Kampf um Souveränität

Die georgische Regierung will nach der Wahl Oppositionsparteien verbieten

Der georgische Ministerpräsident hat angekündigt, nach der Wahl im Oktober die größten Oppositionsparteien verbieten zu wollen, weil sie verfassungswidrige Ziele verfolgen. Der Machtkampf um Georgien spitzt sich also weiter zu.

Georgien ist geopolitisch zu einem Hotspot geworden, um den der US-geführte Westen mit allen Mitteln kämpft, weil sich das Land hervorragend gegen Russland instrumentalisieren und notfalls – wie schon die Ukraine – auch verheizen lässt, denn Georgien hat eine gemeinsame Grenze mit Russland.

Eine kurze Vorgeschichte

Georgien stand im Grunde seit 2004 mehr oder weniger streng unter der Kontrolle der USA und erst in den letzten Jahren leistet die Regierung dagegen Widerstand.

2004 wurde dort eine der ersten Farbrevolutionen durchgeführt. Michail Saakaschwili, der von George Soros finanziert wurde, führte die Opposition an, die die Ergebnisse der Wahlen vom November 2003 nicht anerkannte. Im Januar 2004 gelang der Putsch und Saakaschwili wurde georgischer Präsident, womit das Land unter die Kontrolle der USA fiel und auf Konfrontationskurs zu Russland ging, mit dem das Land bis dahin gute Beziehungen hatte.

Saakaschwili eskalierte die Lage und begann 2008 den Kaukasuskrieg, um die seit dem Zerfall der Sowjetunion de facto von Georgien unabhängigen Gebiete Südossetien und Abchasien zu erobern, wobei die georgische Armee auch die von Russland angeführten GUS-Friedenstruppen angriff, die die Kontaktlinie zwischen Georgien und den abtrünnigen Gebieten sicherten.

Saakaschwili handelte dabei in dem Glauben, die USA würden ihm im Falle eines direkten Konfliktes mit Russland helfen, denn Präsident Bush Junior hatte ihn das glauben lassen. Als Russland aber reagierte und einen Tag nach dem georgischen Angriff russische Truppen auftauchten, kam aus dem Westen außer heftigen Beschimpfungen gegen Putin und einer anti-russischen Medienkampagne keine Hilfe.

Der Krieg dauerte nur fünf Tage und endete mit der Zerschlagung der georgischen Armee.

Westliche Medien und Politiker bezeichnen die Ereignisse von 2008 bis heute als „russische Aggression“, obwohl sogar die EU schon 2009 in einer Untersuchung der Ereignisse bestätigt hat, dass es umgekehrt war: Die EU ordnete den georgischen Angriff als Bruch des Völkerrechts ein und die russische Reaktion, für einige Tage Teile Georgiens zu besetzen, bezeichnete die EU in ihrem Bericht als überzogen, aber völkerrechtskonform, die Details finden Sie hier.

Der Krieg hat in Georgien natürlich eine anti-russische Stimmung geschürt, die in Teilen der Gesellschaft bis heute anhält, während der Großteil der Georgier kein Problem mit Russland hat. Georgier und Russen sind orthodoxe Christen, Russland ist Georgiens wohl wichtigster Handelspartner und russische Touristen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Georgien. Außerdem leben in Russland viele Georgier.

Allerdings hat der Krieg dazu geführt, dass Russland und Georgien bis heute keine diplomatischen Beziehungen unterhalten.

Geopolitischer Spielball Georgien

Der Krieg hatte auch zu einem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Georgien und Russland geführt, was die georgische Wirtschaft in eine tiefe Krise stürzte. 2012 gewann die neu gegründete Oppositionspartei „Georgischer Traum“ die Wahlen gegen Saakaschwilis Partei „Vereinigte Nationale Bewegung“ und der neuen Regierung gelang es, die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wieder aufzunehmen und die Wirtschaftskrise zu beenden. Der „Georgische Traum“ regiert bis heute und stellt den Ministerpräsidenten.

Bei Wahlen hat die Partei regelmäßig eine absolute Mehrheit erreicht, bei den letzten Parlamentswahlen 2020 gewann sie 90 der 150 Sitze im Parlament. Zweitstärkste Partei ist mit derzeit 36 Sitzen im Parlament die von Saakaschwili gegründete pro-westliche Partei „Vereinigte Nationale Bewegung“.

Die Politik des „Georgischen Traums“ ist keineswegs pro-russisch, denn die Partei hält den Zielen eines Beitritts zu EU und NATO fest. Aber die Partei ist pragmatisch und weiß, dass es für Georgien fatal ist, sich gegen den Nachbarn Russland zu stellen, weil Russland für die georgische Wirtschaft zu wichtig ist. Daher hat die Regierung sich geweigert, sich den Russland-Sanktionen des Westens anzuschließen und lässt auch russische Flugzeuge ins Land, weil die russischen Touristen eine wichtige Einnahmequelle für Georgien sind.

Das hat Georgien unter massivem Druck aus dem Westen gesetzt, weil der US-geführte Westen Georgien in die anti-russische Koalition zwingen will. Dazu haben vom Westen finanzierte NGOs ihre Arbeit in Georgien massiv verstärkt, die die Regierung und ihren Kurs kritisieren und einen Machtwechsel erreichen wollen. Der georgische Ministerpräsident sprach angesichts des Drucks aus dem Ausland davon, dass diese ausländischen Kräfte Georgien in einen Krieg mit Russland drängen wollen, um eine zweite Front gegen Russland zu eröffnen.

Um sich gegen diese ausländische Einflussnahme auf die eigene Politik zu wehren, hat die georgische Regierung vor einigen Monaten ein Gesetz gegen ausländische Einflussnahme beschlossen, das alle NGOs, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, verpflichtet, ihre Finanzen transparent zu machen. Das führte zu heftigen, von eben diesen NGOs angeheizten Protesten in Georgien und zu einer Kampagne westlicher Medien gegen die georgische Regierung, was die Annahme des Gesetzes jedoch nicht verhindern konnte.

Daraufhin haben die EU und die USA ihre finanziellen Hilfsprogramme für Georgien eingestellt und die EU hat den Beitrittsprozess Georgiens auf Eis gelegt. Nun konzentrieren sich die EU und die USA auf die im Oktober anstehenden Parlamentswahlen und mobilisieren ihre Kräfte, um die Regierung bei den Wahlen zu stürzen. Für den Fall, dass der „Georgische Traum“ die Wahl gewinnen sollte, wird auch bereits eine neue Kampagne über angebliche Wahlfälschung ausgearbeitet, um die Regierung dann eben wieder mit Hilfe einer Farbrevolution wegzuputschen.

Das Echo des Krieges hallt bis heute nach

Die Regierungspartei hat nun das Thema des Kaukasuskrieges von 2008 wieder auf die Tagesordnung gesetzt und angekündigt, die Ereignisse von 2008 nach den Wahlen von der Staatsanwaltschaft oder einer anderen Instanz untersuchen zu lassen, denn in Georgien teilen viele immer noch die von westlichen Medien verbreitete Version der Ereignisse über die angebliche „russische Aggression“, obwohl sogar die EU das längst widerlegt hat.

Die Regierungspartei hat bereits erklärt, dass der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili ihrer Meinung nach den Krieg im August 2008 auf Anweisung aus dem Ausland begonnen hat. So dürfte der Krieg von vor 16 Jahren im Wahlkampf wieder zu einem Politikum werden, denn natürlich sieht die von Saakaschwili gegründete Opposition der „Vereinigten Nationalen Bewegung“ das anders.

Regierung droht mit Verbot der Opposition

Die georgische Regierung ist in den letzten Tagen noch einen Schritt weitergegangen und hat angekündigt, nach den Parlamentswahlen nicht nur die Aktivitäten der Partei „Vereinigte Nationale Bewegung“, sondern auch andere mit ihr verbundene Vereinigungen als verfassungswidrig einzustufen. Anschließend, so der Ministerpräsident auf einer Pressekonferenz, müssten deren Abgeordneten die Mandate aberkannt werden:

„Nach unserer Verfassung kann nur das Verfassungsgericht Mandate annullieren. Ich denke, dass die Annullierung von Mandaten die logische Fortsetzung des Verbots der Partei [„Nationale Bewegung“] wäre. Es ist inakzeptabel, dass Vertreter einer kriminellen Partei den Status eines Mitglieds des georgischen Parlaments genießen.“

Außerdem hat er nicht ausgeschlossen, dass das Parlament nach den Wahlen am 26. Oktober zu einem Einparteienparlament wird, wenn die Mandate der Abgeordneten der Oppositionspartei „Vereinigte Nationale Bewegung“ annulliert werden:

„Heute ist das moldawische Parlament praktisch ein Einparteienparlament, aber niemand spricht darüber. Nichts passiert. Das moldawische Parlament ist praktisch ein Einparteienparlament, aber alle begrüßen es. Das Gleiche wird auch in Georgien passieren.“

Wenn es so kommt, dürfte das zu heftiger Gegenwehr aus dem Westen führen. Der Westen hatte nichts dagegen, als der ukrainische Präsident Selensky und die moldawische Präsidentin Sandu in ihren Ländern die Opposition und regierungskritische Medien verboten haben, aber wenn die georgische Regierung das tut, wird das im Westen natürlich zu einem Aufschrei der Entrüstung führen.

Bruch mit dem Westen?

De facto hat der Westen spätestens seit dem Gesetz gegen ausländische Einflussnahme mit der georgischen Regierung gebrochen, wie die Reaktionen von EU und USA zeigen. Die georgische Regierung bleibt offiziell bei freundlicher Diplomatie und äußert ihr Bedauern über die Reaktionen aus dem Westen und versichert, ihre Zukunft in EU und NATO zu sehen.

Allerdings sprechen die Taten eine andere Sprache. Wenn die Regierung die Wahlen gewinnt, wird es den Versuch einer Farbrevolution geben, um die Regierung zu stürzen. Wenn das scheitert, dürfte das Band zwischen dem Westen und der georgischen Regierung zerrissen sein.

Wenn die georgische Regierung dann noch beginnt, die Ereignisse von 2008 aufzuarbeiten und dazu beispielsweise Dokumente zu veröffentlichen, dann wäre das für die USA wahrscheinlich sehr peinlich und könnte die Stimmung in Georgien in eine anti-westliche Richtung schieben.

Und wenn die georgische Regierung dann noch die pro-westliche Opposition verbietet, weil sie beispielsweise im Kaukasuskrieg und auch danach im Interesse der USA anstatt des eigenen Landes gehandelt hat, dann dürfte auch der letzte Gesprächsfaden zwischen Georgien und dem Westen abreißen.

Die georgische Regierung ist ganz sicher nicht pro-russisch, aber der Druck des Westens könnte sie in diesem Szenario in die Arme Russlands zwingen, weil Georgien schlicht zu klein ist, um sich in der derzeitigen weltpolitischen Situation alleine zu behaupten. Und wenn der Westen nur an einem Georgien interessiert ist, dass er vollkommen kontrollieren kann, dann könnte Georgien sich andere Partner suchen, sofern es dem US-geführten Westen nicht gelingt, die Regierung zu stürzen.

In jedem Fall dürfte Georgien vor einem heißen Herbst stehen.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

18 Antworten

    1. Soweit man das von hier aus beurteilen kann, scheint die georgische Regierung eine merkwürdige Kommunikationspolitik zu betreiben. Ich habe mich damals schon gefragt, warum man bei dem NGO-Thema nicht einfach erklärt hat, man nehme sich das entsprechende US-Gesetz zum Vorbild. Und nun wieder diese Ankündigungen vor der Wahl – das fordert einen Putsch ja geradezu heraus. Wie erklärt sich so etwas?

  1. Grundsätzlich eine richtige Entscheidung die zumindest in die korrekte Richtung geht. Besser wärs sämtliche kapitalistische (weil diese für die 1% arbeiten und nie fürs Volk) Parteien zu verbieten. Nur sollte man das besser gleich SOFORT tun und nicht erst noch Wahlen abwarten.
    Aber wie auch immer, Georgien ist weiter als die Brd. Würde man hier Parteien mit ausländischem Einfluß verbieten wollen wären sämtliche zionistische Parteien weg vom Fenster, also ohne Olivgrüne, AFD, CDUCSU, FDP, SPD, PdL. Beim BSW weiß man es noch nicht so genau, die Bedingung Waffenstillstand für Waffenlieferstopp in die Ukraine ist verdächtig – denn warum sollte Russland einem Minsker Abkommen 3.0 zustimmen und sich damit wieder zum Deppen machen?!

      1. Ja, natürlich. Trump sieht Netanyahu als untauglich für sein Amt an und in dem „Modell Netanyahu“ der „Problemlösung“ keine Zukunft. Die USA mit Trump könnten ihren Beitrag leisten, die Regierung Netanyahu zur Raison zu bringen.

  2. Wenn Länder wie Georgien, Armenien etc. eine korrupte Elite als herrschende Macht haben, dann kann nur eine aufgeweckte, informierte Öffentlichkeit Abhilfe schaffen. Aber gerade dieses wird von “befreundeten“ Staaten wie USA, UK etc. höchst erfolgreich durch massivste Propaganda behindert. Über wirtschaftliche Bedrohungen versetzt man das einfache Volk zusätzlich in Angst.
    Fazit: Das Böse in der Welt hat einen Namen! (Und der Teufel ist es nicht.)

    1. Ich werte Sie als … etwas … ‚Verhaltens-originell‘:

      Wo kommen in Röpers Beitrag oder allen Kommentaren dazu (1) Opas (2) Gefangene (3) deren Kinder … zur Erwähnung?

      … nahm Ihre ‚Erzeugerin‘ Sie schon als psychischen Ballast aus dem Kreißsaal mit … (??)
      … und Wesentliches hat sich bis zum heutigen geradezu exemplarisch idiotischen Beitrag nicht verändert?

  3. Wie will die Partei »Georgischer Traum« ihre Erkenntnis auf gute Handels-Beziehungen mit Russland angewiesen zu sein, mit ihrer Absicht der Nato beizutreten in Einklang bringen? Russland MUSS unmissverständlich klar machen, dass ein Nato-Betritt Georgiens NICHT toleriert wird.

    Und neben einem eindeutigen Sieg im Ukraine-Konflikt MUSS für Russland, neben der
    Eindämmung von NGOs, das Verhindern weiterer Farbrevolutionen höchste Priorität haben.

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