Europawahlen

Putin im O-Ton über Vorwürfe, Russland würde Desinformationen verbreiten

Der russische Präsident Putin hat sich drei Stunden der internationalen Presse gestellt. Dabei wurde Putin auch zu den Vorwürfen befragt, Russland würde im Westen Desinformationen verbreiten.

Der russische Präsident Putin hat sich drei Stunden den Fragen von 15 Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen gestellt, darunter übrigens auch die deutsche dpa und führende Agenturen aus Großbritannien, Frankreich und den USA. Ich werde in den nächsten Tagen die in meinen Augen interessantestes Fragen und Antworten übersetzen. Übrigens ist diese Veranstaltung schon deshalb bemerkenswert, weil es undenkbar ist, dass sich Biden (oder Scholz, Macron, etc.) drei Stunden den Fragen internationaler Nachrichtenagenturen, darunter russische, chinesische, syrische, iranische und so weiter stellen.

Hier übersetze ich eine weitere Frage und Putins Antwort aus dem Pressegespräch.

Beginn der Übersetzung:

Moderator: Das Wort hat jetzt Spanien. Die spanische Nachrichtenagentur EFE, Herr José Manuel Sanz Mingote. Er ist der Direktor für internationale Beziehungen seiner Agentur. Er ist nicht nur ein erfahrener Journalist, sondern auch ein hervorragender Spezialist für Geschichte und Philosophie und ein Experte für Fragen der europäischen Integration.

Bitte, Herr Sans Mingote, Ihre Frage.

Sans Mingote: Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit, Sie kennenzulernen.

Ich spreche kein Russisch, aber ich habe russische Autoren gelesen. Ich bin mir des enormen Beitrags Russlands zu Kultur, Wissenschaft und Kunst bewusst. Persönlich finde ich es schade, dass wir in einer so schwierigen internationalen Situation leben.

Meine Frage wird heikel sein. Sie wissen, dass von morgen bis Sonntag in 25 europäischen Ländern Wahlen stattfinden. Und Sie wissen, dass Analysten, Experten, hochrangige Vertreter und hohe Beamte europäischer Staaten behaupten, Russland sei schuldig, Desinformation zu verbreiten, um den Wahlprozess in Europa zu destabilisieren.

Was könnten Sie dazu sagen? Glauben Sie, dass die russische Regierung hinter dieser Desinformationskampagne steckt?

Vielen Dank.

Putin: Sehen Sie, wir haben gerade mit Ihrem Kollegen aus Deutschland gesprochen, und wir haben auch über den Zustand der Wirtschaft in den europäischen Ländern insgesamt gesprochen.

Eine Ableitung des Zustandes der Wirtschaft ist die Lage im Bereich der Sozialpolitik, der Einkommen der Bürger, der Erhaltung und Schaffung neuer Arbeitsplätze und des Konsums. Die europäischen Länder sind insgesamt wohlhabende Staaten. Das Hauptanliegen der Menschen ist ihr materieller Wohlstand. Durch die Politik der überwiegenden Mehrheit der westlichen Staaten, einschließlich der europäischen, ist dieser Wohlstand, an den sich die Menschen seit Jahrzehnten gewöhnt haben, jedoch in Gefahr, wenn nicht gar verschwunden. Das merken und spüren die Menschen. Das ist meines Erachtens der Hauptgrund dafür, dass die traditionellen politischen Parteien und die parlamentarische Demokratie insgesamt schwere Zeiten durchmachen. Und wenn jemand, auch und gerade in Europa, die Fehler, die er bei seiner Arbeit macht, nicht analysieren will und versucht, die Schuld auf äußere Umstände zu schieben, dann ist das ein weiterer Fehler, der es ihm nicht erlaubt, die richtigen Schlüsse aus dem zu ziehen, was tatsächlich geschieht. Das ist die erste Seite des Problems.

Und die zweite ist, dass unsere Medien in ihrer Reichweite, in ihrer Fähigkeit, ein bestimmtes Publikum zu beeinflussen, in keiner Weise vergleichbar sind mit den Fähigkeiten der westlichen Medien: elektronische Medien, Printmedien, was auch immer.

Und wenn Sie Ihre Kollegen fragen – ich fürchte, ich kann jetzt keine genauen Zahlen nennen -, wo immer unsere Journalisten versuchen zu arbeiten, überall werden sie behindert, einfach überall. Sie werden eingeschüchtert, ihre Bankkonten werden gesperrt, ihnen werden ihre Transportmittel weggenommen, was auch immer. Ist das Meinungsfreiheit? Nein, natürlich nicht.

Das Einzige, was unsere Medienvertreter und Ihre russischen Kollegen tun, ist, in unserem Land und in Europa die russische Sicht auf bestimmte Ereignisse in der Welt zu vermitteln. Wir haben unterschiedliche Standpunkte, aber ist der Sinn der Arbeit der Medien nur, ihren Regierungen zu dienen?

Selbst wenn es der Standpunkt der russischen Regierung ist, können wir diesen Standpunkt nicht auch den Zuhörern, Zuschauern und Internetnutzern in anderen Ländern vermitteln? Ist das nicht die freie Verbreitung von Information, ob sie einem gefallen oder nicht?

Was muss man tun, wenn einem eine Information nicht gefällt oder jemand sie als einseitig empfindet? Man muss den anderen Standpunkt erklären und das überzeugender tun als bei dem, der einem nicht gefällt, aber nicht die Medien abschalten, in diesem Fall die russischen Medien, die in Europa ständig unter Druck stehen, und in den USA ist es praktisch dasselbe. Es gibt nur eine oder zwei, und die werden ständig unter Druck gesetzt. Und trotzdem behaupten die, wir hätten irgendeinen Einfluss auf die öffentliche Meinung in den westlichen Ländern! Wenn man sich ansieht, was wir im Medienbereich der europäischen Länder zu produzieren in der Lage sind, ist das lächerlich.

Die Frage ist nicht, ob irgendjemand eine schlechte Politik gegenüber der Europäischen Union betreibt. Die Frage ist, in welchen Zustand die herrschenden Kreise der führenden europäischen Länder ihre Wirtschaft und ihren sozialen Bereich gebracht haben und wie sie ihre Politik auf der internationalen Bühne betreiben, ob das den Menschen gefällt oder nicht. Ich wiederhole, was ich am Anfang gesagt habe: Man darf die Schuld bei anderen suchen, sondern man muss sein eigenes Handeln verstehen. Nur so kann man richtig analysieren, Schlüsse ziehen und etwas korrigieren. Natürlich nur, wenn man der Meinung ist, dass etwas korrigiert werden muss.

Ende der Übersetzung


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Hilfreich ist es, über die Definition, die unsere Regierungen und unsere Medien für „Desinformation“ verwenden, nach zu denken. Selbst früher seriöse Medien schreiben ganz offen, dass Probleme damit haben, völlig korrekte Informationen zu berichten, wenn damit „Putin geholfen würde“.

    Ganz konkret gibt es zwei Beispiele, die zeigen, wie man gerade auch durch Nicht-Berichten desinformieren kann.

    So ist heute Europawahl, bei der unter anderem eine Vorentscheidung fällt, ob die Komissionspräsidentin die EU-Kommission weiterhin anführt. Da wäre es durchaus relevant, die Bilanz ihrer bisherigen Regierungszeit zu berichten und kritisch zu analysieren. Besonders wichtig wäre auch, über die SMS-Affäre zu berichten, insbesondere die Hintergründe der Bestellung von Impfdosen für über 40 Miilliarden Euro, an allen Gremien vorbei, zu berichten.

    Ein anderes Beispiel: Gestern wurde auf allen Kanälen – zu Recht – die Befreiung von vier israelischen Geiseln gefeiert. Von deutschen Medien komplett ausgeblendet wurden jedoch die Vorwürfe, das Israel – mal wieder – in einem Flüchtlingslager ein Massaker begangen hat: Palästinensische Quellen sprechen von über 200 getöteten Zivilisten, über 400 zum Teil schwer Verletzten. Israel bestätigt aktuell über 100 Tote. Für die Befreiung hat Israel offenbar – ein Kriegsverbrechen – Soldaten in als Hilfsfahrzeugen gekennzeichneten Fahrzeugen in das Flüchtlingslager transportiert.

    Diese Art von Berichterstattung – das vorsätzliche Unterschlagen von wichtigen Informationen, die nicht zum gewünschten Narrativ passen – ist eine viel größere Gefahr für unsere Demokratie als jede Art von „Desinformation“ durch ausländische Regierungen. Wobei auch hier unterschlagen wird, dass wir – etwa über die Deutsche Welle oder den BBC World Service – es absolut in Ordnung finden, dem Rest der Welt unsere Sicht der Dinge zu übermitteln.

    1. Du hast vergessen die Unterstützung von Flintenuschi für einen russischen Olligarchen anzusprechen , damit Er die Saktionen umgehen kann !
      Dieses Thema schlägt gerade hohe Wellen , nicht zum Vortei von Uschi !

  2. Der Spanier ist im Gegensatz zu den Deutsch-sprechenden Systemmedien-Journalisten noch recht „nett“.
    Natürlich gibt es Beeinflussungen im Internet, diese beschränken sich jedoch keinesfalls auf Russland, jede Nation hat ihre Hacker, welche im Internet versuchen, die Meinungen der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Die westlichen Länder sind hier natürlich MASSIVST im Vorteil, denn die Algorithmen filtern alles aus, was die russische Sichtweise in einem positiven Licht darstellen könnte. Das wissen diese rund 140 Länder, die NICHT westlich orientiert sind natürlich, deshalb wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Big Tech Firmen gleichwertige Mitbewerber aus den 140 anderen Länder bekommen werden. TikTok ist hier erst der Anfang davon, ich nehme an, es ist ein chinesischer Test und wir sehen ja auch bereits, wie die USA darauf reagiert hat. Vermutlich werden sich der globale Westen und der Rest der Welt, gegenseitig die Social Media Seiten verbieten, was an der jetzigen Situation nichts verändern wird. Lediglich über wenige Kanäle wird es noch möglich sein, unterschiedliche Sichtweisen sehen zu können. Im Moment ist es Telegram, das wird aber nicht so bleiben. Greez Tom

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