Selenskys Legitimität

Ukrainisches Parlament stellt sich erst im zweiten Anlauf hinter Selensky

In ukrainischen Parlament sollte Selensys Legitimität in Anwesenheit von EU-Kommissaren bestätigt werden. Der PR-Coup scheiterte und der Vorschlag bekam keine Mehrheit, was deutsche Medien wie der Spiegel verschwiegen haben. Die haben erst berichtet, als es im zweiten Anlauf klappte.

Dass deutsche Medien ihren Lesern gerne alles verschweigen, was nicht ins gewollte Bild passt, ist keine neue Erkenntnis. Am Montag gab es dafür im Spiegel wieder ein interessantes Beispiel.

Der geplatzte PR-Coup

An dem Tag waren EU-Kommissare nach Kiew gereist, um der Ukraine und Selensky ihre Unterstützung zu versichern, und es war eine kleine Showveranstaltung geplant. Da Selenskys Legitimität mehr als fraglich ist, weil seine Amtszeit im Mai 2024 abgelaufen ist und laut der ukrainischen Verfassung bis zu Neuwahlen eigentlich der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte führen müsste, wollte man in Kiew zeigen, dass Selensky immer noch von den Ukrainern unterstützt wird.

Ein weiterer Grund dafür auch der Streit zwischen Selensky und US-Präsident Trump sein, der Selensksy Legitimität ebenfalls in Zweifel stellt und nachdrücklich Neuwahlen in der Ukraine fordert, während Selenskys dies mit Verweis auf das Kriegsrecht ablehnt und behauptet, die Ukrainer selbst wollten derzeit gar keine Wahlen.

Daher begaben sich die EU-Kommissare am Montag extra in die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, um einer Abstimmung über eine Resolution beizuwohnen, in der die Angeordneten Selenskys Legitimität bestätigen sollten. Aber das Ganze wurde zu einer Blamage, wie der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak auf Telegram berichtete. Er zitierte zunächst aus der Entschließung Nr. 13039:

„Das Parlament der Ukraine unterstreicht die Notwendigkeit, den Grundsatz der institutionellen Kontinuität der Macht zu beachten, der in den Gesetzen der Ukraine festgelegt ist, insbesondere unter dem rechtlichen Regime des Kriegsrechts, und stellt fest, dass der Präsident der Ukraine Wladimir Selensky seine Befugnisse bis zum Amtsantritt des neu gewählten Präsidenten der Ukraine in Übereinstimmung mit dem ersten Teil von Artikel 108 der Verfassung der Ukraine ausüben sollte.“

Im Anschluss an das Zitat teilte er mit, dass die Abstimmung gescheitert ist, weil sie nur 218 von 226 erforderlichen Stimmen erhielt. Der kleine PR-Coup, in dem das Parlament Selensky seine Unterstützung aussprechen sollte, damit EU-Kommissare anschließend vor der Presse von Selenskys begeistert über Legitimität reden könnten, war gescheitert.

Der Spiegel, der nicht müde wird, für die Unterstützung der Ukraine zu trommeln und alle Zweifel an Selenskys Legitimität zu zerstreuen, war davon offenbar peinlich berührt, denn er verschwieg seinen Lesern dieses Ereignis kurzerhand. Es passte eben nicht in das Bild, dass der Spiegel seinen Lesern vermitteln will.

Erfolg erst im zweiten Anlauf

Am Dienstag wurde die Abstimmung wiederholt und die gleiche Entschließung wurde den Abgeordneten erneut vorgelegt, und im zweiten Anlauf klappte es dann. Das Parlament sprach Selensky mit 268 Stimmen seine Unterstützung aus.

Nun war der Spiegel plötzlich sehr schnell und nach weniger als zwei Stunden veröffentlichte der Spiegel bereits einen Artikel mit der Überschrift „Klare Mehrheit für Präsident – Ukrainisches Parlament stellt sich hinter Selenskyj“ und schrieb in der Einleitung:

„Die Oberste Rada hat eine Resolution zur Unterstützung Wolodymyr Selenskyjs verabschiedet. Russland und US-Präsident Trump hatten die Legitimität des ukrainischen Präsidenten in Zweifel gezogen.“

Dass die Rada Selensky die Unterstützung im ersten Anlauf verweigert hat, erfahren Spiegel-Leser nur, wenn sie sich die Mühe machen, den Artikel auch zu lesen. Was Spiegel-Leser hingegen selbst in dem Artikel nicht erfahren, ist, dass sich extra EU-Kommissare in die Rada begeben hatte, um Selenskys kleiner PR-Veranstaltung beizuwohnen.

Mangelnde Unterstützung in Selenskys eigener Partei

Im ukrainischen Parlament ist danach eine Diskussion entbrannt, über die der Spiegel auch nicht berichtet hat. Abgeordnete, die nicht zu Selenskys Partei gehören, erklärten danach, das Scheitern der Abstimmung am Montag zeige, dass es selbst innerhalb der Regierungspartei „Diener des Volkes“ keine Unterstützung für die Entschließung gäbe.

So bezeichnete der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak die Situation, die sich rund um die Abstimmung entwickelt habe, als „idiotisch“. Das sei eine „absolut idiotische Situation, in der sich die Diener des Volkes selbst überlistet haben“, sagte er auf dem YouTube-Kanal Novosti Live und erklärte:

„Ein Teil der Abgeordneten, vor allem von Diener des Volkes, sind einfach nicht zur Sitzung erschienen oder <…> irgendwo herumgeirrt.“

Er fügte hinzu, dass es die Mehrheit, die die Regierungspartei einst hatte, längst nicht mehr gebe.

Der Abgeordnete Alexej Gontscharenko von Poroschenkos Partei nannte mangelnde Disziplin innerhalb der Regierungsfraktion „Diener des Volkes“ als Grund für die Blamage am Montag:

„Mitglieder der Fraktion haben mir erzählt, dass sie niemand zusammengerufen hat. Sie haben generell eine schwache Disziplin, und nur wenige von ihnen kommen, wenn man sie vorher nicht bearbeitet.“

Gontscharenko hatte Selensky in seiner Rede vor der erneuten Abstimmung über die Resolution aufgefordert, offiziell auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als Präsident zu verzichten.

Das ukrainische Portal „Strana“ führte weiter aus, dass Fraktionschef David Arachamia für die Disziplin in der Fraktion verantwortlich sei und auch mit Vertretern anderer Kräfte im Parlament über zusätzliche Stimmen verhandele. Wenn er tatsächlich nicht die Anweisung gegeben habe, innerhalb der Fraktion Stimmen zu mobilisieren, dann sei das sehr bezeichnend. Die Hauptschuld für den „überraschenden Aussetzer“ mit den fehlenden Stimmen liege bei der Regierungsfraktion, denn fast die Hälfte ihrer Abgeordneten hatte an der Abstimmung nicht teilgenommen. Strana zufolge könnte das Scheitern der Abstimmung ein Zeichen dafür sein, dass selbst in Selenskys Fraktion nicht alle damit einverstanden sind, dass Selensky auf unbestimmte Zeit Präsident bleibt.

Aber darüber berichtet der Spiegel natürlich nicht.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Volle „Neun Prozent“ Beliebtheit hat der Abgelaufene, meint eine Rada-Abgeordnete

    A member of Ukraine’s Verkhovna Rada, Anna Skorokhod, said she had seen the real results of the polls. Zelensky does not have 57 per cent, he has 9 per cent. The Rada has rebelled. Even Buzhansky did not vote for the resolution to support Zelensky’s powers. It looks like the throne has been propped up.
    https://t.me/ukraine_watch/37599

  2. Erinnert sehr an Merkel, Da war doch mal der Merkel Satz: „Wir lassen die Iren solange abstimmen, bis das Ergebnis passt“. Ging damals um EU-Verfassung, oder in Neuauflage – Lissabon-Vertrag. Interessant, daß in Suchmaschinen dazu nichts mehr zu finden ist, und Treffer mit total anderm Tenor gezeigt werden.

    Was ich noch finden konnte:
    „Deshalb fragt sie [Bürger der EU] besser gar nicht erst nach ihrem Votum; und wenn es denn doch unbedingt sein muss, lasst uns eine optimierte Droh- und Druckkulisse aufbauen und solange abstimmen lassen, bis das Ergebnis passt. “

    Hubert Kleinert: „Warum die Iren nicht die Deppen Europas sind“; Spiegel, Gastkommentar; 19.06.2008,

    https://www.spiegel.de/politik/ausland/gastkommentar-warum-die-iren-nicht-die-deppen-europas-sind-a-560575.html

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