Die Arte-Sendereihe „Mit offenen Karten“ müsste „Mit gezinkten Karten“ heißen

Ich bin gestern auf die Sendereihe „Mit offenen Karten“ von Arte gestoßen, die ich vorher nicht kannte und habe bereits über die aktuelle Sendung geschrieben, die ein Paradebeispiel für Propaganda im Fernsehen ist, da sie nicht bloß einseitig berichtet, sondern es dabei auch mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt, wie ich gestern aufgezeigt habe.
 
Heute habe ich mir die Sendereihe einmal näher angesehen und muss leider sagen, dass sich mein erster Eindruck bestätigt hat. Arte verbreitet dort Unwahrheiten und Desinformation in Serie und es geht oft um den aktuellen „Hauptfeind“ der Nato, um Russland. Und das auch unter Überschriften, die mit Russland zunächst gar nichts zu tun haben. Die Sendung ist also tatsächlich nichts weiter, als ein Sprachrohr der Nato.
 
Von den letzten fünf Sendungen hatten zwei Russland als Thema und natürlich ist Russland ganz böse und bedroht alle seine Nachbarn. Um das zu zeigen, muss man die Wahrheit schon ein wenig verdrehen, aber dazu scheint sich die Redaktion nicht zu schade zu sein. Über das eine Beispiel habe ich gestern berichtet, das zweite Beispiel ist vom November und beschäftigt sich unter dem Titel „Schweden – Alptraum im Ostseeraum“ eigentlich mit Schweden. Aber der „Alptraum im Ostseeraum“ ist natürlich wieder Russland.
 
Nachdem es zunächst um die Geschichte Schwedens seit dem Mittelalter ging, kam dann die Nachkriegszeit. Es begann damit, dass die Nato 1949 gegründet wurde, um sich „gegen die Sowjetunion zu verteidigen“. Vergessen wird dabei, dass die Sowjetunion damals schon die deutsche Wiedervereinigung angeboten hat, wenn Deutschland danach so wie zum Beispiel auch Österreich neutral bleiben würde. Im Gegensatz zu den USA war die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt also durchaus bereit, auf Einflusszonen zu verzichten, anstatt sie auszudehnen. Und dass der Warschauer Pakt erst 1955 gegründet wurde und zwar als Reaktion auf die kompromisslose Haltung der Nato wird auch nicht erwähnt.
 
Jeder kann dazu stehen, wie er möchte und die Sowjetunion war natürlich eine Diktatur, aber die historischen Fakten sind wie sie sind.
 
Auch die Neutralität Schwedens im Kalten Krieg wurde erwähnt, jedoch wurde nicht erwähnt, dass Schweden zwar ein blockfreier Staat aber keineswegs neutral war. Schweden war seit den 1960er Jahren ein fester Bestandteil der Nato-Planungen, so war zum Beispiel im Kriegsfall vorgesehen, die US-Flugzeuge aus Deutschland nach Schweden zu evakuieren und die UdSSR von Schweden aus anzugreifen, weil Deutschland schon Tage nach Beginn eines solchen Krieges nuklear verseucht gewesen wäre. Schweden war also keineswegs neutral, aber anscheinend interessieren solche Fakten Arte nicht.
 
Es ging dann viel in der Sendung um die Ostsee, die nach den Worten von Arte nach dem Kalten Krieg endlich „aus einem sowjetischen Meer des Kalten Krieges zu einer friedlichen europäischen See“ wurde. Kann mir jemand erklären, was die Ostsee zu einem „sowjetischen Meer“ gemacht hat? Arte versucht es zwar, indem erzählt wird, dass über die wichtigsten Ostseehäfen der Sowjetunion 25% des Seehandels der UdSSR abgewickelt wurde, aber was ist an Handel schlecht?
 
Natürlich geht es in keinem Artikel und keiner Sendung über Russland ohne die Ukraine und die Formulierungen über eine „russische Intervention und Annektion der Krim“, was gemäß Arte für Sorgen im Ostseeraum sorgte. Diese Sorgen gibt es in der Tat bei den baltischen Staaten, nur gibt es für diese Sorgen keinen objektiven Grund. Und dass es keine russische Intervention in der Ukraine gab, zeigt schon die Reihenfolge der Ereignisse. Zuerst hatte der Westen die Ukraine durch Unterstützung des Maidan destabilisiert, im Ergebnis wurde mitten in Europa 2014 eine laut OSZE-Berichten demokratisch gewählte Regierung mit Waffengewalt und unter Bruch der ukrainischen Verfassung weggeputscht. Erst danach kamen die anderen Ereignisse. Nur hört man von dieser Reihenfolge nie in den westlichen Medien, dort beginnt die Berichterstattung immer erst mit der russischen Reaktion auf die westliche Destabilisierung der Ukraine. Aber wer Ursache und Wirkung verwechselt, der betreibt per Definition Desinformation.
 
Dann berichtete Arte, dass im Zuge der Ukraine-Krise ein unbekanntes U-Boot vor der schwedischen Küste gesehen wurde, was Erinnerungen an ein vor der schwedischen Küste gestrandetes sowjetisches U-Boot in den 1980er Jahren wachruft. Das stimmt natürlich, nur gehört zu der Geschichte auch, dass man heute weiß, dass die angeblich sowjetischen U-Boote, die damals vor der schwedischen Küste gesichtet wurden, in Wahrheit vor allem italienische Mini-U-Boote waren, damals wurde aber gemeldet, dass es sowjetische U-Boote waren. Zur Wahrheit würde gehören, dass Arte auf dieses „Detail“ hinweist, denn heute weiß man eben, dass damals U-Boote der Nato als sowjetische U-Boote ausgegeben wurden, um die Entspannungspolitik des schwedischen Ministerpräsidenten Palme zu sabotieren. Palme ließ aber nicht stoppen und war sehr populär in Schweden. Seine Politik endete erst, als er von einem Unbekannten auf offener Straße erschossen wurde. Und die U-Boot Sichtungen endeten danach auch. Eine sehr interessante Reportage dazu lief auch mal im ZDF und weil Arte zum ZDF gehört, hätte man das wissen können und erklären müssen, wenn man objektiv und vollständig berichten möchte.
 
Und auch eine negative Meldung über Nord Stream darf da nicht fehlen. Dabei geht es nach der Erwähnung der Pipeline überhaupt nicht um Erdgas, sondern darum, dass die baltischen Staaten sich mit Stromleitungen Strom aus Polen, Finnland und Schweden kaufen, anstatt wie früher aus Russland. Aber es reicht ja aus, in all dem negativen Kontext auch Nord Stream zu erwähnen, damit der Zuschauer dies ebenfalls unterbewusst negativ assoziiert.
 
Und zum Schluss wird bei Arte gar ein Szenario an die Wand gemalt, nachdem Russland die schwedische Insel Gotland angreifen und erobern könnte, um von da aus dann die baltischen Staaten anzugreifen. Nur wozu das, wenn Russland doch lange Landgrenzen mit den baltischen Staaten hat? Offenbar wollte man um jeden Preis eine Bedrohung für Schweden an die Wand malen, egal wie absurd sie ist.
 
Übrigens hat Schweden, das sich offiziell über eine Bedrohung seiner Grenzen durch Russland sorgt, gerade seinen Bericht über die Verletzungen seiner Grenzen durch ausländisches Militär veröffentlicht. 2018 wurde die schwedische Grenze 13 Mal verletzt und zwar immer durch Nato-Länder, aber nicht ein einziges Mal durch Russland.
 
Aber wie gesagt, in der Zwölf-Minuten-Sendung ging es eigentlich um Schweden, aber Arte scheint bei so ziemlich jedem Thema ein russisches Feindbild malen zu wollen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar