Russland-Reisen

Die russische Arktis: Urlaub für Individualisten und Abenteurer

Ich berichte immer mal wieder über Tipps für Russlandreisen. Heute geht es um die Arktis, wo Russland ökologischen und individuellen Tourismus fördert.

Die Arktis und Tourismus, das passt für viele nicht zusammen. Nicht so in Russland, wo man dabei ist, die einzigartigen Naturschätze des Landes für ökologischen Individualtourismus zu erschließen, der auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich ist. Als Ausländer muss man nur ein wenig Zeit mitbringen, wenn man nach Russland reist und kann dort entweder spontan eine Reise in andere Regionen unternehmen, oder die Reise auch vorher online buchen. Noch braucht es zur Buchung aus der deutschen Heimat Russischkenntnisse, denn in erster Linie erschließt Russland die Gebiete derzeit für die eigenen Touristen.

Aber gerade als Gast aus dem Ausland wird man in diesen Regionen, in die sich kaum Ausländer verirren, von den gastfreundlichen Einheimischen regelrecht auf Händen getragen, wie ich bei meinen Reisen in die russische Provinz immer wieder feststellen konnte.

Russland will den Tourismus im Inland ankurbeln, weshalb das russische Fernsehen immer wieder Reisetipps für ungewöhnliche und wenig erschlossene Gegenden im Land zeigt, wo man noch wirklich die urtümlichen Völker und ihr Leben erleben kann, ohne den industriellen Massentourismus der „normalen“ Urlaubsländer. Zwei Beispiele finden Sie hier und hier.

Am Sonntag hat das russische Fernsehen in der Sendung „Nachrichten der Woche“ einen Reisetipp über die Arktis gebracht, den ich übersetzt habe. Ich empfehle dringend, den Text nicht nur zu lesen, sondern sich auch den Beitrag des russischen Fernsehens anzuschauen, denn die Bilder sind einfach nur beeindruckend. Der von mir übersetzte Text ist hingegen ohne die Bilder nur schwer zu verstehen. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall!

Beginn der Übersetzung:

Die Staatsduma hat am Mittwoch in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Regierung verabschiedet, der das fernöstliche Ein-Hektar-Programm um die arktische Region erweitert. Bürger können bald in einem vereinfachten Verfahren ihren „arktischen Hektar“ in der russischen Polarregion erhalten. (Anm. d. Übers.: Da ich immer wieder Fragen zu dem Programm bekomme, bei dem der russische Staat jedem, der es wünscht, einen Hektar Land schenkt, finden Sie am Ende des Artikels ein paar Worte dazu)

In Norilsk fand unter Teilnahme des Assistenten des Präsidenten Igor Levitin und des Sportministers Oleg Matytsin das Treffen „Die russische Arktis – Das Territorium von Sport und Tourismus“ statt. Aljona Rogozina war dabei und berichtet aus einem neuen Blickwinkel über den Norden Russlands.

Der Beginn des polaren Tages wird auf Taimyr mit Festlichkeiten gefeiert. Der alte Sonnentag ist mit Rentieren verbunden. Aber es ist unmöglich, auf den schlammigen Straßen der Frühjahrssaison zu den Nomadenlagern zu gelangen. Der Feiertag ist fröhlich, aber auf eine urbane Art.

Normalerweise hat man als Haustiere Katzen und Hunde, aber hier werden echte Rentiere an der Leine durch die Straßen geführt. Einfach so. Auch der Markt und das Konzert gehören zum Pflichtprogramm. Der Urlaub der Menschen aus der Tundra verwandelt sich in Dudinka unmerklich in eine internationale Curling-Meisterschaft.

Für Menschen aus dem sonnigen Italien ist es ungewohnt, im Mai in Turnschuhen und Windjacke durch die arktische Kälte zu laufen. Aber die Qualität des Eises ist hervorragend. Joel Retorna spielt zum ersten Mal am Polarkreis Curling, und das auf höchsten Niveau.

„Zum Leben ist das ein sehr schwieriger Ort. Aber für mich sind es sehr interessante Erfahrungen und Eindrücke, ich genieße den Wind und die Kälte.“, gibt der italienische Teilnehmer des Arctic Cup Curling-Turniers zu.

Teams aus der Schweiz, Schweden, Estland, Italien, Ungarn und Russland. Am Rande des Turniers ein Gespräch über die Entwicklung des Tourismus in der Region. Russland hat für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz im Arktischen Rat inne und hat grandiose Pläne.

„Der Tourismus in der Arktis hat ein riesiges Potenzial. Wir sind uns daran gewöhnt, dass die Arktis einfach Eis und ein sehr schwieriges Leben ist. Vor dreißig Jahren war es schwer vorstellbar, dass es sich so entwickeln würde.“, sagte Igor Levitin, Berater des Präsidenten der Russischen Föderation.

Letztes Jahr besuchten 600 Touristen die Rentiere von Taimyr. Die nördlichste Halbinsel ist vor allem bei Tiktokern besonders beliebt.

„Der erste Eindruck ist, dass es hier immer hell ist. Die Sonne scheint immer, das ist cool.“, sagte der junge Gast.

„Wir konnten nicht einschlafen, denn es war immer hell, sehr ungewohnt.“, pflichtet ihm das Mädchen bei.

Heute kann man Wochenendtouren in die Tundra buchen, in Jurten schlafen und arktische Spezialitäten probieren.

„Was ist das?“, frage ich.

„Das ist ein traditionelles Essen, es heißt Straganina.“

„Das ist roher Fisch?“

„Ja, der ist roh.“

„Man nimmt ihn und taucht ihn hier rein? Eine Mischung aus Salz und Pfeffer?“

„Ja, Salz und Pfeffer. Und Brot, mehr nicht.“

„Das ist wirklich lecker!“

„Ja, das ist sehr lecker, viel besser als Sushi.“, lächelt die Einheimische.

Hier leben Nenzen, Ewenken, Ewenki, Dolganen und das älteste nördliche Volk Eurasiens, die Nganasen, Nachfahren der neolithischen Jäger des „struppigen Rentiers.“ So nennen die lokalen Mythen die Mammuts, deren Überreste noch immer auf der Halbinsel gefunden werden.

„Das ist ein junger Bulle, er war 13 oder 14 Jahre alt.“, erzählt die Mitarbeiterin des Heimatmuseums.

Außerdem lohnt es sich, das Heimatmuseum in Dudinka zu besuchen, um etwas über die Geschichte der reichsten sibirischen Stadt – das geheimnisvollen Mangazea – zu erfahren. Ihre Kaufleute haben hier die erste befestigte Stadt gebaut. Die Stadt Dudinka wurde von Peter dem Großen gegründet. Dudinka ist der einzige alljährlich überflutete Hafen der Welt.

„Das Wasser kommt bis hierher und Millionen Tonnen Eis häufen sich polternd bis zu 20 Meter hoch. Vor dem Frühjahrshochwasser werden alle Maschinen und Ladungen auf das Trockene 20 Meter höher evakuiert. Der Höhepunkt des Hochwassers ist Anfang Juni. Ein einzigartiges Naturschauspiel, die Eisdrift auf dem Fluss Jenissei ist auch bei Touristen beliebt.“, sagte Sergey Kugaevsky, stellvertretender Direktor der Polartransportabteilung der Firma Nornickel.

Vom Fluss weht ein eisiger Wind und die Temperatur betrug sechs Grad unter Null. Wir mussten uns warm anziehen, um auf den Hafenkran zu klettern. Aber meine Ohren sind trotzdem vor Kälte buchstäblich abgefallen. Wir sind hierher gekommen, um die schönste Stadt der Arktis zu sehen, Dudinka. Sie ist hell und lebendig. Doch hinter diesem Bild verbergen sich eine Menge Probleme, vor allem die Infrastruktur. Sie wurde in den Nachkriegsjahren geschaffen und bedarf einer ernsthaften Modernisierung.

Es besteht ein Bedarf an Straßen, neuen Wohnungen, moderner Gesundheitsversorgung, Kommunikation und billigeren Lebensmitteln. Aber sie sprechen hier nicht gerne über Probleme. Dabei wurde bereits ausgerechnet, dass sich jeder Rubel, der in die Entwicklung des arktischen Tourismus investiert wird, auszahlt. Mindestens um das 10-fache. Allerdings: Nicht schnell, wenn man die schwierigen klimatischen Bedingungen berücksichtigt.

Der Polartag, die Tundra und die Macht der Natur. Was weiß man schon über die Tundra? Wir wussten gar nichts, bevor wir diese Jungs kennengelernt haben.

Die Freunde Dmitry Dolganov und Michael Kislitsyn haben ein ungewöhnliches Tourismusgeschäft. Die Jungs laden ein, mit Motorrädern durch die Tundra zum einzigartigen Naturdenkmal Putarana-Plateau zu fahren. Sie behaupten, dass eine einwöchige Reise nach Norilsk billiger ist als nach Sotschi, aber dafür mehr extreme Erlebnisse und Eindrücke bringt.

„Das Putarana-Plateau ist der Ort der tausend Seen und Wasserfälle.“, erzählen sie.

„Also kann man da endlos durch die Gegend fahren, weil es nicht dunkel wird?“

„Ja, der Polartag hat kein Ende, nur das Benzin. Man kann auch über die Berggipfel fahren.“

Letztes Jahr nahm zum ersten Mal in der Geschichte ein modernes Kreuzfahrtschiff die Route von Krasnojarsk nach Norilsk entlang des Jenissei in Betrieb, und jetzt sind wieder alle Tickets lange vor Saisonbeginn ausverkauft. Mit der Entwicklung des Nördlichen Seewegs entsteht in allen russischen Arktisregionen moderner Ökotourismus, eine hochwertige Unterhaltungsinfrastruktur und Sportanlagen auf Weltklasseniveau.

„Russland muss eine führende Rolle bei der Entwicklung der Arktis spielen. Der Startschuss ist gefallen. Heute geht es darum, die Arbeit zu koordinieren.“, betonte Oleg Matytsin, Sportminister der Russischen Föderation.

Spitzbergen. Die einzige aktive Bergbaumine der Welt, in die Touristen mitgenommen werden. Industriell-brutale Romantik tief unter der Erde, und dann auch noch in der Arktis, das zieht viele Menschen an. Ein Hotel hat eröffnet und Rentiere streifen davor umher.

Man kann die Spitze des Planeten auf dem leistungsstärksten nuklearen Eisbrecher der Welt erobern, er hat 2 Atomreaktoren, 75.000 PS und kann bis zu drei Meter dickes Eis brechen. Am Nordpol steht man auf der Spitze des Planeten, wo einem die ganze Welt buchstäblich zu Füßen liegt.

Tschukotka. Von der blumenbedeckten Tundra bis zur arktischen Wüste kann man hier mehrere Ökosysteme auf einmal besuchen. Sie werden die Felsen mit Vogelkolonien, Küstenwiesen mit Rentieren, Inseln mit Walrossen und dickes Meereis mit Eisbären sehen. Und das wichtigste: Wale. Die russische Arktis hat ihre eigene Nische auf dem touristischen Markt, obwohl es keine Touren im klassischen Sinne gibt. Die Arktis ist das Gebiet, wo man noch Entdeckungen machen kann.

Ende der Übersetzung

Nun noch zu dem Thema des Ein-Hektar-Programms. Das Programm wurde im Fernen Osten aufgelegt und sollte die Landwirtschaft ankurbeln. Es wurde eine unbewohnte Region erschlossen und jeder Russe, der es wollte, konnte dort einen Hektar Land geschenkt bekommen, wenn er sich verpflichtet hat, ihn landwirtschaftlich zu nutzen. Das Programm wurde immer wieder erweitert. Was die Bedingungen des Programms in der Arktis sind, habe ich nicht recherchiert, aber da es nur Russen in Anspruch nehmen können, muss ich allen Interessierten, die mir dazu Fragen stellen, leider sagen: Sie haben keine Chance, an dem Programm teilzunehmen.

Es sei denn, Sie haben einen russischen Ehepartner, der ebenfalls von einem Hektar Land in der freien Natur träumt…

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Könnte man nicht „Lehrgänge“ zur Resozialisierung von jüngeren deutschen Straftätern abieten als Gäste in so einem entlegenen Dörfchen (freiwillig, gegen frühere Entlassung)? Absperrung nicht nötig. Wer friert, holt Holz und Wasser und so weiter. Freundlich, rustikal und sehr gesund? Manch einer wird sogar bleiben.

Schreibe einen Kommentar