EU vs. Weißrussland

Warum Weißrussland den französischen Botschafter ausgewiesen hat

Medien melden, Weißrussland habe den französischen Botschafter ausgewiesen, schweigen sich aber über die Gründe aus und erwecken so den Eindruck, Weißrussland habe etwas Verwerfliches getan. Daher erkläre ich die Hintergründe.

Im Grunde kann man die Hintergründe der Ausweisung des französischen Botschafters aus Weißrussland in den Medienberichten erfahren, aber der durchschnittliche Leser wird das übersehen, weil man dazu Zusammenhänge verstehen muss, die die Medien ihren Lesern bei der Gelegenheit aber nicht erklären. Also werde ich das exemplarisch an dem Spiegel-Artikel zu dem Thema aufzeigen.

Der Spiegel hat am 17.Oktober unter der Überschrift „Nicolas de Lacoste – Frankreichs Botschafter verlässt Belarus auf Aufforderung der Regierung in Minsk“ darüber berichtet und in der Einleitung des Artikels geschrieben:

„Frankreichs Botschafter Nicolas de Lacoste ist aus Belarus ausgereist. Eine Sprecherin nannte keine Gründe. Er habe aber eine Videobotschaft an das belarussische Volk hinterlassen, die am Montag ausgespielt werde.“

Warum Weißrussland den französischen Botschafter ausgewiesen hat, kann man erraten, wenn man den zweiten Absatz des Spiegel-Artikels liest:

„Medienberichten zufolge hat de Lacoste nie den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko getroffen, um ihm sein Beglaubigungsschreiben als diplomatischer Vertreter seines Landes vorzulegen. Frankreich erkennt wie andere EU-Staaten Lukaschenkos Sieg bei der Präsidentschaftswahl im August vergangenen Jahres nicht an, bei der er nach eigener Darstellung für eine sechste Amtszeit wiedergewählt wurde.“

Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass Frankreich einen Botschafter nach Weißrussland geschickt hat, der Gespräche mit der weißrussischen Regierung ablehnt. Es ist aber so, dass jeder Botschafter, wenn er in sein Gastland kommt, bei der Regierung vorstellig wird und sein Beglaubigungsschreiben zu übergeben, das ihn als ernannten Botschafter seines Landes ausweist. Das hat der französische Botschafter in Minsk aber nicht getan.

Statt mit der Regierung seines Gastgeberlandes über politische, kulturelle, wirtschaftliche Themen zu reden, hat er auf der Seite der französischen Botschaft in Minsk fleißig Berichte darüber veröffentlicht, wie er sich mit Vertretern der radikalen weißrussischen Opposition getroffen und denen Mut zugesprochen hat. Da der Botschafter schon 2020 angereist ist, bedeutet das, dass die weißrussische Regierung dem Treiben fast ein Jahr lang tatenlos zugeschaut hat.

Die beispiellose Provokation

Wie würde die deutsche Bundesregierung wohl reagieren, wenn zum Beispiel China einen Botschafter nach Berlin entsendet, der ein Jahr lang nicht bei der deutschen Regierung vorstellig wird, sondern sich stattdessen mit Reichsbürgern, Pegida, Querdenkern und anderen regierungskritischen Gruppen treffen, denen Mut zusprechen und der Unterstützung der chinesischen Regierung versichern würde? Würde die Bundesregierung einem solchen Treiben, einer solchen bewussten Provokation ein Jahr lang tatenlos zuschauen?

Das Beispiel zeigt einmal mehr, mit welcher unverfrorenen Dreistigkeit der Westen sich in die Angelegenheiten anderer Länder einmischt und dort Dinge tut, die er bei sich zu Hause niemals dulden würde. Diese westliche Doppelmoral wird immer unerträglicher.

Als I-Tüpfelchen hat die französische Botschaft in Minsk seine Abschiedsbotschaft veröffentlicht, die ich der Vollständigkeit halber übersetzt habe.

„Liebe Freunde,
Heute möchte ich Ihnen eine Abschiedsbotschaft übermitteln.
Leider müssen meine Frau und ich Weißrussland verlassen.
Wie Sie wissen, hat Frankreich die Ergebnisse der Wahlen vom 9. August 2020 nicht anerkannt, und ich habe meine Beglaubigungsschreiben nicht vorgelegt.
Wir haben hier schwierige, aber unvergessliche Tage verbracht.
Wir hatten viele interessante und wichtige Begegnungen und Entdeckungen.
Wir haben viele mutige und willensstarke Menschen getroffen.
Meine Frau und ich haben die Großzügigkeit und Schönheit von Weißrussland und den Weißrussen entdeckt.
Sie werden immer in unseren Herzen und Gedanken sein.
Sie sollen wissen, dass wir an Ihrer Seite sein werden.
Wir fordern Sie auf, nie die Hoffnung auf bessere Zeiten zu verlieren.
Bis bald!“

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

11 Antworten

  1. Ein nicht legitimer „Botschafter“ muß dann auch keine Immunität genießen – sondern könnte auch als wie in diesem Fall klar ersichtlich „umstürzlerisch tätiger Staatsfeind“ inhaftiert und entsprechend abgeurteilt werden – aufs Härteste – um zu zeigen, daß ein souveräner Staat kein öffentliches Kasperle-Theater für interne bzw. externe Mafioten ist…

    Das hätten wir getan… 😉

    1. Ein nicht legaler Botschafter ist ein Botschafter der vom Gastland nicht anerkannt wird oder der die Regierung des Gastlandes nicht anerkennt! Das „Wir“ steht wohl für die westliche Welt der Nato Mitglieder?

  2. Off-Topic: Axel Springer trennt sich von Julian Reichelt. Nicht wegen seiner Relotius-Geschichten, sondern wegen angeblicher Compliance- und Verhaltensgeschichten.

    Fehlt nur noch der unsägliche Ostfront-Hetzer Röpcke a.k.a. Dschihadi-Julian.

    Im EU-Zentrum für Desinformation werden bestimmt noch schnell ein paar leitende Stellen mit B-Besoldung geschaffen 😉

  3. Der Herr gehörte doch sicher auch zu denjenigen Freunden von Belarus, die da vor reichlich einem Jahr in tiefe Trauer versanken, angesichts eines Opfers der avisierten demokratischen Revolution, welches zu beklagen war, weil dem Helden sein revolutionär-demokratisches Instrumentarium um die Ohren flog, bevor es der zweckentsprechenden Verwendung zugeführt werden konnte – selbstverständlich im Namen der Menschenrechte…
    Man hat wohl viel Hirnschmalz darauf verwandt, um das irgendwie auch noch Lukaschenko anzuhängen – jedenfalls: Das Opfer war sicher nicht umsonst – dürfte dazu beigetragen haben, Ausbildungsmängel in diversen nichtregierungsorganisatorisch, dessen ungeachtet alles andere als schlecht, geführten Schulungseinrichtungen zu beheben…

    Daß man allerdings in Weißrußland für dieses Subjekt soviel Langmut aufbrachte, mag der immer leiser werdenden Hoffnung geschuldet sein, der sog. freie Westen käme vielleicht doch noch zu so etwas wie Vernunft…oder der Angelegenheit wurde einfach eine vergleichsweise geringe Bedeutung beigemessen…

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