Jahrespressekonferenz: Putin im O-Ton zum Tiergarten-Mord
Bei der Pressekonferenz von Putin durfte der Anti-Spiegel zwar keine Frage stellen, aber der Spiegel durfte es dieses Jahr tun. Es ging um den Tiergarten-Mord.
Der Spiegel hat danach getitelt, dass Putin eine „Falschbehauptung zugegeben“ hätte. Ganz so war es meiner Meinung nach nicht. Putin hat zwar bestätigt, dass es keinen offiziellen Auslieferungsantrag aus Russland gegen den in Berlin ermordeten Selimchan Changoschwili gab, aber er hat auch erklärt, warum es keinen gab: Über geheimdienstliche Zusammenarbeit wurde Russland bereits klar gemacht, dass Deutschland einen solchen Antrag ablehnen würde. Der Spiegel berichtet sonst recht korrekt über Putins Antwort, aber die ablehnende Haltung der deutschen Seite erwähnt er nicht. Der Spiegel erwähnt nur, dass Russland in einem offiziellen Antrag keinen Sinn gesehen hätte, den Grund lässt er aber weg.
Ich habe die Frage des Spiegel und Putins Antwort übersetzt und Sie können sie selbst mit dem vergleichen, was der Spiegel geschrieben hat.
Beginn der Übersetzung:
Christian Esch: Mein Name ist Christian Esch, ich bin der Leiter des Moskauer Büros des Magazins Spiegel.
Ich habe eine Frage, die ein Problem betrifft, das für Deutschland sehr beunruhigend und ärgerlich ist: die Frage der Ermordung des georgischen Staatsbürgers tschetschenischer Nationalität Selimchan Changoschwili. Die Informationen aus Moskau und Berlin sind komplett widersprüchlich.
Deshalb wollte ich Sie zunächst fragen, was den Mörder betrifft. Die deutsche Seite sagt, sie habe keine Informationen aus Russland erhalten. Es stellt sich heraus, dass dieser Mann mit einem Mann identisch ist, der bereits in Russland im Gefängnis saß. Es sollte also Daten über diese Person geben.
Die zweite Frage betrifft das Opfer. Sie haben auf der Pressekonferenz nach dem Treffen im „Normandie-Format“ in Paris gesagt, dass die russische Seite wiederholt die Frage der Auslieferung dieser Person angesprochen hat. Der deutsche Außenminister bekräftigte kürzlich, dass es weder über das Innenministerium noch über andere Kanäle Anfragen von russischer Seite gegeben habe. Wer hat also Recht, er oder Sie?
Wladimir Putin: Sowohl er, als auch ich, weil diese Fragen immer wieder auf der Ebene der Geheimdienste diskutiert wurden. Es gab keinen offiziellen Antrag der Staatsanwaltschaft, weil unsere zuständigen Behörden es für sinnlos hielten, da sie im Grunde schon eine negative Antwort erhalten hatten.
Ich werde noch einmal daran erinnern, was ich auf der Pressekonferenz in Paris gesagt habe. Das war ein absolut blutrünstiger Mörder. Bei einer der Aktionen allein im Kaukasus hat er 98 Menschen getötet, bedenken Sie diese Zahl, 98 Menschen. In vielen Ländern wird bei weit weniger Toten nationale Trauer ausgerufen. Er war an der Organisation von Explosionen in der Moskauer U-Bahn beteiligt. Und das ist nicht die ganze Liste seiner Verbrechen. Wir haben dieses Thema wiederholt auf der Ebene der Geheimdienste angesprochen, das war tatsächlich so.
Was die Zusammenarbeit betrifft. Meiner Meinung nach müssen wir in diesem Bereich vor allem verstehen, dass die Zusammenarbeit voll und umfassend sein sollte – und es sollte eine gegenseitige Zusammenarbeit sein, in beide Richtungen.
Jetzt beobachten wir in Syrien, was dort in den Lagern und Gefängnissen passiert, in denen IS-Kämpfer sitzen. Menschen aus Zentralasiaten stellen dort die Mehrheit der Ausländer, an zweiter Stelle kommen Menschen aus Russland, aber es gibt dort auch viele Menschen aus Westeuropa, auch aus Frankreich und aus der Bundesrepublik Deutschland.
Wir sehen, dass die Menschen, die Sie gerade erwähnt haben – Terroristen und Mörder – frei in den europäischen Hauptstädten herumlaufen. Er wurde, soweit ich weiß, mitten in Berlin getötet. Solche Leute laufen in europäischen Hauptstädten frei herum. Und wenn auch die Leute, die jetzt in den Lagern sitzen, zu Ihnen kommen, wird Ihnen das dann gefallen? Werden Sie sie auch in ihren Städten frei laufen lassen?
Um dies zu vermeiden, ist es notwendig, gemeinsam und gegenseitig eine hocheffektive Zusammenarbeit zu etablieren. Das ist es, was wir fordern. Wir hoffen, dass das irgendwann so sein wird. Das bedeutet nicht, dass es keine solche Zusammenarbeit gibt. Die gibt es. Aber ihr Niveau und ihr Charakter sind immer noch unzureichend.
Übrigens haben wir die Amerikaner einmal vor den zwei Zarnajew-Brüdern gewarnt, oder wie sie hießen, wir haben sie direkt gewarnt. Zuerst baten wir um ihre Auslieferung und dann sagten wir ihnen: Denkt daran, die sind gefährlich. Wir wurden einfach ignoriert und sie haben dann den bekannten Terroranschlag auf den Boston-Marathon verübt und es starben Menschen. Verstehen Sie, worum es geht? Aber solche Banditen laufen in Berlin frei herum.
Ende der Übersetzung
Nächster Beitrag: Wie Russland die Sprachen, Gebräuche und Traditionen seiner nationalen Minderheiten schützt