EU-weite Umfragen zur Europawahl: „Euroskeptiker“ im Aufwind, große Parteien verlieren massiv
Die EU-Wahl beherrscht die Schlagzeilen, aber man hört nicht viel über Umfragen. Und wenn, dann über die Umfragen in Deutschland, aber nicht europaweit. Das wäre so, als würden bei einer Bundestagswahl nur die Umfragen aus Niedersachsen veröffentlicht werden. Daher habe ich dazu mal einiges zusammengetragen.
Es ist nicht einfach, an europaweite Umfragewerte zu kommen, man muss schon suchen. Dabei können einem diese Zahlen vieles erklären.
Ich habe mich heute schon in einer Hintergrundanalyse mit dem EU-Parlament und seinen Rechten beschäftigt. Dabei stellt man fest, dass das EU-Parlament keinerlei eigene Rechte hat, es darf immer nur das behandeln, was andere – in der Regel die EU-Kommission – ihm vorsetzen. Eigene Initiative kann es nicht ergreifen. Details finden Sie hier.
Trotzdem wird um die Wahl in Medien und Politik ein Riesenwirbel gemacht. Von einer Richtungswahl ist die Rede. Und das bei der Wahl zu einem rechtlosen Parlament. Der Grund ist eher strategischer Natur: Man will verhindern, dass euroskeptische Parteien zu stark werden, denn das könnte auch auf nationale Wahlen abstrahlen und dann könnte es wirklich um etwas gehen.
Nun sind die „Euroskeptiker“ ja nicht gegen die EU, sie wünschen sich einfach eine andere EU. Eine EU, in der es demokratischer zugeht, als jetzt und vor allem wünschen sie sich, dass Brüssel wieder Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten zurückgibt. Im Kern geht es nur um diese Frage: Mehr Macht nach Brüssel (also „mehr Europa“) oder mehr Macht für die Mitgliedsstaaten (also eine „EU der Nationalstaaten“). Und wenn das EU-Parlament auch nur ein bisschen Macht hätte, wäre das auch tatsächlich eine Richtungswahl.
Beide Seiten haben ihre Argumente und jeder soll selbst entscheiden, was er richtig findet.
Also zu den Umfragen. In Frankreich hat heute die Le Pen-Partei in den Umfragen die Macron-Partei überholt. Le Pen hat 1,5% hinzugewonnen und steht bei 23,5% und Macron hat 0,5% verloren und steht bei 23%. Da Umfragen ja auch ungenau sind, würde ich eher von einem Kopf-an-Kopf-Rennen sprechen.
Aber die schlechte Politik von Macron, der vor zwei Jahren als Hoffnungsträger gefeiert wurde, als er klar die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, zeigt Spuren. Von den Gelbwesten, deren Forderungen immer noch die Mehrheit der Franzosen teilen, auch wenn die Proteste an Schwung verlieren, gar nicht zu reden. Dass Macron auf die Forderungen gar nicht eingegangen ist und die Proteste einfach ausgesessen hat, wird sich bei der Wahl am Wochenende wohl rächen. Die Konservativen kommen auf 12,5% und die restlichen Parteien dümpeln unter 10% herum.
In Deutschland hat der Merkur die Umfragen aller Institute in einem Artikel zusammengefasst, was ein interessantes Gesamtbild gibt. Demnach steht die CDU bei 28-30%, die SPD bei 15-17%, die Grünen bei 18-19%, die AfD bei 11-13%, der Rest dümpelt unter 10% herum. Die „Euroskeptiker“ haben es in Deutschland schwerer, als in anderen Ländern, wie man sehen kann.
Trotzdem kann man der Presse entnehmen, dass die Angst vor den „Euroskeptikern“ groß ist. Überall sind Artikel, in denen sie negativ, ja abschätzig behandelt werden. Und es gibt sogar Rufmordkampagnen gegen einzelne Politiker, die dann natürlich der ganzen Partei angehaftet werden. In Deutschland wurde es mit einer komplett ausgedachten (und deshalb schnell zusammengebrochenen) Schmutzkampagne gegen den AfD-Hinterbänkler Frohnmaier versucht. In Österreich sehen wir jetzt das gleiche bei Strache. Und was wir immer sehen ist, dass die ganze Partei in Sippenhaft genommen wird.
Selbst wenn Strache etwas ganz schlimmes getan haben sollte, was können dann die anderen Minister der FPÖ dafür? Wenn in Deutschland ein Minister zurücktreten muss, weil er Mist gebaut hat, dann wird doch auch nicht gleich seine ganze Partei an den Pranger gestellt und die Koalition in Frage gestellt. Das tut die Presse nur bei den „Euroskeptikern“.
Als es den Skandal um Edathy und seine Pornos gab, da hat niemand das der ganzen SPD angelastet. Als Grüne Politiker bei den Steuern gemogelt haben, da wurde nicht die ganze Grüne Partei von der Presse medial geschlachtet. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Warum also diese Angst vor den „Euroskeptikern“ in Deutschland, wenn die AfD bei nur 12% steht?
Der Grund liegt in den anderen EU-Ländern, denn europaweit haben die „Euroskeptiker“ enorm Auftrieb und die negativen Schlagzeilen zum Beispiel über Strache werden auch in anderen Ländern gepusht. Und der Grund ist einfach: Die „Euroskeptiker“ gewinnen laut EU-weiten Umfragen enorm hinzu und die etablierten Parteien verlieren enorm, die Etablierten brauchen dringend negative Schlagzeilen über ihre Konkurrenz.
Die EVP, zu der die CDU gehört, soll je nach Umfrage nur noch auf 168-180 Sitze kommen, bisher sind es 216. Den Sozialisten, zu denen die SPD gehört, kommt nur noch auf 140-149 Sitze, derzeit sind es 180.
Bei den „Euroskeptikern“, also dem Bündnis rund um Le Pen soll es anders herum sein. Sie werden zwischen 61 und 73 Sitzen gesehen, bisher sind es 40.
Klingt nach wenig. Aber die Fraktionen können sich neu mischen. Die ungarische Partei von Orban könnte von der EVP zu den „Euroskeptikern“ wechseln, andere Parteien, die bisher in anderen kleineren Fraktionen organisiert sind, könnten ebenfalls wechseln. Das würde das Kräfteverhältnis dann nochmal verändern.
Die „Euroskeptiker“ könnten so vielleicht die drittstärkste Kraft werden. Und wenn das auch bei Wahlen in den Mitgliedsländern Schule macht und die „Euroskeptiker“ weiter stärker werden, dann könnte das die Agenda der etablierten Parteien wirklich stören.
Jeder muss für sich wissen, ob er ein solches Szenario gut oder schlecht findet, ich habe nur die Zahlen gemeldet und eingeordnet.
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