Der Coup: Bleibt Putin bis 2036 im Amt?

Putin hat den Weg frei gemacht, auch nach 2024 wieder als Präsident antreten zu können. Ob er das tun wird, ist nicht sicher, aber die Option hat er sich am Dienstag geschaffen.

Viele Analysten hatten von Anfang an gesagt, dass Putin sich mit den Verfassungsänderungen, die derzeit in Russland diskutiert werden, den Weg zum Machterhalt eröffnen will. Ich selbst war da eher skeptisch, aber es sieht nun doch so aus.

Die Verfassungsänderungen, die Putin selbst im Januar angeregt hat, sehen vor, viele soziale Wohltaten in die Verfassung zu schreiben. So soll eine automatische, jährliche Rentenerhöhung in der Verfassung garantiert werden und auch der Mindestlohn soll Verfassungsrang erhalten. Außerdem geht es auch um Werte. Russland ist deutlich konservativer, als der Westen und vor dem Hintergrund der weltweiten Gender-Debatten wird Russland sich in die Verfassung schreiben, dass „die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau ist“.

Außerdem wird die Machtbalance im Land verändert. Der Präsident tritt einige Vollmachten an das Parlament und an den Staatsrat ab, der eine Vertretung der regionalen Regierungschefs ist. Darüberhinaus soll in der russischen Verfassung nun festgelegt werden, dass ein Mensch nur zwei Mal Präsident sein kann. Bisher gilt in Russland eine Begrenzung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten, danach kann man sich nach einer Pause auch zum dritten Mal zum Präsidenten wählen lassen.

In seiner Rede vor dem Parlament am Dienstag hat Putin sich zu einem Vorschlag geäußert, mit der Annahme der Verfassungsänderungen auch die bisherigen Amtszeiten von Präsidenten zu „anulieren“. Das würde bedeuten, dass die Beschränkung auf zwei Amtszeiten erst ab 2024 gelten würde, Putin sich also noch zwei Mal zur Wahl stellen könnte. Damit könnte Putin bis 2036 an der Macht bleiben.

In Russland herrscht durchaus Verunsicherung darüber, was nach Putin kommt. Zwar hat er in den großen Städten wie Moskau und St. Petersburg viele Gegner, aber seine Hochburgen sind auf dem Land. Viele Menschen erinnern sich noch an die 1990er Jahre, als im Land bittere Armut und Gesetzlosigkeit herrschten. Man kann Putin vorwerfen, was man will, aber er hat im Land Ordnung geschaffen und den Menschen einen nie dagewesenen Wohlstand gebracht. Viele sind daher verunsichert, was nach Putin kommen könnte und wünschen sich, dass Putin auch nach 2024 Präsident bleibt.

Putin hat das bisher abgelehnt. Er hat sich dabei auch auf die Erfahrungen der 1980er Jahre berufen, als es in der Sowjetunion keine tragfähigen Regeln zur Nachfolge des Staatschefs gab und daher ein greiser Politiker nach dem anderen an die Macht kam und das Land dadurch praktisch gelähmt war. Das solle sich nicht wiederholen, sagte Putin immer wieder.

Aber wie passt das zu der neuen Situation?

Das kann man nur schwer beantworten. Putin hat mehr als einmal gezeigt, dass er ein sehr gerissener Mann ist, der lange vorausplant. Der Coup vom Dienstag dürfte also geplant gewesen sein. Aber ob Putin tatsächlich seine neuen Amtszeiten ausnutzen wird, steht auf einem anderen Blatt. Die Möglichkeit dazu hat er sich nun aber offenbar geschaffen.


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

https://anti-spiegel.com/2019/was-sagt-putin-selbst-zu-den-fragen-der-interbationalen-politk-hier-kommt-er-zu-wort/
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

12 Antworten

  1. „Putin hat den Weg frei gemacht, auch nach 2024 wieder als Präsident antreten zu können.“

    „In seiner Rede vor dem Parlament am Dienstag hat Putin sich zu einem Vorschlag geäußert, mit der Annahme der Verfassungsänderungen auch die bisherigen Amtszeiten von Präsidenten zu „anulieren“.

    Das müßte er erklären.
    Daraus : „Пленарное заседание Государственной Думы“ (http://kremlin.ru/events/president/news/62964) konnte ich jedenfalls das, bzw eine Zustimmung, nicht ohne weiteres schließen.

  2. Irgendwie hatte ich mal von russischen Kollegen gehört, dass Putin sehr wohl schon einige junge Leute Verantwortung anträgt und damit an möglichen potentiellen Nachfolgern ‚arbeitet’….
    Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er zur Zeit schlecht sagen kann, dass es da schon gute Rohdiamanten gibt und er mit dem Signal der Bereitschaft dir nötige Ruhe schafft, die noch gebraucht wird dafür…..Warum sollte man schlafende Hunde wecken?
    Bei Sputnik war zu lesen, dass er es nach wie vor nicht für zweckmäßig hält…….. wenn es nur um Machtposition gehen würde, könnte er die sicher auch in einer anderen Position bekommen……

  3. „dass Putin sich mit den Verfassungsänderungen, die derzeit in Russland diskutiert werden, den Weg zum Machterhalt eröffnen will.“ Wollte er das allein oder hat man diesen Wunsch sogar an ihn herangetragen? Ich würde eher für das zweite plädieren, denn einen Mann wie Putin in die „Rente“ zu schicken, kann sich Russland kaum erlauben.
    Diese Verfassungsreform wurde natürlich bereits vorbereitet und dann im Januar verkündet. Aber es gibt noch eine Volksabstimmung darüber und selbst der ehemalige Russlandbeauftragte Gernot Erler musste heute im Staatssender Deutschlandfunk eingestehen, dass Putin beste Chancen auf eine Wiederwahl hat und deshalb auch die Verfassungsänderung angenommen wird.
    Wenn ich mir das ganze Geschrei im Westen dazu anhöre, so sollten die sich mal die Frage stellen, ob sie das überhaupt etwas angeht, wie und wer in Russland regiert. Man stelle es sich umgekehrt vor. RT und russische Politiker mischen sich so in Verfassungsänderungen oder ähnliche Vorgänge im Westen ein!
    Wenn es eine Zustimmung für die Verfassungsänderung gibt und Putin tatsächlich noch eine Amtszeit dranhängt, dann ist das eben der Wille des russischen Volkes! Ob das nun nach westlichen Wünschen von statten geht oder nicht, ist schlicht und einfach Angelegenheit der Russen selbst, das geht den Westen nichts an! Punkt! Putin ist eine Feindfigur für den Westen und deshalb wird geheuchelt und Galle gespiehen!

  4. Wir harren da immer noch einer Antwort auf die eingangs gestellte Frage.

    „Putin hat den Weg frei gemacht, auch nach 2024 wieder als Präsident antreten zu können. Ob er das tun wird, ist nicht sicher, aber die Option hat er sich am Dienstag geschaffen.“

    Inwiefern ist die in Rede stehende Verfassungsänderung dem Präsidenten der RF, Herrn Putin, zu zuschreiben?
    Kam der Vorschlag von Ihm?
    Bestimmt er (allein) den konkreten Inhalt der Verfassungsänderungen?
    Kann er vom Parlament vorgeschlagene Änderungen der Verfassung ablehnen bzw. verhindern? Und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?

    1. Hier die komplette Rede :

      https://www.facebook.com/707180039367921/videos/507335729904914/

      Auszug aus der Rede, betreffend des Themas:

      Es gab Vorschläge, es wurden Ideen geäußert, die Verfassung zu ändern und die Amtszeit des amtierenden Präsidenten, Ihres bescheidenen Dieners, zu verlängern, um dies auf der Grundlage zu tun, dass die Bürger – wenn sie stimmen – für die vorgeschlagene Änderung stimmen.

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      Ja, im April findet eine ganzstaatliche Abstimmung statt. In diesem Fall stellt sich jedoch heraus, dass die Befugnisse des Präsidenten aufgrund der Tatsache, dass es keine alternativen Wahlen gibt, erweitert werden, und dies ist meiner Meinung nach auch falsch, es besteht keine Notwendigkeit, dies zu tun.

      Bürger Russlands sollten bei jeder Wahl, bei jeder Wahl und insbesondere bei der Wahl des Staatsoberhauptes immer eine Alternative haben. Wahlen müssen offen und wettbewerbsfähig sein.

      Die Vorschläge von Valentina Vladimirovna Tereshkova – wir alle respektieren sie sehr, ich möchte Ihnen noch einmal zu Ihrem letzten Geburtstag, Valentina Vladimirovna, gratulieren – sind ebenfalls grundsätzlich verständlich.

      Der erste besteht darin, die Anzahl der Amtszeiten, für die der höchste Beamte des Landes, der Präsident, gewählt werden kann, aus der Verfassung auszuschließen. Eine im Wesentlichen ähnliche Idee wurde bei meinem jüngsten Treffen mit Bürgern in St. Petersburg geäußert, bei dem einer der Veteranen genau dies vorschlug. Ich sagte dann, dass ich nicht in die Zeit der Sowjetunion zurückkehren möchte. Ich muss zugeben, dies war eine unkorrekte Bemerkung, denn zu Zeiten der Sowjetunion gab es keine Wahlen, alles wurde ganz geheim oder aufgrund einiger innerparteilicher Verfahren oder Intrigen entschieden. Es gab keine Wahlen. Jetzt ist die Situation völlig anders. Jetzt muss man zu den Wahlen gehen. Dies ist eine andere Situation.

      Streng genommen wäre es heute formal möglich, die Fristen abzuschaffen, zumal in vielen anderen Ländern, einschließlich unserer Nachbarn, diese Praxis besteht und die Anzahl der Amtszeiten für die Wahl des Staatsoberhauptes nicht begrenzt ist. Übrigens und in Übersee, in den Staaten, erschien eine Änderung der Verfassung, die die Anzahl der Amtszeiten auf zwei begrenzt, erst 1947, und erst 1951 stimmten sie dafür, alle Staaten ratifizierten sie. Das Jahr 1951 ist nicht so weit entfernt, vom geschichtlichen Standpunkt ist es gestern. Ich werde erklären warum:
      Die Präzedenzfälle für die Wahl von mehr als zwei Amtszeiten befanden sich übrigens auch in den Staaten. Und warum? Siehe: Die Weltwirtschaftskrise, große Probleme in der Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und Armut in den Staaten für diesen Zeitraum, dann der Zweite Weltkrieg. Unter Bedingungen, in denen das Land solche Turbulenzen erlebt und solche Schwierigkeiten natürlich vorübergehen – und in unserem Fall haben wir nach dem Zusammenbruch der Union nicht alles überwunden, ist dies auch verständlich -, sollte Stabilität, vielleicht noch wichtiger sein, Priorität haben. Besonders, wiederhole ich, in einer Zeit, in der das Land noch viele Probleme hat.

      Aber wenn die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereiche innere Stabilität und Reife erlangen, wenn der Staat mächtiger und von außen nur schwer verwundbar wird, dann tritt natürlich die Möglichkeit eines Machtwechsels in den Vordergrund. Es wird für die Dynamik der Entwicklung des Landes benötigt. Und Sie und ich betrachten die Änderungsanträge nicht nur für ein Jahr, nicht für zwei und nicht einmal für zehn, sondern, ich hoffe, für eine weiter entfernte historische Perspektive, zumindest für 30-50. Und auf lange Sicht sollte die Gesellschaft Garantien dafür haben, dass ein regelmäßiger Machtwechsel gewährleistet ist. Wir müssen an zukünftige Generationen denken. Daher halte ich es dennoch für unzweckmäßig, eine Beschränkung der Anzahl der Amtszeiten des Präsidenten aus der Verfassung zu streichen.
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      Der zweite Vorschlag bedeutet im Wesentlichen, Beschränkungen für jede Person, für jeden Bürger, einschließlich des amtierenden Präsidenten, aufzuheben und ihre Teilnahme an den künftigen Wahlen zuzulassen. Natürlich bei offenen und wettbewerbsorientierten Wahlen. Nun, natürlich, nur wenn die Bürger einen solchen Vorschlag, einen solchen Änderungsantrag, unterstützen, sie bei der ganzstaatlichen Abstimmung am 22. April dieses Jahres „Ja“ sagen.

      Grundsätzlich ist diese Option möglich, jedoch unter einer Bedingung:

      Falls das Verfassungsgericht der Russischen Föderation zu dem Schluss kommt, dass eine solche Änderung den Grundsätzen und Grundbestimmungen des Grundgesetzes und der Verfassung nicht widersprechen

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        1. Der Coup, also eine Beurteilung über ein frech/ kühn angelegtes, erfolgreiches Unternehmen, kann eben von jemandem auch als solches bezeichnet werden , der auch in der Lage ist, eben ein solches schon abgeschlossenes Unternehmen als Coup zu klassifizieren….

          Während die SpringerPresse durch die Bank ihre „Schlagzeilen“ in diffamierender Art und Weise gestalten, um das Ereignis oder die Person herabzuwürdigen. Meisstens auch noch zukunftsbezogen, um Meinung zu bilden. …

          Ich gehe davon aus, dass der Blogbetreiber, der nun mal auch einen Namen hat, nämlich T.Röper, eben mit der Überschrift, seine Hochachtung gegenüber dem Präsidenten Putin versucht „rüberzubringen“

          Zumindest ich habe es so verstanden, weil auch ich – wie sicher Herr Röper – eben nie und nimmer auch nur theoretisch daran denken konnte, dass Putin es schafft, trotz seinen mannigfaltigen Aussagen, es Nicht zu tun… es nun doch tun kann, Ohne eben die Verfassung zu verletzen.

          Und das eben noch so, dass nicht er, sondern eben andere das „vorschlagen“…

          Hierzu: Ich beobachte nun mal jede Gesprächsrunde mit Studenten, mit Beamten- Schüler usw, welche auf Kremlin veröffentlicht werden…. Ich habe mir schon dermaßen eine „Rübe “ gemacht, wie er es denn machen will… und fand auch nicht die kleinste Möglichkeit, eben aufgrund seiner Aussage, eben Nicht die Verfassung in dem Punkt zu ändern…

          Das ist ein COup 🙂 Und ich habe wirklich unsere Dame auf voicedonbass gebeten, wirklich ganz genau so zu übersetzen, wie es Putin auch gesagt hat…. Man muss schon sehr genau hinhören um zu verstehen, warum die Gesichter der Abgeordneten ab einem bestimmten Zeitpunkt anfingen zu leuchten 🙂

          1. Bei aller Ehre, ihre Kritik aus westlicher Sicht mag ja berechtigt sein. Ich jedoch frage sie nach einer Alternative! Als Deutscher in Russland glaube ich einschätzen zu können, das es zumindest heute keine Alternative zu Putin gibt, wenn mann das Land nicht im Chaos versinken lassen will.
            Ich möchte hier nicht viel diskutieren. Es ist und bleibt die Entscheidung der Russen. Und ich bin mir dessen sicher, dass es auch sein kann, dass die Russen nicht den vollen Einfluss darauf haben.

  5. Die „Pflanze“ RF ist noch zart und bedarf immer noch einer sehr umsichtigen Pflege. Viele Menschen haben noch in Erinnerung, dass diese „Pflanze“ einzugehen drohte, was durch Putin verhindert wurde.
    Putin weiß, dass jede Änderung, der Verfassung oder von Personen, eine äußerst sensible Form der Gestaltung, der Reife und Verantwortung des Volkes bedarf. Das Volk selbst muss durch Bildung und Entwicklung daran herangeführt werden. Rückschläge müssen vermieden werden!

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