Anti-Spiegel bei Putins Jahrespressekonferenz: Erster Erlebnisbericht
Über die Fragen der Journalisten und die Antworten von Putin werde ich in den nächsten Tagen berichten, jetzt will ich erst einmal einen Erlebnisbericht über Putins Jahrespressekonferenz schreiben, weil ich dazu so viele Fragen bekommen habe.
Viele meiner Leser haben mich gefragt, wie es denn auf der Pressekonferenz gewesen ist. Da dies auch für mich die erste Veranstaltung dieser Art war, denke ich, dass ich das wohl ähnlich erlebt habe, wie es die meisten von Ihnen es auch erlebt hätten. Daher geht es hier nicht um die große Politik, sondern darum, wie man ein solches Event als Teilnehmer erlebt.
Ich bin am Dienstagabend von Petersburg nach Moskau geflogen, der Flug dauert knapp anderthalb Stunden und in Moskau sind alle Flughäfen mit Zugverbindungen ins Stadtzentrum angebunden. Das macht in der 13-Millionen-Metropole auch Sinn, denn die Staus dort sind weit jenseits dessen, was man sich in Deutschland vorstellen kann. Nach einer Stunde Zugfahrt war ich im Zentrum, von dort musste ich noch 40 Minuten mit der U-Bahn fahren, bis ich bei meinem Hotel war. Das hätte auch schneller gehen können, aber ich habe kein Hotel im Stadtzentrum gewählt, weil ich aus den Jahren 2003 bis 2006, als ich in Moskau gearbeitet habe, noch einige Freund dort habe. Das Hotel habe ich geografisch so gewählt, dass ich die an den Abenden endlich mal wieder besuchen konnte.
Am Mittwoch hatte ich einige Meetings, über die ich hier aber nichts schreiben möchte. Auch in Russland bin ich einigen Leuten aufgefallen und es war interessant, sich mal persönlich auszutauschen. Kontakte knüpfen und ein wenig Networking hat noch niemandem geschadet.
Außerdem musste ich mir die Akkreditierung noch abholen, die man braucht, um bei der Pressekonferenz eingelassen zu werden. Bei fast 2.000 akkreditierten Journalisten hatte ich befürchtet, dass das lange dauern würde und es lange Warteschlangen geben würde. Aber nichts da: Inklusive Sicherheitskontrolle wie am Flughafen, war ich schon nach vier Minuten wieder mit dem Plastikausweis auf der Straße, es ging sehr schnell.
Zur Akkreditierung gab es noch eine Pressemappe mit den üblichen Souvenirs. Ich bin nun „stolzer Besitzer“ eines Kalenders, einer Mappe, eines Schreibblocks und eines Kugelschreibers mit der Aufschrift „Pressekonferenz des russischen Präsidenten 2019.
Für Donnerstag stand im Programm, dass diejenigen, die ihre Akkreditierung noch nicht erhalten hatten, diese am Ort der Veranstaltung ab 8 Uhr bekommen können. Die akkreditierten Journalisten sollten sich zwischen 10 und 11 Uhr versammeln, der Saal sollte um 11 Uhr geöffnet werden.
Ich kam also um 10 Uhr an, um festzustellen, dass vor den Türen des Saals bereits riesige Menschentrauben warteten. Ich habe mich da also auch hingestellt, um noch eine Chance auf einen guten Platz zu bekommen. Das Kalte Buffet habe ich daher leider verpasst.
Und so standen wir dort eine Stunde rum.
Im Fernsehen werden immer Journalisten gezeigt, die in auffälligen Kostümen angekommen sind, um aufzufallen und so eine größere Chance zu haben, auch eine Frage zu stellen. Tatsächlich waren das jedoch nur sehr wenige, hinter denen aber alle Kamerateams her waren, um sie zu filmen und zu interviewen. Ansonsten war es eine Atmosphäre, wie in jeder anderen Warteschlange der Welt.
Eine Stunde Wartezeit ist lang und die einzige Ablenkung war ein Mann, der Journalistinnen fotografierte und ihnen dann immer das gleiche Gespräch aufdrängte: Die Organisation hier sei ganz schrecklich! Als er „vor langer Zeit, im Jahre 1998“ die erste Pressekonferenz für Putin als FSB-Chef organisiert hat, da war alles viel besser. „Sie müssen nämlich wissen, dass ich damals, vor langer Zeit, im Jahre 1998, Putins Pressechef beim FSB war“. Zur aktuellen Pressekonferenz war er für irgendeine kleine Zeitung angereist, von der ich noch nie gehört habe, und er bot allen an, ihnen sein Buch zu schicken und auch Berichte über Putins erste Pressekonferenz, die er „vor langer Zeit, im Jahre 1998“ für den heutigen Präsidenten organisiert hat.
Es waren nicht viele, die ihm ihre Visitenkarte gegeben haben. Als er mich ansprach, habe ich so getan, als könnte ich kein Russisch. Manchmal ist es ganz gut, Ausländer zu sein.
Als dann endlich die Türen geöffnet wurden, wurde noch einmal die Akkreditierung geprüft und als ich endlich im Saal war, waren schon alle Plätze besetzt. Das war dann auch das einzig Negative an der ansonsten perfekt organisierten Veranstaltung: die Plätze haben nicht für alle Journalisten gereicht und als angekündigt wurde, dass die Gänge frei sein müssten und Stehplätze nicht vorgesehen seien und dass jeder, der keinen Platz bekommen hat, eben draußen im Pressezentrum zuschauen müsse, wurde es recht unruhig.
Ich kann das verstehen, ich hatte es – für russische Verhältnisse – nicht weit nach Moskau. Aber wenn jemand aus Wladiwostok über acht Zeitzonen angereist ist, nur um dann am Fernseher zuschauen zu müssen, dann ist verständlich, dass der sauer wird.
Auch ich wollte nicht ins Pressezentrum. Und Frechheit siegt bekanntlich.
Der Saal ist so aufgebaut, dass da zuerst die Reihen der Sitzplätze sind und dahinter kommen oben die Kamerateams. Hinter den Kamerateams habe ich hinter einer Absperrung einen Stuhl gefunden und mich erst einmal hinter die Kamerateams gesetzt. Damit hatte ich einen Sitzplatz und musste den Saal nicht verlassen.
Es ging da oben recht locker zu und mir gelang es, mich dann während der Pressekonferenz zwischen zwei Kameras zu stellen, sodass ich doch alles verfolgen und auch mein Schild hochhalten konnte. Aber eine Frage zu stellen, war damit eigentlich schon unmöglich, obwohl ich es hartnäckig versucht habe.
Nach der Pressekonferenz letztes Jahr sind die Regeln ein wenig strenger geworden. Im letzten Jahr hatten die Journalisten alles mögliche dabei, um aufzufallen: Riesige Plakate und große Flaggen zum Beispiel. Das behindert aber die Sicht vor allem der Kameras und so gab es dieses Mal die Regel, dass nur Schilder im Format A-4 erlaubt waren. Ich hatte mir zwar für alle Fälle auch eins im Format A-2 gedruckt, aber das wurde mir schon am Eingang abgenommen.
Die Pressekonferenz selbst war für mich sehr interessant, aber es waren nicht sehr viele Fragen dabei, über die ich berichten werde. Es ging zum größten Teil um die russische Innenpolitik und ich denke, dass die Fragen zum russischen Gesundheitssystem oder der Entwicklung von Regionen in Sibirien für deutsche Leser nicht allzu interessant sind. Oft dürften die Fragen und Antworten für deutsche Leser auch gar nicht verständlich sein, weil man ja auch die Hintergründe und die aktuelle Situation kennen muss, um Frage und Antwort zu verstehen. Und wer in Deutschland weiß schon, wie das russische Gesundheitssystem funktioniert, welche Stärken und Schwächen es hat, oder was sich irgendwo in Sibirien abspielt.
Aber die Fragen zur internationalen Politik, werde ich in den nächsten Tagen übersetzen.
Weil mich so viele danach gefragt haben, welche Frage ich mir ausgedacht habe: Ich wollte Putin fragen, wie er die Perspektiven der russisch-deutschen Beziehungen einschätzt, wenn Merkel spätestens 2021 abtritt. Alle möglichen Kanzlerkandidaten, also Friedrich Merz und Kramp-Karrenbauer von der CDU und Habeck von den Grünen, sind nicht für Russland-freundliche Positionen bekannt, um es harmlos auszudrücken. Und dann wollte ich Putin noch fragen, ob er den Deutschen nicht auf Deutsch ein paar Worte zu Weihnachten und Neujahr sagen könnte. Wir werden leider nie erfahren, ob er das getan hätte.
Wen es interessiert, der kann sich die ganze Pressekonferenz auf YouTube anschauen, denn es gab Synchronübersetzungen auf Englisch, Französisch und Deutsch. Dennoch werden sich meine Übersetzungen in Details unterscheiden, Synchronübersetzungen sind nie perfekt und es gehen dabei oft Feinheiten verloren. Die Dolmetscher machen einen hervorragenden Job, Synchronübersetzungen sind sehr schwierig, aber manchmal fällt einem dabei ein Wort nicht ein und man übersetzt zwar den Sinn einigermaßen, aber wenn man beim Übersetzen Zeit zum Nachdenken hat, wird die Übersetzung besser und exakter.
Inzwischen bin ich wieder zu Hause angekommen und muss mich nun erst einmal durch die Nachrichten der letzten Tage arbeiten, bevor ich die nächsten Beiträge schreibe. Aber diesen Kurzbericht wollte ich schon einmal veröffentlichen, weil ich so viele Mails mit Fragen bekommen habe. Der Rest kommt in den nächsten hier beim Anti-Spiegel.
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.
9 Antworten
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Danke für die Eindrücke! Vom Spiegel habe ich gestern gelernt, dass Putin pressescheu sei und die Veranstaltung für Journalisten entwürdigend.
Die Bereitschaft, Rede und Antwort zu stehen wird also bei uns nicht gewürdigt, weil es eben Putin ist.
Ebenso wurde der von mir bewunderte Umstand, dass er enorm viele Fakten der unterschiedlichen Ressorts im Kopf hat, Zahlen genau kennt – dies wurde in ein schlechtes Licht gerückt. „Der Machthaber hat sie alle im Blick“ soll da transportiert werden.
Schön zu hören, dass es viel um Innenpolitik ging. Manchmal fragte ich mich schon, ob Putin ausschließlich Aussenpolitik betreibt. Das ist zwar aller Ehren wert, aber eben nicht alles.
Es ging fast nur um Innenpolitik. Außenpolitisch ist doch alles klar: zur Ukraine gab es gerade erst Pressekonferenzen, zu Syrien gibt es nichts Neues und das Thema Sanktionen interessiert in Russland mittlerweile niemanden mehr, man hat sich daran gewöhnt gut damit eingerichtet.
Sie meinen also, daß uns russische Innenpolitik nicht interessiert? Nun da haben wir offensichtlich ein fundamentales Problem.
Wenn in „Gottes eigenem Land“ diesbezüglich auch nur der kleinste „Furz“ gelassen wird, erfahren wir alles über dessen „Geruch“, „Aggregatzustand“, e.t.c., e.t.c. bis ins kleinste Detail. Jedoch , um ehrlich zu sein, inzwischen interessiert uns z.B. dieses lächerliche „Impeachment“ wie die letzte Wasserstandmeldung, zumal hierzulande nahezu jeder glaubt, dazu vermeintlich erwähnenswertes verkündigen zu müssen.
Fällt Ihnen nicht auf, wie absurd Ihre eingangs erwähnt Annahme ist?
Wir leben in einer absurden Welt, trotzdem ist es (leider) so, wie ich gesagt habe: Von diesen Themen weiß in Deutschland niemand etwas und es interessiert auch kaum jemanden.
Sehr geehrter Herr Röper,
letzter Versuch.
„Wenn ich von etwas keine Ahnung habe, dann interessiert mich das auch nicht, weil ich eben keine Ahnung habe.“
Wie wollen Sie Verständnis für ein Volk, besser für die Völker der RF, noch besser für den rußländischen Staat, vermitteln, wenn Sie von vornherein davon absehen, auf das einzugehen, was diesen Staat im Inneren umtreibt?
Ich schließe mich gerne dem Kommentar von @Humml an. Warum nicht mal einen ersten Einblick darüber erhalten, wie die Russen ihr Gesundheitssystem organisieren oder wie sie wenig besiedelte Regionen entwickeln? „Aufbau Ost“ ist in den Weiten Russlands sicherlich noch mal ein anderes Kaliber, als bei uns. I
ch fände es spannend, mehr darüber zu erfahren. Dann könnte ich nächstes Jahr die Pressekonferenz schauen und sagen: „Guck mal, bei der Hälfte der Themen weiß ich, von was der Mann da spricht – und wenn ich fleißig Anti-spiegel lese, verstehe ich kommendes Jahr vielleicht auch die andere Hälfte.“
Also mich würde das durchaus sehr interessieren. Ich finde das sogar teilweise spannender als Außenpolitik, da es komplett neue Blickwinkel ermöglicht und Themen eröffnet über die man bisher gar nichts weiß. Außerdem kann sowas auch immer lehrreich sein für das Nachdenken über eigene Konzepte und Lösungen.
Vor 2 Tagen durch Zufall bei Youtube eine Arte Doku über die Wasserprobleme im Iran gesehen. Die Autoren haben null Außenpolitik in ihre Doku reingebracht, sondern nur Innenpolitik und das war äußerst spannend und für mich sogar fast alles neu.
Der Putin und sein Russland sind offensichtlich so „isoliert“ und „unwichtig“, dass die Pressekonferenz aus allen Nähten platzt! Und, wir haben Putin erlebt, wie er ist, er hat auch seine Äußerungen zum Auslieferungsersuchen im Fall des Tiergartenmordes korrigiert, was einer Merkel, einem Maas oder überhaupt einem westlichen Politiker nicht im Traum einfallen dürfte! Und, der Maas hat auch gelogen!
„Für den Bereich der justiziellen Rechtshilfe kann ich Ihnen mitteilen, dass das erste justizielle Rechtshilfeer-suchen der Staatsanwaltschaft Berlin am 6. Dezember 2019 und das zweite am 10. Dezember 2019 an die Ge-neralstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation über-sandt worden ist.“ Teilt Innen-Staatssekretär Mayer auf Anfrage von S. Dagdelen i, Plenarprotokoll 19/136 des Bundestages mit!
Lieber Thomas Röper,
vielen Dank für den Beitrag. Ich habe Ihr Buch gelesen und bin ganz begeistert, von Ihrer Ausführlichkeit. Ich habe schon viele Bücher von verschiedenen Autoren über Russland gelesen, aber keines war so spannend und ausführlich. Über die außenpolitischen Themen der RF bin ich inzwischen gut informiert, aber mich würden auch andere Dinge interessieren. So z.B. wie es in verschiedenen Regionen zu geht oder wie das ist mit dem Gesundheitssystem oder eben Rentenversicherung.
Es ist schon erstaunlich wie Wladimir Putin auf Fragen antwortet. Ich kenne keinen Deutschen Politiker der so ausführlich antwortet. Keiner der Deutschen Politeleite kann der RF das Wasser reichen. danke ich verfolge auch die Sendungen mit Robert Stein. Danke, danke Rita