Syrien: Die weitere Entwicklung der Eskalation am Montag
Heute gibt es viele Nachrichten aus Syrien. Einerseits sind das Erfolgsmeldungen der syrischen Armee, andererseits beunruhigende Nachrichten über eine weitere Zuspitzung des Konflikts mit der Türkei.
Die Situation in Syrien ist unübersichtlich und kompliziert. Die nordwestliche Provinz Idlib ist die letzte Zuflucht der von einem Al-Qaida-Ableger dominierten Islamisten. Diese Islamisten werden von der Türkei offen unterstützt und die Türkei hat dort etwa ein Dutzend Beobachtungsposten eingerichtet und in der letzten Zeit über 100 gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie und Flugabwehrraketensysteme ins Land gebracht, von denen zumindest einige an die Al-Qaida übergeben worden sind.
Im Gegensatz dazu will Syrien, das von Russland unterstützt wird, die Provinz wieder unter seine Kontrolle bekommen und das letzte Nest der Terroristen ausradieren. Da die Terroristen immer wieder Artillerie-Angriffe auf syrische Truppen und Wohngebiete im nahe gelegenen Aleppo durchgeführt haben, sind die Syrer nun in die Offensive gegangen, wobei es auch bewaffnete Zusammenstöße mit der türkischen Armee gab, bei denen auf beiden Seiten Soldaten gestorben sind.
Die syrische Armee hat auf ihrem Vormarsch eine wichtige Straße und auch dutzende Ortschaften zurück erobert. In Aleppo nimmt nun auch der zivile Flughafen nach Jahren wieder den Betrieb auf und wird am 19. Februar wieder die ersten Flugzeuge empfangen. Die syrische Armee hat auch wieder einen „humanitären Korridor“ eröffnet, über den Zivilisten aus Idlib nach Süden aus der Kampfzone gelangen können. Allerdings haben die Islamisten in der Vergangenheit diese Korridore oft sabotiert und den Zivilisten den Durchgang verwehrt.
Interessanterweise kritisiert der Westen die Syrer und die Russen, weil sie gegen die Al-Qaida vorgehen. In den Medien wird gerne von der „Opposition“ oder der „Freien Syrischen Armee“ gesprochen, anstatt die Islamisten der Al-Qaida beim Namen zu nennen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass in der Region bis zu einer Million Zivilisten in der Falle sitzen und man eine humanitäre Katastrophe befürchtet. Diese Gefahr ist sicher gegeben, wäre aber zu vermeiden, wenn die Islamisten die Zivilisten abziehen lassen würden.
Aber was wäre die Alternative? Soll etwa an der Grenze zur Türkei, direkt vor der Haustür Europas ein Gebiet geduldet werden, in dem die Al-Qaida herrscht und nach Lust und Laune Terroristen ausbilden, bewaffnen und dann in die Welt entlassen kann? Das kann niemand ernsthaft wollen, aber trotzdem stellt sich der Westen gegen die syrisch-russischen Versuche, das Terrornest zu beseitigen. Oder mit anderen Worten: Der Westen spricht sich gegen einen Angriff auf die Al-Qaida aus.
Beim Spiegel konnte man heute erfahren, dass Trump mit Erdogan telefoniert hat. Dort hieß es:
„Bereits mehrfach hat die türkische Regierung Russland aufgefordert, das syrische Regime in seinem gnadenlosen Feldzug nicht länger zu unterstützen. Nun schließt sich US-Präsident Donald Trump dieser Forderung an. Er hat Russland aufgefordert, die „Gräueltaten“ der syrischen Regierung in dem Bürgerkriegsland nicht länger zu unterstützen.“
Die diplomatischen Drähte vor allem zwischen Russland und der Türkei laufen heiß, weil beide Seiten Positionen vertreten, die nicht miteinander vereinbar sind. Russland hat immer gesagt, dass es Idlib nicht auf ewig in den Händen der Terroristen belassen werde, während die Türkei die Al-Qaida offen unterstützt. Wenn niemand nachgibt, dürfte es früher oder später zu Zusammenstößen zwischen türkischem und russischem Militär kommen, wie der Spiegel korrekt berichtet hat:
„Bei den Kämpfen um Idlib gab es zuletzt Zusammenstöße zwischen syrischen Regierungstruppen und Einheiten der türkischen Streitkräfte. Ankara hat Assad mit Vergeltung gedroht, sollten syrische Truppen weiter die türkische Armee angreifen. „Das Regime muss das wissen: Die Türkei wird dort keine Grenzen kennen, sollte es weiter solche Angriffe auf unsere Truppen geben“, sagte Vizepräsident Fuat Oktay am Samstag. Diese Botschaft sei auch Russland übermittelt worden.“
Manche Kommentatoren befürchten, dass daraus ein Krieg zwischen der Nato und Russland entstehen könnte, denn die Türkei könnte den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages ausrufen. Aber die Nato hat dem bereits eine Absag erklärt, wie die russische TASS unter Berufung auf einen nicht genannten, hohen Nato-Vertreter mitteilte:
„Der Tod türkischer Soldaten in Idlib ist eine tragische Tatsache, aber das geschah im Verlauf einer einseitigen militärischen Operation auf ausländischem Gebiet, was nicht in den Rahmen von Artikel 5 fällt. Das versteht auch die türkische Seite, darum sucht sie keine Konsultationen mit der Nato über dieses Thema.“
Während die westlichen Medien nur über die schlechten Nachrichten berichten, gibt es aber auch gute Nachrichten. Die Menschen in Aleppo haben auf die Befreiung von Städten bei Aleppo und der wichtigen Verbindungsstraße mit Freudenfeiern reagiert. Die Menschen vor Ort scheinen die Lage anders zu beurteilen, als die Strategen in den Redaktionen westlicher Medien.
Auch an Deutschland geht das nicht spurlos vorbei. Aus dem Krieg kommen immer mehr Kämpfer mit deutschem Pass nach Deutschland zurück. Die Bundesregierung teilte in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mit:
„Mit Stand 15. November 2019 liegen der Bundesregierung zu 122 der zurückgekehrten Personen Erkenntnisse vor, dass sie sich mindestens zeitweise dem sog. IS angeschlossen haben. (…) Zu 67 der nach Deutschland zurückgekehrten Personen mit IS-Bezug liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben.“
Das scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein, denn alleine in Berlin sind 65 IS-Heimkehrer bekannt:
„Von den 135 Islamisten, die in den vergangenen Jahren ausgereist sind, um sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien und den umliegenden Kriegsgebieten anzuschließen, sind 65 zurück in Berlin. Ein Teil davon hat Kampferfahrung, wie der Berliner Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) am Mittwoch im Ausschuss für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses sagte.“
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Für die Beschreibung des „Doublethink“ wie jetzt mit Al-CIAda hätte Orwell sogar post Mortem noch einen Nobelpreis verdient.