Wie das russische Fernsehen die Wahl von Armin Laschet zum CDU-Chef einschätzt

Die Wahl des CDU-Vorsitzenden am Samstag war auch Thema im russischen Nachrichtenrückblick „Nachrichten der Woche“ und viele dürfte es überraschen, dass das russische Fernsehen mit seinem Wahlsieg nicht unzufrieden ist.

Eigentlich ist daran nichts Überraschendes, denn Laschet ist für Russland von allen realistisch möglichen Kanzlerkandidaten wohl noch das kleinste Übel. Norbert Röttgen ist ein Falke und knallharter US-höriger Transatlantiker, das deutsch-russische Verhältnis wäre unter einem Kanzler Röttgen wohl endgültig ruiniert gewesen. Und auch Friedrich Merz ist Transatlantiker und kaum weniger Hardliner als Röttgen. Von den Kandidaten der Grünen, die insgesamt wohl derzeit die transatlantischste und anti-russische Partei in Deutschland sind, gar nicht zu reden.

Lediglich Söder fällt wenig durch anti-russische Töne auf, aber seine Kanzlerkandidatur ist eher unwahrscheinlich. Laschet hingegen hat immer wieder an deutsch-russischen Veranstaltungen teilgenommen und ist ein Befürworter von Nord Stream-2. Trotz seiner Treue zur Westanbindung Deutschlands ist Laschet damit für Russland noch der beste aller möglichen Kandidaten. Jetzt hofft man in Russland wahrscheinlich darauf, dass er auch wirklich Kanzlerkandidat wird und keinen Rückzieher macht und zum Beispiel Jens Spahn den Vortritt lässt.

Das russische Fernsehen hat die Situation in der CDU am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ genau analysiert und ich habe den russischen Beitrag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

In Deutschland wurde offiziell der Kandidat für die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel benannt. Armin Laschet wurde zum Vorsitzenden der CDU gewählt, der größten und einflussreichsten Partei des Landes. Er steht für eine Fortsetzung von Merkels Linie und ist ein Befürworter von Nord Stream-2. Er ist ein ausgewogener Zentrist und Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Seine Vorfahren stammten aus Belgien. Er selbst ist Katholik, der in Aachen geboren wurde. Armin Laschet ist 59 Jahre alt. Er macht einen guten Eindruck.

Aus Deutschland berichtet unser Korrespondent.

Die Berliner CDU-Zentrale sieht aus wie Schiff. Wenn wir bei dem architektonischen Bild bleiben, hat dieses Schiff zum dritten Mal auf einer Reise den Kapitän gewechselt. Und weil natürlich wegen Covid all dies online über das Internet geschah, mussten auf dem Weg Hacker abgewehrt werden, die versucht haben, den Server der Partei zu kapern.

Seit Beginn Legislaturperiode, die mit den Bundestagswahlen am 26. September dieses Jahres endet, steht Kanzlerin Merkel, wie es sich gehört, am Ruder der Partei. Sie hat schon zu Beginn allen mitgeteilt, dass dies ihre letzte Amtszeit sei und versucht, eine Nachfolgerin zu finden.

Im Dezember 2018 wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Neben der Abkürzung AKK wird sie für ihren Spitznamen Mini-Merkel, für die nicht eben herausragende Leistung der Partei bei Landtagswahlen, für den Wunsch, „mit Russland aus einer Position der Stärke heraus zu sprechen“ und für das gemeinsame Votum der CDU mit der rechtsextremen Alternative für Deutschland im Thüringer Landtag in Erinnerung bleiben. Letzteres war der Grund für den Skandal, der Merkel auf den Gedanken brachte, dass es an der Zeit sei, den AKKs Vorsitz zu beenden.

„Für mich persönlich ist dies ein besonderer Parteitag. Das ist mein 14. Parteitag als Kanzlerin und mein letzter im Amt. Ich hoffe, dass ein Team gewählt wird, das das Schicksal unserer stolzen Partei in die Hand nimmt und dann gemeinsam mit allen Mitgliedern die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft findet“, sagte Merkel.

Der Vorwahl-Parteitag wurde zweimal verschoben und dann wurde beschlossen, eine digitale Abstimmung zu organisieren, da man ihn nicht weiter verschieben konnte.

Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet ist russischen Diplomaten und Politikwissenschaftlern gut bekannt. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war häufiger Gast beim russisch-deutschen Forum „Petersburger Dialog“. Er ist ein Gegner der Sanktionen und ein Verteidiger von Nord Stream-2. Von den anderen Kandidaten für den Parteiposten unterscheidet Laschet die Tatsache, dass er als Fortsetzung der Traditionen der alten Schule der Ostpolitik gesehen werden kann und viele verbinden mit ihm die Hoffnung auf eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen bei gegenseitiger Anerkennung der Reihe von Problemen, bei denen eine Einigung unmöglich ist.

„Es gibt viele Konflikte, in denen wir vorankommen müssen, ohne unsere Position aufzugeben, zum Beispiel bei der Krim. Wir können offen miteinander sein und in anderen Bereichen weiter zusammenarbeiten“, sagte Laschet.

Gleichzeitig bleibt Laschet natürlich ein Anhänger der westlichen Idee, wie sie nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden ist. In seinem Repertoire steckt eine ganze Reihe liberaler Werte und verbal bedauert er den Zusammenbruch des Amerika-zentrischen Weltbildes. Trump ist der albtraumhafte Absturz des Programms.

„Corona, Lockdown, ein mutierender Virus und als ob das nicht genug wäre, sind da auch noch die Bilder aus dem Washingtoner Kapitol. Amerika war schon immer das Land der Freiheit und der Demokratie. Das Vertrauen wurde von einem Präsidenten zerstört, der Gift in die Seele der Amerikaner gegossen hat“, sagte Laschet.

Offensichtlich wird nicht nur die Kanzlerin, sondern auch der Vorsitzende der Regierungspartei Deutschlands Energie für die Verbesserung der Beziehungen zu dem wichtigen Verbündeten aufwenden müssen, die Trump ebenfalls vergiftet hat. Gleichzeitig zerstreute Laschet die Zweifel daran, dass diese Aufgaben seinen politischen Ambitionen entsprechen, nicht vollständig.

Als Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 gewählt wurde, haben Parteifreunde seine Kandidatur ins Spiel gebracht, aber er hat darauf nicht reagiert. Der Sohn eines Bergmanns, der seine Abstammung auf den Frankenkaiser Karl den Großen zurückführt, ignorierte die Perspektive und verhielt sich so, als ob damit, dass er an der Spitze des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Deutschlands stand, sein Potenzial für ihn realisiert und er vollauf zufrieden damit sei. Daher kommt der Verdacht, dass Merkel ihn buchstäblich auf die Bundesebene gezerrt hat, weil die beiden anderen Kandidaten für sie… – naja, der eine war so-lala und der andere ein Alptraum. (Anm. d. Übers.: Bei „so-lala“ wurde im Beitrag Röttgen und beim „Alptraum“ Merz gezeigt)

Laschets Rivalen waren der Geschäftsmann Friedrich Merz und der Vorsitzende des Internationalen Ausschusses des Bundestages Norbert Röttgen. Alle drei kommen aus Nordrhein-Westfalen, sie haben jeweils drei Kindern. Aber das war’s. Ansonsten sind sie keine passenden Leute, zumindest für die Kanzlerin. Röttgen ist ein Transatlantiker, ein Liberaler, aber im Gegensatz zu Laschet ein Gegner von Nord Stream und, was noch wichtiger für Merkel ist, ein Mann, der bei einer wichtigen Aufgabe versagt hat.

Unter seiner Führung verlor die CDU 2012 in Nordrhein-Westfalen gegen die Sozialdemokraten, aber sie gewann unter Laschet. Er ist der Einzige, der Erfahrung mit Wahlsiegen hat.

Was Merz angeht, gibt es eine alte Fehde. Er wollte nach dem Rücktritt von Helmut Kohl CDU-Chef werden. Merkel hat ihn verdrängt und er ging in die Wirtschaft und verdiente viel Geld, aber er wollte Macht. Er hat es 2018 versucht und verloren. Und nun ist er wieder aufgetaucht, kritisierte den „linken Flügel“ der Christdemokraten und wollte die Partei zu ihrem konservativen Projekt zurückbringen.

Das wird mit Laschet nicht passieren. Sollte es zumindest nicht. „Keine Experimente! Diesen Slogan gibt es schon seit mehr als sechs Jahrzehnten, aber er spiegelt immer noch am besten wider, wie die CDU tickt“, sagt Laschet

Als Bundespolitiker hat Laschet eine gute Fähigkeit, er ist offen für fast jede Koalition, sogar mit den Grünen, außer mit der Linken und der AfD. Das ist natürlich wichtig, wenn man die anstehenden fünf Landtags- und die Bundestagswahlen bedenkt. Aber da gibt es ein „aber“. Er ist flexibel, weich, positiv, ein „Bleiben-Sie-so!“ Aber nach der weitverbreiteten Meinung in der Partei und in Deutschland hat Lasche speziell zu diesem Zeitpunkt nicht das Zeug zum Kanzler. Das bedeutet, dass theoretisch die Tradition wieder gebrochen werden kann und sich die Geschichte von Gerhard Schröder, der vor dem Amtsantritt als SPD-Chef Kanzler wurde, wiederholen kann.

Die Medien schreiben die Rolle von Merkels Nachfolger offen dem Gesundheitsminister Jens Spahn oder, ganz ungewöhnlich, dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, dem Vorsitzenden des kleinen Partners der CDU, der CSU, die Bayern nie verlassen hat, zu. Söder, der auch in Russland bekannt ist – er traf sich kürzlich mit Wladimir Putin – spricht nicht über seine Pläne für Berlin. Doch mit Laschets Sieg ist er zufrieden. Der Spiegel deutete sofort an, dass Söder auf der Lauer liegt und auf den richtigen Moment zum Zuschlagen wartet.

„Armin Lachet und ich kennen uns schon lange und arbeiten seit vielen Jahren zusammen. Bayern und Nordrhein-Westfalen sind die größten deutschen Bundesländer, zwischen denen enge Verbindungen bestehen. Ich habe sogar Laschets Buch vorgestellt, daher kennen wir uns noch besser, als Sie denken“, sagte Söder.

Die Partei muss sich bis spätestens März entscheiden, wer Kanzler wird, wenn die CDU im September Erfolg hat – die Wähler müssen vor Beginn des Wahlkampfes das ganze Bild präsentiert bekommen. Aber es bleibt Zeit zum Nachdenken. Bisher hat Laschet gewonnen. Oder anders gesagt: Merkel hat gewonnen.

Erstens hat die amtierende deutsche Bundeskanzlerin ihr politisches Vermächtnis geschützt. Es ist unwahrscheinlich, dass Merz es riskiert, nochmal zu verlieren und damit für immer als chronischer Verlierer in die Geschichte der Partei einzugehen. Zweitens ist Angela Merkel der Verwirklichung ihres Traums noch einen Schritt näher gekommen – das Amt zu übergeben und mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok zu fahren.

Ende der Übersetzung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Laschet ist jetzt neuer Parteivorsitzender der CDU. Aber weder Span noch Söder sind wirklich Kandidaten für den Posten des Kanzlerkandidaten. Auch wenn die Medien versuchen das Katastrofahle Management in der Coronakriese von Span als Erfolg zu verkaufen, so bewerten die meisten CDU Wähler dies jedoch anders. Die vielen Widersprüche in den Maßnahmen haben entscheidend dazu beigetragen. Span als Kanzlerkandidat würde der CDU viele Stimmen kosten.
    Und Söder? Söder hat sich auch so ungeschickt angestellt, dass ich nicht einmal der CSU raten kann diesen Mann wieder bei der nächsten Landtagswahl als Ministerpräsident aufzustellen. Söder hat es in Bayern schon verspielt, auf Bundesebene wird er Baden gehen.
    Im September wird es zwischen den Grünen und der CDU ein Kopf an Kopf Rennen geben. Ein schwacher Kanzlerkandidat der CDU würde das Ergebnis zugunsten der Grünen entscheiden. Es könnte dann sogar zu einer Grün Rot Roten Regierung kommen. Die CDU ist dann auf der Oppositionsbank.
    Es hängt viel davon ab, ob Laschet die CDU hinter sich vereinen und auch die Menschen für sich begeistern kann. Dann besteht die Chance auf eine Schwarz Grüne Regierung. Sonst wird diese Grün Schwarz und der Kanzler * innen kommen aus den Reihen der Grünen.

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