Die Vorgeschichte der Verhandlungen in Istanbul

Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vom letzten Freitag waren, auch wenn Kiew das anders sehen mag, die Fortsetzung der Verhandlungen vom März und April 2022. Daher hat das russische Fernsehen in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick am Sonntag an diese Verhandlungen von vor drei Jahren erinnert und ich habe den russischen Beitrag übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Die schwierige Vorgeschichte der russisch-ukrainischen Verhandlungen
Die Vorgeschichte der russisch-ukrainischen Gespräche dieser Woche in Istanbul ist schwierig. Am 28. Februar 2022, also vier Tage nach Beginn der Militäroperation, fanden erstmals Friedensgespräche statt. Die Ukraine bat um das Treffen, Russland lehnte nicht ab. Moskau befürwortete damals wie heute den Dialog, wie die Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom 11. Mai bestätigen: „Wir schlagen der Kiewer Regierung vor, die Verhandlungen in Istanbul wieder aufzunehmen, wo sie zuvor stattgefunden haben und abgebrochen wurden. Wir bekennen uns zu ernsthaften Verhandlungen mit der Ukraine, deren Ziel es ist, die Ursachen des Konflikts zu beseitigen und einen langfristigen, historisch dauerhaften Frieden zu schaffen“, erklärte der russische Präsident bei einem Treffen mit Journalisten im Anschluss an die Festveranstaltungen zum 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg.
Am Abend des 14. Mai hielt er ein Treffen zur Vorbereitung der Verhandlungen mit der Ukraine ab. Die Teilnehmerliste war beeindruckend: Der erste stellvertretende Ministerpräsident Denis Manturow, Verteidigungsminister Andrej Belousow, der Generalstabschef der russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow, der stellvertretende Vorsitzender des Sicherheitsrats Dmitri Medwedew, der Sekretär des Sicherheitsrats Sergei Schoigu, Außenminister Sergej Lawrow und Präsidentenberater Juri Uschakow, der Direktor der russischen Nationalgarde Viktor Solotow, der Direktor des Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin und der Direktor des FSB Alexander Bortnikov.
Darüber hinaus waren auch Mitglieder der Verhandlungsgruppe anwesend, deren Zusammensetzung zuvor vom Staatsoberhaupt genehmigt worden war. Das waren Präsidentenberater Wladimir Medinski, der stellvertretende Außenminister Michail Galusin, der Chef der Hauptdirektion des Generalstabs Igor Kostjukow, und der stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Fomin. Auch alle Kommandeure der Gruppen im Kampfgebiet nahmen teil.
„Wir schließen nicht aus, dass es im Laufe dieser Verhandlungen möglich sein wird, irgendwelche neuen Waffenstillstände, einen neuen und echten Waffenstillstand zu vereinbaren, der nicht nur von Russland, sondern auch von der Ukraine eingehalten würde. Dies wäre, ich wiederhole, der erste Schritt zu einem langfristigen, nachhaltigen Frieden und kein Prolog zur Fortsetzung des bewaffneten Konflikts nach der Wiederbewaffnung und Verstärkung der ukrainischen Streitkräfte und dem fieberhaften Ausheben von Schützengräben und dem Bau neuer Festungen. Wer braucht so einen Frieden? Unser Vorschlag liegt, wie man sagt, auf dem Tisch. Russland ist zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit“, sagte der russische Präsident.
Die russische Delegation flog nach Istanbul und wartete dort geduldig auf die ukrainische. Sie kam einen Tag zu spät, aber immerhin.
2022 wurde sie in Weißrussland erwartet, die erste Runde fand in der Region Gomel statt. Die Verhandlungsführer aus Kiew wurden mit einem von Weißrussland bereitgestellten Hubschrauber zu dem Treffen gebracht.
Am 3. und 7. März traf man sich in Belovezhskaya Pushcha, wo die Ukraine einst ihre Unabhängigkeit erhielt. In Weißrussland einigte man sich auf die wichtigsten Punkte des Entworfes für das Friedensabkommen. Der Dialog fand eine Zeit lang im Format von Videoanrufen statt und wurde am 29. März bereits in Istanbul fortgesetzt, wo man zu einer grundsätzlichen Einigung kam. Das Dokument wurde erstellt und paraphiert.
Wladimir Putin zeigte es im Juni 2023 bei einem Treffen mit Delegationen afrikanischer Länder und erklärte dazu: „Der Entwurf dieses Abkommens wurde vom Leiter der Verhandlungsgruppe aus Kiew paraphiert, er hat es unterschrieben. Hier ist es. Es heißt: ‚Vertrag über die dauerhafte Neutralität und Sicherheitsgarantien der Ukraine‘ und hat 18 Artikel. Alles ist darin genau festgelegt – bis hin zu den Einheiten der militärischen Ausrüstung und dem Personal der Streitkräfte. Dies ist das Dokument.“
Auch der Wunsch Kiews nach Sicherheitsgarantien wurde berücksichtigt. Moskau fungierte als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates als einer der Garanten des Vertrags. Gegenüber einem Journalisten sagte Putin dazu am 28. Januar: „Es gab dort praktisch nichts mehr nachzuarbeiten. Es gab nur einen Punkt, den die ukrainische Seite bei einem persönlichen Treffen der beiden Präsidenten erörtern und abschließen wollte. Auch dem habe ich zugestimmt, aber plötzlich kam aus Kiew die Information, dass sie sich mit ihren Verbündeten beraten müssten und eine einwöchige Pause einlegen würden.“
Unter anderem wurde von Kiew verlangt, dass es seinen zuvor eingegangenen internationalen Verpflichtungen nachkommt, also ein neutraler Staat ist, wie es in der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung, die die Grundlage der ukrainischen Verfassung bildet, festgelegt ist.
Einer der Kiewer Teilnehmer an den Verhandlungen in Istanbul war David Arachamia, der Vorsitzende von Selenskys Fraktion in der Werchowna Rada. Ein Jahr nachdem Kiew den Friedensprozess selbst beendet hatte, erklärte Arachamia in einem Interview, wer diesen Befehl gegeben hatte: „Als wir aus Istanbul zurückkamen, kam Boris Johnson und sagte, dass wir überhaupt nichts mit denen unterzeichnen würden und einfach kämpfen müssten.“
Wie die britische Presse erfuhr, reiste Boris Johnson am 9. April 2022 heimlich nach Kiew, um Selensky in seinem Bunker zu treffen. Schon zuvor hatte Kiew nach Telefonaten mit London und Washington still und leise damit begonnen, die Verhandlungen zu beenden.
Die ukrainische Seite änderte ihre Rhetorik und ging aggressiver vor. Am 7. April schickte sie ihren Vertragsentwurf, der bereits eine Abweichung von den grundlegenden Vereinbarungen aufwies. Und am 16. April, nach Johnsons Besuch, forderte Selensky kategorisch den Abzug der russischen Truppen und machte damit im Grunde die Verhandlungen und alle erzielten Fortschritte zunichte.
Putin erzählte davon im Januar: „Sie haben sich also beraten, und bekanntlich ist Herr Johnson, der damalige Premierminister Großbritanniens, angereist, wahrscheinlich auf Betreiben der ehemaligen US-Regierung unter Herrn Biden, und hat die Ukrainer überredet, den Krieg fortzusetzen. Und im Grunde macht niemand einen Hehl daraus. Und auch die britische Führung macht keinen Hehl daraus, sie spricht offen darüber. Sie haben dieses Abkommen abgelehnt und beschlossen, den Krieg fortzusetzen. Nun, um ehrlich zu sein, haben wir sofort Signale aus Kiew erhalten. Wie uns damals gesagt wurde, werde man nun bis zum letzten Ukrainer kämpfen. Entweder wir oder ihr.“
Symptomatisch war auch die Ermordung eines Mitglieds der ukrainischen Verhandlungsgruppe Denis Kirejew im März 2022. Er wurde von SBU-Beamten entführt und in einem Auto weggebracht. Die Leiche wurde anderthalb Stunden später entdeckt.
Vieles hätte vermieden werden können. Johnson, der es sich leisten konnte, mit der ukrainischen Führung im Befehlston zu sprechen, besuchte Kiew später mehrmals und erzählte den Ukrainern viel über verschiedene westliche Wunderwaffen, die den Sieg bringen würden, von Javelin und Abrams bis hin zur F-16.
Die Realität hat die Hoffnungen nach und nach zerstört. Träume von Gegenoffensiven und Versuche, russische Gebiete zu besetzen, verschlimmerten die Situation nur. Die sogenannte „Bussifizierung“ geht weiter. Jetzt kämpft die Ukraine auf Kredit und die Schulden werden auf den Schultern der verbleibenden Generationen ihrer Bürger lasten.
Vor drei Jahren wurde die Ukraine von ihren Kuratoren vom Verhandlungstisch gedrängt, die Russland eine strategische Niederlage zufügen wollten. Russland hat vorgeschlagen, zum Dialog zurückzukehren. Für Kiew ist das eine Chance, die es zu nutzen gilt.
Mit der Zeit wird sich die Position der Ukraine auf dem Schlachtfeld nur noch verschlechtern, was bedeutet, dass sich die Verhandlungsbedingungen zum Schlechteren verändern werden.
Ende der Übersetzung
11 Antworten
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Eine simple Frage der Zeit, wie lange 404 noch Steine in den Weg legen kann – doch aufhalten wird es nichts mehr.
Dazu ist „Vertrauen“ massiv zerstört worden…..
Es lohnt sich, einmal durch zu deklinieren, wie es mit der NATO weiter gegangen wäre, hätte die Ukraine damals unterschrieben: Erstens wäre die angebliche Bedrohung aus Russland, mit der ja gerade gerechtfertigt werden soll, jeden zweiten Euro Steuern an Blackrock-Rheinmetall zu überweisen, über Nacht verschwunden. Zweitens wären NATO und Bundeswehr über Nacht vom Heldensockel – sie müssen uns ja vor Russland retten – in die Verliererecke degradiert worden, die zweite katastrophale Niederlage nach dem Debakel von Kabul.
…ein interessanter Gedanke…
Das hätte wahrscheinlich Billionen gespart, angesichts dessen was nun noch so alles passieren soll. Und dann gab es auch noch einige Opfer, unnötig zu erwähnen.
Andererseits, so wirklich zur Ukraine hätte es auch nicht gepasst:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=133046
Das Interview wird sich in weiten Teilen bestätigend anhören und ist streckenweise etwas langweilig. Die Russen kommen da aber auch nicht gut weg.
Aber lieber kontrovers als gar nix.
….da hat doch letztens ein Medienmensch bei den yankee’s es gewagt zu sagen – klein trumpy würde das Land „regieren“ wie ein verrückter Immibilienmakler…..
Ehrlich gesagt hoffe ich dass US-Immobilienmakler nicht so arbeiten.
😅😂
Obwohl… vielleicht ist es so. Denn den einzigen welchen Trump mit seiner Tour kommen kann, sind seine Zierpudel in Europa.
Da sagt er:
„Entweder ihr gebt jetzt 5% vom BIP für Rüstung aus, ODER ich komme nicht zum NATO-Gipfel!“
Was soll das sein, der Feind in meinem Bett?
Den Chinesen erhöht er die Zölle auf über 100%, die legen immer wieder nach/kaufen woanders ein und nach ein paar Tagen möchte Herr Trump schon wieder verhandeln.
Das war letzte Woche, falls es jemand verpasst hat. Jetzt soll 90 Tage verhandelt werden und beide Seiten arbeiten derweil mit einem 10% Zoll-Aufschlag.
So etwas verbessert die Verhandlungssituation natürlich ungemein. Erst mal einen Erpressungsversuch starten und dann verhandeln wollen. Irgendwas hat der Typ doch noch nicht richtig verstanden. Außer bei seinen europäischen Vasallen natürlich, dort funktioniert diese Show… aber halt nur dort.
Es stellt sich fast die Frage, ob die Westeuropäer die Russen nur deswegen dämonisieren, damit sie daheim die Aufrüstung verkaufen können und Trump sie wieder lieb hat. Aber so weit wollen wir mal besser nicht gehen.
Aber es fällt schon auf, was denen für tolle Lösungsansätze (Motto: „Jetzt erst recht!“) nach über drei Jahren Ukrainekrieg spontan einfallen.
Heute um 16Uhr MEZ telefonieren Trump und Putin miteinander. Es soll mal wieder schnell gehen… sagt Trump… wie immer.
Die Masse der Menschen im Westen ist durch die Jahrzehnte lange Propaganda-Bestrahlung so verpeilt und glaubt der Russe kommt, das Russland nur noch eins bleibt. Es sollte den Spieß umdrehen und eine „Chinesische Mauer“ von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer bauen damit der westliche Mensch, durch dieses Symbol, in Ruhe leben kann. (nicht erst gemeint)
Dann sollte man die Ukraine aber komplett erobern. Würde den Aufwand für diese Mauer deutlich verringern. 😉