Iran-Rückblick: Wie es beinahe zu einem großen Krieg gekommen ist

Die dramatische Kriegsgefahr im Iran ist vorbei, aber die nun ans Licht kommenden Informationen über die Entwicklungen nach der Ermordung des iranischen Generals in Bagdad geben trotzdem gewissen Einblicke in die Entscheidungsfindung in Washington.

Bevor wir zu den chronologischen Entwicklungen seit meinem letzten Artikel über die Situation im Iran kommen, vorweg eine völkerrechtliche Einschätzung der Ereignisse. Und nein, die Einschätzung ist nicht von mir, sondern vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, über die der Spiegel berichtet hat. Über den US-Raketenangriff in Bagdad, bei dem der iranische General Soleimani ermordet wurde, schreibt der Spiegel:

„Der tödliche Drohnenangriff auf Soleimani erfülle „offensichtlich nicht die Kriterien eines „finalen Rettungsschusses“ und erscheine deshalb als Verstoß gegen das im Zivilpakt der Vereinten Nationen festgeschriebene Recht auf Leben.“

Im Klartext: Der Angriff der USA hat gegen Völkerrecht und Menschenrechte verstoßen.

Vor diesem Hintergrund war die Reaktion der Bundesregierung besonders peinlich, die vor einigen Tagen auf der Bundespressekonferenz noch versucht hat, die Sache schön zu reden. Die Bundesregierung deckt Verstöße gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte, wenn sie von den USA begangen werden in blinder Vasallentreue.

Aber auch die Vergeltungsaktion des Iran war kaum mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen:

„Die Wissenschaftler des Bundestages bezweifeln auch die Rechtmäßigkeit der iranischen Reaktion, die Teheran ebenfalls mit Selbstverteidigung begründet hat. Das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Uno-Charta greife in diesem Falle nicht, da der Drohnenangriff zum Zeitpunkt des Gegenschlags bereits abgeschlossen gewesen sei, heißt es in dem Gutachten. „Iran beruft sich auf keine unmittelbar bevorstehende Bedrohung durch die USA, die durch den Raketenbeschuss abzuwehren wäre.“

Die Vergeltungsaktion des Iran hatte allerdings nur symbolischen Charakter und sollte wohl in erster Linie den aufgebrachten Schiiten zeigen, dass der Iran solche Morde nicht auf sich sitzen lässt. Natürlich rechtfertigt das keine Verstöße gegen das Völkerrecht, aber einordnen muss es trotzdem.

Nach den Angriffen wurde bekannt, dass der Iran den Irak rechtzeitig über seine Angriffe und die Ziele informiert hat, damit dieser wiederum die US-Truppen informiert. Der Iran wollte den Tod von Soldaten und eine Eskalation verhindern. Die lettischen Soldaten, die auf einem der Stützpunkte eingesetzt sind, waren schon zweieinhalb Stunden vor dem Angriff informiert. Und CNN hat nach dem Angriff eine Reportage von dem Stützpunkt gebracht und die Schäden gezeigt. Auch dort wurde berichtet, dass die US-Soldaten rechtzeitig gewarnt waren und den Angriff in einem sicheren Bunker abgewartet haben. Über die Reportage von CNN hat auch das russische Fernsehen am Sonntag berichtet.

Immer noch heiß diskutiert wird aber, warum die USA den Mord angeordnet und durchgeführt haben. Die Aussagen widersprechen sich alle.

Relativ unstrittig ist, dass US-Außenminister Pompeo bei Trump die Ermordung von Soleimani schon seit Sommer erreichen wollte, aber Trump hat immer abgelehnt. Erst Ende Dezember hat sich Trump breitschlagen lassen. Diese Berichte aus US-Medien sind für mich vor allem deshalb glaubwürdig, weil ihnen niemand ernsthaft widersprochen hat.

Die Frage ist, wie und warum Trump schließlich umgestimmt wurde. Trump selbst hat sich nach dem Mord mehrmals selbst widersprochen, als er zunächst davon sprach, Soleimani habe einen Angriff auf die US-Botschaft geplant und am gleichen Tag plötzlich von vier Botschaften sprach, die Soleimani angeblich angreifen wollte.

Dem hat zu allem Überfluss US-Verteidigungsminister Esper widersprochen, als er am Montag erklärte, ihm sei gar nichts von solchen Angriffsplänen bekannt gewesen. Und auch aus dem Außenministerium, dem die Botschaften ja unterstehen, ist keine Warnung wegen bevorstehender Angriffe an US-Botschaften herausgegangen.

Damit dürfte relativ klar sein, dass es wohl keine konkreten Verdachtsmomente wegen bevorstehender Angriffe gegeben hat. Ob Trump das vorgelogen wurde oder ob man es sich hinterher als Rechtfertigung ausgedacht hat, kann man nur raten.

Inzwischen ist eigentlich alles, was die Entwicklungen um den Iran in diesem Jahr angeht, relativ klar. Mit einer Ausnahme: Die Krise begann mit dem US-Angriff auf Soleimani und die Gründe für den Angriff sind immer noch unklar.

Daher bleibt für mich bisher die überzeugendste Erklärung, dass es um diplomatische Verhandlungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ging und dass es tatsächlich so war, dass Soleimani im Irak zu einem Austausch von diplomatischen Noten gewesen ist, um eine Lösung im Konflikt zwischen dem Iran und den Saudis zu finden. Das wäre für die USA ein Albtraum und der Mord kann der Versuch gewesen sein, diese Gespräche zu torpedieren. Darüber und über all die offen zu Tage liegenden Hinweise, dass solche Gespräche hinter den Kulissen stattfinden, können Sie die Details hier lesen.

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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