Ukraine: Schauspieler Selensky könnte Präsident werden – Wofür steht er und wie reagiert Berlin?
In der Ukraine kommt es zur Stichwahl und es ist möglich, dass der Außenseiter Selensky der nächste Präsident der Ukraine wird. Wie reagiert Deutschland und was könnte das eigentlich bedeuten?
In der Ukraine herrscht seit dem Maidan ein nationalistisch-faschistisches Regime, dass die russischen, rumänischen und ungarischen Minderheiten im Land unterdrückt, ihre Sprachen beschränkt und sie „ukrainisieren“ möchte. Poroschenko steht für diese Politik und hat sich als Präsident eine Machtfülle angeeignet, die ihm gemäß Verfassung gar nicht zusteht.
Der Westen hat all dies und auch die Verarmung im Land ignoriert. Man setzte auf Poroschenko, denn er steht für einen kompromisslosen pro-Nato-Kurs, den er seinem Volk mit dem Versprechen auf goldene Zeiten innerhalb der EU schmackhaft machen will. Dass die Ukraine nach Aussagen aus Brüssel in den nächsten 15 bis 20 Jahren keine Chance auf Verhandlungen über einen EU-Beitritt hat, übersieht bei seinen Wahlversprechen gerne. Stattdessen zeigt er sich lieber im Tarnanzug bei seinen Soldaten, die dabei die Embleme der SS-Division „Totenkopf“ an der Uniform tragen.
Aber vor allem die Verarmung im Land und die wachsende Korruption haben ihn laut US-Umfrage-Institut Gallup so unbeliebt gemacht, wie keinen anderen Staatschef der Welt.
In dieser Situation wurde Selensky, eigentlich populärer Komiker und Schauspieler, zum Favoriten in den Umfragen. Wofür Selensky steht, ist schwer zu sagen. Hinter ihm steht der Oligarch Kolomoisky, der vom Oligarchen und Präsidenten Poroschenko aus dem Land getrieben wurde und nun in Israel sitzt, auf Rache sinnt und von dort aus seine Fäden zieht. In seinen Fernsehsendern hatte Selensky seine Shows und sie sind heute seine Plattform für seine Kandidatur. Ob Selensky also nach einem Sieg eine eigene Politik machen kann oder nur eine Marionette von Kolomoisky ist, bleibt abzuwarten.
Bleibt die Frage, wofür Selensky selbst stehen könnte. Seiner Biografie nach dürfte er den radikal-nationalistischen Kurs wohl nicht fortsetzen, sondern eher für Kompromisse sein, denn er kommt aus dem russisch-sprachigen Teil der Ukraine und hat ukrainisch erst vor einigen Jahren gelernt. So klingen seine Thesen in Interviews auch weniger radikal, er spricht zwar davon, dass in der Ukraine natürlich Ukrainisch die wichtigste Sprache sei, aber auch davon, dass andere auch ihre Sprachen haben sollten.
Er hat sich auch für ein Ende der Kämpfe im Land und für Verhandlungen mit Putin ausgesprochen. Er sagte: „Und wenn die Gespräche so schwierig werden, dass ich aus den Ohren blute, es gibt keinen anderen Weg. Das Töten muss aufhören.“ Und er hat sogar gesagt, dass einem Nato-Beitritt der Ukraine eine Volksabstimmung zu dem Thema vorausgehen müsse.
Diese Thesen scheinen im Westen schon für Unruhe zu sorgen. Aus Deutschland hörte man heute zwei Aussagen dazu. Erstens hat Merkel Poroschenko als erste Regierungschefin überhaupt zum Weiterkommen in die Stichwahl gratuliert und ukrainische Medien melden, dass er als „Wahlkampfunterstützung“ auch noch einmal Deutschland besuchen wird, um sich im Fernsehen als wichtiger, international geachteter Staatsmann präsentieren zu können.
Einen anderen Sinn hat der Besuch nicht, denn zu besprechen gibt es derzeit nichts. Die Ukraine ist derzeit wegen des Wahlkampfes gelähmt und das wird auch so bleiben, bis Ende des Jahres auch das Parlament neu gewählt ist. Erst danach kann man wieder über politische Themen reden, denn jede Vereinbarung vor der Wahl kann nach der Wahl mit neuem Präsidenten und neuem Parlament wieder hinfällig sein.
Außerdem kamen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Stimmen, die von Selensky wissen wollten, wofür er stehe. Er sei außerdem zu unerfahren, die Ukraine mit all ihren Problemen brauche jetzt erfahrene Politiker. In das gleiche Horn blies auch Poroschenko bereits, als er meinte, dass der ukrainische Präsident bei Gesprächen mit Russland keinen Komiker als Gesprächspartner habe. Man bekommt den Eindruck, dass Deutschland hier mit Poroschenko koordiniert gegen Selensky handelt, denn natürlich sind diese Äußerungen aus der EU in den ukrainischen Medien ein Thema und können die Chancen von Poroschenko erhöhen.
Aber Selensky ist populär und gewann die große Mehrheit der Regionen in der Ukraine bei der Wahl. Sein Wahlsieg bei der Stichwahl scheint möglich.
Daher wird bereits diskutiert, wie man die Macht des Präsidenten in einem solchen Fall einschränken kann. Und das ist nicht mal schwer. Der Machtmensch und skrupellose Oligarch Poroschenko hat sich eine Machtbasis aufgebaut, die seine verfassungsmäßigen Kompetenzen bei weitem überschreitet. Laut Verfassung ist der Regierungschef und mächtigste Mann im Land eigentlich der Premierminister, aber der hat derzeit nicht viel zu sagen. Im korrupten Chaos der ukrainischen Politik hat Poroschenko sich Organe wie den Nationalen Sicherheitsrat geschaffen, die in der Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Den Premierminister hat er de facto entmachtet und sogar vollständigen Durchgriff in die Arbeit des Generalstaatsanwaltes.
Im Falle eines Wahlsieges von Selensky würde all das wegfallen. Ein ukrainischer Analyst sagte dazu:
„Man plant, Selensky zu einem Hochzeits-General zu machen, zu einer Art britischer Königin. Das heißt, er macht Auslandsreisen und verteilt Orden und Titel, aber alle Entscheidungen – politische und wirtschaftliche – trifft der Premierminister und die Rada.“
Damit dürfte er Recht haben. Die letzten zwanzig Jahre haben gezeigt, dass die Ukraine ein Land ist, in dem der „tiefe Staat“ die Macht hat und er bestimmt den Kurs. Wenn das Volk „falsch wählt“, wie zum Beispiel vor der „Orangenen Revolution“, wird ein Aufstand angezettelt und nach der Stichwahl einfach eine weitere Wahl abgehalten, bis das gewünschte Ergebnis zu Stande kommt. Und wenn das, wie 2010, nicht funktioniert, wird der demokratisch gewählte Präsident eben etwas später nach inszenierten Unruhen abgeräumt, wie 2014 nach dem Maidan.
Und so wird es auch Selensky gehen. Entweder er hält sich an den vom „tiefen Staat“, also den Kräften in Washington, gewünschten Kurs, oder er wird entmachtet und darf als Präsident noch den „Gruß-August“ machen. Sollte er dagegen aufbegehren, dann ist auch ein dritter Maidan möglich. Aber das ist unwahrscheinlich, denn er hat den nötigen Rückhalt im Machtapparat gar nicht und muss sich ja auch noch mit seinem Förderer, dem Oligarchen Kolomoisky herumschlagen.
So sympathisch Selensky ist, und das ist er unbestritten, so wenig Möglichkeiten dürfte er haben, eine eigene Politik zu machen, welche auch immer ihm eigentlich vorschwebt.
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