Teil 2: Die Vorgeschichte der Wahlen
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Über Abchasien ist im Westen kaum etwas bekannt, geopolitisch ist es aber nicht unwichtig. Im November kam es dort zu Unruhen, in deren Folge der Präsident zurücktrat und Neuwahlen beschlossen wurden, die nun stattfinden und zu denen ich als internationaler Beobachter eingeladen wurde.
Daher veröffentliche ich eine 4-teilige über das Land, in der ich über die Geschichte des Landes, die Gründe für die vorgezogenen Wahlen, die geopolitischen Hintergründe und über die zur Wahl stehenden Kandidaten berichten werde. Im ersten Artikel der Serie habe ich über die Geschichte Abchasiens berichtet, in diesem zweiten Artikel geht es darum, wie es zu den vorgezogenen Neuwahlen kam.
Die Vorgeschichte der Präsidentschaftswahlen in Abchasien 2025
Am 30. Oktober wurde ein Abkommen unterzeichnet, das es russischen Unternehmen ermöglicht, Investitionsprojekte in Abchasien durchzuführen, insbesondere im Wohnungsbau. Das Abkommen über russische Investitionen soll vor allem dem Tourismus in Abchasien helfen, der eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes ist. Die Touristen in Abchasien, sind praktisch ausschließlich Russen, die Abchasien wegen seine Landschaft, seiner Schwarzmeerküste, dem guten Essen und den gastfreundlichen Menschen sehr als günstiges Urlaubsziel schätzen.
Ohne dieses Abkommen werde Abchasien nicht in der Lage sein, eigenständig Mittel für den Aufbau der Schlüsselsektoren seiner Wirtschaft aufzubringen, so der Leiter des Ausschusses für internationale Beziehungen des abchasischen Parlaments. Und die abchasische Wirtschaftsministerin stellte fest, dass Investitionen eine Schlüsselrolle bei der Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Abchasien spielen.
Das Abkommen sieht für russische Investoren Vorteile wie eine achtjährige Zollbefreiung bei der Einfuhr von Baumaterialien, einen halbierten Mehrwertsteuersatz und eine Quote für ausländische Arbeitskräfte vor, die von den Investoren selbst verteilt wird. Darüber hinaus werden bestimmte Investoren in ein spezielles Register aufgenommen und erhalten ein Vorzugsrecht bei der Bereitstellung von Strom, denn die Stromversorgung in Abchasien lässt noch sehr zu wünschen übrig. Außerdem haben Investoren das Recht, von der abchasischen Regierung zur Verfügung gestelltes Land als Sicherheit für Bankkredite zu nutzen.
Aber die kaukasischen Völker sind ausgesprochen konservativ und stolz und die Abchasen befürchteten, dass russische Firmen nun in Abchasien Landbesitzer werden, Tourismus im großen Stil organisieren und so dem bescheidenen abchasischen Mittelstand das Wasser abgraben. Hinzu kommt die Angst, dass wohlhabende Russen in Abchasien Ferienwohnungen kaufen und dass die Immobilienpreise in Abchasien dann für die Abchasen selbst unerschwinglich werden.
Oppositionspolitiker haben das Abkommen daher mit der Begründung abgelehnt, dass es „den Interessen der abchasischen Bevölkerung zuwiderläuft”. Die Opposition sprach sich dabei klar für die Partnerschaft mit Russland aus, sie spielte jedoch mit den Ängsten der Menschen, für die es einerseits objektive Gründe gibt, andererseits braucht Abchasien aber dringend die Investitionen aus Russland, zumal keine anderen Investoren bereit stehen.
Die Proteste begannen, nachdem das Parlament das Gesetz zur Regelung des rechtlichen Status sogenannter „multifunktionaler Komplexe“ verabschiedet hatte. Das sind Gebäude, die verschiedene Funktionen kombinieren: Wohnen, Büros, Einzelhandel, Unterhaltung, Kultur und andere. Die Opposition behauptete, dass das Gesetz ausländischen Bauträgern den Weg für den Bau Wohngebäuden ebnet, womit quasi durch die Hintertür legalisiert werde, dass Ausländer Wohnungen kaufen können. Es geht also um die Angst der Abchasen, dass wohlhabende Russen nun Wohnungen kaufen und als Ferienwohnungen nutzen können, was Wohnungen für Abchasen sowohl zum Kauf als auch zur Miete unerschwinglich machen könnte.
Die Befürchtungen sind jedoch unbegründet, denn russische Staatsbürger bleiben auch nach dem neuen Gesetz Ausländer und Ausländer dürfen in Abchasien keine Immobilien erwerben. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass russische Investoren in Abchasien mindestens zwei Milliarden Rubel (etwa zwei Millionen Euro) investieren müssen. Der Verkauf von Land ist in dem Gesetz gar nicht vorgesehen und Abchasien kann außerdem jeden Investor individuell ablehnen.
Aber die Opposition spielte mit den Emotionen der Menschen und am 11. November 2024 wurden mehrere Anhänger der Opposition wegen Randalierens vor dem Parlament festgenommen. Die Opposition blockierte daraufhin drei Brücken an der Einfahrt in die Hauptstadt Sochumi, die die wichtigste Handels- und Verkehrsader zwischen Abchasien und Russland sind.
Die Verhaftung der Oppositionellen löste öffentliche Empörung aus. Nach ihrer Freilassung am Nachmittag des 12. November beendete die Opposition die Blockade wieder, aber die Proteste gingen weiter.
Am Freitag dem 15. November besetzten die Demonstranten schließlich das Parlament und die Präsidialverwaltung und forderten eine Revision des Abkommens, den Rücktritt des Präsidenten und Neuwahlen. Die Abgeordneten beschlossen daraufhin, die Behandlung des Themas auf die nächste Woche zu verschieben, woraufhin die Demonstranten erklärten, sie würden erst gehen, wenn das Parlament gegen die Ratifizierung gestimmt habe.
Am 19. November trat der abchasische Präsident Bzhania „zur Wahrung der Stabilität und der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes“ zurück. Der Rücktritt war das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition. Am Ende der Verhandlungen wurde ein Fünf-Punkte-Abkommen unterzeichnet, der die Auflösung der Demonstrationen, den Rücktritt von Bzhanias Gefolgsleuten, des Premierministers und Bzhanias Stellvertreters als amtierender Präsident umfasste.
Für den 15. Februar wurden Neuwahlen angesetzt, zu deren Beobachtung ich nun als internationaler Beobachter eingeladen wurde.
2 Antworten
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Abchasien sucht einen Weg, das Eigentumsrecht so zu gestalten, dass keine Herrschaftsgewalt entsteht. Die Interessen des Auslandes (in diesem Fall Russland) sind gegenteilig. Das Ausland investiert nur, wenn „Freiheit“ besteht. Die vier Grundfreiheiten sind: Personen-, Waren-, Dienstleistung- und Kapitalverkehr. Letzteres umfasst die Sicherheit von Vermögenswerten (Grundstücke, Unternehmen), das eigentliche Eigentum.
Das Ausland geht von der Prämisse aus: „Was wir geben, erhalten wir um ein Vielfaches zurück“ – Kanzler Merkel.
Die Bürger in Abchasien wissen das und sind nicht begeistert vom Vorhaben. „Allerdings“, so Merkel, „erhalten die beteiligten Bürger ja auch einen Teil, den Lohn. Dieser Lohn bringt Wohlstand ins Land“. Und jetzt sind die Bürger schon gespalten – und vielleicht noch einig, dass Vorhaben, die ihnen keinen oder kaum Lohn bringen (Wohnungen) nicht geduldet werden.
Vielleicht gehen sie noch weiter und schützen auch den primären Sektor (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bergbau) und den sekundären Sektor (Bau und Industrie) vor fremden Interessen. Sie gewähren dem Ausland lediglich Zugriff im Dienstleistungsbereich, namentlich in Bereichen, die viele Einheimische beschäftigen (Tourismus).
Und wenn sie alles so geschützt haben, merken sie, dass auch unter ihnen „Ausländer“ sind. Und an diesem Punkt stehen wir doch alle. Wir müssen, was gemeinhin als Hochkultur bezeichnet wird, überwinden: Die Herrschafts- und Zwangsgewalt, die die Menschen seit 5000 Jahren plagt. Wir sollten eine Freundschaftskultur schaffen, Bro. Und alles, was zuviel ist – der Reingewinn – in die Volkskasse zurücklegen.
Danke für diesen Beitrag. Eine interessante Sicht. Gibt es noch eine sozialistische Politik in Abchasien?