bereit zu verhandeln? Zuletzt hatte er Bedingungen für einen Frieden vorgestellt, unter anderem müsse sich die Ukraine von aktuell kontrollierten Gebieten zurückziehen, aber Verhandlungsbereitschaft hat er soweit ich weiß nicht geäußert. Es war mehr ein: „Das ist mein letztes Angebot, entweder so oder gar nicht.“

    1. „Es war mehr ein: „Das ist mein letztes Angebot, entweder so oder gar nicht.““

      Welcher Teil dieses Satzes erschließt sich ihnen nicht?

      Russland wird diese Auseinandersetzung gewinnen, Elendsky und Asow werden „entnazifiziert“ werden. Daran kann kein Zweifel bestehen, denn noch nie hat eine Maus eine Katze gefressen.

      Also: „Welcher Teil davon entzieht sich ihren kognitiven Fähigkeiten“?

      1. Sie haben sehr wahrscheinlich recht mit ihrer Aussage bezüglich des Ausgangs dieses Krieges.

        Aber Sie verstehen offensichtlich nicht den Unterschied zwischen einer Bereitschaft zu verhandeln und einem Diktat.

        Russland und Putin wollen nicht verhandeln, weil es aus deren Verständnis heraus nichts zu verhandeln gibt. Sagen SIE ja auch.

        Ergo (und jetzt kommt wieder diese gemeine Logik ins Spiel).

        Der Spiegel braucht nichts über russische verhandlungsBEREITSCHAFT berrichten, weil wie von Ihnen beschrieben, es diese gar nicht gibt.

        Herr Röper könnte dem Spiegel genauso vorwerfen, nichts über Einhörner zu berichten.

        Logik ist universell gleich, im Osten wie im Westen…….

      2. So nennt man Gewinnen.
        Man kann sich die Verluste schön reden, man kann sich die Wirtschaft schön reden.
        Was hat dieser Sieg für einen Sinn, falls Russland überhaupt siegt?
        Das nennt man Pyrrhussieg. Aber Putin kann isch ienen Sieg gutschreiben, während das eigene Volk zugrunde geht.
        So ist das halt wenn man im Kommunismus aufgewachsen ist und dessen Niederlage miterlebt hat. Das Volk ist scheißegal, Hauptsache der Führer, Putin, gewinnt irgendwas.

        Wie sieht es mit der Luftfahrt in Russland aus, der Inflation, der Wirtschaft(außerhalb des Rüstungssektors)?

    2. Ich denke, dass Sie Putin‘ s Angebot richtig verstanden haben:
      „Das ist mein letztes Angebot, entweder so oder gar nicht“

      beschreibt Tatsachen, denen der Initiator der anfänglich von der RF als Spezialoperation gedachten und geplanten Intervention, unser aller Werte-Westen, selbstverständlich nicht Folge leisten kann, weshalb er die Gelegenheit nutzte, Waffen und Geldflüsse in die Ukraine zu ’senden‘, damit sich der Regionalkonflikt zum Krieg auswächst.

      Ausnahmsweise hat unsere Verbal-Koryphäe Baerbock sehr früh, als auch unmissverständlich die kriegerischen, geopolitischen Absichten der ‚NATO-Verbündeten‘ kommuniziert.

      Um was genau soll es denn – angenommen, dass ein beidseitig akzeptiertes Land die Vermittlerrolle übernähme – inhaltlich gehen? Minsk III ?:)
      Wer genau sollte für die Partei der Ukraine unterzeichnen? Ex-Präsident Selenskyi? Tatta Biden?

      ES KANN NUR um die Punkte gehen, die der RF wichtig waren:
      – Entnazifizierung der Ukraine
      – Neutralität = KEIN NATO-Beitritt der Ukraine

  4. Was stört an solchen Artikeln? Daß die Beteiligten und zwar alle, auch in ihren Ländern „das Schweigen der Lämmer“ praktizieren?!?
    Jedesmal wenn in der Fiktion-BRD ein Wochenschau-Titel rauskommt, egal von wem und wo, dagegen halten. Auch in den Ländern, die es satt haben. BRICS unisono. Wenn Papiere vorhanden, auf den Tisch!
    Dann kann sich die US-KaufJustiz aufblasen, wegen wahrheitsgemäßer Informationen, 3000 Jahre Haft fordern. Also normale Lebensspanne per Definition in USA.
    Wir sollten mal wirklich darüber nachdenken, ob wir nicht anfangen sollten, die Sche… in ihre Richtung zurückzuwerfen.
    Sollen sie doch irgendwelche Vergleiche ziehen, an der Wahrheit können sie dann nicht vorbei.
    Oder, wir stellen J. Assange ein. Er leitet die Welt-Leaks, gegründet von geknechteten und freien Staaten. Vorschläge sollten hierzu ernsthaft in Erwägung gezogen werden.
    Herr Röper ist für uns viel zu beschäftigt um sowas zu machen. Seine Urlaubs-Reisen wären auch davon betroffen usw.
    Sonst leidet der anti-spiegel darunter und ich könnte hier nicht mehr ablästern. Na gut das ist Eigennutz, aber ab und zu mal was gönnen, ist auch nicht verkehrt!
    angenehmen Aufenthalt in Absurdistan=BRD

Schreibe einen Kommentar