Gastbeitrag von Heiko Maas im Spiegel – Die Kunst, Fakten zu verdrehen
Heiko Maas ist ja hinlänglich für seine einseitige pro-amerikanische und anti-russische Haltung bekannt. Heute durfte er einen Gastbeitrag im Spiegel veröffentlichen, in dem er ein weiteres Mal bestätigt, dass Fakten ihn nicht interessieren, wenn es um das Verschleiern amerikanischer Vertragsbrüche und um unbelegte Vorwürfe gegen Russland geht.
Die USA haben in den letzten Jahren alle wichtigen Abrüstungsverträge der Vergangenheit einseitig gekündigt. Der letzte Vertrag, der noch übrig ist, ist der INF-Vertrag, der Russland und den USA bodengestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen verbietet. Diesen Vertrag wollen die USA nun auch kündigen und trotz aller in der Öffentlichkeit geheuchelten Kritik daran, hat Deutschland in der UNO gegen eine Debatte darüber abgestimmt, was Herr Maas auch wissen dürfte, denn die deutsche Mission in der UNO untersteht ja seinem Ministerium.
Auch der Spiegel war sich in den letzten Tagen nicht zu schade, hierzu in einer Desinformationskampagne irgendwie Russland die Schuld an der amerikanischen Kündigung zu geben oder gar zu behaupten, Russland feiere die Kündigung des Vertrages. Dabei ist das Gegenteil der Fall, denn die Kündigung des Vertrages war schon unter Obama ein Thema und Russland versucht seit Jahren alles, um diesen Vertrag zu retten.
Da passt es, dass Maas seinen Gastbeitrag ausgerechnet im Spiegel veröffentlicht. Und dort kann man nach einer Einleitung zur Entstehung des Vertrages im Kalten Krieg lesen: „Anders als damals stehen sich heute nicht zwei weitgehend berechenbare, gleich starke Blöcke gegenüber. Asymmetrien haben zugenommen. (…) Nur Verlässlichkeit und Transparenz schaffen Vertrauen, nur Vertrauen schafft Sicherheit. Zu dem Vertrauensverlust beigetragen hat die Weigerung Russlands, die schwerwiegenden Vorwürfe einer Verletzung des INF-Vertrags zu entkräften. Ich habe meinen russischen Kollegen aufgefordert, sich an den Vertrag zu halten und volle Transparenz herzustellen. Dies ist bislang nicht geschehen.“
Was Maas nicht erwähnt ist, dass es die USA und der Westen sind, die Verlässlichkeit und Transparenz mit Füßen treten. Es war ja nicht Russland, das den ABM-Vertrag einseitig gekündigt hat oder den NEW START-Vertrag in Frage stellt, es war auch nicht Russland, das jetzt Nato-Truppen nach Osteuropa verlegt, obwohl dies gemäß der noch gültigen Nato-Russland-Akte verboten ist, es war nicht Russland, das das Atomabkommen mit den Iran einseitig gebrochen und gekündigt hat, und so weiter und so weiter.
Und auch der Hinweis auf die angeblichen Vorwürfe gegen Russland, es würde den INF-Vertrag verletzen, sind Unsinn und Maas muss das wissen. Ich hätte daher gerne Mäuschen gespielt, als Maas seinen „russischen Kollegen aufgefordert hat, sich an den Vertrag zu halten“. Denn Maas weiß sehr genau, dass es keine konkreten Vorwürfe gibt und das Russland seit Jahren fragt, was genau der Westen Russland eigentlich vorwirft und auf welcher Grundlage. Die USA freilich haben darauf nie geantwortet, dafür wiederholt die westliche Presse die US-Vorwürfe beständig und auch ohne sie zu präzisieren. Angeblich verstoßen neue russische Raketen gegen den Vertrag, weil sie eine Reichweite von über 500 Kilometer haben. Russland sagt, die Reichweite wäre 480 Kilometer und fragt, wie die USA zu ihrer Zahl kommen. Die USA könnten das Rätsel lösen, denn die Supermächte beobachten gegenseitig die Raketentests des anderen mit Satelliten, die USA könnten also leicht sagen, welcher Test sie auf ihre Idee gebracht hat. Aber sie bleiben die Antwort schuldig, dafür wiederholt die Nato diese Vorwürfe, ebenfalls natürlich ohne Beleg.
Dann relativiert Maas die Bedeutung des INF-Vertrages, indem er schreibt: „Bei aller Sorge um den INF-Vertrag müssen wir uns nämlich eingestehen: Sein Erhalt allein bietet noch keine Garantie für unsere Sicherheit. Das zeigt etwa die russische Stationierung von nuklearfähigen Raketen in Kaliningrad. Raketen, die aufgrund ihrer Reichweite gar nicht vom INF-Vertrag umfasst sind, aber dennoch innerhalb von Minuten weite Teile der Europäischen Union erreichen können.“
Was Maas verschweigt, ist dass diese russischen Raketen, die keinen Bruch des Vertrages darstellen, wie er selbst sagt, in Kaliningrad als Reaktion auf die in Polen und Rumänien aufgestellte US-Raketenabwehr stationiert wurden. Hätten die USA diese Raketenabwehr-Systeme nicht in Polen und Rumänien aufgestellt, würde es die russischen Raketen in Kaliningrad gar nicht geben.
Übrigens verstößt die US-Raketenabwehr selbst gegen den INF-Vertrag, denn die verwendeten Startrampen vom Typ MK-41 können nicht nur die Anti-Raketen abfeuern, sondern auch Tomahawk-Marschflugkörper und genau das ist laut INF-Vertrag verboten. Davon liest man aber natürlich nichts in der westlichen Presse und auch Maas erwähnt es nicht.
Dann nennt Maas einige Punkte, die seiner Meinung nach die Sicherheit in Europa verbessern würden. Zunächst schreibt er: „Wir brauchen, erstens, endlich wieder einen ernsthaften Austausch zwischen Amerikanern, Europäern und Russen, der die Risiken in den Blick nimmt, die sich für uns alle aus neuen Waffensystemen und einer löchrigen Rüstungskontrollarchitektur ergeben.“
Stimmt, wer kann da etwas gegen sagen? Das Problem ist aber, dass es nicht Russland war, das zum Beispiel die Kooperation im Nato-Russland abgebrochen oder eingeschränkt hat, sondern die Nato.
Weiter schreibt Maas: „Die USA kritisieren zu Recht, dass Chinas massive Aufrüstung bislang von keinerlei Vertrauensbildung begleitet wird.“
Stimmt, es ist nicht schön, dass China dem Vertrag nie beigetreten ist, wobei China dazu auch nie aufgefordert wurde. Aber wenn China das Problem ist, warum hat man dann nicht gemeinsam mit Moskau Gespräche mit China gesucht, anstatt den Vertrag einfach zu kündigen. Moskau wäre davon leicht zu überzeigen gewesen, russische Politiker haben immer wieder zu verstehen gegeben, dass sie gerne weitere Länder in den Vertrag aufnehmen würden.
Weiter möchte Maas nach seinen Worten, die Abrüstungsverträge auch an neue und moderne Waffen anpassen: „Manches davon mag wie Science-Fiction klingen – Weltraumwaffen etwa oder Flugkörper mit vielfacher Schallgeschwindigkeit, die gar keine Zeit mehr lassen für eine menschliche Reaktion.“
Hier hätte Maas deutlicher werden können, aber das wäre wohl nicht im westlichen Interesse. Es gibt Flugkörper mit vielfacher Schallgeschwindigkeit bereits, die Russen haben sie als einzige entwickelt. Nur wird es schwer, den Russen das vorzuwerfen, denn die Russen haben dies als Reaktion auf die Kündigung des ABM-Vertrages durch die USA getan und seit 15 Jahren auch offen angekündigt. Denn das Problem ist, dass die US-Raketenabwehr nur gegen ballistische Raketen funktioniert, daher haben die Russen eben Raketen entwickelt, die anders funktionieren. Das wäre ohne die einseitige Kündigung des ABM-Vertrage nie passiert.
Und Maas beendet seinen Beitrag mit schönen Worten: „Schnelle Erfolge sind nicht garantiert, Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Aber: Frieden und Sicherheit schaffen wir nicht gegeneinander, sondern nur miteinander. Deutschland muss Friedensmacht bleiben: Wir werden uns beharrlich und mit Nachdruck für Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen. Nur so kann ein weltweites Wettrüsten gestoppt werden. Nur so sichern wir Frieden in Europa.“
Klingt gut, sind aber nur leere Worte. Der Bundestag hat schon 2010 den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert, passiert ist aber nichts. „Beharrlich und mit Nachdruck für Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen“ sieht in meinen Augen anders aus.
Übrigens können Sie in meinem Buch, das seit einiger Zeit bestellbar ist und ab Ende November ausgeliefert wird, mehr zu dem Thema lesen, denn das Thema INF-Vertrag und Abrüstung generell war bei vielen Reden von und Diskussionen mit Putin schon seit vielen Jahren ein Thema. Wer das liest, stellt fest, dass das Thema Kündigung des INF-Vertrages nicht etwa eine Laune Trumps ist, sondern schon unter Obama vorbereitet wurde.
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