Deutsche Medien melden, Russland wolle Demonstranten das Sorgerecht entziehen
In den deutschen Medien kann man immer wieder von einem Ehepaar lesen, dem nach Teilnahme an den Demonstrationen in Moskau die Erziehungsberechtigung für ihren kleinen Sohn entzogen werden soll. Was sind die Hintergründe?
Ich habe schon am Rande über den Fall berichtet. Bei den Protesten am 3. August gab es einen Einheizer, der die nicht genehmigte Demonstration angeführt und geleitet hat. Als dann die Polizei einschritt und die Demonstration auflösen wollte, übergab ihm jemand einen Säugling und getarnt als „zufällig spazierender Vater“ entging er der Polizei. Es klingt unglaublich, dass jemand erst eine Demonstration eskaliert, es hätte ja auch gewalttätiger enden können, und dass jemand seinen Säugling da mit hin nimmt, um ihn dann den Einheizer zu als Tarnung zu übergeben. Das muss natürlich russische Propaganda sein, auf so etwas kommen normale Menschen doch nicht.
Jedoch stimmt die Sache tatsächlich. Ausgerechnet der Spiegel hat ein Video verlinkt, dass die Geschichte zeigt. Man muss kein Russisch verstehen, die Bilder sprechen für sich: Zuerst heizt der Mann die Protestler ein, man sieht sogar, dass die Familie mit dem Kleinkind ebenfalls an der Protesten teilnimmt und ganz in seiner Nähe bleibt, um ihm dann im richtigen Moment das Kleinkind zu übergeben, damit er sich unentdeckt aus dem Staub machen kann.
Nun ermitteln die Behörden wegen Gefährdung des Kindes und Vernachlässigung der elterlichen Fürsorgepflicht und im schlimmsten Fall kann das zum Entzug des Sorgerechts führen.
Der Einheizer heißt Sergej Fomin und die Eltern geben an, er sei ein Jugendfreund des Mannes und ein Cousin der Mutter. Fomin war zur Fahndung ausgeschrieben und hat sich mittlerweile der Polizei gestellt. In dem erwähnten Spiegel-Artikel kann man lesen:
„Moskaus Opposition ist von den Wahlen zum Stadtparlament im September ausgeschlossen worden. Das empört viele Wähler, darunter auch Artemijs Eltern Dmitrij und Olga sowie seinen Onkel Sergej Fomin, der für eine Oppositionskandidatin Unterschriften gesammelt hat. Sie demonstrieren, obwohl die Stadtregierung keine Kundgebung erlaubt hat.“
Nun ist das natürlich, wie beim Spiegel bei dem Thema üblich, alles so nicht wahr. Nicht die Opposition ist von den Wahlen ausgeschlossen, sondern drei Kandidaten der Opposition, die Details finden Sie hier. Außerdem war die Kundgebung genehmigt, allerdings an einem anderen Ort. Die Protestler haben eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt blockieren wollen, was die Behörden nicht angemessen fanden und daher die Demonstration auf einer anderen Hauptstraße im Zentrum Moskaus genehmigt haben.
Aber heute geht es ausnahmsweise nicht um den Spiegel. Heute geht es um die Deutsche Welle, denn die lügt im Zusammenhang mit den Protesten in Moskau derzeit schlimmer, als alle anderen.
Die Deutsche Welle in Moskau hat sich als das entlarvt, was sie ist: Als Propaganda-Sender der deutschen Regierung. Ihr russischer Ableger berichtet nicht, sondern ruft auf Twitter elbst zu den Demonstrationen auf und verschickt sogar aktuelle Lageberichte, damit die Demonstranten wissen, wo sie hingehen müssen. Die Deutsche Welle war danach aber sogar noch so dreist, in ihrer deutschen Ausgabe diese unbestreitbaren Tatsachen, die jeder auf Twitter sehen kann, zu bestreiten. Sie baut darauf, dass die Deutschen Leser ja kein Russisch verstehen.
So dachte ich wenigstens, aber tatsächlich hat sie es sogar auf Russisch bestritten. Dabei ist es völlig eindeutig, wie dieser Tweet zeigt.
Die Worte „Москва, выходи!“ bedeuten wörtlich übersetzt „Moskau geh raus!“, aber „выходи“ bedeutet auch „komm raus“ oder „geh auf die Straße“. Und dieser Tweet wurde von der Deutschen Welle am Tag der Demonstration vom 27. Juli veröffentlicht. „Moskau, geh auf die Straße!“ Was ist das, wenn kein Aufruf, zu demonstrieren?
Außerdem schreibt die Deutsche in ihrem Artikel auf Russisch, dass sie am 5. August vom russischen Außenministerium auch konkret auf diesen und andere Tweets hingewiesen worden ist, die nach russischer Ansicht eine Einmischung in innere Angelegenheiten Russlands darstellen und vor allem nicht als journalistische Tätigkeit eingestuft werden können, sondern als dezidierte Aufrufe zu ungenehmigten Protesten.
Man stelle sich zum Vergleich nur einmal vor, die russischen Staatsmedien RT-Deutsch und Sputnik würden in Deutschland zur Teilnahme an verbotenen Demonstrationen aufrufen oder dazu aufrufen, den Anweisungen der Behörden nicht Folge zu leisten. Das gäbe einen Riesenskandal! Aber warum meint der deutsche Staatssender Deutsche Welle, dazu das Recht zu haben?
Außerdem werden die deutschen Leser zu dem Thema auch noch belogen, denn am 6. August, also einen Tag nachdem die Deutsche Welle – nach Angaben ihrer russischen Sektion – bereits vom russischen Außenministerium über die Details der Vorwürfe informiert worden war, zitiert der Deutschlandfunk den Sprecher der Deutschen Welle, Christoph Jumpelt, dazu folgendermaßen:
„Es bleibt aber unklar, worauf sich das russische Außenministerium genau bezieht, weil es die Vorwürfe nicht untermauert: „Ich gehe davon aus, dass Frau Sacharowa in ihren Äußerungen sich die Freiheit genommen hat, von uns zitierte Äußerungen der Demonstrationsorganisatoren unseren Redakteuren in den Mund zu legen, als redaktionellen Inhalt. Was das natürlich so nicht ist.““
Obwohl die Deutsche Welle am 5. August auf Russisch über die Vorwürfe des russischen Außenministeriums berichtet und sie zurückweist, kann man beim Deutschlandfunk am 6. August auf Deutsch über die Stellungnahme der Deutschen Welle lesen, die bestreitet zu wissen, worauf sich das russische Außenministerium bezieht.
Aber zurück zu der Geschichte um Sergej Fomin und das Kind, dass als Tarnung missbraucht wurde. Wie wir gesehen haben, sind die Videoaufnahmen eindeutig und auch der Spiegel hat geschrieben, dass Fomin zusammen mit den Eltern der Kindes an den Protesten teilgenommen haben.
Die Deutsche Welle hingegen schreibt auf Deutsch:
„Die Staatsanwaltschaft will den jungen Eltern das Kind wegnehmen. Die Begründung: Sie hätten es während der oppositionellen Proteste am 27. Juli einer dritten Person übergeben und damit gefährdet. Die besagte „dritte Person“ ist ein Cousin der Mutter. Er hat an der Demonstration teilgenommen und das Kind tatsächlich kurz getragen. Die Eltern sagen, sie hätten ihn zufällig bei einem Spaziergang getroffen.“
Das ist, wie das Video zeigt, eindeutig gelogen, die Eltern waren auf der Demonstration in der ersten Reihe, ganz in der Nähe vom Einheizer Fomin. Für ihre russischen Leser lügt die Deutsche Welle noch detaillierter:
„Das Paar gab an, dass sie am 27. Juli einen Spaziergang im Zentrum machten. Sie wussten von dem Protest, waren mit den Forderungen der Teilnehmer auch solidarisch, aber sie waren nicht daran interessiert, sich daran zu beteiligen. Polizeiabsperrungen haben sie nicht gesehen. Beim Arbat traf die Familie Sergej Fomin, der laut Dmitry sein Jugendfreund, Pate des Kindes und Cousin seiner Frau ist. Dann gingen sie gemeinsam spazieren. Unterwegs nahm Fomin das Kind in den Arm. Das Paar betont, dass sie ihm das Kind nicht auf der Kundgebung gegeben haben.“
Schauen Sie sich das Video an und entscheiden Sie selbst, was Sie für glaubwürdig halten.
Für Samstag den 10. August sind wieder Proteste angekündigt. Moskau hat sie wieder genehmigt, sie sollen auf einer mehrspurigen Straße im Zentrum von Moskau stattfinden. Einige Organisatoren haben aber wieder dazu aufgerufen, sich nicht an die behördlichen Auflagen zu halten. Wir dürfen also auch am Samstag wieder Schlagzeilen erwarten, dass Russland angeblich Demonstrationen nicht erlaubt und mit Polizeigewalt auflöst.
9 Antworten
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Mal eine kurze Frage. Mich stört schon seit Tagen, daß in den Nachrichten der Eindruck erweckt wird, es dürften überhaupt keine Kandidaten der Opposition an diesen Wahlen teilnehmen. Auch hier im Artikel ist wieder so ein Zitat von SPON:
„Moskaus Opposition ist von den Wahlen zum Stadtparlament im September ausgeschlossen worden. …“
Wie verhält es sich tatsächlich? Wie hoch ist denn die „Sperrquote“ der oppositionellen Kandidaten – Gründe oder Vorwände der Behörden jetzt mal völlig außer acht lassend. Weißt du das?
Es gibt keine „Sperrquote“. Es geht nur um diese drei Kandidaten in Moskau: Dmitri Gudkow, Ilja Jaschin und Ljubow Sobol, die zu Anfang in den Medien noch namentlich genannt wurden: https://anti-spiegel.com/2019/gute-und-boese-formfehler-in-den-medien-ausschluss-von-oppositionellen-bei-wahlen-in-moskau-und-sachsen/
War vielleicht unglücklich formuliert. Mir geht es um die Größenordnung – also drei nicht zugelassene Kandidaten zu wievielen zugelassenen der Opposition. Gibt es dazu Zahlen?
SPON macht schon wieder den Scharfmacher Zitat aus „Die Lage“ von heute:
„In Moskau haben die Behörden diesen Sonntag tatsächlich eine Demonstration genehmigt, sie ist für 100.000 Menschen zugelassen. In den vergangenen Wochen hatten sie mehrere Kundgebungen verboten und mehr als 2000 Menschen festgenommen. Die russische Opposition, darunter der inhaftierte Alexej Nawalny, will erreichen, dass ihre Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. Dezember zugelassen werden. Sie waren wegen angeblicher Formfehler ausgeschlossen worden. 20 Jahre nach der Inthronisierung Wladimir Putins kann die russische Führung nicht einmal mehr auf kommunaler Ebene echte Demokratie zulassen – das zeigt, wie fragil das gegenwärtige System ist. „Just in diesem Moment zeigt sich in Moskau, dass lebendige, öffentliche Politik auch nach zwei Jahrzehnten von Putins Herrschaft nicht durch eine tote Simulation zu ersetzen ist“, schreibt unser Moskau-Korrespondent Christian Esch.“
Sehr geehrter Herr Röper,
ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf ein Elaborat eines gewissen Herrn Roland Bathon („Russland News“) aufmerksam machen, welches die Nachdenkenseiten kommentarlos in deren „Hinweisen des Tages“ vom 08.08.2019 aufgenommen haben. (Da haben die wohl mal nicht nachgedacht.)
Amüsant, und man möchte fast sagen „stilsicher“, sind die Ausführungen des Herren unter der Zwischenüberschrift „Tatsächliche Zusammenhänge fallen unter den Tisch“.
Wir haben das „Blatt“ lange nicht gelesen und es scheint sich auch nicht mehr zu lohnen, allein schon wenn man sich das dort veröffentlichte erbärmliche Geschwätz eines Herrn Rahr zu Putins Präsidentschaft zumutet, wird einem übel.
Ich äußere mich nicht inhaltlich, wenn mich jemand kritisiert. Das ist für mich OK und wenn es gewollt ist, stehe ich für einen Meinungsaustausch (auch öffentlich, damit sich Leser und Zuschauer ein Bild beider Meinungen machen können) gerne zur Verfügung. Aber nur direkt mit der Person, nicht über gegenseitige Veröffentlichungen und Gegenveröffentlichungen. Man soll MITeinander und nicht ÜBEReinander reden!
Außerdem kritisiere ich selbst fleißig andere, da muss ich damit leben, dass ich auch mal kritisiert werde.
Und nicht zuletzt: Ich stehe und kämpfe für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt, da wäre es ja verlogen, wenn ich jemandem, der anderer Meinung ist, diese nicht lassen würde.
Allerdings fand ich bei der Sache eines schade, denn eigentlich kenne ich Russland-News als guten Kanal und habe mit denen auch schon ein Interview gemacht und die Zusammenarbeit war hervorragend.
Schade fand ich, dass er meine Artikel anscheinend gar nicht aufmerksam gelesen hat.
Hätte er meine Artikel aufmerksam gelesen,hätte er bemerkt, dass ich die von ihm getroffenen Aussagen nie geschrieben habe. Ich habe weder über die Reichweite der DW geschrieben, noch habe ich behauptet, dass DW oder US Botschaft die Auslöser der Proteste seien.
Ich habe vielmehr behauptet und mit Quellen belegt, dass sie die Proteste unterstützen und befeuern. Und ich habe die Frage gestellt, wie groß diese Proteste ohne die massive Unterstützung westlicher Botschaften, Medien und NGOs wohl wären.
Und zu diesen Behauptungen und Fragen stehe ich.
Wie gesagt, die Meinungen sind frei, aber wer mich kritisiert (und ich liebe konstruktive Kritik, die bringt ja weiter), der sollte mir nichts in den Mund legen, was ich nie gesagt habe.
Und damit ist die Sache für mich aber erledigt.
Sehr geehrter Herr Röper!
Ich glaube, wir haben hier ein Verständnisproblem.
In aller Kürze:
1. Ich empfehle, das „Werk“ nochmals genau zu lesen. Ich weiß, das ist schwierig, wenn man selbst darin vorkommt.
2. Sie müssen mir nicht darlegen, was Sie geschrieben haben – das habe ich, glaube ich, schon verstanden.
Das hat besagter Herr Bathon allerdings auch.
Sie meinen, er habe Ihre Artikel nicht aufmerksam gelesen? Das können Sie getrost vergessen, damit machen Sie sich etwas vor – aus verständlichen Gründen, wie ich nunmehr weiß.
3. Sie kämpfen also für „Meinungsfreiheit“. Schön! Aber um „Meinung“ geht es doch hier überhaupt nicht. (Ich hatte ja nicht umsonst auf eine Passage verwiesen.)
4. Für Sie ist die Sache also erledigt? Das sollten Sie nochmals überdenken.
Kompromisse sind nämlich oft nicht einfach nur „faul“ sondern auch verdammt giftig.
5. I. Ü. – niemand „liebt“ Kritik! Wer mir so etwas verkündet… nun ja, wir nannten das früher „Sülze an`s Ohr hängen“. Wie man damit umgeht, ist eine ganz andere Frage.
Ich habe dazu alles gesagt.
Nur eins: Ich liebe tatsächlich Kritik, wenn sie KONSTRUKTIV ist (wie ich auch geschrieben habe), denn ich bin ein Mensch und kann Fehler machen. Ohne solche Kritik würde ich sie nicht sehen und korrigieren können.
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Lassen Sie es gut sein.
Und lesen Sie meinen Satz zum Thema MITeinander und ÜBEReinander reden nochmal. Den meine ich ernst, deshalb ist die Sache für mich erledigt, es sei denn, der Verfasser dieser Kritik (oder jeder andere Kritiker) möchte die unterschiedlichen Standpunkte mit mir diskutieren. Das tue ich mit Vergnügen.
Aber ich werde mich nicht auf eine Diskussion „auf Distanz“ einlassen, das führt zu nichts. Daher perlt jede solche Kritik, die nicht mit der Bereitschaft an einer direkten Diskussion verbunden ist, an mir ab. Mag arrogant klingen, aber ich finde, dass das der einzige konstruktive und lösungsorientierte Ansatz ist. „Schlammschlachten“ sind meine Sache nicht, ich bin für direkte Gespräche.
Daher äußere ich mich dazu nicht weiter.
Und außerdem: Die Meinungen sind frei!
Nie vergessen.
Entschuldigung – eigentlich wollten wir ihm nur „etwas Gutes tun“ – kommt nicht wieder vor.
Zudem hätten wir ganz gern erfahren, ob tatsächlich Millionen wahlberechtigte Moskauer in permanenter Angst vor einer sog. „Nomenklatura“ der „Opposition“ ihre Stimme verweigern.
Das hat sich nun erledigt.
Aber verschone er uns zukünftig mit dieser infantilen Politlyrik. (Im übrigen: „Gedanken“ muß es heißen.)