Präsidentschaftswahlen in Abchasien

Teil 3: Die geopolitischen Interessen rund um Abchasien

Am Samstag finden in Abchasien Präsidentschaftswahlen statt, zu denen ich als Beobachter eingeladen wurde. Da über Abchasien wenig bekannt ist, veröffentliche ich eine Artikelserie über das Land.

Über Abchasien ist im Westen kaum etwas bekannt, geopolitisch ist es aber nicht unwichtig. Im November kam es dort zu Unruhen, in deren Folge der Präsident zurücktrat und Neuwahlen beschlossen wurden, die nun stattfinden und zu denen ich als internationaler Beobachter eingeladen wurde.

Daher veröffentliche ich eine 4-teilige über das Land, in der ich über die Geschichte des Landes, die Gründe für die vorgezogenen Wahlen, die geopolitischen Hintergründe und über die zur Wahl stehenden Kandidaten berichten werde. Im ersten Artikel der Serie habe ich über die Geschichte Abchasiens berichtet, im zweiten Artikel ging es darum, wie es zu den vorgezogenen Neuwahlen kam, und in diesem dritten Artikel geht es um die geopolitischen Interessen rund um Abchasien.

Die interessierten Nachbarn

Abchasien ist im komplizierten Kaukasus für seine Nachbarn von nicht geringen Interesse, denn es liegt zwischen Russland und Georgien und es hat eine lange Schwarzmeerküste. Aber schauen wir uns das genauer an.

Erstens ist Abchasien natürlich wegen seiner geographische Lage interessant. Es hat einen Zugang zum Schwarzen Meer und es liegt in der Nähe von Gebieten mit einem entwickelten Netz von landwirtschaftlichen und industriellen Anlagen und das gut ausgebaute Eisenbahnnetz in Richtung Kasachstan eröffnet die Aussicht auf eine weitreichende Integration Abchasiens in den regionalen Handel.

Zweitens verfügt Abchasien über ein Netz wichtiger Verkehrsverbindungen und zwei Flughäfen, die internationaler genutzt werden können. Abchasien wird auch von drei internationalen Autobahnen durchquert und es hat mit Sochumi, Ochamchira und Pitsunda drei Seehäfen.

Drittens ist Abchasien relativ reich an Bodenschätzen. In dem Land gibt es Vorkommen an Kohle, Torf, Marmor, Blei, Mineralfarben, Zementrohstoffen und Erdöl. Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Wasser gehört die Republik zu den führenden Ländern der Welt.

Das Potenzial liegt auf der Hand, nicht nur für den Westen, der die georgische Regierung beim Versuch der gewaltsamen Rückeroberung unterstützte, sondern auch für die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, weshalb die Türkei dort besonders aktiv ist. In Abchasien leben sowohl orthodoxe Christen, die zu Russland tendieren, als auch Moslems, die für die Bemühungen der Türkei empfänglich sind.

Die Türkei agiert auf die klassische Weise, also über NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen. Die türkische NGO „Sadakatasi“ ist in Abchasien aktiv und hat 2015 begonnen, abchasischen Waisenkindern zu helfen. Gleichzeitig setzt sie sich für die Wiederansiedlung von Rückkehrern aus Syrien in Abchasien ein und hat 2018 bereits das Projekt einer abchasischen Moschee bekannt gemacht.

Die abchasische Diaspora in der Türkei ist groß, zur anstehenden Wahl wird in der Türkei daher ein Wahllokal eröffnet.

Das Ergebnis der türkischer Bemühungen in der Region durch die Diaspora und die wirtschaftliche Expansion in der Region kann man in der georgischen Region Adscharien deutlich sehen. Über die Probleme der wirtschaftlichen „Übernahme“ einiger georgischer Gebiete gab es 2019 einen sehr interessanten Beitrag, den ich damals übersetzt habe. Dort kontrollieren Türken seit langem viele profitable Unternehmen und dominieren, so die Meinung der dortigen Georgier, das Baugewerbe, das Transportwesen, den Dienstleistungssektor und viele andere Bereiche, wobei sie überall die einheimische Bevölkerung verdrängen, was den Georgien natürlich nicht gefällt.

Genauso kritisch sieht man in Georgien übrigens auch die Russen, die nach Georgien ausgewandert sind, viele davon sind übrigens Kritiker der russischen Politik, die nach der Eskalation in der Ukraine nach Georgien gegangen sind. Dort sind sie im Vergleich zu den Georgiern allerdings recht wohlhabend und nicht besonders bemüht, Georgisch zu lernen und sich zu integrieren.

Genauso ist es mit den Türken in den türkisch dominiserten Regionen Georgiens, wo man als Kritik hört:

„Türkisch ist häufiger zu hören als Georgisch, und in einer Nebenstraße gibt es eine Moschee. Die ganze Straße glänzt mit Inschriften, Laufschriften und Leuchtreklamen.

Aber zurück nach Abchasien, wo nicht nur die Türkei um Einfluss ringt, sondern auch der Westen versucht, über NGOs in Abchasien Fuß zu fassen. Von 2020 bis 2022 erhielten abchasische NGOs 1,6 Milliarden Rubel von USAID, und 2023 eine Milliarde Rubel (ca. 10 Millionen Dollar, was für das kleine und arme Land mit nur 250.000 Einwohnern viel Geld ist).

Obwohl die Aktivitäten einiger Organisationen, die nur mit Hilfe von Geldern von USAID existierten, für eine gewisse Zeit eingestellt wurden, setzten sie ihre Aktivitäten fort, allerdings im Verborgenen. Isida Denmark, eine Unterstützerin des Präsidentschaftskandidaten Adgur Ardzinba, leitete beispielsweise ein Projekt, bei dem Blogger und Journalisten gegen sogenannte „russische Medienfakes“ vorgingen, was mit 100.000 Dollar finanziert wurde.

Darüber hinaus ist bekannt, dass die Jugendorganisation „KharaKhPitsunda“, die im November an den Unruhen in Abchasien beteiligt war nicht nur mit USAID in Verbindung steht, sondern auch mit anderen NGOs wie Freedom House (finanziert von den USA) und „Acentre Prospect“ (finanziert von der EU).

Angeführt wird die Bewegung von Levan Mikaa, einem Mitarbeiter von Präsidentschaftskandidat Adgur Ardzinba. Die Aussetzung der Finanzierung von USAID dürfte auf die am 15. Februar anstehenden Präsidentschaftswahlen in Abchasien allerdings keinen Einfluss haben, weil die Mittel für diese Wahlbeeinflussung schon lange zuvor bereitgestellt wurden.

Der erwähnte Kandidat Ardzinba ist für seine pro-türkischen Ansichten bekannt und in Abchasien heißt es, dass er im Falle eines ihm nicht genehmen Wahlergebnis Unruhen provozieren könnte, die er aber nun wohl ohne Unterstützung durch USAID organisieren müsste. Er macht keinen Hehl daraus, dass er Abchasien zum Zentrum des türkischen Einflusses im Transkaukasus machen will, was den Leitern von USAID sicher besser gefällt, als ein prorussischer Präsident in Abchasien.

Russland hat zu Abchasien logischerweise sehr enge und gute Beziehungen, da Russland eines der wenigen Länder ist, das Abchasiens Unabhängigkeit anerkannt hat. Wirtschaftlich ist Abchasien weitgehend von Russland abhängig, da der Mini-Staat mit nur etwa 250.000 Einwohnern alleine wirtschaftlich kaum lebensfähig ist. Für Russen ist Abchasien wegen seiner unberührten Natur, der sprichwörtlichen kaukasischen Gastfreundlichkeit und dem hervorragenden Essen ein beliebtes und hochgelobtes Urlaubsziel.

Russland hat einen Anteil von 76 Prozent am abchasischen Außenhandel und ist damit der wichtigste Handelspartner Abchasiens und der schon erwähnte Tourismus ist der wichtigste Sektor der abchasischen Wirtschaft, wobei die Touristen fast ausschließlich aus Russland kommen. Bis zu einem Drittel der Steuereinnahmen Abchasiens stammen aus dem Tourismus.

Eine im Oktober 2024 durchgeführte Umfrage zeigt, dass 93 Prozent der Abchasen Russland als ihren wichtigsten Verbündeten betrachten.

Die russisch-abchasischen Beziehungen sind für beide Seiten vorteilhaft und werden in erster Linie durch den russischen Touristenstrom gesichert, der in diesem Jahr einen neuen Rekord zu erreichen verspricht: Russland beliefert Abchasien aktiv mit Lebensmitteln, mineralischen Brennstoffen, Erdölprodukten, pharmazeutischen und chemischen Erzeugnissen sowie mit Maschinen und Ausrüstungen.

Im Gegenzug exportiert Abchasien vor allem Frischgemüse, Obst und Wein nach Russland. Die Bedeutung Russlands geht für Abchasien aber weit über den Handel hinaus. Im Rahmen des russischen Investitionsprogramms wird Abchasien in diesem Jahr den Bau von 48 Einrichtungen in Schlüsselbereichen wie Verkehrs- und Elektrizitätsinfrastruktur, Wasserversorgung und Abfallwirtschaft abschließen.

Auch soziale Einrichtungen werden mit Hilfe russischer Investitionen ausgebaut. Im Rahmen des Investitionsprogramms für den Zeitraum 2017-2019 wurden mehr als 150 Einrichtungen neu gebaut oder renoviert, darunter wichtige Institutionen wie die Abchasische Staatliche Universität und das Oberste Gericht Abchasiens.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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