Nato feiert 70. Geburtstag, aber keine Feierlaune beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in London
Am Dienstag und Mittwoch treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Nato in London. Eigentlich sollte der 70. Geburtstag des Blocks gefeiert werden, nach feiern ist aber niemandem zu Mute. Die Nato steckt in der Krise.
Im April wurde die Nato 70 Jahre alt und eigentlich wollte sich die Nato in diesem Jahr feiern. Aber im Bündnis häufen sich die Probleme und Meinungsverschiedenheiten, sodass die Feier abgesagt wurde. Schon der Empfang zum 70. im April in Washington glich eher einer Pflichtveranstaltung, als einem Geburtstagsfest, wie das russische Fernsehen damals nicht ohne Schadenfreude berichtet hat. Und die „Gratulation“ des russischen Außenministeriums im April war eher eine Generalabrechnung mit der fatalen Bilanz der Nato-Kriege in Jugoslawien, Nordafrika, dem Nahen Osten und Afghanistan. Wenn die Nato in diese Länder Demokratie und Wohlstand bringen wollte, ist sie mit Pauken und Trompeten gescheitert. Wenn sie Chaos, Elend, Tod und Zerstörung bringen wollte, kann sie sich auf die Schulter klopfen.
Aber natürlich konnte auch niemand erwarten, dass Russland für die Nato viele freundliche Worte übrig haben würde.
Und die russische Kritik ist auch nicht der Grund für die gedrückte Stimmung, die die Nato seit einiger Zeit beherrscht. Vielmehr geht es um die vielen Streitpunkte zwischen den Nato-Mitgliedern, die immer offener zu Tage treten. Die USA drohen dem Nato-„Partner“ Türkei mit Sanktionen, weil die Türkei sich erdreistet hat, das russische Flugabwehrsystem S-400 zu kaufen, anstatt der amerikanischen Patriot-Raketen. Dass die Türkei ursprünglich die Patriots kaufen wollte, Washington sich aber geweigert hatte, sie der Türkei zu verkaufen, wird dabei gerne vergessen.
Als erste Reaktion wurde die Türkei aus dem F-35 Programm der USA geworfen und nun besteht sogar die Möglichkeit, dass die Türkei als Ersatz russische Kampfjets kauft. Das dürfte den Streit dann noch einmal verschärfen.
Die Türkei ist noch aus einem anderen Grund sauer auf die Nato. Man kann die Türkei verstehen oder nicht, aber aus ihrer Sicht droht ihr Gefahr durch kurdische Terroristen der PKK, die von Kurden aus Syrien unterstützt werden. Und diese syrischen Kurden waren lange Zeit mit dem Nato-Partner USA verbündet. Mehr noch: Auch Deutschland hat die Peschmerger, eine andere Kurdenorganisation, ausgebildet und mit Waffen beliefert, die dann teilweise auch ihren Weg gefunden haben, um gegen die Türkei eingesetzt zu werden. Die Türkei hatte sogar schon angedroht, dem neuen Nato-Plan gegen die „russische Bedrohung“ ihre Zustimmung zu verweigern, wenn die Nato nicht endlich die Türkei beim Schutz ihrer nationalen Sicherheit unterstützt.
Und als ob das nicht reicht, ist auch noch Frankreich aus der Reihe getanzt. Ende August hat Macron in einer Rede vom Ende der westlichen Dominanz gesprochen und sich ausdrücklich für eine Annäherung Europas an Russland ausgesprochen. Zuvor hatte er – unmittelbar vor dem G7-Treffen in Frankreich – Russlands Präsidenten Putin empfangen und nach seiner Rede hat Macron mitgeteilt, mit Russland eine Arbeitsgruppe einzurichten, die eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa erarbeiten solle.
Für die USA, die sich alle Mühe geben, das Feindbild Russland weiter aufzubauen, war das ein Schlag ins Gesicht. Aber Macron ließ sich nicht beirren und legte Anfang November in einem Interview mit dem Economist nach. Wieder forderte er eine andere Politik gegenüber Russland und sagte, dass es ein großer Fehler sei, wenn Europa keinen gemeinsamen Weg mit dem Nachbarn im Osten findet. Macron bezeichnete die Nato in dem Interview als „hirntot“.
Da Macron in diesem Zusammenhang die Türkei direkt kritisiert hatte, antwortete Erdogan, nicht die Nato sei hirntot, sondern Macron. Frankreich hat als Reaktion den türkischen Botschafter einbestellt und eine Protestnote überreicht.
Harmonie unter Verbündeten sieht anders aus. Und dann gibt es da ja noch Trump, der auch nicht eben als Garant für eine stabile Nato gilt.
Man versteht, warum die Nato derzeit nicht eben in Feierlaune ist. Das Treffen in London war als Gipfeltreffen angekündigt. Zu einem Gipfeltreffen gehört aber immer eine gemeinsame Abschlusserklärung und Generalsekretär Stoltenberg scheint zu befürchten, dass man sich auf keine solche Erklärung einigen kann, angesichts all des Streites in der Nato. Und so wurde das Treffen diplomatisch heruntergestuft. Nun ist es kein Gipfeltreffen (englisch Summit) mehr, sondern ein Treffen der Staats- und Regierungschefs (englisch Leaders Meeting). Das braucht keine gemeinsame Abschlusserklärung. Und wohl auch keine Geburtstagsfeier.
Stoltenberg versucht derweil, die Erfolge der Nato herauszustellen. Er verkündete stolz, dass die Militärausgaben der Nato bis 2024 um 400 Milliarden Dollar wachsen werden und verkaufte das als Erfolg.
Dieser „Erfolg“ wird in der Presse kaum gemeldet. Kein Wunder, jeder denkende Mensch müsste sich fragen, wozu das alles. Die „russische Bedrohung“ hat Militärausgaben von ca. 60 Milliarden Dollar. Wie soll Russland aber die Nato ernsthaft bedrohen, wenn sie ohnehin schon fast 20 Mal so viel für das Militär ausgibt, wie Russland und alleine der Erhöhung der Nato-Ausgaben fast sieben Mal so hoch ist, wie die russischen Gesamtausgaben für das Militär.
Die einzigen, die diesen „Erfolg“ so richtig feiern werden, sind die US-Rüstungskonzerne. Das propagierte Zwei-Prozent-Ziel der Nato ist ein Konjunkturprogramm für die US-Rüstungsschmieden, die schon im Sommer freudig verkündet haben, dass Europa für sie nun der am schnellsten wachsende Markt für US-Waffen ist.
Russland hat trotz der Probleme in der Nato keinen Grund zur Freude, die USA drängen die Nato weiterhin massiv zu Kriegsvorbereitungen in Europa. Warum ich diese dramatische Formulierung benutze, können Sie hier nachlesen. Vielleicht kommen Sie angesichts der Maßnahmen, die die Nato derzeit ergreift, ja zu einer weniger pessimistischen Formulierung.
Auch die Nato hat keinen Grund zum Feiern, zu sehr knackt es im Gebälk.
Die einzigen, die sich uneingeschränkt freuen dürfen, sind also die US-Rüstungskonzerne. Aber ob das tatsächlich ein Grund zur Freude ist?
3 Antworten
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Lieber Herr Röper,
Sie sind zu pessimistisch, finde ich. Ich schätze Ihre Arbeit ja sehr – auch die von Herrman Ploppa, aber ich stelle bei Ihnen beiden fest, das Sie sich um „Kriegsvorbereitungen“ der Nato größere Sorgen machen. Vielleicht bin ich ja auch zu blauäugig?
Die Nato war von Anfang an ein Bündnis um die Vasallen einerseits in der Spur zu halten und andererseits ihren Bürgern ein Maximum an Kohle aus der Tasche zu klauen. Mehr nicht.
Das die Amis nicht kämpfen können hätten die eigentlich schon im (eigentlich verlorenen) 2.WK – spätestens in Vietnam feststellen können, deshalb lassen sie ja auch andere antreten oder wiegeln andere gegeneinander auf. Und schon gar nicht gegen eine Nuklearmacht – die USA gehen ja im Zweifel sogar vor Nordkorea auf die Knie.
Sie haben es selbst so schön analysiert als Sie in Ihrem Buch schrieben: Putin droht mit Angriff auf Kommandozentren in den USA falls von Polen eine Rakete gestartet wird. (Hat er natürlich freundlicher formuliert). Ich würde mich da jetzt nicht irre machen lassen an Russlands Stelle und auf Trident Juncture reinfallen. Das ist nur Show. Selbst wenn die da 300.000 Soldaten hinkarren würden (und darauf müsste Russland eigentlich reagieren) – würde ich nur sagen: „Ihr wisst: Ein Fuß über die Grenze, ein kleines Missverständnis, eine kleine Rakete – und New York ist nur noch Asche!“
Vielleicht bin ich auch zu wenig bewandert in Militärdingen – aber ich bleibe dabei, einen nuklearen Schlagabtausch könnte es nur geben durch einen technischen Defekt (Computer) oder ein Mißverständnis. Ansonsten sitzt die Machtelite heulend unter dem Tisch und die Nato zittert, lange hält das Finanzsystem nicht mehr und angreifen wie in WKI oder II können sie dank nuklearem Veto nicht mehr. Bitte entspannen Sie etwas mehr.
Man kann sukzessive eine Lage schaffen, indem man Spannungen in, ggf. ganz kleinen – für sich genommen völlig unbedeutenden, Schritten aufgebaut, was zu einer, zunehmend dramatischen – aber auch nicht immer offensichtlichen – Abnahme, möglicher Handlungsalternativen führt.
Gerade die Geschehnisse um die Krim sind dafür exemplarisch.
Wenn man sich das ganze einmal nüchtern durchdenkt, kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis, daß die RF da praktisch keine andere Wahl hatte.
Die alles entscheidenden Frage, vor der die RF damit stand, war nicht die einer Rechts – oder Völkerrechtskonformität.
Einzig relevantes Entscheidungskriterium konnte nur sein, wie sich die Bevölkerung der Krim dazu verhalten wird, (gegebenenfalls auch Risiken im Falle einer Blockade der Krim durch die Ukraine – die hier wohl erheblich größer waren, als solche, die sich später infolge des Vorgehens der usurpierten ukrainischen Staatsmacht für den Donbaß ergaben).
Die U.A.S. wollen keinen „großen Krieg“ – aber man tut alles dafür, um einen solchen führen und vermeintlich gewinnen zu können.
Das kann sehr wohl richtig schief gehen.
Wenn es eines weiteren Beweises bedurfte, dass die NATO hirntot ist, sie hat ihn heute geliefert, in dem jetzt auch noch China zur Bedrohung erklärt wurde! Die meisten NATO-Staaten sind mehr oder weniger pleite, brüsten sich aber, die Ausgaben für Kriegsgerät und sonstige Rüstungen weiter zu erhöhen, während China und Russland in die Wirtschaft investieren. In anderen Staaten Asiens läuft das ähnlich, so dass man den Rüstungsirrsinn der NATO nur noch als völlig irrational bezeichnen kann! Mit Stoltenberg oder Kramp-Karrenbauer verfügt die NATO über Personal, für das die Einstufung „hirntot“ nicht zutreffender beschrieben werden kann! Staaten, die sich der US/NATO nicht unterordnen wollen, werden sanktioniert, und, wie man sieht, schrecken die USA nicht mal davor zurück, ihre eigenen NATO-Satellitenstaaten zu sanktionieren und zu bedrohen! Man redet weder mit Russland noch mit China, sondern stellt sie einfach als Bedrohung dar, obwohl jeder halbwegs gebildete Mensch weiß, dass ein Krieg angesichts des gegenseitigen Vernichtungspotentials eben auch nur in völliger Vernichtung enden kann! Diese NATO ist überflüssig wie ein Kropf und gehört aufgelöst! Und sie hat überall, wo sie interveniert hat, in Jugoslawien, Libyen, Afghanistan, Irak, Syrien oder der Ukraine nur Chaos, Krieg und Elend hinterlassen!