Hätte Russland Gründe gehabt, sich über einen Wahlsieg von Trump zu freuen?

Die Medien erzählen uns unisono, die russische Regierung hätte sich über einen Wahlsieg von Trump gefreut. Da niemand diese These ernsthaft hinterfragt, schreit sie geradezu danach, einmal näher beleuchtet zu werden.

Die Medien streuen schon seit Hillary Clintons Wahlkampfteam 2016 die Geschichte über Trumps enge Kontakte zu Moskau frei erfunden hat die Legende, Putin würde sich über einen Wahlsieg von Trump gefreut haben und Trump heimlich unterstützen. Aber ist das so? Gibt es dafür Belege? Oder gibt es wenigsten logische Gründe anzunehmen, dass es so ist?

Was Putin selbst dazu gesagt hat

Schon im Wahlkampf 2016 wurde Putin zu den von Clinton in die Welt gesetzten Behauptungen über Trumps Verbindungen nach Russland gefragt und auch, ob er sich einen Wahlsieg von Trump wünsche. Ich habe dafür in meinem Buch über Putin Beispiele übersetzt. Putins Antwort bestand praktisch immer aus zwei Teilen, die ich hier sinngemäß und in meinen Worten wiedergebe:

Erstens: Nein, Russland hat sich nicht eingemischt.
Zweitens: Wer in den USA die Wahl gewinnt, entscheidet das amerikanische Volk und Russland wird diese Entscheidung akzeptieren und mit jedem zusammenarbeiten, den das amerikanische Volk wählt.

Bei anderer Gelegenheit hat Putin auch mal sinngemäß folgendes gesagt (das wörtliche Zitat findet sich auch in meinem Buch): In den USA wechseln Mehrheiten, Präsidenten und Regierungen, aber die (Außen-) Politik der USA ändert sich nicht. Daher ist es eigentlich egal, wer dort Präsident ist.

Nun können das leere Worte von Putin sein, daher wollen wir mal die wichtigsten Themen durchgehen und nachschauen, ob Trump wirklich eine – aus russischer Sicht – gute Politik gemacht hat.

Trumps Ankündigung, das Verhältnis zu Russland zu verbessern

Im Wahlkampf 2016 hat Trump mehrmals angekündigt, das Verhältnis zu Russland verbessern zu wollen. Das hat Putin natürlich gefreut und er hat während des Wahlkampfes 2016 auch mehrmals gesagt, dass das eine gute Sache wäre, dass man aber abwarten müsse, was Trump tatsächlich tut, wenn er gewählt wird.

Trump wurde gewählt und das Ergebnis war, dass die USA unter Trump mehr anti-russische Sanktionen erlassen haben, als je zuvor in der Geschichte. Ob Trump das aus Überzeugung getan hat, oder wegen des innenpolitischen Drucks, den die Demokraten und die Medien aufgebaut haben, weiß wohl niemand. Aber Fakt ist, dass die US-Politik unter Trump alles andere als Russland-freundlich war. Das geht so weit, dass Trump sich im Wahlkampf 2020 gebrüstet hat,kein Präsident zuvor hätte eine so harte Politik gegenüber Russland gefahren, wie Trump. Und das stimmt ganz objektiv.

Von Trumps Ankündigung, das Verhältnis zu Russland zu verbessern ist also nichts übrig geblieben.

Auch persönlich sind die beiden sich nicht nahe gekommen, es gab nur sehr wenige Treffen zwischen ihnen. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel George Bush Junior. Putin und Bush waren politisch komplett entgegengesetzter Meinung, haben sich aber privat hervorragend verstanden und in den acht Jahren der Bush-Präsidentschaft haben sie sich 18 (!) Mal getroffen. Dem stehen – wenn ich richtig gezählt habe – drei Treffen zwischen Putin und Trump in vier Jahren Trump-Präsidentschaft gegenüber. Zwei der Treffen waren nur kurze Gespräche bei G20-Gipfeln und es gab das Treffen in Helsinki nach Trumps Wahl zum Präsidenten.

Die für Russland schmerzhaftesten Sanktionen der Trump-Ära betreffen Nord Stream 2. Hier hat Trump tatsächlich so hart reagiert, wie kein US-Präsident vor ihm. Schon Reagan wollte in den 1980er Jahren eine neue Pipeline zwischen der Sowjetunion und Europa verhindern, aber zu Sanktionen hat er sich nicht durch gerungen, nur zu einem Verbot, bei dem Bau Technik aus den USA zu nutzen. Und auch gegen Nord Stream 1 haben die USA Widerstand geleistet, aber ebenfalls ohne Sanktionen.

Unter Joe Biden kann die US-Politik kaum anti-russischer werden, als sie es unter Trump war.

Abrüstung

Wer die Auftritte von Putin verfolgt, der weiß, dass Abrüstung für ihn eines der zentralen Themen ist. Unter Trump haben die USA aber das Gegenteil getan, sie haben ihr Militärbudget aufgebläht und enormen Druck auf die Nato-Staaten ausgeübt, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen. Unter Trump gab es in der Nato eine wohl beispiellose Aufrüstung.

Auch für die letzten noch bestehenden Abrüstungsverträge sieht es schlecht aus. Der INF-Vertrag, der bodengestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen verboten hat, wurde unter Trump einseitig von den USA gekündigt und die USA beginnen auf diesem Gebiet bereits ein neues Wettrüsten, das sicher nicht in Putins Interesse sein kann.

Der letzte noch existierende Abrüstungsvertrag ist nun der NEW START Vertrag, der die Zahl der einsatzbereiten strategischen Atomwaffen begrenzt. Aber auch dieser Vertrag läuft im Februar aus. Russland hat seit Jahren Verhandlungen für einen Nachfolgevertrag oder eine Verlängerung des Vertrages gefordert, wofür in meinem Buch über Putin reichlich Beispiele aus den letzten Jahren zu finden sind. Aber die USA waren zu ernsthaften Verhandlungen nicht bereit.

In Sachen Abrüstung oder Rüstungskontrolle haben die USA unter Trump exakt das Gegenteil von dem getan, was Russland gewollt hätte. Bei diesem Thema könnte Russland sich sogar auf Joe Biden freuen, denn Biden hat angekündigt, den NEW START Vertrag erhalten zu wollen.

Syrien

In Syrien hat Trump versucht, die US-Truppen abzuziehen. Er konnte das aber, trotz mehrfacher Ankündigung, nicht durchsetzen. Der Widerstand, vor allem im Pentagon, war so stark, dass sich der US-Präsident, der angeblich mächtigste Mann der Welt, nicht gegen ein ihm untergebenes Ministerium durchsetzen konnte. Das sollte alle, die das Wort „Deep State“ für eine krude Verschwörungstheorie halten, zum Nachdenken bringen.

Trump hat im Wahlkampf 2016 noch die Frage gestellt, warum die USA in Syrien Terroristen der Al-Qaida und des IS unterstützen. Während seiner Präsidentschaft hat er an dieser Politik aber kaum etwas geändert. Zwar ist Syrien heute weitgehend befriedet, aber das ist nicht das Verdienst der USA, die zu allem Überfluss noch immer völkerrechtswidrig im Osten Syriens Ölfelder besetzt halten.

Auch in Syrien kann man also keine Russland-freundliche Linie der US-Politik unter Trump erkennen. Im Großen und Ganzen hat sich die Syrienpolitik der USA nach dem Wechsel von Obama zu Trump nicht geändert und es darf bezweifelt werden, dass sich da unter Biden etwas ändern wird.

Iran

Unter Trump haben die USA das Atomabkommen mit dem Iran gebrochen, als sie daraus ausgestiegen sind, obwohl es nicht einmal eine Ausstiegsklausel enthält. Das hat zu massiven Spannungen und beinahe zu einem Krieg in der Region und zu neuen Sanktionen der USA gegen den Iran geführt. Die Europäer haben zwar ihren Unmut geäußert, haben sich aber nicht mit Taten gegen die USA gestellt.

Russland und China haben die USA in dieser Sache am heftigsten kritisiert, aber das hat Trump nicht gekümmert. Er hat seine Ankündigung aus dem Wahlkampf umgesetzt und das Abkommen gebrochen.

Auch hier also keine Spur von einer Russland-freundlichen Politik der USA unter Trump, im Gegenteil. Es ist übrigens möglich, dass die USA unter Joe Biden das Atomabkommen, das ja unter Obama und dem damaligen Vizepräsident Biden ausgehandelt worden ist, wieder aktivieren.

Venezuela

Die US-Politik gegenüber Venezuela empfindet Russland als reinen Skandal. Die USA haben härteste Sanktionen verhängt, unterstützen einen Möchtegern-Präsidenten namens Guaido und wollen die venezolanische Regierung ganz offen stürzen. Auch hier sind die Interessen der USA und Russlands also komplett gegensätzlich, denn Russland hat gute Beziehungen zur venezolanischen Regierung.

Aber da Venezuela im „Hinterhof“ der USA liegt und die USA in Mittel- und Südamerika seit über hundert Jahren versuchen, jede Regierung zu stürzen, die ihnen nicht gefällt, wird sich an der Venezuela-Politik der USA wohl kaum etwas ändern. Eine Regierung, die sich auch nur „sozialistisch“ nennt, ist für die USA in ihrem Hinterhof inakzeptabel.

Daher dürfte es beim Thema Venezuela egal sein, ob der Präsident Trump oder Biden heißt, an der US-Politik gegenüber Venezuela wird sich wohl nichts ändern.

Hat Russland einen Grund, Trump nachzutrauern?

Wenn man sich diese Themen, die für Russland wichtig sind, anschaut, dann sieht es fast so aus, als müsste sich Russland über einen Präsident Biden sogar freuen. Egal, ob Trump nur nicht konnte, wie er wollte, oder woran auch sonst es gelegen haben mag, dass Trump seine im Wahlkampf angekündigte Annäherung an Russland nicht umgesetzt hat, aber Russland hat eigentlich keinen Grund einem Präsidenten Trump nachzutrauern.

Außer einem vielleicht: Trump ist der erste US-Präsident seit weit über hundert Jahren, der keinen neuen Krieg angefangen hat.

Das dürfte unter Biden wieder anders werden und Kandidaten für Kriege gibt es reichlich. Venezuela steht wohl ganz oben auf der Liste. Auch beim Iran ist es keineswegs sicher, dass Biden von Trumps Politik abweicht, da Israel, das in den USA mächtige Lobbyisten hat, sich die harte Linie gegen den Iran und gegen das Atomabkommen wünscht. Und ob Biden dem Druck der Israelis widerstehen und tatsächlich eine andere Iranpolitik machen kann, ist fraglich.

In Russland gibt es eine Art Sprichwort, das Menschen benutzen, wenn es ihnen richtig schlecht geht: „Hauptsache, es kommt kein Krieg“ und das bedeutet, dass man alles (sogar bittere Armut oder Hunger) ertragen und überstehen kann, außer Krieg.

Von daher hat Russland wohl nur einen Grund, Trump nachzutrauern: Bei Trump konnte man sich darauf verlassen, dass die USA zwar heftig mit den Säbeln rasseln, aber keinen neuen Krieg anfangen.

Biden wird geschmeidiger daher kommen, als Trump. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die USA in den nächsten vier Jahren unter Biden einen neuen Krieg vom Zaun brechen, ist leider sehr hoch. Und dann werden manche, die sich heute über Trumps Abgang freuen, das vielleicht anders sehen.

Aus russischer Sicht kann man jedenfalls festhalten: Von einer Russland-freundlichen Politik Trumps, oder auch nur von einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland, konnte keine Rede sein. Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist so schlecht, wie es selbst im Kalten Krieg nicht gewesen ist. Russland hat also bestenfalls einen Grund, Trump hinterher zu trauern: Die Hauptsache war, es gab keinen (neuen) Krieg.

Das allerdings ist ein sehr guter Grund…

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Nun ja, Herr Röper
    „Hätte Russland Gründe gehabt, sich über einen Wahlsieg von Trump zu freuen?“, so die Überschrift.

    Man geht demnach von einem „Wahl-SIEG “ des Gegners von Trump aus ?

    Am 14- oder 15.Dezember, sollte bis dahin die Arbeit des „Sensemanns“ bei dem Gegner des Trumps nicht doch schon vom Erfolg gekrönt worden sein, könnte/wird man wohl einen Artikel lesen können, welche die Frage auf den Gegner von Trump bezieht….?

    Also, wenn es jetzt schon so weit ist, dass man eine halbe Million DollarRönchen in die Hand nimmt, um 2 Rechtsanwälte platt zu machen, welche sich um den Wahlbetrug kümmern, dann sagt das doch schon mal soviel aus, dass die 2 doch anscheinend gute Arbeit leisten und das Säckchen immer fester schnüren…. die Beweiskette auch Gerichtsfest zu machen…
    https://www.breitbart.com/politics/2020/11/10/never-trump-lincoln-project-targets-trump-attorneys-make-them-famous/

Schreibe einen Kommentar