Die Sicht der Anderen: Das russische Außenministerium über neue und alte Vorwürfe aus den USA

Am Donnerstag hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums auf ihrer wöchentlichen Pressekonferenz Stellung zu Vorwürfen aus den USA genommen, bei denen es auch um neue Sanktionsdrohungen der USA an Russland ging. Ich habe die Erklärung übersetzt.
 
Beginn der Übersetzung:
 
Wir haben auf die jüngste Erklärung des US-Außenministers, Herrn Pompeo, hingewiesen, dass Russland in eine Liste von Ländern aufgenommen wurde, die laut dem amerikanischen Gesetz über die internationale Religionsfreiheit „für mutwillige Verletzungen der Religionsfreiheit verantwortlich sind“. Was im US-Außenministerium passiert, ist nicht zu verstehen. Gibt es dort überhaupt noch Experten? Wir stellen bei den amerikanischen Spitzendiplomaten eine Art Parade unprofessioneller Aussagen fest. Ich appelliere an meine amerikanischen Kollegen, in Anbetracht dessen, dass all dies öffentlich ausgesprochen wurde, zu erklären: Welche bösartigen Verletzungen der Religionsfreiheit wurden in der Russischen Föderation registriert?
 
Der Vertreter des US-Außenministeriums für Religionsfreiheit in der Welt, S. Brown, kommentierte diesen Schritt und berichtete Reportern bei einem Briefing über Washingtons Absicht, in Zukunft Sanktionen gegen unser Land aufgrund bestimmter Verstöße gegen die Religionsfreiheit zu verhängen. Meinen Sie das ernst? Ich möchte die Frage stellen: Wurden die Wörter Russland und Ukraine bei der Vorbereitung vielleicht verwechselt? Es scheint, dass es um die Ukraine geht und im letzten Moment Russland eingefügt wurde.
 
Ich möchte Sie daran erinnern, dass die aktuellen Ereignisse in der Ukraine rund um die kanonische orthodoxe Kirche, die Verfolgung ihrer Priester und Laien sowie die ständigen Androhungen körperlicher Gewalt gegen sie niemanden in den Vereinigten Staaten interessieren. In der Ukraine wird in die Religionsfreiheit eingegriffen, Millionen Gläubigen wird eine fremde Autozephalie aufgezwungen und zwar durch die schismatischen Schritte des Präsidenten der Ukraine Poroshenko und des Patriarchen von Konstantinopel Bartholomeus. Wir verstehen, was hinter den Handlungen von S. Brownback und der gesamten Richtung der amerikanischen Diplomatie steckt, die sich mit diesen Fragen befasst: der Versuch, die Völker Russlands und der Ukraine spirituell zu spalten oder besser noch, sie aus religiösen Gründen gegeneinander zu hetzen. Und wer sich dagegen wehrt, wird entweder durch den ukrainischen Geheimdienst SBU verhört und inhaftiert oder unter amerikanische Sanktionen gestellt.
 
Das ist nur ein kurzer Überblick über die Absurdität der amerikanischen Außenpolitik.
 
Ehrlich gesagt sprengt das jeden Rahmen. Wir müssen immer wieder auf die Anschuldigungen zurückkommen, dass Russland in die amerikanischen Wahlen eingegriffen haben soll. Die entsprechenden Unterstellungen werden in den Vereinigten Staaten nun schon seit drei Jahren wiederholt. Und während dieser ganzen Zeit haben wir versucht, zuerst von der vorherigen Regierung und dann von der aktuellen Regierung zumindest einige harte Fakten zu erhalten. Jedes Mal betonten sie, dass sie bereit seien, auf Beschwerden zu reagieren, ein professionelles Gespräch zu führen und etwaige Bedenken ihrer amerikanischen Kollegen in diesem Zusammenhang zu diskutieren.
 
Es wurden jedoch keine echten Beweise gebracht. Entweder wurde uns gesagt, dass „die russischen Geheimdienste selbst alles wissen müssen“, oder sie verwiesen auf Materialien, die in den Medien und sozialen Netzwerken im Umlauf sind und nicht ernst genommen werden können.
 
Ich möchte an einige Argumente der amerikanischen Seite erinnern. Meine Lieblingsaussage ist die, die am 20. Oktober über die Beteiligung des Hauptbuchhalters der russischen Federal News Agency, Frau Husiaynova, erschien, die durch soziale Netzwerke die Wahl zum US-Kongress zu beeinflusst haben soll. Ich frage mich, wenn ein Buchhalter die Wahl zum US-Kongress beeinflussen kann, warum bezahlen sie dann Geld für all ihre Geheimdiensten (CIA, FBI, NSA)? Da ist eine Frau, die als Buchhalterin tagsüber Geld zählt und nebenbei, nach Feierabend, den Ausgang der Kongresswahl bestimmen kann.
 
Das Fehlen echter Beweise hinderte die US-Behörden nicht daran, gefälschte Vorwände für neue unfreundliche Schritte gegen Russland zu verwenden. Wir waren nicht überrascht, als das US-Außenministerium nach den Wahlen zum Kongress am 6. November Material aus dem Internet zur Verfügung stellte und versuchte, dies als Bestätigung der Versuche Russlands zu präsentieren, die Abstimmung zu beeinflussen.
 
Die Auswahl enthält Ausdrucke der Seiten der Website „usaira.ru“ und des Twitter-Kontos „@ IRA_USA1“, auf dem einige Tage vor der Wahl Nachrichten angeblich von der Petersburger Internet-Forschungsagentur an die Amerikaner gerichtet wurden, in denen es hieß „die Russen kontrollieren Eure Wahl, es spielt keine Rolle, ob Ihr wählen geht oder nicht.“ Im Anhang befindet sich auch ein Artikel zu dieser Geschichte, der am 6. November auf der Ressource „thinkprogress.org“ veröffentlicht wurde. Der Autor versucht, die erwähnte Website mit dem Unternehmen Azimut LLC zu verbinden, das in der Untersuchung des Sonderermittlers Mueller eine Rolle spielt. Es scheint, dass ein Schulkind verstehen kann, dass dies alles eine krasse und plumpe Fälschung ist.
 
Trotzdem haben wir die vom US-Außenministerium übermittelten Materialien sorgfältig analysiert und eine Cyberuntersuchung durchgeführt. Als Ergebnis der Untersuchung der Metadaten der Domain „usaira.ru“ wurde festgestellt, dass sie Anfang 2017 erstmals registriert wurde und bis November 2018 zu einem russischsprachigen Online-Shop gehörte, in dem Elektrogeräte (Wasserkocher, Heizgeräte) verkauft wurden. Die Domain wurde am 2. November, also kurz vor den Wahlen, für ein Jahr von unbekannten Benutzern gekauft, die Azimut LLC im Feld „Registrierungsdaten“ angegeben hatten. Dann wurde die Seite unter Verwendung des genannten Domainnamens technisch gestaltet und gehörte angeblich der Petersburger Internet-Forschungsagentur.
 
Es wurde kein Hinweis auf die Beteiligung russischer Bürger und Organisationen, einschließlich Azimut LLC, an der Erstellung dieser Website festgestellt. Das alles hier ist wie ein Witz über Stirlitz (das sind in Rusland populäre Witze über einen imaginären deutschen Spion mit Namen Stirlitz in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, Anm. d Übersetzers). Vielleicht sagt das den Amerikanern nichts, aber für unsere Leute sollte es klar sein.
 
Eine Überprüfung des Käufers wird während der Domainregistrierung nicht durchgeführt. Daher können wir nur vermuten, wer hinter dieser anti-russischen Provokation steckt und warum. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Fälschung über die Ressource thinkprogress.org kam, die zu der in Washington ansässigen NGO Center for American Progress gehört. Sie wird von George Soros finanziert und ist eng mit der Führung der US-Demokratischen Partei verbunden.
 
Ich habe eine Frage: Hätten man das nicht vor der Veröffentlichung den US-Geheimdiensten zur Prüfung vorlegen können? Neulich schrieb uns US-Außenminister Pompeo etwas über Korruption und Verschwendung von Steuergeldern bei uns. Vielleicht sollten Sie das Geld Ihrer eigenen Steuerzahler schützen und Ihre Geheimdienste fragen, bevor amerikanische Diplomaten den russischen Beamten so einen Unsinn präsentieren.
 
Mich beispielsweise interessiert die Reaktion von US-Präsident Trump, wenn ihm diese Geschichte erzählt wird. Es wäre sehr sinnvoll, Trump zu zeigen, wo diese Falschmeldungen ihre Wurzeln haben.
 
Die Wurzeln dieser Geschichte sowie die gesamte Kampagne zum Thema „russische Wahlbeeinflussung“, die seit langem zu einem „Theater der Absurditäten“ geworden ist, müssen in den Vereinigten Staaten und in der amerikanischen Innenpolitik gesucht werden. Es bleibt nur noch, Washingtons politischen Strategen zu empfehlen, der Farce ein Ende zu setzen und die Irreführung ihrer eigenen Bürger und der Weltöffentlichkeit zu beenden und professioneller in den Fragen zu werden, die ihnen anvertraut wurden.
 
Ich möchte hinzufügen, dass die Ergebnisse dieser Internetuntersuchung in Kürze über offizielle Kanäle nach Washington gesendet werden.
 
Ende der Übersetzung
 
Wenn Sie sich für die russische Sicht auf die internationale Politik interessieren, sollten Sie sich mein Buch einmal ansehen, in dem ich Putin selbst mit langen Zitaten zu den aktuellen Fragen zu Wort kommen lasse. Dies Buch war aus meiner Sicht notwendig, weil in den westlichen Medien zwar viel über Putin berichtet wird, aber er selbst nie zu Wort kommt. Und wenn doch, werden seine Aussagen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie einen völlig anderen Sinn bekommen.
Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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