Französisches Militär in Rumänien

Die Aufteilung Europas in Einflusssphären scheint begonnen zu haben

Unter dem Vorwand der russischen Bedrohung scheinen die großen europäischen Länder bereits, ihre Einflusssphären für den Fall eines Rückzugs der USA aus Europa abzustecken.

Anfang April habe ich berichtet, dass das französische Militär in einem strategisch wichtigen Gebiet in Rumänien angefangen hat, genaue Reliefkarten zu erstellen, die im Falle eines Krieges in der Ukraine wichtig sind. Das kann ein Hinweis auf die französischen Pläne sein, in der Ukraine militärisch zu intervenieren. Es kann aber auch das Abstecken von Einflusssphären in Europa für die Zeit nach dem aktuellen Konflikt und nach einem etwaigen Abzug der USA aus Europa sein, mit dem Trump immer wieder droht.

Dazu hat ein geopolitischer Analyst namens Andrew Korybko, der jedoch kein Russe, sondern Amerikaner ist, einen interessanten Artikel geschrieben, den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Das Kartografieren des rumänischen Focsani-Tors durch Frankreich dient möglicherweise nicht rein defensiven Zwecken

Die Aufmerksamkeit, die Frankreich taktischen Details wie dem Gebiet nahe dem rumänisch-moldawisch-ukrainischen Dreiländereck widmet, deutet darauf hin, dass seine Spekulationen über eine Intervention in der Ukraine ernster sind, als manche denken.

Die französische Tageszeitung Le Figaro berichtete Anfang April, dass französische Militärkartografen eine dreidimensionale Kartografierung des sogenannten Focsani-Tors in Rumänien durchgeführt hätten, das nahe dem Dreiländereck mit Moldawien und der Ukraine liegt. Der Vorwand dafür war angeblich die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des NATO-Partners für den Fall, dass russische Streitkräfte in der Ukraine sich dieser Region nähern und anschließend eine Invasion der südöstlichen Flanke der NATO beabsichtigen. Der aktuelle Kontext deutet jedoch darauf hin, dass Frankreich angesichts von Spekulationen über eine militärische Intervention in der Ukraine möglicherweise andere Hintergedanken verfolgt.

Aktuelle Erkenntnisse über das Focsani-Tor könnten es den französischen Streitkräften in Rumänien ermöglichen, rasch auf die ukrainischen Donauhäfen Reni und Ismajil vorzurücken, sollte Paris formell in den Konflikt einbezogen werden. Kiew nutzt diese Häfen offiziell für den Export von Getreide, allerdings steht auch der Verdacht im Raum, dass beide Häfen als Einfallstore für westliche Waffen dienen, was sie umso wichtiger machen würde. Zudem liegen die Häfen an der Route nach Odessa, die Frankreich im Fall einer Intervention in der Ukraine voraussichtlich sichern möchte.

Zusammengenommen würde das zu den wahrscheinlich unmittelbaren militärstrategischen Zielen Frankreichs gehören, sollte es formell in den Konflikt in der Ukraine eingreifen. Dies erklärt die Notwendigkeit der Truppenpositionierung in Rumänien und insbesondere der Kartografierung des Focsani-Tors, um dieses Szenario zu erleichtern. Um es deutlich zu sagen: Frankreich wird möglicherweise nicht in der Ukraine eingreifen, nachdem Russland angekündigt hat, alle ausländischen Streitkräfte in der Ukraine als legitime Ziele anzusehen, und nachdem die USA erklärt haben, dass die Verteidigungsgarantien nach Artikel 5 des NATO-Vertrags nicht auf in der Ukraine eingesetzte NATO-Truppen anzuwenden seien.

Dennoch ist es wichtig zu beachten, wie viel Aufmerksamkeit Frankreich taktischen Details wie einem Gelände nahe dem Dreiländereck schenkt. Das deutet darauf hin, dass die Gespräche über eine Intervention in der Ukraine ernster sind, als manche annehmen würden. Angesichts dieser Überlegungen lässt sich der Schluss ziehen, dass Frankreich Rumänien – aber auch Moldawien – in seine „Einflusssphäre“ fallen sieht, möglicherweise zusammen mit der historischen Region Budschak im Südwesten der heutigen Ukraine.

Diese Pläne – unabhängig davon, ob sie umgesetzt werden oder nicht – sind Teil des französischen Bemühens, nach dem Ende des Ukraine-Konflikts eine Führungsrolle in Europa einzunehmen. Der Kernpunkt hierbei ist, dass dieser Teil Südosteuropas aufgrund der französischen Militärpräsenz in Rumänien und des im vergangenen Frühjahr geschlossenen Verteidigungspakts mit Moldawien eher in Frankreichs „Einflusssphäre“ verbleiben wird als jeder andere Teil des Kontinents. Obwohl diese beiden Länder sehr arm sind, befinden sie sich geografisch in strategisch günstigen Lagen, was Frankreichs Rolle in Europa nach dem Ukraine-Konflikt stärken könnte.

Beide Länder dienen der NATO im Wesentlichen als Tor nach Odessa und Transnistrien. Sollte sich Frankreich dort als wichtigste ausländische Macht etablieren, könnte es bei zukünftigen militärischen Operationen entscheidend mitbestimmen. Darüber hinaus könnte Frankreich seine rotierende Militärpräsenz in Rumänien sogar in eine dauerhafte umwandeln, ähnlich wie Deutschland dies mit seinem kürzlich neu etablierten Stützpunkt in Litauen getan hat. Dies würde bedeuten, dass eine Rückkehr zur NATO-Russland-Grundakte von 1997, wie sie sich Putin wünscht, ohne die Zustimmung aus Berlin und Paris nicht mehr möglich wäre. (Anm. d. Übers.: Auf diese geopolitischen Aspekte hat der Autor dieses Artikels schon zuvor in einem Artikel über die Folgen der Stationierung der Bundeswehr in Litauen hingewiesen, den ich ebenfalls übersetzt habe. Bei diesen Truppenstationierungen könnte es also in Wahrheit um die Bemühungen der großen europäischen Staaten gehen, ihre Einflusssphären in Europa militärisch zu demonstrieren und abzusichern.)

Es ist noch verfrüht, das genaue Vorgehen Frankreichs vorherzusagen, aber das eben beschriebene Szenario kann nicht ausgeschlossen werden, da es zur Großmachtstrategie von Paris passen würde. Schließlich wurden diese neu erstellten Landkarten nicht bloß um ihrer selbst willen oder als Gefallen für Rumänien erstellt, sondern um eine mögliche französische Intervention in der Ukraine zu erleichtern.

Selbst wenn eine solche Intervention nicht zustande käme, könnte Frankreich seine militärische Präsenz in Rumänien in Zukunft durch die Eröffnung eines permanenten Stützpunkts festigen. Paris schafft sich die Grundlage dafür, genau diese Option offen zu halten, um sich dadurch militärisch-diplomatischen gegenüber Russland zu positionieren.

Ende der Übersetzung 


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

9 Antworten

  1. Möglich ist alles! Experten gehen davon aus das Moldawien zum zweiten Ukraine wird.
    Dann könnte Russland erst recht auf die Idee kommen Odessa in Besitz zu nehmen. Alles von Trump ab. Aber die EU schuld das in der Region für Unruhen kommt. Die EU steht nicht für Demokratie sondern für Diktatur!

  2. Die Tatsache das Frankreich solche präzisen Karten erstellen lässt deutet meiner Meinung nach darauf hin das Frankreich keine präzisen Karten von dieser Region hat. Nach allem was ich nun über elektronische Kriegsführung gelernt habe sollte Frankreich ein riesen Interesse haben von möglichst vielen Regionen der Welt solche Karten zu haben. Besonders wenn es wirklich so sein sollte das die Amis diese nicht mehr liefern.
    In Moldawien ist das Volk mit der Regierung sehr unzufrieden, in Rumänien auch und in Bulgarien erst Recht, um es ganz einfach auszudrücken. Wie schlimm die Lage dort wirklich ist kann ich nur schwer beurteilen da es in westlichen und russischen Medien unterschiedlich dargestellt wird. Was Bulgarien betrifft kann ich sagen das die EU so ziemlich jedes Vertrauen beim Volk verloren hat.
    Wenn Rumänien kippt dann kippt Moldawien, dann kippt Bulgarien dann ist der Weg frei nach Ungarn, Slowakien und Serbien. Dann fließt wieder billige Energie in diese Regionen und wahrscheinlich nimmt man auch wieder den Handel auf. Zu dem erzählt Trump das er seine Jungs aus diesen Regionen abziehen will.
    Ich würde sagen, in dieser Region ist dermaßen viel Spannung das alles möglich ist.

    1. Tja, irgendwie scheinen auch die Franzosen viele Fähigkeiten verloren zu haben… Karten gab es schon vor Jahrzehnten… vielleicht haben Russen diese Karten schon immer in ihren Archiven?

      1. Soweit ich das verstanden habe gehts da nicht einfach um genaue karten. Diese existieren sicherlich schon sehr lange. Hier gehts um spezielle digitale dreidimensionale geländemodelle der region. Diese benötigt man unter anderem für militärische planungen, simulationen und vor allem auch um die flugrouten moderner waffen wie marschflugkörper (SCALP, STORMSHADOW, TAURUS!!!) zu planen. Diese dinger sind ja deshalb so gefährlich weil sie nicht einfach gradlinig auf ihr ziel zu fliegen sondern vielmehr nutzen sie geländebedingungen aus, fliegen durch täler, hinter bergen . . . um möglichst lange unentdeckt zu bleiben. So ein marschflugkörper selbst ist ja nichts anderes als ein eher lahmes düsenjetflugzeug. Gefährlich wird das ding erst dadurch das es sich auf speziellen flugrouten über umwege seinem ziel nähert und dabei geländebedingungen ausnutzt um vom radar möglichst lange unentdeckt zu bleiben. Um diese flugrouten zu planen/zu erstellen benötigt man die erwähnten dreidimensionalen geländemodelle. Wenn man z.b. in diese die poaitionen der erkannten luftabwehrsysteme und radaranlagen integriert lässt sich deren wirkungsbereich gut ermitteln und auch erkennen wo es gebiete gibt die im radarschatten liegen wo das radar also nicht hinsehen kann (täler, rückseite von bergen usw). Genau auf diese weise gelingt es ja auch natoukrainischen langstreckendrohnen immer wieder ziele tief im russischen hinterland zu erreichen. Die schleichen sich quasi durch erkannte lücken in der radarüberwachung.
        Pikantes detail: neben usa verfügt auch deutschland über solch ein datensystem des gesamten gebietes von russland. Soweit man nachlesen kann wurde dieses digtale geländemodell von russland in vorbereitung des aktuellen krieges erstellt und beschafft und zwar schon einige jahre vor dem krieg(!!!). Das macht die ganzen disskusionen um die taurusproblematik besonders würzig. Diese dinger können von deutschland dadurch wohl unabhängig von us-daten eingesetzt werden. Da ja frankreich/england mit scalp über ein sehr ähnliches waffensystem verfügen werden diese länder vermutlich über ähnliche datensätze verfügen oder aber zugriff auf das deutsche system haben/erhalten.

  3. Die Tatsache das Frankreich solche präzisen Karten erstellen lässt deutet meiner Meinung nach darauf hin das Frankreich keine präzisen Karten von dieser Region hat. Nach allem was ich nun über elektronische Kriegsführung gelernt habe sollte Frankreich ein riesen Interesse haben von möglichst vielen Regionen der Welt solche Karten zu haben. Besonders wenn es wirklich so sein sollte das die Amis diese nicht mehr liefern.
    In Moldawien ist das Volk mit der Regierung sehr unzufrieden, in Rumänien auch und in Bulgarien erst Recht, um es ganz einfach auszudrücken. Wie schlimm die Lage dort wirklich ist kann ich nur schwer beurteilen da es in westlichen und russischen Medien unterschiedlich dargestellt wird. Was Bulgarien betrifft kann ich sagen das die EU so ziemlich jedes Vertrauen beim Volk verloren hat.
    Wenn Rumänien kippt dann kippt Moldawien, dann kippt Bulgarien dann ist der Weg frei nach Ungarn, Slowakien und Serbien. Dann fließt wieder billige Energie in diese Regionen und wahrscheinlich nimmt man auch wieder den Handel auf. Zu dem erzählt Trump das er seine Jungs aus diesen Regionen abziehen will.
    Ich würde sagen, in dieser Region ist dermaßen viel Spannung das alles möglich ist.

  4. Odessa ist der Schlüssel zum Sieg Russlands. – Ehemaliger NATO-Kommandeur.

    Die Einnahme Odessas werde zum Symbol für das Kriegsende und den faktischen Sieg Russlands, sagte der ehemalige Kommandeur der NATO-Streitkräfte in Europa, General Wesley Clark. Ihm zufolge sei die Stadt ein strategisches Ziel Wladimir Putins.

    1. Mittelbar anhängend dazu, machte ein aktueller Friedensschluss unter Trump’scher Vorstellung wohl dann auch Transnistrier und Gagausen zu den eigentlichen ‚Schiffbrüchigen‘ dieses Vollzugs. Mittelzeitlich wird das das nächste Pulverfass für ein nächstes responsibility-2-protect? Aber vlt. sind die Moldawier so vorausschauend, bei der anstehenden Wahl des nächsten Parlaments Sandu wenigstens die ‚Legislative‘ zu entziehen. Als ein Beginn für das Ende einer Diktatorin an der Ecke Europas.

    2. Odessa bzw. die gesamte ukrainische schwarzmeerküstenregion wurde schon immer wieder einmal in diesem zusammenhang genannt. Das erscheint auch logisch da über das meer sowohl sehr viel nachschub abgewickelt wird als auch die schifffahrt und auch die krim angegriffen wird.
      Von russischer seite lässt sich allerdings erstaunlicherweise kaum militärische aktivität in diese richtung erkennen.

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