Wie das russische Fernsehen die neue Bundesregierung einschätzt
Ich habe bereits über die ersten Reaktionen berichtet, die ich in Russland bei der Verkündung der neuen deutschen Regierung erlebt habe. Die russischen Medien halten sich bisher mit eigenen Kommentaren weitgehend zurück, obwohl klar ist, dass die russisch-deutschen Beziehungen unter der neuen deutschen Regierung noch schwieriger werden dürften, als sie es jetzt schon sind. Die Spekulationen in Russland ranken sich denn auch um die Frage, ob die Grünen und ihre Außenministerin Baerbock (warum muss ich bei „Außenministerin Baerbock“ immer lachen?) ihre radikal anti-russische Politik durchsetzen können, oder ob die SPD, die keine anti-russischen Traditionen hat, sich mit ihrem Kanzler durchsetzen wird.
Um zu zeigen, wie in Russland über die neue deutsche Regierung berichtet wird, habe ich den Bericht des Deutschland-Korrespondenten des russischen Fernsehens übersetzt, der am Sonntag im Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens gezeigt wurde.
Beginn der Übersetzung:
Für Deutschland und die Europäische Union bricht eine neue politische Ära an. Das größte Land Europas hat nach den Ergebnissen der Bundestagswahl im September endlich über die Zusammensetzung der neuen Regierung entschieden. Der Sozialdemokrat Olof Scholz wird nach Merkel der neue Bundeskanzler. Er wird sein Amt im Dezember, also noch vor Weihnachten, antreten. Welche Gefahren drohen Deutschland selbst, Europa und auch Russland? Ein Bericht unseres Deutschland-Korrespondenten.
Der Anführer der Sozialdemokraten, Olaf Scholz, brauchte 59 Tage, um sich mit den Grünen und den Freien Demokraten auf eine Koalition zu einigen. Merkel hat vor vier Jahren fast dreimal so lange gebraucht, um eine Regierung zu bilden, und jetzt steht für sie die letzte Kabinettssitzung an: Blumen, Beifall, „Mutti“ geht in Rente.
Die Schnelligkeit, mit der sich Olaf Scholz die Kanzlerschaft gesichert hat, ist auf seine Nachgiebigkeit bei der Verteilung der Ministerämter und seine generelle Bereitschaft zurückzuführen, eine Reihe von umstrittenen Themen unter dem Teppich zu halten. Die neue Koalition wurde nach den Parteifarben – rot, gelb, grün – als „Ampel“ bezeichnet.
„Wir stellen diese Vereinbarung in unseren Parteien zur Abstimmung und werben intensiv dafür, dass alle drei Parteien dieser Vereinbarung in den nächsten zehn Tagen zustimmen“, sagte Scholz.
Das wurde am Mittwoch gesagt, es sind also bereits vier Tage vergangen, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Ampel in den verbleibenden sechs Tagen plötzlich kaputt geht. Jeder hat bekommen, was er wollte. Zum Beispiel die Grünen: Annalena Baerbock ist trotz Wahlniederlage nicht mehr Co-Vorsitzende einer kleinen Oppositionspartei, sondern fast schon Außenministerin in Deutschland. Und so sieht sie die Hauptaufgabe der deutschen Diplomatie: „Die größte Herausforderung unserer Zeit, die Klimakrise, mit diesen gemeinsamen Plänen, die unsere Parteien jetzt vorgelegt haben, zu bewältigen, um als eine der führenden Industrienationen den Weg zur Klimaneutralität und zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Herzen Europas zu ebnen, gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn und Freunden.“
Für Baerbock ist Russland kein Freund und wird es auch nie sein. Im Text des Koalitionsvertrags wird der östliche Nachbar sechsmal erwähnt. Hier das wichtigste: „Die deutsch-russischen Beziehungen sind tief und vielfältig. Russland ist ein wichtiger internationaler Akteur. Wir sind uns der Bedeutung einer substanziellen und stabilen bilateralen Beziehung bewusst und streben diese an. Wir wollen mit Russland in Zukunftsfragen enger zusammenarbeiten, zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit oder Energieversorgung, aber auch bei der Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Umweltschutz. Wir werden den Unterschieden in der Bedrohungswahrnehmung Rechnung tragen und uns auf eine gemeinsame und kohärente EU-Politik gegenüber Russland konzentrieren.“
Der zügelnde Einfluss der Sozialdemokraten ist hier natürlich spürbar, aber es ist zu erwarten, dass es in naher Zukunft eine Welle der Negativität aus Berlin in Richtung Moskau geben wird. Die bisher bemerkenswerteste außenpolitische Aktion der Grünen war eine Reise von Baerbocks Kollegen Robert Habeck in die Ostukraine, wo er in den Schützengräben der ukrainischen Armee wandelte und Kiew Waffen versprach. Obwohl das in Deutschland nicht gut ankam – Habeck musste zurückrudern -, ist die Sympathie nicht verschwunden. Und auch er wird nun Vizekanzler und Leiter eines neuen Superministeriums, des Ministeriums für Wirtschaft und Klima.
„Ich denke, es gibt hier vielleicht eine minimale Chance, aber dennoch irgendeine Zusammenarbeit. Aber es gibt auch Risiken. Die Grünen sind Russland gegenüber fundamentalistisch negativ eingestellt und stellen natürlich die Menschenrechte über alles andere. Am Anfang wird es wahrscheinlich mehr Konflikte als Versöhnung geben. Es wird Zeit vergehen, ich denke, es wird Treffen mit Lawrow, mit Putin, mit anderen russischen Politikern geben und die Realität wird sie einholen. Und das wird sie dazu bringen, über die Interessen anderer Länder nachzudenken und nicht nur über ihre Träume“, sagt der Politikwissenschaftler Alexander Rahr.
Das Wort „Klima“ steht auf jeder der 177 Seiten des Koalitionsvertrags. Der so genannte „Green Deal“ wird von allen drei Parteien unterstützt. Selbst der Vorsitzende der Freien Demokraten, Christian Lindner, ein bekannter Liebhaber von Oldtimern und Gegner jeglicher Steuern, musste der Erhöhung der Steuer auf Diesel zustimmen, so dass sich ein Liter Diesel um 18 Cent verteuert. Vor allem aber haben sich die Partner darauf geeinigt, zwei Prozent der deutschen Landfläche für Windkraftanlagen und Photovoltaik zu nutzen.
„Damit erneuerbare Energien nicht mehr nur ein Zusatz sind, sondern im Gegenteil Priorität haben und eine sichere Versorgung gewährleisten“, so Robert Habeck, Co-Vorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Die deutschen Grünen sind offenbar immer noch zuversichtlich, dass sie einen Weg gefunden haben, Sonne und Wind zu beherrschen, obwohl das in diesem Jahr irgendwie nicht funktioniert hat. Sie sehen das Klimaziel von 80 Prozent Neutralität bis 2030 und sehen keine Hindernisse. Es gibt aber auch eine andere Sichtweise.
„Die Ampelkoalition führt zur De-Industrialisierung Deutschlands und zerstört damit die Grundlagen unserer Wirtschaftskraft und damit die zukünftigen Staatseinnahmen. Der vorgezogene Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2030 ist daher vor allem für die östlichen Bundesländer völlig unverantwortlich und wird zum Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen führen. Das ist eine Katastrophe für die Energieversorgung“, sagt Tino Chrupalla, der Sprecher der AFD.
Nord Stream 2 wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Auf die Frage des Spiegel nach der üblichen Kritik der Grünen an dem Projekt antwortete Baerbock, dass die Pipeline jetzt nicht in Betrieb genommen werden könne, denn die Bundesnetzagentur habe die Zertifizierung ausgesetzt. Die Politikerin hat – um ihr Gesicht zu wahren – beschlossen, nicht zu sagen, dass es sich nur um eine technische Pause handelt, die durch die Registrierung einer deutschen Tochtergesellschaft verursacht wurde. Es gibt jedoch einige Fragen, die die Koalition noch nicht beantworten kann, wie zum Beispiel die Kosten für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, den Bau neuer Autobahnen und die Sozialprogramme der am weitesten links verorteten Regierung in der Geschichte des Landes. Wer soll das bezahlen, wenn die Liberalen ihren Partnern als Bedingung für ihre Beteiligung an der Koalition das Versprechen abgerungen haben, die wichtigen Steuern nicht zu erhöhen und keine neuen Schulden zu machen?
„Wir haben erreicht, dass Deutschland weiterhin ein Verfechter solider Finanzen ist. Gerade angesichts der Sorge vieler Menschen vor einer Abwertung der Währung ist das sehr wichtig. Mit verschiedenen Maßnahmen wird es möglich sein, die breite Bevölkerung des Landes zu entlasten, ohne andere Teile der Gesellschaft stärker zu belasten“, sagte FDP-Chef Christian Lindner.
Als zukünftiger Finanzminister kann Christian Lindner sich abstrakt ausdrücken. Aber er wird sich bald dazu äußern müssen, was diese „verschiedenen Maßnahmen“ sind und ob es sich beispielsweise um die Anhebung des Rentenalters handelt.
Auch einige Personalfragen sind noch offen: Wer übernimmt das Amt des Verteidigungsministers, ein Ressort, das die Sozialdemokraten genommen haben? Noch gespannter warten die deutschen Medien jedoch auf den Namen des „Covid-Ministers“, wie die Bild-Zeitung den künftigen Gesundheitsminister nennt. Das ist das einzige Ressort, das jetzt, in der fünften – und stärksten – Welle der Pandemie, niemand will, und deshalb wurde diese Last auch von den Sozialdemokraten übernommen.
In der Woche, die am 6. Dezember beginnt, wird alles vorbei sein, Olaf Scholz hat die Aufgabe gelöst, Kanzler zu werden. Als Nächstes muss er Kanzler sein und eine Regierung bestehend aus schillernden, aber in der realen Politik unerfahrenen Leuten mit kolossalen reformistischen Ambitionen führen. Der künftige Erfolg von Scholz wird von seiner Fähigkeit abhängen, seine Untergebenen nicht nur zu ermutigen, sondern auch zu zügeln. Denn manchmal führt der Drang, alles zu tun, um zu verbessern, was bereits gut funktioniert, zum gegenteiligen Ergebnis.
Ende der Übersetzung
6 Antworten
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Es wird seinen Grund haben, weshalb man in Russland vorsichtig ist bezüglich der dt. Regierung….
Wer versucht, sich halbwegs einen Überblick zu verschaffen – besonders über die letzten 7 Jahre – kommt zu Thesen, die man eher nicht laut sagen darf….
Eine SPD, die von 15% so ganz still & heimlich auf 25% hochschnellt mit einem Scholz, bei dem die Medien alles – aber auch wirklich alles Hochkriminelle unter den Teppich gekehrt haben – mit den grünen Darstellern in der neuen Regierung, die nicht mal als Comedians taugen & einem FDP-Lindner, der einem Wackelpudding gleicht – sich daran erinnert, wann genau Merkels Zitteraal-Syndrome anfingen, die USA beobachtet & Corona-Festspiele einbezieht…..kann den Eindruck bekommen, da regiert eine Globalisten-Clan- Familie, die mit allen Mitteln & Tricks versucht, jeden Bond-Film als Realität wahr werden zu lassen….Man hofft fast, dass die Geheimdienste – nee, nicht die im Auftrag ihrer Majestät – wenigstens ihre Hausaufgaben machen & besser informiert sind als die Öffentlichkeit…..
Man ist fast versucht, sich darüber zu freuen, dass die eigene Lebenszeit überschaubarer wird & man das Elend nicht mehr bis zum Schluss mitmachen muss…..
Ich kann überhaupt nicht lachen, wenn ich „Außenministerin Baerbock“ denke. Mich ergreift dann vielmehr wilde Verzweiflung.
Grauen …!
Verzweiflung und Grauen trifft beides. Aber realistisch gesehen ist kaum jemand besser dafür geeignet als die Baerbock, dem Ausland zu zeigen, in welchem Zustand Deutschland ist. 😅
Ich befürchte, dass der Sozialabbau weiter fortschreiten wird. Die „Aktienrente“ lässt Schlimmes befürchten. Und mit einem Neoliberalen als Finanzminister werden wir wenig zu lachen haben. Der Niedriglohnsektor wird möglicherweise weiter ausgebaut, damit das Rentensystem weiter belastet und dies liefert den Vorwand für weitere Rentenkürzungen, seien es die Anhebung des Rentenalters, die mit jedem Jahr sicher 2 Rentenjahre kürzt, oder die Senkung der Rentenhöhe. Und bei unserer derzeit sehr egoistisch gewordenen Ellebogengesellschaft befürchte ich, das dies auf breite Zustimmung führen wird. Wirklich positive Aussichten sehe ich nicht. Selbst in der Klimafrage, die sie sich auf ihre Fahnen geschrieben haben, werden sie außer Erhöhung von Steuern und Abgaben, fehlerhafter Energiepolitik und massivem Arbeitsplatzabbau im Energiesektor, wohlmöglich gepaart mit Riesenausgleichszahlungen an Energiekonzerne, nix Sinnvolles zustandebringen. Aber wahrscheinlich tonnenweise Blasen produzieren. Und wenn ich an die Außenpolitik denke, sehe ich Heines Wort vor Augen:
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.“
Oder Bertold Brecht:
O Deutschland, bleiche Mutter …
…
In deinem Hause
Wird laut gebrüllt, was Lüge ist.
Aber die Wahrheit
Muß schweigen.
Ist es so?
…
Und ein neuer Aspekt. Es gibt eine Umfrage, ob man/frau/div ( ;-)) sich Karl Lauterbach als Gesundheitsminister vorstellen kann. Nun von 16400 Abstimmenden hatte 73% gemeint: JA! Soweit sind wir schon, dass solche Personen als mutig, kompetent und gut in Kommunikation sind. Nun ja, kommunizieren kann er – seine Dystopien. Ausgiebig. Kompetent? Das mag ich ehrlich bezweifeln, so oft, wie er schon mit seinen Prognosen falsch lag, und mutig? Das herrschende Narrativ zu propagieren ist also mutig. Aha. Er riskiert nichts, außer dass ihn irgendwer angiftet. Und ob jemand so weit geht, ihn tätlich anzugreifen … ich weiß nicht. Sicher – wenn es darum geht, das Narrativ ultimativ zu stützen, kann ich mir durchauis vorstellen, dass das dann passieren wird. Sage nur: Reichtstags“stürmung“ oder „Stürmung des Kapitols“, Sniper auf dem Maidan, Bologna-Attentat, Oktoberfestattentat, Reichtagsbrand … Wenn es angebracht ist, irgendwas in der Richtung zu tun, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrschinlichkeit geschehen. Aber das ist sicher alles bloß Verschwurbelungstheorie. 😉
Aber das kleine Beispiel zeigt deutlich, wohin Panikmache führt.