Letztes Wochenende fand in St. Petersburg eines der größten Festivals der Welt statt
Seit 16 Jahren feiert St. Petersburg seine Schulabgänger mit einem riesigen Volksfest. Der Schlossplatz, einer der größten Plätze der Welt, wird gesperrt und ist nur für die Schulabgänger zugänglich. Dort finden den ganzen Abend Konzerte statt. Der Höhepunkt ist ein 20-minütiges Feuerwerk nahe der Mündung der Neva. Das Feuerwerk findet unter musikalischer Begleitung statt, die mit Lautsprechern im ganzen Zentrum übertragen wird und die Salven werden vom Fluss aus auf einer von Fläche 1.800 mal 800 Metern abgefeuert.
Zu dem Spektakel kommen jedes Jahr über 3 Millionen Menschen, über eine Million davon Touristen. Zumindest normalerweise, aber dieses Jahr wurde wegen Corona die ganze Innenstadt abgesperrt und war nur für die etwa 40.000 Schulabgänger zugänglich. Abgeschlossen wurde das Spektakel mit einem 20-minütigen Feuerwerk. In Petersburg sind zu dieser Zeit die Weißen Nächte, in denen die Sonne für knapp zwei Monate nie ganz untergeht.
Höhepunkt des Feuerwerks ist das Segelschiff mit den purpurnen Segeln, das den Fluss hochgefahren kommt und die geöffneten Klappbrücken passiert. Das Schiff symbolisiert, dass die Schulabgänger nun in einen neuen Abschnitt ihres Lebens „segeln“. Es symbolisiert Stolz auf den Schulabschluss einerseits und die neugierige Hoffnung der Jugendlichen auf den nun kommenden Lebensabschnitt als junge Erwachsene andererseits.
Wer gerne Feuerwerke anschaut, wird dieses Video der Nacht mögen. Achten Sie vor allem darauf, wie das Feuerwerk mit der Zeit immer intensiver wird und wie die Menschen auf den Uferstraßen und Brücken mitsingen und feiern. Das kann nur einen Hauch der tatsächlichen Atmosphäre vermitteln, aber immerhin. Das Festival wurde übrigens erst kürzlich zum besten Volksfest der Welt gekürt.
Dem russischen Fernsehen war das Festival am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ einen Beitrag wert, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Am Samstagabend fanden in St. Petersburg die grandiosen Purpurnen Segel, die Abschlussfeier der Schulabgänger, statt. Die Tradition wurde auf Initiative von Präsident Putin mit Unterstützung der Rossiya Bank wiederbelebt.
Die Purpurnen Segel bestätigen ihren Ruf als bestes Festival der Welt mit zahlreichen Auszeichnungen, auch den Global Eventex Awards, dem Oscar für Festivals. Das Wichtigste ist jedoch nicht das prächtige Feuerwerk oder der hypnotisierende Schoner unter den purpurroten Segeln, sondern die freundliche Energie und die Werte, mit denen Russland als Land seine Schulabgänger auf die große Reise des Lebens schickt. Kein Land im Westen ist in der Lage, dies technisch und inhaltlich zu replizieren. Die Purpurnen Segel geben Generation für Generation für ihr Leben den Sinn für Freundlichkeit, Schönheit und der Liebe zur Heimat mit auf den Weg. Aus Petersburg berichtet Salima Zarif.
Sie sind schön, elegant und keine Kinder mehr, aber auch noch nicht erwachsen – so besetzen die Schulabgänger die Plätze an den Uferpromenaden von St. Petersburg, die an diesem Abend nur für sie geöffnet sind.
„Eine tolle Energie, mir gefällt, dass ich all das mit den anderen teilen kann. Wir sind alle wie eine Seele heute beim Aufbruch in das Erwachsenenleben“, sagt dieser Schulabgänger.
Es ist diese Nacht zwischen Kindheit und Jugend, an die sie sich für immer erinnern werden.
In diesem Jahr basiert das Konzept des Festivals auf den für die Geschichte des Landes bedeutsamen Ereignissen, wie z.B. dem 800-jährigen Jubiläum von Alexander Newski. Hier wird die sommerliche Newa zum winterlichen Peipsi-See, wo der Heerführer die Truppen der Deutschritter unter das Eis schickt.
Die Marmorstatuen auf dem Dach der Eremitage erwachen zum Leben, als sie Puschkins Poesie hören. Peter der Große kommt im Fahnenturm der Peter-und-Paul-Festung aus seinen Gemälden heraus und fertigt eine Skizze der russischen Trikolore an. Und die Strelka der Wassiljewski-Insel verwandelt sich in das zentrale Kontrollzentrum, wo man sich auf den Start von Gagarins Rakete vorbereitet.
Zur gleichen Zeit setzt sich die Brigg „Rossiya“ in Bewegung. Diesmal sind ihre Bugsegel in den Farben der Staatsflagge gehalten. Es scheint, als könnte es nichts Schöneres auf der Welt geben: scharlachrote Segel, die weiße Nacht, das majestätische St. Petersburg und das Aufblitzen von tausenden von Lichtern.
In einem bestimmten Moment verwandelt sich die elegante weiße Brigg in ein altrussisches Boot – die leichten Ruder sind eine Projektion. Solche „Purpurne Segel“ hat es in St. Petersburg noch nie gegeben – die Organisatoren haben sich selbst übertroffen und die kühnsten Fantasien zum Leben erweckt.
„An das Fest der purpurroten Segel erinnern wir uns unser ganzes Leben. Das gibt es nur einmal im Leben!“, sagt dieses Mädchen.
„Eigentlich willst Du die Schule und die Kindheit gar nicht loslassen“, meint diese Abiturientin.
„Du eröffnest Dir ein neues Leben, irgendwie bin ich innerlich nervös. Aber du hast das Gefühl, dass die Veränderungen Gutes bringen“, fügt ihre Freundin hinzu.
Um die Purpurnen Segel sicher zu machen, unternahm die Stadt den noch nie dagewesenen Schritt, das Zentrum für alle außer den Schulabgängern zu schließen.
„Wir hoffen auf Euch, wir verlassen uns auf Euch! Wir brauchen Eure Talente, Eure starken Hände und heißen Herzen! Ich wünsche Euch Erfolg, verlässliche Freunde, träumt und seid zusammen mit Russland Sieger! Gute Reise!“, wünschte der Gouverneur den Schulabgängern.
Der Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglov, läutet die Glocke auf dem Schlossplatz so heftig, dass das Seil in seinen Händen bleibt. Es wird seine Erinnerung an dieses Festival bleiben.
Jeder dieser Jungen und Mädchen hat große Pläne, sie wissen zu träumen und glauben an sich. Genau dafür wurden die purpurroten Segel gemacht – um den Nachwuchs zu ermutigen, um ihm zu zeigen, wie ein Märchen lebendig wird.
„Ich werde Medizin studieren, was sonst? Russland braucht Ärzte!“, sagt dieser Jugendliche.
„Ich werde Konditorin.“, freut sich dieses Mädchen
„Ich gehe auf die Schauspielschule“, sagt ihre Freundin.
„Ich gehe zur Verwaltungsschule und will mich in dem System weiterbewegen“
„Du willst Minister werden?“
„Ich hoffe. Dann sehen wir uns im Fernsehen wieder!“, lacht der junge Mann.
Dazu wurden die Purpurne Segel geschaffen: Um der jungen Generation Flügel zu verleihen, ihnen zu zeigen, wie sie ihre Träume wahr werden lassen. Die alte Leningrader Tradition, in der Abschlussnacht mit dem Schiff unter purpurroten Segeln die Newa hinunterzufahren, wurde vor 16 Jahren wiederbelebt – seitdem wird der Feiertag jedes Jahr mit Unterstützung der Bank Rossiya begangen. Und ab diesem Jahr sieht es so aus, als ob die Abschlussfeier einen neuen Brauch bekommen hat – das Singen der Hymne im Chor.
Diesen jungen Menschen eröffnen sich wirklich große Weiten und Möglichkeiten für ihre Träume und für ihr Leben. (Anm. d. Übers.: Dass Russland „große Weiten und Möglichkeiten für Träume und das Leben“ bietet, ist eine Zeile in der russischen Nationalhymne)
Ende der Übersetzung
13 Antworten
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Mich würde mal interessieren wann man in Russland als Ausländer mit Duldung eingebürgert wird und somit die russische Staatsangehörigkeit bekommt.
Ich denke, das wichtigste ist die glaubhafte Darlegung, daß du der russischen Staatskasse in den nächsten 5 Jahren nicht auf der Tasche liegen wirst (etwa durch »genug« Kohle auf dem Konto und die Einladung durch deinen künftigen Arbeitgeber). So lange dauert das, bis du zur Einbürgerung mit Erhalt der russischen Staatsangehörigkeit in Frage kommst. Siehe Snowden, auch wenn der Fall von der Motivation her ganz anders liegt.
Apropos Snowden…
da kommen mir noch die Namen Gerard Depardiue und Steven Seagal in Erinnerung, die merkwürdigerweise ruckzuck die russische Staatsbürgerschaft erhielten.
Bei Snowden zieht sich das ja bereits seit Jahren hin. Fairerweise muss da erwähnt werden, dass Snowden laut Medienberichten erst Ende 2o20 einen Antrag gestellt hat.
Tja, auch in Russland steht Geld über alles – leider.
@transatl-antifa
Dein Name ist doch schon Programm – nie etwas geleistet, aber voller Abneigung gegen alle, die etwas aus ihrem Leben etwas gemacht haben. Wie schon Oscar Wilde sagte: „In meiner Kindheit dachte ich , daß Geld das Wichtigste auf der Welt wäre, heute weiß ich, daß es stimmt.“ Nur die Zukurzgekommenen begreinen das, die anderen erfreuen sich daran, daß ihnen ihr Geld die Welt öffnet.
Kaum vorstellbar, dass die deutsche Jugend bei so einem rauschenden, etwas pathetischen Abschlussfest die Nationalhymne mit solcher Begeisterung singt. Aber wohl auch nicht zu wünschen, denn es ist immer noch dieselbe, unter der auch Hitlers Menschenschlächter dort und anderswo einmarschierten.
Dagegen haben die Russen, und gerade die St. Petersburger, allen Grund, auf ihr Land stolz zu sein. Und wer wie ich noch das sowjetische Leningrad und die allgegenwärtige Erinnerung an die deutsche Belagerung – und TROTZDEM die Gastfreundschaft und Lebensfreude der Einwohner erlebt hat, kann vielleicht nachvollziehen, was diese Freude und Zukunftszuversicht der Jugend dort bedeutet. Gerade auch, nachdem der westliche Neoliberalismus das Land in den 1990ern unter Jelzin fast zum zweiten Mal zerstört hätte.
Thomas ist wirklich zu beneiden, dass er dort leben darf!
… und dann ist diese Stadt auch noch wunderschön!
Der Neoliberalismus ist kultur- und identitätszersetzend. Denn im Neoliberalismus ist das Großkapital und der andauernde Wettbewerb zwischen Menschen oberste Pflicht. Das zeigt sich bereits im Schulunterricht, indem Schüler fast ausschließlich auf MINT-Fächer gedrillt werden und Fächer wie Geschichte, Politik und Geographie im Gegensatz zu früher komplett vernachlässigt werden, obwohl diese Fächer dazu beitragen die Vergangenheit und Zukunft zu verstehen und die Geopolitik darauf aufbaut.
Der Neoliberalismus im Westen hat jahrzehntelang die Kultur und die nationale Identität zersetzt. Die Folgen sind Identitätskrisen, die zu verfälschten Identitätsdebatten (sexuelle Ausrichtungen bzw. Geschlechterdebatten) führen.
Ich kann Ihnen da nur zustimmen und wenn dann ununterbrochen von diesen sogenannten „westlichen Werten“ gelabert wird, kriege ich
regelmäßig Brechreiz. Seit einigen Jahren komme ich daher kaum noch weg vom Klo.
Während Stalin seine Russen und die Menschen in Finnland, den baltischen Staaten, sowie in Polen, der CSSR, Ungarn, Rumänien, Bulgarien mit Konfetti und Teddybärchen beworfen hat, gelle ?
Das Allerübelste ist der selbstgerechte Selbsthaß solcher niedrigen Figuren wie Dir !
„Kaum vorstellbar, dass die deutsche Jugend bei so einem rauschenden, etwas pathetischen Abschlussfest die Nationalhymne mit solcher Begeisterung singt. Aber wohl auch nicht zu wünschen, denn es ist immer noch dieselbe, unter der auch Hitlers Menschenschlächter dort und anderswo einmarschierten.“
So eine Aussage kann auch nur von einen Deutschen kommen, den von Kindheit an aller Patriotismus abgewöhnt wurde und er es sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es in Deutschland auch mal anders war.
Übrigens: mein Großvater war einer dieser „Menschenschlaechter“, der als Soldat an der Ostfront gekaempft hat und seit Mitte 1943 dort als „vermisst“ gilt.
Genauso wie jeder russische Soldat hat auch er sich den Krieg wohl kaum herbeigewünscht, mußte aber trotzdem für sein Land kaempfen.
Dass sie ihn nun als „Menschenschlaechter“ bezeichnen, nehme ich ihnen ganz persönlich übel, da sie anscheinend keine große Ahnung von Geschichte haben und alles quasi in einen großen Topf schmeißen und dann einfach umrühren, wo dann „Hitlers Menschenschlaechter“ herauskommen.
Übrigens könnte ich dasselbe auch in Bezug auf russische Soldaten machen und diese ganz ungeniert als „Stalins Menschenschlaechter“ bezeichnen, nachdem was alles über die Greuel und Vergewaltigungen von deutschen Frauen und Maedchen bekannt wurde.
Wie jeder wissen sollte: der Krieg war eine haeßliche Angelegenheit, wo sich alle Seiten rein gar nichts geschenkt haben, weder Amis, Russen oder Deutsche.
Wer aber nur die Verbrechen auf eine Seite sieht und die anderen einfach ausblendet, da sie anscheinend nicht in das Narrativ des „Befreiers“ passt, der hat nicht einmal ansatzweise verstanden, wie Kriege entstehen, wer Kriegen macht und wer an Ende wirklich die wahren Opfer sind…
Russland gibt seiner Jugend, den Schutz und die Unterstützung, die sie braucht.
Wenn ich dagegen die abgefucken Besäufnisse hier sehe. Naach mattes bloß de kerz us.
So ganz stimmt das nicht mit den weißen Nächten. Da St. Petersburg Hunderte Kilometer vom Polarkreis entfernt ist (und zwar südlich davon), geht auch dort die Sonne jeden Tag unter (und auf). Die maximale Tageslänge um Mittsommer herum beträgt 18 h und 50 Minuten (im Winter nicht unter 5 h und 53 Minuten). Allerdings hat die Bezeichnung der weißen Nächte insofern ihre Berechtigung, als es dort um Mittsommer herum nachts nie richtig dunkel wird, d.h., es gibt dort heute keine astronomische Dämmerung (die erscheint einem Normalverbraucher wie mir allerdings dunkel wie die Nacht), aber die bürgerliche Dämmerung, in der man mit guten Augen noch ohne Kunstlicht lesen kann, wird unterbrochen durch die nautische Dämmerung, und ich frage mich, ob man davon in der Stadt viel mitbekommt, denn St. Petersburg ist sicherlich wie alle modernen Städte nachts an vielen Stellen stark illuminiert.
Ein seltsamer, überflüssiger Beitrag : so ganz stimmt das nicht und dann stimmt das dann wieder doch ?
Tröste Dich, Bruderherz, ich bin vor acht Tagen aus Peter zurückgekehrt, hatte ein Apartment im fünften Stock und mit zuzugezogenen Vorhängen die Nacht verbracht, weil ich sonst vor Helligkeit nicht hätte einschlafen können …
Neue Verwandtschaft, sieh an. Doch keine Sorge, ich bin getrost.
Deine Schlafprobleme würde ich nie in Abrede stellen. Und heller als nachts muss es um Mittsommer ja sein, denn sonst gäb’s die Bezeichnung „weiße Nächte“ ja nicht. Nur die Aussage – die im Artikel dezidiert so gemacht wurde – „in denen die Sonne für knapp zwei Monate nie ganz untergeht“ stimmt eben nicht. Sie geht täglich für über fünf Stunden ganz unter, verschwindet vollständig hinter dem Horizont.
Wenn du mich einen Erbsenzähler genannt hättest, hätte ich nicht erwidert, denn das wäre je nach Geschmacksrichtigung eine nachvollziehbare Zuschreibung gewesen. Aber „stimmt wieder doch“ ist einfach nicht zutreffend.