Manipulation einer Manipulation – und wer kein Russisch versteht, kann es nicht überprüfen

Angeblich hat das Weiße Haus einen entscheidenden Satz zur russischen Unterstützung Trumps im US-Wahlkampf aus dem Protokoll der Pressekonferenz von Putin und Trump entfernt. So schreibt es der Tagesspiegel. Und die Links in dem Artikel scheinen das zu bestätigen. Problem: sie sind auf Englisch, Putin gab seine Antwort jedoch auf Russisch. Und wenn die Englische Übersetzung falsch ist, dann kann das niemand überprüfen. Denn wer kann schon Russisch?
Zunächst zu den Behauptungen im Tagesspiegel und dann zu den tatsächlichen Aussagen. Der Tagesspiegel schrieb: „Jeff Mason, ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, stellt diese Frage: „Präsident Putin, wollten Sie, dass Präsident Trump die Wahlen gewinnt, und haben Sie irgendeinen ihrer Mitarbeiter beauftragt, ihm dabei zu helfen?“ Darauf antwortet Putin, laut englischer Übersetzung: „Ja, das tat ich. Ja, das tat ich. Weil er darüber geredet hatte, die russisch-amerikanischen Beziehungen wieder normalisieren zu wollen.“ Frage und Antwort sind auf Live-Mitschnitten der Pressekonferenz deutlich zu sehen und zu hören. Es war genau so und nicht anders.“ Im nächsten Absatz geht es um das offizielle Protokoll, das das Weiße Haus danach veröffentlicht hat: „Doch darin fehlt der erste, für das Verständnis entscheidende Teil der Frage des Reuters-Reporter. Die Mitschrift beginnt mit dem zweiten Teil – „haben Sie irgendeinen ihrer Mitarbeiter beauftragt, ihm dabei zu helfen?“. Worauf sich das bezieht, ist unklar. Es fehlt der Kontext. Auf dem offiziellen Video des Weißen Hauses über die Pressekonferenz wurde dieser erste Teil der Frage ebenfalls herausgeschnitten. In der russischen Niederschrift fehlt nicht nur die Frage des Reporters sondern auch Putins Antwort.
Interessant ist, dass die Behauptung, die der Tagesspiegel aufstellt, gar nicht stimmt. Denn in dem mit dem Artikel verlinkten Protokoll des Weißen Hauses fehlt gar nichts. Dies habe ich per copy/paste aus dem Protokoll hier eingefügt und jeder kann sehen, dass der Tagesspiegel sich diese Geschichte ausgedacht hat:
Q President Putin, did you want President Trump to win the election? And did you direct any of your officials to help him do that?
PRESIDENT PUTIN: (As interpreted.) Yes, I did. Yes, I did. Because he talked about bringing the U.S.-Russia relationship back to normal
 
Man kann also festhalten, dass Putin darauf geantwortet haben soll „Ja, das tat ich, ja das tat ich“ und nun denkt man, Putin hätte Trump unterstützt und alle Vorwürfe der Medien gegen Trump und Putin seien wahr.
Ich spreche Russisch und habe die Pressekonferenz live im Fernsehen verfolgt. In der Tat war ich über diesen Punkt überrascht, denn Putin hat zum ersten Mal zugegeben, dass er wollte, dass Trump gewinnt. Dies hatte er früher nie gesagt.
Der Reporter fragte auch wirklich, ob Putin gewollt hat, das Trump die Wahl gewinnt und ob er jemanden beauftragt hat, zu helfen. Putins Antwort war „Ja, ich wollte, dass er gewinnt, weil er sich für eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen ausgesprochen hat.“
Damit ist die Behauptung im Tagesspiegel falsch. Der Tagesspiegel behauptet, Putin hätte auf die Frage, ob er jemanden beauftragt hätte, Trump zu helfen, mit „Ja, das tat ich“ geantwortet. Tatsächlich war dies nicht Putins Antwort, seine Antwort war „Ja, ich wollte, dass er gewinnt“. Und „wollen“ und „tun“ sind auch auf Russisch verschiedene Wörter, Irrtum ausgeschlossen.
Interessant ist, dass der Tagesspiegel auch behauptet, dass in der vom Kreml veröffentlichten russischen Variante des Protokolls sowohl die Frage des Reporters, als auch Putins Antwort ganz fehlen. Auch dies ist nicht wahr. Allerdings sind sie verändert worden. In der russischen Variante heißt es:
 
Frage: Herr Präsident, wollten Sie das Präsident Trump die Wahl gewinnt?
Putin: Weil er über eine Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen gesprochen hat…
Hier fehlt also sowohl der zweite Teil der Frage zum Thema russische Unterstützung, als auch Putins „Ja“ am Anfang des Satzes.
Wer kein Russisch versteht, der kann sich die von RT veröffentlichte live übertragene Pressekonferenz mit deutscher Übersetzung ansehen. Der entscheidende Moment ist in Minute 32, wobei allerdings der Simultandolmetscher sich verhaspelt und den zweiten Teil der Frage nicht übersetzt, weil Putin so schnell antwortete. Allerdings ist Putins „Ja“ übersetzt worden und dort zu hören.
Aber der Tagesspiegel hat mit seiner objektiv und nachprüfbar falschen Berichterstattung den Eindruck erweckt, dass Putin erstens zugegeben hätte, Trump im Wahlkampf unterstützt zu haben und dass zweitens sowohl das Weiße Haus als auch der Kreml versuchen, dies zu verschweigen. Und beides ist gelogen, denn wie gesehen hat Putin dies nicht zugegeben und im Weißen Haus ist nichts aus dem Protokoll entfernt worden, im Protokoll des Kreml jedoch ist diese Passage leicht verändert worden, aber eben nicht, wie vom Tagesspiegel behauptet, komplett entfernt worden.
Oder um dem Tagesspiegel die Antwort auf seine in der Überschrift gestellte Frage „Warum wurde das Protokoll des Weißen Hauses manipuliert?“ zu geben: Wurde es doch gar nicht, aber warum behauptet Ihr es dann?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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