Proteste in Hong Kong, US-Waffen an Taiwan – Wie China von den Medien als Feindbild aufgebaut wird
In letzter Zeit kann man beobachten, dass die deutschen Medien China als Feind aufbauen. Derzeit werden die Themen Hong Kong und Taiwan in den Medien in den Vordergrund gerückt. Daher lohnt sich ein genauerer Blick auf die Themen, die in Wahrheit wohl ein einziges Thema sind.
Ich muss wieder vorausschicken, dass ich aus China keine eigenen Informationen habe. Aber wenn ich beobachte, was dort vorgeht und wie die Medien berichten, dann erkenne ich ein bekanntes Schema. Und darüber möchte ich berichten, denn in meinen Augen lässt das tief blicken.
Außerdem möchte ich vorausschicken, woran ich mich orientiere. Ich orientiere mich am Völkerrecht, denn was sonst kann Maßstab und Kompass sein? Wer dem Völkerrecht seine Berechtigung abspricht, der plädiert für eine Welt ohne Regeln, in der das Faustrecht und das Recht des Stärkeren in der internationalen Politik gelten. Und das kann niemand ernsthaft wollen.
Und aus Sicht des Völkerrechts sind die Vorgänge um die Proteste in Hong Kong eindeutig: Hong Kong ist Teil Chinas, ein autonomer Teil, aber trotzdem ein Teil Chinas. Das Völkerrecht verbietet unmissverständlich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes. Das bedeutet, dass es anderen Staaten gemäß Völkerrecht nicht erlaubt ist, sich in die Proteste in Hong Kong einzumischen und die Demonstranten anzufeuern oder ihnen auch nur die Sympathie eines anderen Landes zuzusichern. Das verstößt eindeutig gegen das Völkerrecht.
Daran ändert auch der Hinweis auf die Menschenrechte nichts, denn die Menschenrechte sind im Völkerrecht nicht klar definiert.
Unser westlich geprägtes Verständnis der Menschenrechte wird nicht auf der ganzen Welt geteilt. In der islamischen Welt zum Beispiel ist die Sicht eine andere, dort gehen die Menschenrechte nach dem Verständnis vieler Menschen und sogar Staaten aus dem Koran hervor. Und auch in Asien ist das Verständnis oft ein anderes, dort trifft man oft die Ansicht, dass die Rechte der Gesellschaft oder der Gemeinschaft wichtiger sind, als die unbedingte Wahrung der Rechte eines individuellen Menschen. Das waren nur die zwei wichtigsten Beispiele dafür, wie anders die Menschenrechte in der Welt verstanden werden. Der westliche Individualismus, der Teil unseres Verständnisses von Menschenrechten ist, wird in großen Teilen der Welt kritisch gesehen.
In der Präambel der UN-Charta oder der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind lediglich sehr unpräzise Formulierungen enthalten. Die UN-Charta sagt, die Mitglieder der UNO „glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau“ und die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ sagt, „alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren„. In Europa beziehen wir uns noch auf die Menschenrechtskonvention, die unser westliches Verständnis der Menschenrechte festschreibt, aber diese Konvention gilt nur für die Unterzeichnerstaaten, nicht für die ganze Welt. Sie ist kein Teil des allgemeinen Völkerrechts.
Wir müssen also das Verständnis islamischer oder asiatischer Staaten in der Frage der Menschenrechte nicht teilen, aber wir haben nicht das Recht, anderen Ländern unser Verständnis aufzuzwingen, genauso wie andere Länder nicht das Recht haben, uns ihre Sichtweise aufzuzwingen. Daher sagt die UN-Charta auch unmissverständlich, dass jedes Land über seine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung selbst bestimmen kann und diese nicht von außen aufoktroyiert werden darf.
So sieht die UN-Charta in Artikel 2 Absatz 7 auch eindeutig vor, dass eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes erst erlaubt ist, wenn dieses Land eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt und diese Tatsache durch den UN-Sicherheitsrat per Resolution festgestellt wurde. Das Prozedere kann man in Artikel 39 nachlesen, es ist genau festgeschrieben. Nur eine solche UN-Sicherheitsratsresolution erlaubt eine Einmischung, sei sie politisch, wirtschaftlich, durch Sanktionen oder auch mit militärischen Mitteln.
Das Völkerrecht ist in dieser Frage unmissverständlich. Und das ist mein Maßstab, vor diesem Hintergrund betrachte ich die Ereignisse in China und schätze sie ein.
In den letzten Tagen gab es einiges an Artikeln und Berichten über China. Der Spiegel berichtete zum Beispiel, in Hong Kong und China würde der chinesische Staat über Fake-Accounts Propaganda betreiben oder die Protestbewegung spalten wollen. Der Spiegel schrieb dazu:
„Twitter deckte nach eigenen Angaben eine großangelegte Kampagne aus China auf, die die Proteste in Hongkong diskreditieren sollte. Der Kurznachrichtendienst machte demnach 936 Accounts aus, über die koordiniert „politischer Streit in Hongkong gesät werden sollte“. Zusätzlich sei ein Netzwerk aus rund 200.000 Accounts gesperrt worden, bevor es nennenswerte Aktivitäten entwickeln konnte, teilte Twitter am Montag mit. Facebook entfernte mit ähnlicher Begründung fünf Accounts, sieben Seiten und drei Gruppen. Mindestens einer der Seiten seien rund 15.500 Facebook-Profile gefolgt. Beide Dienste zeigten Beispiele von Beiträgen, in denen die Demonstranten in Hongkong zum Beispiel als gewalttätig dargestellt wurden.“
Twitter und Facebook zeigen also deutlich, dass sie bei den Protesten parteiisch sind, denn gegen Accounts, die die Proteste als gut und richtig darstellen, gehen sie nicht vor. Es fällt generell auf, dass Facebook, Twitter und auch Google längst zu verlängerten Armen einer bestimmten politischen Richtung geworden sind.
Als 2015 die Hashtag-Kombination „Refugeeswelcome Germany“ aufkam, dachten alle in Deutschland, die Deutschen wären so begeistert von den ankommenden Flüchtlingen und würden diese Tweets und Posts mit dieser Kombination von Hashtags verschicken. Tatsächlich zeigte aber eine Analyse auf, dass die Nachrichten mit diesen Hashtags gar nicht aus Deutschland kamen. Nur sechs Prozent davon sind aus Deutschland gewesen, aber fast 50 Prozent kamen von Bots aus den anglo-amerikanischen Staaten USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Indien.
Nur haben weder Twitter noch Facebook diese Accounts und offensichtlichen Bots gesperrt. Die Botschaft gefiel den Internetkonzernen offensichtlich, während Nachrichten, die die Proteste in Hong Kong kritisieren, den Internetkonzernen offensichtlich nicht gefallen und massenhaft zensiert werden.
Diese Muster konnte man schon öfter sehen, so hat zum Beispiel Google die YouTube Accounts von pro-syrischen Nachrichtenagenturen oder Fernsehsendern gesperrt. Investigative Journalisten aus den USA haben mit versteckter Kamera Gespräche von leitenden Mitarbeitern von Google gefilmt und ins Netz gestellt. Dort sagten die Google-Leute ganz offen, dass sie Politik machen und Algorithmen und Suchergebnisse so manipulieren, dass die User nur das zu sehen bekommen, was Google ihnen zeigen will. Es steckt also eine politische Agenda dahinter und es wird aggressiv Zensur betrieben.
Und erst vor kurzem war das auch Thema im US-Senat, wo ein Experte erklärte, dass die Internetkonzerne in den USA mit ihren Möglichkeiten die Macht haben, über zehn Millionen Wählerstimmen zu manipulieren, indem sie bestimmen, welche Informationen die User zu sehen bekommen und welche nicht. Aber es gibt noch weit mehr Instrumente der Internetkonzerne, wie der Experte ausführte.
Aber in den deutschen „Qualitätsmedien“ wurde über all diese Dinge gar nicht oder nur sehr wenig berichtet, weil die Agenda der Internetkonzerne mit der Agenda der Konzernmedien deckungsgleich ist.
Wer mir jetzt eine „Verschwörungstheorie“ vorwirft, für den habe ich eine Denkaufgabe: Über diese Macht und die politische Agenda der Internetkonzerne wurde in Deutschland kaum berichtet. Würden die deutschen Medien auch dazu schweigen, wenn es russische Internetkonzerne wären, die die Meinung in anderen Ländern so stark beeinflussen können, dass sie ca. zehn Prozent eines Wahlergebnisses beeinflussen können? Das bedeuten nämlich die zehn Millionen Wählerstimmen, die die Internetkonzerne beeinflussen können: Es sind ca. zehn Prozent der Stimmen bei einer Wahl in den USA.
Diese einseitige „Berichterstattung“ der westlichen Medien zeigte sich bei dem medialen Spektakel um die angebliche russische Beeinflussung der US-Wahlen von 2016. Inzwischen wissen wir, dass da nichts dran war, aber schon der Verdacht, Russland könnte auf Facebook politische Anzeigen für 100.000 Dollar geschaltet haben (bei einem Gesamtbudget des Wahlkampfes von über zwei Milliarden Dollar), reichte den Medien aus, um uns drei Jahre lang ständig vor der russischen Gefahr zu warnen, die es gar nicht gab, wie Sonderermittler Mueller in seinem Bericht festgestellt hat.
Ob und wie berechtigt die Proteste in Hong Kong sind und wer dort gewalttätig ist, Polizei oder Demonstranten, ist von hier aus schwer zu sagen. Was aber sicher ist, ist dass man den Berichten der westlichen Medien kaum glauben kann, wenn sie so eindeutig eine politische Linie fahren und nicht neutrale Beobachter sind, sondern aktiv die Demonstranten anfeuern. Das konnte man gerade erst in Moskau sehen, wo westliche Medien wie die Deutsche Welle zu den Demonstrationen aufgerufen haben. Und das gleiche Muster sehen wir bei der Berichterstattung über Hong Kong.
Aber es scheint ja generell darum zu gehen, China als Feindbild aufzubauen. Dazu wird auch das Thema Taiwan derzeit von den Medien benutzt.
Auch hierzu kurz die Vorgeschichte: In China tobten heftige Bürgerkriege, die Ende der 1940er Jahre mit einem Sieg der Kommunisten endeten. Die Gegner unter Generalissimus Chiang Kai-shek zogen sich auf die Insel Taiwan zurück. Diese Insel war danach völkerrechtlich „China“, denn das kommunistische China war isoliert. Erst unter Präsident Nixon fand eine Annäherung statt und China, das auf eine „Ein-China-Politik“ setzt, wurde international anerkannt. Das Problem war die „Ein-China“ Politik. Wer mit China Geschäfte machen und diplomatische Beziehungen aufbauen wollte, der musste seine Beziehungen zu Taiwan beenden. So wird Taiwan heute nur noch von 17 Staaten anerkannt. Auch die USA und Deutschland haben keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Taiwan.
China setzt dabei auf die Politik „Ein Land – zwei Systeme“, das auch bei Hong Kong angewendet wird. Trotzdem will Taiwan sich nicht mit China vereinigen und die USA unterstützen Taiwan dabei. China hat zwar eine gewaltsame Wiedervereinigung mit Taiwan nie ausgeschlossen, aber diese andererseits auch nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Dennoch ist Chinas Haltung in dieser Frage kompromisslos, langfristig soll Taiwan unter Chinas „Dach“ zurückkehren. Über Chinas geopolitische Ziele habe ich kürzlich eine Analyse geschrieben, als China sein neues Weißbuch vorgestellt hat.
Die USA wollen das verhindern, nicht zuletzt auch, weil Taiwan strategisch günstig liegt und bei einem Konflikt ein Stützpunkt der US-Truppen sein kann.
In diesen Tagen nun haben die USA trotz chinesischem Protest beschlossen, wieder neue Waffen an Taiwan zu liefern. Es geht um 66 F-16-Kampfjets für acht Milliarden Dollar. Wieder sieht man, dass es den USA bei ihrer Politik in erster Linie um Geld und Waffen geht. Der Preis ist horrend, denn der Stückpreis einer F-16 liegt bei ca. 25 Millionen Dollar, das Flugzeug ist immerhin trotz aller Modernisierungen veraltet, es wurde bereits 1978 in Dienst gestellt. Trotzdem hat Taiwan pro Stück, wenn auch „inklusive Bewaffnung und Ersatzteile“, über 120 Millionen bezahlt.
Das zeigt, dass die USA die Situation ausgenutzt haben, denn kein anderes Land der Welt ist bereit, Taiwan Kampfjets zu liefern. Die USA hatten keine Konkurrenten und haben den Preis diktiert. Im wahrsten Sinne des Wortes ein „Bombengeschäft“.
Und während Taiwan den USA seinen „aufrichtigen Dank“ ausspricht, ist China stinksauer und kündigt Sanktionen gegen alle Firmen an, die an dem Deal beteiligt sind.
Und all diese Themen werden in den Medien derzeit ausgebreitet und sind mit einem negativen China-Bild behaftet, denn alles, was nicht ins Konzept passt, wird dem deutschen Leser verschwiegen. Die Unterstützung der USA und des Westens für die Demonstranten in Hong Kong wird in ein positives Licht gestellt, es sei denn, dass China diese Unterstützung kritisiert. Dann wird diese Unterstützung heftig abgestritten und als chinesische „Verschwörungstheorie“ und Propaganda bezeichnet, obwohl ein Blick in die Medien und vor allem ihre englischsprachigen Internetausgaben reicht, um diese Unterstützung deutlich zu erkennen.
Dass diese Unterstützung der Proteste außerdem gegen das Völkerrecht verstößt, liest man in den deutschen Medien hingegen nie.
Und Taiwan, das nicht einmal mehr ein international anerkannter Staat ist, wird unterstützt und mit Waffen beliefert. Dabei wäre es für den Frieden in der Region viel besser, wenn man unter Schirmherrschaft der UNO die Vertreter Taiwans und Chinas an einen Tisch holen würde. Und wenn die Verhandlungen auch Jahre dauern würden, ein solcher Lösungsansatz wäre sicher besser, als eine weitere – noch dazu völkerrechtlich fragwürdige – Bewaffnung, die nur ein Ziel hat: Den USA einen potenziellen, strategisch wichtigen Militärstützpunkt nahe an Chinas und Russlands Ostküste zu sichern.
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Ich hatte letzte Woche Besuch von 3 Entwicklern von Huawei, aus dem Büro in Shenzhen (also einer Nachbarstadt von Hong Kong — so nah, dass man zufuss über die Grenze gehen kann).
Während natürlich Huawei Verbindungen zur Chinesischen Regierung hat, sind die 3 mit Sicherheit keine Regierungspropagandisten (sie sprechen sich z.B. ziemlich deutlich gegen die Internetzensur in China aus, und Huawei arbeitet teilweise mit Firmen in Taiwan zusammen, ohne dass dabei die Situation zwischen Mainland-China und Taiwan im Weg steht).
Ihre Sicht auf das, was gerade in Hong Kong passiert, ist, dass die US- und EU-Regierungen gerade versuchen, in Hong Kong das gleiche zu machen, das sie vor 6 Jahren in Kiew versucht haben. Proteste, die es zwar auch ohne sie gegeben hat, durch finanzielle, ideologische und personelle Unterstützung aufbauen, um eine Regierung, die ihnen nicht passt aus dem Weg zu räumen.
Sie denken, dass weder die Polizei noch die echten Demonstranten gewalttätig werden, sondern dass nur von US- und EU-Söldnern scharf geschossen wird (und wie in Kiew auf beide Seiten – mit dem Ziel, den Konflikt zu eskalieren).
Scheinbar sind sogar ein paar der gleichen Drahtzieher beteiligt, die damals im Euromaidan aktiv waren.
https://hongkong.liveuamap.com/en/2019/22-august-youtubes-disabled-210-channels-affiliated-w-ccp
All diese Zensuraktivitäten veranschaulichen doch nur die Doppelmoral.
Es kommt diesen Leuten nicht einmal in denn Sinn was wohl passieren würde wenn China die Autonomie der Gebiete aufhebt weil gegen das Kernland agiert wird. Sonderwirtschaftszonen kann man ausrufen oder wieder auflösen.
„In der Volksrepublik China existiert ein gesetzlich verankertes System nationaler Gebietsautonomie, das den offiziell anerkannten ethnischen Minderheiten auf verschiedenen administrativen Ebenen einen Autonomie-Status und damit eine Selbstverwaltung zusichert.
Dies schließt kein Verfassungsrecht auf Sezession ein.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Autonome_Verwaltungseinheiten_Chinas
Wie vielschichtig die Einflussnahme von Außen ist zeigen diese Quellen
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14064
https://www.deutschlandfunk.de/autonomie-oder-unabhaengigkeit-von-china.724.de.html?dram:article_id=99296
https://de.wikipedia.org/wiki/International_Campaign_for_Tibet
https://de.wikipedia.org/wiki/Republik_China_(Taiwan)
Sowohl bei den Uiguren,Tibetern als auch Hong Kong und Taiwan gibt es eindeutige Tendenzen einer Abspaltung und genau dagegen handelt Peking. Wer die umfassene Autonomie missbraucht muss sich dann nicht wundern.
Wenn die weitestgehende Autonomie dafür genutzt wird Waffen gegen das Mutterland in Stellung zu bringen muss als Staatsfeind betrachtet werden.
Es gibt natürlich, wie in Russland auch, Dinge die mit unseren Vorstellungen nicht zusammenpassen. Es gibt trotz allem für Niemanden das Recht sich in innerstaatliche Vorgänge einzumischen.