Geopolitik

Worum es bei der Wahl in Georgien geht und was dabei alles auf dem Spiel steht

In Georgien stehen Ende Oktober Parlamentswahlen an, in denen es nicht nur um die Zukunft Georgiens, sondern auch um die Frage des Kampfes des US-geführten Westens gegen Russland geht.

Am 26. Oktober stehen in Georgien Parlamentswahlen an, die man ohne Übertreibung als Schicksalswahlen bezeichnen kann. Bei den Wahlen geht es nicht nur um den politischen Kurs des Landes für die nächste Legislaturperiode, sondern sogar um die Frage, ob das Land – sowohl nach westlichen als auch nach russischen Standards – noch als demokratisch bezeichnet werden kann. Und es geht um eine wichtige Entscheidung im geopolitischen Kampf des US-geführten Westens gegen Russland.

In diesem Artikel werde die Lage in Georgien daher sehr ausführlich schildern, denn Georgien dürfte in etwa drei Wochen, aber spätestens nach den Wahlen vom 26. Oktober, die Schlagzeilen auch in Deutschland beherrschen.

Die Ausgangslage

Georgien ist grundsätzlich ein pro-westliches Land, das in die EU und in die NATO strebt. Seit dem Kaukasuskrieg von 2008, der in dem aktuellen Wahlkampf eine wichtige Rolle spielt, hat Georgien keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Russland. Dem Land, oder seiner Regierung, vorzuwerfen, sie seien pro-russisch, ist daher absurd.

Die georgische Regierung hat sich trotz massivem Druck aus dem Westen geweigert, sich den Russland-Sanktionen anzuschließen. Der Grund ist, dass die georgische Wirtschaft nun einmal sehr stark von Russland abhängt, denn georgische landwirtschaftliche Produkte sind in Russland traditionell gefragt und der Westen würde Russland im Falle eines georgisch-russischen Wirtschaftskrieges nicht als Markt ersetzen, weil westliche Hersteller gar kein Interesse an georgischer Konkurrenz auf ihren Märkten haben. Außerdem sind russische Touristen in Georgien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, während westliche Touristen in dem Land eine Ausnahme sind.

Die georgische Regierung macht mit ihrer Weigerung, sich an der anti-russischen Politik des Westens zu beteiligen, also keine pro-russische, sondern eine den objektiven Tatsachen geschuldete pro-georgische Politik.

Um sich dem Druck des Westens zu erwehren, hat die georgische Regierung in diesem Jahr gegen den massiven Widerstand des Westens ein Gesetz (in den Medien als „Gesetz über ausländische Agenten bezeichnet“) erlassen, das Einmischungen in die georgische Politik aus dem Ausland eindämmen soll. Georgische NGOs, Medien, Blogger und so weiter, die mehr als 20 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland beziehen, müssen das transparent melden, was die natürlich nicht wollen und wogegen der Westen Sturm läuft. Die EU hat deswegen die Beitrittsverhandlungen mit Georgien auf Eis gelegt, die USA haben gemeinsame Projekte abgesagt und erste Sanktionen gegen georgische Politiker und Beamte verhängt.

Dieser Konfrontationskurs des Westens hat die georgische Regierung auch ermutigt, ein Gesetz gegen die Propaganda für LGBT zu erlassen, das in dem sehr konservativen Land populär ist, was die Proteste aus dem Westen weiter angefeuert hat. Der Generalsekretär der Regierungspartei hat das Anfang September wie folgt begründet:

„Deshalb stehen die georgische Kirche, das Patriarchat und die georgische Führung für den Kampf gegen LGBT-Propaganda ein, denn diese Herausforderungen sind allen bekannt. Und wer daran zweifelt, dass das heute keine Herausforderung darstellt, der möge sich die Eröffnung der Olympischen Spiele noch einmal genau anschauen. Wir werden dafür sorgen, dass das Leben in diesem Land nicht wie die Eröffnung der Olympischen Spiele wird.“

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen ausländische Einflussnahme haben die USA regiert und die Finanzströme an die NGOs, Medien und Blogger, die die georgische Politik im Sinne der USA beeinflussen sollen, offenbar über Armenien umgeleitet. Der Bürgermeister der georgischen Hauptstadt Tiflis hat am 23. September erklärt, den Wahlkampf der Opposition würden de facto US-Beamte führen und so eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Georgiens sei inakzeptabel.

Der Kaukasuskrieg von 2008

Der Kaukasuskrieg 2008 wird von westlichen Politikern und Medien immer in die Liste der angeblichen „russischen Aggressionen“ aufgenommen und als eine Art russische Ursünde hingestellt, weil Russland damals angeblich erstmals vollkommen unprovoziert ein anderes Land angegriffen hat. Diese Behauptung ist jedoch eine glatte Lüge, denn der Rat der EU hat damals eine Fact Finding Mission losgeschickt, um die tatsächlichen Ereignisse zu ermitteln. Und siehe da, laut dem Abschlussbericht der EU war Russland ganz und gar nicht der Aggressor, sondern Russland war der Angegriffene. Darüber habe ich oft berichtet, die Details finden Sie hier.

Diese Erkenntnis des Rates der EU, die er schon 2009 veröffentlicht hat, ändert aber nichts daran, dass westliche Politiker und Medien auch weiterhin die Lüge von der angeblichen russischen Aggression gegen Georgien verbreiten. Und auch in Georgien war das bisher die offizielle Version.

Der georgische Premierminister hat am 8. August 2024, dem 16. Jahrestag des Kriegsbeginns, verkündet, dass die georgische Regierung die Ereignisse von 2008 untersuchen lassen will. Später haben er und andere führende Regierungspolitiker erklärt, dass Georgien der Angreifer gewesen ist und dass sie die ehemalige Regierungspartei des damaligen Präsidenten Saakaschwili nach der Wahl verbieten wollen, weil die Partei eine anti-georgische Politik im Interesse ausländischer Mächte verfolgt, Georgien auf Druck aus dem Ausland in den Krieg von 2008 getrieben hat und Georgien heute wieder in einen Krieg gegen Russland treiben möchte, heute aber mit der Begründung, die Ukraine zu unterstützen.

Der Gründer und Ehrenvorsitzender der Regierungspartei hat am 14. September auf einer Wahlkampfveranstaltung gesagt, die georgische Regierung würde sich nach der Wahl für den Krieg zwischen Osseten und Georgiern im Jahr 2008 entschuldigen, den der ehemalige georgische Präsident Saakaschwili und seine Partei auf Anweisung des Auslands ausgelöst haben. Nur so sei eine Aussöhnung der heute verfeindeten Völker möglich. Zwei Tage später hat der Generalsekretär der Regierungspartei erklärt, eine Aussöhnung mit den Osseten und Abchasen sei ohne eine georgische Entschuldigung für den Krieg unmöglich.

In einer ersten Reaktion erklärte das Außenministerium von Abchasien, eine georgische Entschuldigung für den Krieg könne der Beginn des Prozesses der Aussöhnung sein.

Schon Anfang September hat der georgische Premierminister erklärt, Georgien müsse die „Vereinigte Nationale Bewegung“, die Partei von Saakaschwili, genauso loswerden, wie Deutschland nach dem Krieg Hitler losgeworden sei:

„Wäre Hitlers Partei nach 1945 in der deutschen Politik geblieben, hätte sie ebenfalls etwa 15 bis 20 Prozent erreicht. <…> So wie die Deutschen einst dieses Unglück leicht und hart losgeworden sind, so müssen wir unser Land von der kollektiven Nationalbewegung befreien.“

Daher hat die georgische Regierung angekündigt, die Partei von Saakaschwili zu verbieten, wenn sie bei den Wahlen die nötige Mehrheit für eine Verfassungsänderung bekommt.

Nach diesen zum Verständnis nötigen Erklärungen übersetze ich einen Artikel des Georgien-Korrespondenten der russischen Nachrichtenagentur TASS über die Lage in Georgien einen Monat vor der Wahl. Wie man in dem Artikel lesen kann, sieht er das Verbot der (pro-westlichen) Opposition übrigens durchaus kritisch.

Im Anschluss an die Übersetzung berichte ich noch weitere Details über die aktuelle Zuspitzung der Beziehungen zwischen Georgien und den USA.

Beginn der Übersetzung:

Ein Monat bis zu den Wahlen in Georgien: Die drohende schwere Niederlage der Opposition und die fatalen Folgen

Michail Egikow, Leiter des TASS-Büros in Georgien, über die Pläne der Regierungspartei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“, einen bedeutenden Teil der Opposition nach den Parlamentswahlen am 26. Oktober zu verbieten

Der „Georgische Traum“ hat vor den Wahlen mehrere Hauptbotschaften an die Wähler, aber die wichtigste ist, den Frieden im Land zu erhalten. Die Regierungspartei bezeichnet die bevorstehenden Wahlen als Referendum zwischen Krieg und Frieden, da sie der Meinung ist, die Opposition wolle das Land in den Konflikt mit Russland hineinziehen und eine sogenannte zweite Front in Georgien eröffnen. Die Führer des „Georgischen Traums“ begründen ihr Vorgehen mit den Reden von Vertretern der Opposition im Jahr 2022, die nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten in der Ukraine dazu aufriefen, georgische Freiwillige in das Konfliktgebiet zu schicken.

Aber die Regierungspartei will mit dieser Wahlkampagne nicht nur die Macht behalten, indem sie eine Mehrheit im Parlament erlangt. Der „Georgische Traum“ strebt eine verfassungsmäßige Mehrheit an, also mindestens drei Viertel aller Mandate (113 von 150), die es ihm ermöglichen, ohne Rücksicht auf die Meinung seiner Gegner Verfassungsänderungen vorzunehmen. Das ist insbesondere notwendig, um die vom ehemaligen Präsidenten Michail Saakaschwili gegründete ehemalige Regierungspartei „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) und mit ihr verbundene Vereinigungen als verfassungswidrig einzustufen. Es ist auch geplant, eine Reihe von Strafverfahren einzuleiten. Kurz gesagt, die georgische Regierung will den größten Teil der Opposition im Land auf Verfassungsebene verbieten und einige von ihnen ins Gefängnis stecken.

Warum die Partei von Saakaschwili verboten werden soll

In all den 12 Jahren, in denen der „Georgische Traum“ an der Macht ist, haben seine Parteiführer die UNM unablässig an die Sünden erinnert, die in den neun Jahren ihrer Herrschaft bis Oktober 2012 begangen wurden. Vor allem geht es um Menschenrechtsverletzungen, Mafiamethoden in der Wirtschaft, aufsehenerregende Morde und so weiter. Saakaschwili ist bereits in zwei Fällen strafrechtlich verurteilt worden und drei weitere Fälle sind noch vor Gericht anhängig. Doch in letzter Zeit hat die Regierungspartei das Thema des georgisch-ossetischen Konflikts vom August 2008 in den Vordergrund gerückt. Zunächst wurden Michail Saakaschwili und die „Nationale Bewegung“ des Verrats an der 2008 unterzeichneten Resolution des Europarats bezichtigt, in der es hieß, das georgische Militär habe Zchinwali ohne Vorwarnung beschossen und damit eine Eskalation der Lage in der Region provoziert.

Und nun, am 20. August, fast zwei Monate vor den Wahlen, hat der „Georgische Traum“ eine Erklärung abgegeben, in der er erklärt, warum er eine verfassungsgebende Mehrheit braucht. Eines der Hauptmotive für einen großen Wahlsieg ist die Absicht, die UNM als verfassungswidrig anzuerkennen und sie für die Ereignisse von 2008 zu verurteilen.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass auch nur die theoretische Möglichkeit besteht, dass eine politische Kraft, die das Verbrechen von 2008 begangen hat, an die Macht zurückkehrt“, heißt es in der Erklärung.

Der „Traum“ hat seinen Hauptgegnern auch vorgeworfen, während ihrer Regierungszeit „ausländische Aufträge“ ausgeführt zu haben und das auch in der Opposition weiterhin zu tun, indem sie versuchen, Georgien in den Konflikt hineinzuziehen. Kurz gesagt: Saakaschwilis Partei sei kriminell und gefährlich und solle aus dem politischen Leben entfernt und vor Gericht gestellt werden.

In ihren weiteren Erklärungen drohten die Führer der Regierungspartei der „Nationalen Bewegung“ nicht nur mit einem Verbot, sondern buchstäblich mit Nürnberger Prozessen. Der Milliardär Bidzina Iwanischwili, Gründer des „Georgischen Traums“, beschuldigte die frühere Regierung in einer Wahlkampfrede in der Stadt Gori am 14. September, den Krieg von 2008 ausgelöst zu haben, und sagte, Georgien werde die Kraft finden, sich bei den Osseten zu entschuldigen, nachdem die Verantwortlichen für den Konflikt bestraft worden seien. Iwanischwili versprach, dass „sehr bald ein georgische Nürnberger Prozess stattfinden wird“, was seiner Meinung nach eine Voraussetzung für die Versöhnung zwischen Georgiern und Osseten sein wird.

Iwanischwilis Worte erregten nicht nur wegen der Bereitschaft des Landes, sich bei den Osseten zu entschuldigen, sondern auch wegen der faktischen Anerkennung, dass der Krieg von Georgien begonnen wurde, großes Aufsehen. Zuvor hatte das offizielle Tiflis ausschließlich Russland als Aggressor bezeichnet. Nun hat Georgien den Beschuss des „schlafenden Zchinwali“ anerkannt, obwohl es die Unterzeichnung der Resolution des Europarats als Verrat gewertet hat.

Premierminister Irakli Kobachidse bestätigte später bei einer Pressekonferenz die Änderung der Rhetorik der georgischen Regierung in der Frage, wer der Anstifter des Konflikts war. Wie der Regierungschef feststellte, konnte Georgien bisher nicht die Wahrheit sagen, da die Verfahren zu den Ereignissen von 2008 in Den Haag und Straßburg noch nicht abgeschlossen waren und die Aussagen der georgischen Regierung die Prozesse hätten beeinträchtigen können. Außerdem, so Kobachidse, versuche die „Nationale Bewegung“ immer noch, einen Krieg im Land zu entfesseln, und die Regierung könne es sich nicht leisten, „der georgischen Gesellschaft nicht die ganze Wahrheit zu sagen, dass es das Saakaschwili-Regime war, das am 7. August 2008 den Krieg in Georgien entfesselt hat“.

Nicht nur die UNM

In der Erklärung der Regierungspartei vom 20. August und auch in den folgenden Erklärungen wird nicht nur die UNM, sondern auch die „kollektive Nationale Bewegung“ erwähnt. Auf diese Weise verallgemeinert die georgischen Regierung fast die gesamte Opposition. Erstens, weil die „Nationale Bewegung“ die zahlenmäßig größte Oppositionspartei ist und daher in der Auseinandersetzung mit der derzeitigen Regierung den Ton angibt. Zweitens sind in den letzten Jahren in Georgien mehrere Parteien entstanden, deren Führer einst Mitglieder der UNM waren und daher immer noch mit Saakaschwili verbunden sind. Sogar die Partei „Für Georgien“ des ehemaligen Premierministers Giorgi Gacharia und die Partei „Lelo“ des Bankiers Mamuka Chasaradse fallen im Sinne des „Georgischen Traums“ unter die „kollektive Nationale Bewegung“, da es zu einem gewissen Zeitpunkt eine Zusammenarbeit zwischen ihnen und der UNM gab.

Kobachidse bestätigte bei einer Pressekonferenz am 23. August, dass der „Traum“ plant, sowohl die „Vereinigte Nationale Bewegung“ als auch mehrere andere Parteien, darunter „Lelo“ und „Für Georgien“, zu verbieten. Er präzisierte, dass den Oppositionsparteien, die verboten werden sollen, ihre Mandate entzogen werden, wenn die Regierungspartei eine verfassungsmäßige Mehrheit erlangt und sie die 5-Prozent-Hürde überschreiten. Das bedeutet, dass der „Georgische Traum“ die einzige Kraft im Parlament bleiben könnte. Oder mit einigen Abgeordneten der konservativen „Allianz der Patrioten“, die für einen Dialog mit Russland eintritt, wenn sie die Hürde überwindet.

Wie wahrscheinlich ist das?

Alle Meinungsumfragen zeigen, dass die Regierungspartei die Wahlen gewinnen wird. Doch die Prognosen darüber, wie viele Stimmen sie letztendlich erhalten wird, gehen weit auseinander.

Nach Meinungsumfragen, die im Auftrag des Georgischen Traums durchgeführt wurden, liegt die Regierungspartei bei etwa 60 Prozent. Die Unterstützung für die UNM ist auf unter 20 Prozent gesunken, einige Oppositionsparteien stehen kurz davor, die 5-Prozent-Hürde zu überschreiten, und die übrigen werden es nicht ins Parlament schaffen. In diesem Fall würde der „Traum“ über genügend Stimmen verfügen, um eine verfassungsmäßige Mehrheit zu erlangen, da die Parteien, die ins Parlament einziehen, zu den nicht zugewiesenen Mandaten der Parteien hinzugerechnet werden, die bei den Wahlen weniger als 5 Prozent der Stimmen erhalten haben.

Vom oppositionellen Fernsehsender Formula in Auftrag gegebene Umfragen kommen zu weniger optimistischen Ergebnissen für den „Georgischen Traum“. Laut Edison Research wird die Regierungspartei mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten und die Wahl gewinnen, während die UNM etwa 20 Prozent der Stimmen erhalten wird. Außerdem würden mehrere Parteien die 5-Prozent-Hürde überwinden. Dann wird der „Traum“ zum Sieger erklärt und einen Kandidaten für das Amt des Premierministers präsentieren, aber die Opposition wird eine Mehrheit im Parlament haben und die Parteien werden sich auf eine Koalitionsregierung einigen müssen.

Wie der politische Analyst Vachtang Maisaja gegenüber der TASS erklärte, wird der „Georgische Traum“ seinen Plan, die Opposition zu verbieten, nur umsetzen können, wenn er eine verfassungsmäßige Mehrheit erhält. Ohne diese, nur mit einer einfachen Mehrheit im Parlament, wird es nicht möglich sein, ganze politische Vereinigungen zu verbieten. Laut Maisaja käme das einem Staatsstreich gleich. Sollte die Regierungspartei jedoch die begehrten 113 Sitze im Parlament erhalten, wird sie viel Zeit benötigen, um ihre Pläne umzusetzen.

Wie der Experte feststellte, bedarf es zunächst einer politischen Bewertung der Tatsache, dass das Regime von Saakaschwili autoritär war und die Menschenrechte verletzt hat. Dann müssen Kommissionen eingesetzt und Untersuchungen durchgeführt werden. Am Ende kann es ein oder zwei Jahre dauern, bis die Parteien als verfassungswidrig anerkannt werden.

Ende der Übersetzung

Das georgisch-amerikanische Verhältnis

Die USA fordern von ihren „Verbündeten“ bedingungslose Treue und sie fordern bekanntlich auch von allen Staaten der Welt, dass diese sich der Politik und den Wünschen der US-Regierung unterzuordnen haben. Wer sich dem verweigert, dem drohen die USA mit Sanktionen oder Schlimmerem.

Entsprechend sauer wurde die US-Regierung, als die georgische Regierung sich den Forderungen aus Washington widersetzte, sich den anti-russischen Sanktionen anzuschließen. Und noch erboster wurde die US-Regierung, als die georgische Regierung das Gesetz gegen ausländische Einmischung beschlossen hat, denn es sind die USA und der Westen, die über ihre NGOs versuchen, die georgische Politik in ihrem Sinne zu lenken.

Die Sanktionen, die die USA am 16. September gegen über 60 Georgier, darunter Beamte des georgischen Innenministeriums, verhängt haben, wurden in Georgien im September als unzulässige Einmischung in die georgischen Wahlen bezeichnet.

Der georgische Premierminister Kobachidse erklärte bei einem Treffen mit dem US-Botschafter in Georgien einen Tag später, Georgien könne seine Position gegenüber den USA erheblich überdenken, wenn diese weitere Entscheidungen wie die zuvor verhängten Sanktionen treffen, wie sein Pressebüro mitteilte:

„Es wurde mitgeteilt, dass diese Entscheidung die amerikanische Seite einem kritischen Punkt näher gebracht hat, der, wenn eine weitere ähnliche Entscheidung getroffen wird, zu einer erheblichen Änderung der Position Georgiens in den georgisch-amerikanischen Beziehungen führen könnte.“

Wie Kobachidse es ausdrückte, solle dieser Schritt „die Chancen der Opposition vor den Wahlen verbessern, aber er ist völlig kontraproduktiv“. In Wirklichkeit würden Sanktionen gegen Bürger, auch aus den Sicherheitskräften, „die Chancen der Opposition vor den Wahlen nicht verbessern und die Regierungsmannschaft nicht in Angst und Schrecken versetzen“.

Am 26. September sollte der georgische Premierminister die UN-Vollversammlung besuchen und auch ein Empfang bei US-Präsident Biden war geplant. Dann meldete der georgische Ableger des US-Staatssenders Voice of America, dass der georgische Regierungschef ausgeladen wurde, was das Weiße Haus danach bestätigte. Später hat die georgische Regierungspartei mitgeteilt, nach ihren Informationen hätte die US-Regierung auf Bitten der georgischen Opposition sogar darüber nachgedacht, dem georgischen Premierminister die Einreise in die USA zur UN-Vollversammlung zu verbieten.

Der georgische Premierminister bezeichnete das Verhalten der US-Regierung als kindisch:

„Was die abgesagte Einladung zum Abendessen und zum geplanten Händeschütteln angeht. Das war eine Art kindischer Schritt. Die USA sind ein großer Staat, und beleidigt zu sein, ist nichts. was sie schmückt. Zu schmollen ist eine kindische Handlung, die sie nicht schmückt.“

Außerdem stellte er fest, dass „die Führer mehrerer Dutzend autoritärer Länder bei diesem Händeschütteln oder Abendessen anwesend“ gewesen seien, und dass die Öffentlichkeit daraus ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen könne.

Was nun?

Georgien wird die westlichen Medien zweifellos ab Mitte oder Ende Oktober beherrschen, denn es ist zu erwarten, dass der Westen der georgischen Regierung Wahlfälschung vorwerfen und versuchen wird, eine weitere Farbrevolution zu orchestrieren.

Sollte die georgische Regierung diesen Putschversuch überstehen, wird sie über die künftige Ausrichtung ihrer Politik nachdenken müssen, denn der Westen wird der georgischen Regierung dann offen feindselig gegenüberstehen.

Eine Annäherung an Russland steht eigentlich nicht auf der offiziellen Agenda der georgischen Regierung, aber das kleine Land dürfte angesichts der geopolitischen Lage und dem Druck aus dem Westen kaum die Kraft haben, eine eigenständige Politik zu betreiben. Der Westen würde Georgien mit seinem Druck dazu zwingen, sich Russland anzunähern, ob die georgische Regierung das nun will oder nicht.

Das war sicher nie das Ziel der georgischen Regierung, denn sie ist seit zwölf Jahren an der Macht und hat in der Zeit keine nennenswerten Schritte in Richtung einer Aussöhnung mit Russland gemacht, sondern hat all die Jahre den Kurs der Annäherung an die EU und die NATO verfolgt.

Georgien dürfte ein heißer Herbst bevorstehen, denn bei den Wahlen geht es nicht nur für das kleine Georgien um sehr viel.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. Es sieht ja ganz danach aus, als wenn mal hier jemand etwas begriffen hat. Oder hier zumindest ein Prozess stattfindet
    Georgien ist eine alte Kulturnation mit einer eigenen Schrift und jahrhundertealten Tradition. Die auch so einiges durchgemacht hat. Nicht zu vergleichen mit der Ukraine. Es bleibt zu hoffen, das die Anzeichen von Charakter und Persönlichkeit kein bloßes Flackern am Horizont sind. Hier ein Lernprozess stattfindet. Es wäre diesem Land zu wünschen, sich als positives Zünglein an der Waage in die Geschichte der kommenden Generationen weiter einzuschreiben.

    Immerhin aß der besagte Präsident Saakashvili seinerzeit auch schon mal seinen Schlips vor laufender Kamera – als sein toller Plan dann doch nicht so ganz aufging.

    https://www.youtube.com/watch?v=rZ02MlVRcMA

  2. Die wirtschaftlichen Beziehungen Georgiens zu Rußland geben doch diesem kleinen stolzen, machmal aber auch überheblichen Volk erst einmal eine Sicherheit, daß der sogenannte Werte-Westen den Georgiern nicht die Butter vom Brot nehmen kann. Die eventuell auftretenden Lücken in der Versorgung werden wohl von Rußland und den Ländern von BRICS+ gedeckt werden. Auch die Abnahme der georgischen Produkte, die ja bisher schon ziemlich reichhaltig durch die RF gerantiert sind, dürften nicht das Problem sein. Um USA und EU weiter draußen zu lassen, wird wohl eine Zahlungsmodalität, wenn bis jetzt nicht geschehen, die Umstellung von USD auf Nationalwährung sein. Ich persönlich sehe eine diplomatische Annäherung und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen als nicht vordringlich, sogar erst einmal kontraproduktiv an. Man muß beachten, daß die georgische Bevölkerung seit rund einem Vierteljahrhundert russophob beeinflußt und erzogen wurde. Desweiteren arbeiten Hunderttausende Georgier als geachtete Bürger und Kollegen in Rußland und verdienen schönes Geld, welches in Georgien ausgegeben wird. Was würde passieren, wenn es zu Konflikten zwische den beiden käme? Welche Auswirkungen hätte das auf die georgische Gesellschaft? Sie würde weiter zerrissen. Man sollte sich aber nicht meschugge machen lassen von den 10.000 sogenannten Demonstranten gegen das Ausländische- Agentengesetz, die von überall her nach Tblissi heran gekarrt worden sind. Wer hat deren wochenlangen Verdienstausfall bezahlt? Es werden die gleichen Geldgeber gewesen sein, die ab November 2013 die volkserhebenden Demonstranten in Kiew bezahlt haben.

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