Putin im O-Ton

Teil 4: Putin über mögliche Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew

In Wladiwostok fand wieder das Östliche Wirtschaftsforum statt und traditionell hat Putin dort eine Grundsatzrede gehalten und dann stundenlang an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Ich zeige in einer Artikelserie seine wichtigsten Aussagen im O-Ton.

In Russland gibt es zwei Wirtschaftsforen, bei denen Präsident Putin jedes Jahr eine Grundsatzrede hält und sich dann stundenlang auf einer Podiumsdiskussion den Fragen eines Moderators und der Teilnehmer stellt. Das Petersburger Wirtschaftsforum ist eher an westliche und afrikanische Teilnehmer gerichtet, das Östliche Wirtschaftsforum in Wladiwostok behandelt Fragen, die Asien betreffen.

Schon Putins Grundsatzrede beim Östlichen Wirtschaftsforum war – auch für deutsche Leser – sehr interessant, weil sich dabei wieder einmal zeigt, wie unterschiedlich russische und westliche Politiker mit konkreten Fragen umgehen. Während westliche Politiker sich meist in allgemeinen Phrasen ergehen, werden in Russland Probleme beim Namen genannt und auch sehr konkrete Lösungen vorgeschlagen. Wenn ich es zeitlich schaffe, übersetze ich seine Rede am Wochenende.

Hier will ich in einer Artikelserie über die wichtigsten Fragen berichten, die Putin gestellt wurden, und seine Antworten zitieren.

Putin erinnerte daran, dass ein Vertrag zwischen Russland der Ukraine Ende März 2022 bereits ausgehandelt war, aber dass dann Boris Johnson nach Kiew gereist war und sagte, die Ukraine solle bis zum Ende kämpfen. Inzwischen ist es für jeden, der nicht nur westliche Medien konsumiert, bekannt, dass die USA damals einen Friedensschluss verhindert haben, wie zuletzt in der Türkei bestätigt wurde.

Putin sagte, Verhandlungen seien immer noch möglich, aber nur auf Grundlage der damals getroffenen Vereinbarungen:

„Sind wir bereit, mit ihnen zu verhandeln? Wir haben uns nie geweigert, das zu tun. Aber nicht auf der Grundlage irgendwelcher flüchtiger Forderungen, sondern auf der Grundlage der Dokumente, die in Istanbul vereinbart und faktisch paraphiert wurden.“

Putin antwortete nicht auf die Frage nach einem möglichen Land, das als Vermittler für die Gespräche in Frage kommt, betonte aber die wichtige Rolle Chinas, Brasiliens und Indiens. Putin erinnerte wieder daran, dass der Maidan 2014 ein verfassungswidriges und blutiges Ereignis war, das der Grund für die Eskalation 2022 war.

Der malaysische Premierminister, der ebenfalls an der Diskussion teilnahm, erklärte, er habe damals auch von den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Istanbul im März 2022 gewusst und habe gedacht, der Konflikt sei schnell zu Ende, weil bekannt war, dass eine Einigung praktisch unterschriftsreif war, dass es dann aber nicht gelungen sei, eine Einigung zu erzielen.

Darauf antwortete Putin:

„Sie verstehen, was der andere Weg wäre? Ja, wir verstehen, mit wem wir es zu tun haben. Das sind Leute, die keinerlei Respekt für die Interessen anderer Länder und Völker haben. Leider gibt es solche Leute, die mit Leichtigkeit alle Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, sogar unterzeichnete Dokumente, verletzen.
Sie sagten, dass es uns nicht gelungen sei, in Istanbul durch die Vermittlung von Präsident Erdogan eine Einigung zu erzielen. Aber wir haben es geschafft, eine Einigung zu erzielen – das ist der Punkt! -, wie die Unterschrift des Leiters der ukrainischen Delegation, der das Dokument paraphiert hat, beweist, was bedeutet, dass die ukrainische Seite mit den erzielten Vereinbarungen insgesamt zufrieden war. Es ist nur deshalb nicht in Kraft getreten, weil man ihnen befohlen hat, das nicht zu tun, sondern weil die Eliten der USA, Europas und einiger europäischer Länder den Wunsch haben, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen.
Die dachten, dass sie die Situation ausnutzen und Russland in die Knie zwingen, es zerstückeln können, oder was auch immer sie vorhatten. Sie dachten, sie würden – Manna fällt vom Himmel – ihre strategischen Ziele erreichen, die sie seit vielleicht Jahrhunderten oder Jahrzehnten anstreben. Genau darum geht es hier. Johnson kam und sagte: Nein, kämpft bis zum letzten Ukrainer. Also kämpfen sie weiter.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass diejenigen, die in der Ukraine das Sagen haben, entweder Ausländer oder irgendwelche Außerirdische sind.“


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

24 Antworten

    1. „Putin sagte, Verhandlungen seien immer noch möglich, aber nur auf Grundlage der damals getroffenen Vereinbarungen:“

      Was um aller Welt ist da klar ?

      „Kiew hat damals Ende März vorgeschlagen, dass die Ukraine dauerhaft ein neutraler Staat bleibt, der keine Atomwaffen erwirbt, keine ausländischen Truppen ins Land lässt und stark abrüstet. Im Gegenzug dazu war Russland bereit, Kiew beim EU-Beitritt zu unterstützen und bestimmte Staaten sollten der Ukraine Sicherheitsgarantien geben.“

      „Es wurde zwar noch über Details, wie das genaue Ausmaß der ukrainischen Abrüstung verhandelt, aber im Grunde war man sich einig. Die strittigen Territorialfragen über die Krim und die Donbass-Republiken wollte man in friedlichen Verhandlungen innerhalb von bis zu 15 Jahren einvernehmlich regeln.“

      https://anti-spiegel.ru/2024/die-new-york-times-veroeffentlicht-die-dokumente-der-friedensverhandlungen-zwischen-moskau-und-kiew-von-2022/

  1. Wie viele Teile kommen eigentlich noch?
    Inzwischen hab ich das ganze Gelaber, 3h insgesamt mehrfachgehört und gelesen(meist in schlechter Übersetzung).
    Allerdings kann man dieses Treffen nicht oft genug erwähnen. Es ist wichtig.

      1. Sofern die Übersetzungen Dritter gemeint sind sei dir gesagt, dass gerade das Auseinanderklabüstern der Einzelaussagen Putins eben das Interessante an der ganzen Sache ist für diejenigen, die wirklich den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen.

  2. »[Das Istanbuler Dokument] ist nur deshalb nicht in Kraft getreten, weil man ihnen befohlen hat, das nicht zu tun, sondern weil die Eliten der USA, Europas und einiger europäischer Länder den Wunsch haben, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen.«

    Rußland soll nicht nur eine Niederlage zugefügt, es soll bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt werden! Das ist Sinn und Zweck des von der NATO angeheizten Ukrainekrieges. Aus diesem Grund sehe ich keine Aussicht auf Verhandlungen, an deren Ende irgendeine tragfähige Vereinbarung stünde. Die „Logik“ dieses Krieges, in dem eine Niederlage des Kiewer Regimes (also der NATO) um jeden Preis verhindert werden soll, erfordert geradezu eine ständige Eskalation. Eine rote Linie nach der anderen wird überschritten, eines Tages auch die letzte. Mit seiner vorsichtigen, zurückhaltenden Kriegsführung kann Rußland das *vielleicht* verlangsamen, aber nicht verhindern.

    Deshalb sehe ich die militärischen Erfolge Rußlands nicht als Etappen zum siegreichen Ende des Krieges, sondern als Schritte hin zum noch größeren Krieg, der auch uns direkt betreffen wird. Hoffentlich irre ich mich!

    1. Sie haben also doch Hoffnung. Das klingt aber wenig überzeugend, wenn Sie vorher von der „Logik des Krieges, die eine ständige Eskalation“ fordert sprechen.
      Ich glaube, dass es zu einer Friedensverhandlung mit der Ukraine unter Rücksprache mit den US-Amerikanern kommt. Es läuft nicht so gut für die USA. Siehe die Entwicklung der BRICS. Die USA werden ihre Interessen nicht mit Atomgewalt durchsetzen, so dumm sind sie nicht. Sie werden den sich abzeichnenden Gleichstand zwischen Dollar-Westen und BRICS hinnehmen müssen.

      1. Ich fürchte, es läuft fast unaufhaltsam auf einen großen Krieg hinaus. Obwohl ich kein Freund von Zweckoptimismus bin, kann ich natürlich *hoffen*, daß es anders sein möge.

        Für die USA läuft es nicht gut, aber für BRICS läuft es auch nicht besonders gut. China und Indien sind nicht gerade verläßliche Partner, von der Türkei ganz zu schweigen, falls sie auch noch hinzukommt. Von einem Gegengewicht zum Dollar kann keine Rede sein. (Zu BRICS gab es gestern oder vorgestern einen Beitrag bei Kontrafunk. Selbstverständlich soll man nichts unbesehen glauben, sondern sich immer eine *eigene* Meinung bilden. Aber dazu gehört auch, daß man sich Berichte anhört, die nicht zum eigenen Wunschbild passen.)

        Warum ich den Krieg für sehr wahrscheinlich halte, habe ich schon geschrieben. Die USA und ihre NATO-Vasallen wollen die Niederlage um jeden Preis vermeiden, und in den USA glauben einige Wahnsinnige, den ultimativen Krieg auf Europa beschränken zu können. Sie könnten auch darauf spekulieren, daß Rußland nach einem verheerenden „konventionellen“ oder gar atomaren Überfall doch nicht den tödlichen Gegenschlag ausführt, um die Welt nicht zu vernichten. Es ist wichtig, daß Rußland nicht hinter seine roten Linien zurückweicht, sonst wird der Feind immer aggressiver und abenteuerlustiger.

        Bei Spekulationen kann man sich leicht vertun und ich kann mich bei meiner Einschätzung natürlich auch irren. Ich meine aber, daß die drohende Kriegsgefahr auch in unseren Kreisen viel zu sehr unterschätzt wird.

  3. Erstaunlich, dass hier noch nicht die neueste Comedy bekannt ist… Melnyk möchte Scholz als diplomatischen Vermittler in Moskau 🤣

    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/ukraine-melnyk-ruft-scholz-zu-diplomatie-mit-moskau-auf-li.2251637

    Andrij Melnyk, früherer ukrainischer Botschafter in Deutschland, rät der Bundesregierung zu einem diplomatischen Vorstoß in Moskau, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Melnyk, der sein Land heute in Brasilien vertritt, sagte der Berliner Zeitung: „Ganz persönlich glaube ich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz kreativ werden und die bestehenden diplomatischen Kanäle Deutschlands nutzen könnte, um auszuloten, ob Gespräche mit Putin sinnvoll wären. Die Bundesrepublik hat ja immer noch eine Botschaft in Moskau. Und die Hauptsache ist, dass wir Ukrainer den Deutschen vertrauen.“ Im Globalen Süden gebe es schon Vermittlungsversuche – und diese erkennt der Diplomat als „eventuell hilfreich“ an: „Ich bin hier in Brasilien, das ein gemeinsames Papier mit China ins Spiel brachte, trotz mancher Meinungsverschiedenheit in konstruktiven Gesprächen“, sagte Melnyk. Die Lage sei zwar „unübersichtlich, aber es ist eine gewisse Bewegung drin“. Das hätten auch die Reise des früheren ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba nach China sowie der Besuch des indischen Premierministers Narendra Modi in Kiew gezeigt.

    Melnyk sagte, es gebe „plötzlich neue Signale“ von Putin, dass er eine Vermittlerrolle Chinas, Brasiliens und Indiens „akzeptieren“ würde, weil er „vertrauliche Kontakte zu den Staatsoberhäuptern dieser Länder unterhält“. „Es wäre aus meiner Sicht noch verfrüht zu sagen, ob die Ukraine dazu überhaupt bereit wäre“, kommentierte Melnyk. Denn „das Grundvertrauen, vor allem gegenüber Brasilien, sollte noch ausgebaut werden, dafür bräuchten wir einen viel engeren persönlichen Austausch zwischen den Präsidenten Selenskyj und Lula. Der fehlt leider.“ Auch einige Vermittlungsinitiativen Saudi-Arabiens und Katars seien „begrüßenswert“, um zum Beispiel nach Russland verschleppte ukrainische Kinder in die Heimat zurückzuholen. Es herrsche eindeutig eine „neue Dynamik“. Melnyk: „Gerade deswegen könnten unsere westlichen Verbündeten – vor allem Deutschland – tätig werden und vorsichtig alle Chancen abtasten.“ Was die jüngste Initiative des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán betrifft, erscheine sie „nicht besonders erfolgversprechend“, weil die Beziehungen zwischen Ungarn und der Ukraine seit Jahren „leider angespannt“ blieben. Voraussetzung für jede mögliche Vermittlung sei ja ein tiefes gegenseitiges Vertrauen. Ob Orbán in Teilbereichen mit „humanitärem Charakter, wie etwa einem Gefangenenaustausch“ einen Beitrag leisten könnte, sei sehr fraglich.

    Lloyd Austin (l.), Verteidigungsminister der USA, und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nehmen am Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der US Air Base Ramstein teil. 
    Lloyd Austin (l.), Verteidigungsminister der USA, und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nehmen am Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der US Air Base Ramstein teil.
    Andreas Arnold/dpa
    Nach Melnyks Auffassung braucht es für eine wirklich tragfähige, große Lösung einen Player, dem die Ukraine voll und ganz vertrauen kann: „Ein Grundvertrauen gegenüber potenziellen Vermittlern ist von entscheidender Bedeutung.“ Melnyk: „Die USA könnten diese zentrale Rolle am besten spielen. Die Schwierigkeit ist, dass dort eben der Präsidentschaftswahlkampf im vollen Gange ist.“ Zwar gab es an diesem Freitag ein neues Treffen in Ramstein unter amerikanischer Federführung, zu dem sogar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angereist war. Bei dem Treffen wurde jedoch in erster Linie über weitere militärische Unterstützung diskutiert. Im Hinblick auf Verhandlungen könne Berlin für die Ukraine „eine genauso wichtige Rolle“ wie die USA übernehmen: „Deutschland könnte eine diplomatische Vermittlung anstoßen“, sagte Melnyk. Dazu sei es nötig, einen neuen Ansatz zu wählen: „Natürlich gilt für uns nach wie vor das grundlegende Prinzip, dass nichts über die Ukraine entschieden werden kann ohne die Ukraine am Tisch. Das ist klar. Allerdings, wenn man sich die Minsker Vereinbarung vom Februar 2015 in Erinnerung ruft, so ging damals – bei aller berechtigten Kritik – diese Vermittlungsinitiative von Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Francois Hollande aus. Keiner hat sie darum gebeten, aber die beiden haben trotzdem gehandelt und mitgeholfen, einen Deal mit Moskau zu erreichen. Das war wichtig, auch wenn dieses Abkommen diesen heutigen Angriffskrieg Russlands doch nicht verhindern konnte. Diplomatie darf sich nie ausruhen.“

    Melnyk sieht eine paradoxe Situation in Deutschland: „Wegen der Erfolge von Sahra Wagenknecht und der Forderungen des BSW, auch auf Länderebene diplomatische Lösungen zu forcieren, steht nicht nur die CDU unter Druck, sondern auch die Ampel-Regierung. Bis zur Bundestagswahl wird dieser Druck noch steigen. Und da könnte Bundeskanzler Scholz aus innenpolitischen Gründen zur Erkenntnis gelangen, kluge Diplomatie sollte jetzt eingeleitet werden.“ Melnyk sagte weiter: „Die schockierenden Wahlerfolge von AfD und BSW, die als fünfte Kolonne Russlands agieren, waren eine Horrormeldung für die Ukrainer. Aber vielleicht werden sie für die Ampel ein Weckruf sein, auf – zugegeben kuriose – Weise, dass man diplomatische Initiativen auslotet, auch um diesen beiden populistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen. Unser Ziel muss es ja sein, den Wahnsinn dieses blutigen Krieges so schnell wie möglich zu stoppen.“ Denn dem Botschafter ist klar, dass auch die Verhandlungen mit jedem Tag schwieriger werden, je länger der „verdammte Krieg“ dauert: „Wenn es doch zu Verhandlungen kommen sollte, wäre es überlebenswichtig, dass die Ukraine sehr gute Karten in den Händen hält– am besten alle vier Asse im Ärmel –, um Russland zum Rückzug zu zwingen. Gleichzeitig sollten deutsche Militärhilfen ausgeweitet werden, es geht vor allem um weitreichende Waffensysteme wie Taurus.“

    Bundeskanzler Olaf Scholz spricht während der Präsentation des ersten deutschen Mittelstrecken-Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM im Feldlager Todendorf, Norddeutschland.
    Bundeskanzler Olaf Scholz spricht während der Präsentation des ersten deutschen Mittelstrecken-Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM im Feldlager Todendorf, Norddeutschland.
    Daniel Bockwoldt/AFP
    Melnyk räumte ein, dass sich die militärische Lage „in den vergangenen sechs Wochen dramatisch verschlechtert“ habe: „Die russische Walze rollt, und wir verlieren jeden Tag ein Stück von unserem Land und Menschenleben.“ Neben den Geländeverlusten im Donbass, wo die Russen zum wichtigen Infrastrukturknoten Pokrowsk vorrücken, hat die russische Armee die Bombardierung ziviler Ziele massiv intensiviert. Melnyk: „Bei einem perfiden Raketenangriff auf das historische Zentrum meiner Heimatstadt Lwiw hat mein guter Kollege im diplomatischen Dienst seine Schwester und seine drei Nichten verloren. Er war untröstlich. Es ist einfach herzzerreißend.“ Diese „brutalen Überfälle mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und gelenkten Fliegerbomben verfolgen das Ziel, die ukrainische Bevölkerung psychologisch zu zermürben“. Melnyk: „Putin will, dass wir das Gefühl haben, es gäbe nirgends Sicherheit. Das ist verheerend für die Moral der Menschen.“ Er sei kürzlich in Kiew gewesen und es habe nur sechs bis acht Stunden Strom gegeben. Die Russen hätten die Stromversorgungskapazitäten der Ukraine zur Hälfte zerstört. Das bedeute auch, dass bei sommerlicher Hitze die Lebensmittel in den Kühlschränken verderben. An den nächsten Winter wolle man gar nicht denken, weil völlig unklar sei, wie geheizt werden könne. Die Lebensumstände und die Angst könnten neue Fluchtbewegungen auslösen: Das Ziel wäre dann Deutschland, was die Lage weiter erschwere.

    Denn Melnyk sieht, dass es für die deutsche Politik immer mühsamer wird, Zustimmung für die Unterstützung der Ukraine im eigenen Land zu bekommen: „Ich verstehe, dass die deutsche Bevölkerung unruhig wird, wenn sie von den finanziellen Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine hört. Vielleicht war das ein Fehler der Ampel, diese Sensibilität zu ignorieren und nicht früher nachzujustieren“, sagte Melnyk. „Zu unserem Leidwesen wurde dieses Thema im Wahlkampf zynisch instrumentalisiert.“ Nun gebe es „Hetzkampagnen gegen ukrainische Flüchtlinge, die angeblich zu faul sind, um zu arbeiten“. Obwohl das „absolut falsch“ sei, konnte „die AfD mit dieser miesen Stimmungsmache Wahlerfolge verbuchen“: „Es ist ungerecht und bitter, dass man dieses verzerrte Bild der Ukrainer schafft und dann als Vorwand benutzt, um die Unterstützung zu stoppen.“ Dazu komme ein weiterer „abwegiger Vorwurf, der lautet: Zum Dank zerstört die Ukraine unsere Infrastruktur und sprengt Nord Stream 2 in die Luft.“

    Nord-Stream-Explosionen: Andrij Melnyk sieht dringenden Handlungsbedarf auf ukrainischer Seite.
    Nord-Stream-Explosionen: Andrij Melnyk sieht dringenden Handlungsbedarf auf ukrainischer Seite.
    Verteidigungsministerium Dänemark
    Was die Pipeline Nord Stream 2 betrifft, sieht Melnyk tatsächlich dringenden Handlungsbedarf auf ukrainischer Seite: „Es ist doch ein Wahnsinn – kein Mensch kann glauben, dass ein paar Leute mit einem Segelboot auf Befehl der ukrainischen Regierung aufs Meer fahren, um die Pipeline eines unserer wichtigsten Nato-Partner in die Luft zu sprengen. Wir haben nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass die Sprengung eine False-flag-Operation war – und die Röhren von den Russen angegriffen wurden, aber so, dass falsche Spuren hinterlassen wurden, um den Ukrainern die Schuld in die Schuhe zu schieben.“ Das zeige unter anderem das Timing: „Diese groteske Unterstellung wurde an die deutsche Öffentlichkeit gestreut zeitgleich mit der schmerzhaften Entscheidung der Ampel, bilaterale Militärhilfen für die Ukraine aus dem Bundeshaushalt in Zukunft einzustellen und durch ein Darlehen aus dem eingefrorenen Vermögen Russlands zu ersetzen; ein Konzept, das völlig in den Sternen steht. Wir hätten zu der Geschichte des Wall Street Journal nicht einfach schweigen dürfen.“ Melnyk weiter: „Die Ukraine hätte diesen absurden Vorwurf entschieden entkräften und offensiv erklären müssen, dass diese Geschichte falsch ist und jeder Logik entbehrt.“ Die Story sei „bewusst geleaked“ worden – und die deutschen Medien und die Gesellschaft hätten geglaubt, dass die Version dann auch stimmen müsse: „Es waren aber nur Behauptungen, es gibt keinen einzigen Beweis, und nun sieht es so aus, als ob die Sache klar ist, dass da wirklich die Ukraine dahintersteckt“, so Melnyk: „Es war ein Fehltritt der Ukraine, dass man diesem Narrativ nichts Überzeugendes entgegengesetzt hat.“ Es sei aber noch nicht zu spät, das Bild zurechtzurücken.

    Präsident Selenskyj will nach Einschätzung Melnyks mit der jüngsten Regierungsumbildung das Ruder jedenfalls noch einmal herumreißen. Melnyk: „Der Präsident ist überzeugt, dass das Land für diese schwierige Situation frische Kräfte braucht.“ Die Staatsführung wolle „alles auf den Prüfstand stellen und mit neuen Ministern die bestehenden Herausforderungen meistern“. Den neuen Außenminister Andrij Sybiha kennt Melnyk sehr gut seit 1992. Die beiden sind Freunde, sie haben gemeinsam fünf Jahre in einer Gruppe an der Universität Lwiw studiert. Sybiha sei ein „sehr erfahrener Diplomat und gewiefter Unterhändler, der sein Handwerk bestens versteht“, sagt Melnyk über seinen Kollegen: „Ich traue ihm zu, die ukrainische Diplomatie zu stärken und neue Erfolge zu erzielen.“ Sybiha wirkte unter anderem von 2016 bis 2021 als Botschafter in der Türkei. Er gilt als loyaler gegenüber dem Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak.

    Neben der Außenpolitik sei es nun vorrangig, die finanzielle Stabilität der Ukraine herzustellen. Das Land braucht weitere Milliardenkredite, und die würden nicht fließen, bevor die Rahmenbedingungen für Investments signifikant verbessert wurden. Für Sicherheit an den Finanzmärkten soll ein neues Team sorgen: Am Donnerstag stimmten die Abgeordneten im Parlament der Ernennung mehrerer weiterer Regierungsmitglieder zu – darunter Olha Stefanischyna als Justizministerin und Herman Smetanin als Minister für strategische Industrien, der damit künftig für die Rüstungsproduktion zuständig sein wird.

    „Deutschland könnte eine diplomatische Vermittlung anstoßen“, sagt Andrij Melnyk im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
    „Deutschland könnte eine diplomatische Vermittlung anstoßen“, sagt Andrij Melnyk im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
    Paulus Ponizak/Berliner Zeitung
    Die Agrarpolitik der Ukraine, eines der größten Getreideproduzenten der Welt, soll künftig Witalij Kowal als Minister verantworten. Zur Ministerin für Veteranen, der angesichts der vielen kriegsversehrten Soldatinnen und Soldaten im Land innenpolitisch eine besondere Rolle zukommt, wurde Natalia Kalmykowa ernannt.

    Andrij Melnyk hält es auch für wichtig, dass die ukrainische Regierung und ihre westlichen Verbündeten schon jetzt über langfristig relevante Themen zu sprechen beginnen: „Auch wenn der Krieg hoffentlich bald vorbei ist, gibt es keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Ganz im Gegenteil: Man muss dafür sorgen, dass die Sicherheit der Ukraine gewährleistet wird – etwa für die Zeit, solange wir noch nicht in der Nato sind. Wie wird dann die Abschreckung gegenüber Moskau aussehen? Wie können wir sicherstellen, dass es zu keinem weiteren russischen Angriff kommt – auch in der Nach-Putin-Zeit? Das bedeutet für mich, dass die Ukraine noch viele Jahre nach dem Kriegsende mithilfe unserer Partner, vor allem Deutschlands, massiv militärisch aufgerüstet werden muss, um einen neuen Krieg Russlands zu verhindern.“

    1. Das liest sich wie Satire.
      Scholz als Vermittler?
      Verschleppte ukrainische Kinder nach Russland?
      Als ich weiß ja nicht ob Melnyk auch Drogen nimmt, aber das was er da
      so von sich gibt, kling gelinde gesagt mehr als wirr.

        1. Was mich am meisten irritiert ist die Tatsache, daß der wohl tatsächlich glaubt er habe eine
          wirkliche Führungsrolle inne und wird maßgeblich an irgendwelchen Verhandlungen beteiligt
          sein, bzw. diese auch noch initiieren.

          Ausufernder Größenwahn ist ja bei dieser Klientel nichts ungewöhnliches.
          Das so ein Wahnsinn jedoch allen Ernstes auch noch in einer Deutschen Zeitung abgedruckt
          wird spricht wirklich Bände.

          1. паровоз ИС20 578 sagt:
            7. September 2024 um 17:51 Uhr
            Der tut so, als würde er glauben, daß es sein Gaga-Nazi-Shithole in einem Jahr noch geben wird.

            Genau das ist sein Problem: Weil gerade er es besser weiß. !

            Die Karawane zieht weiter und er sitzt in Feindesland OHNE die Taschen randvoll sich hätte machen können… 🙂 Nach dem Crash…. wohin… ?

          2. Die Deutschen EvaMaria nehmen ihn und Bürgergeld ist ihm sicher. 🙂 Vermittelt wird er dann durch das Jobcenter an irgendeine NGO, deren politischer Ansatz dazu geeignet ist, sein Wissen zu verarbeiten.

            1. Dann ist er mittendrin im Gaga-Nazi-Drecksloch . Darf dann sogar bezahlte Vorlesungen halten und wird wieder rundgereicht bei den Talkrunden.

              Die beleidigte Leberwurst 🙂 grinst sich seinen schwu….Backengrins wie immer….wenn er gar nicht mehr weiter kommt unter der Haarpracht….

          3. Es gibt zwei Schienen, die die Verhandlungen vorbereiten:

            Brasilien-China—Rußland für die neutralen Vermittler
            Ungarn-USA (Trump)—China-Rußland für den Westen

            Das Zelensky-Regime ist ausgeschlossen, mit denen wird – wenn überhaupt – über ihren Abgang verhandelt. Als Verhandlungspartner vorgesehen ist eine postfaschistische Transitionsregierung. Die Hauptstütze des Zelensky-Regimes — Scholz — ist ausgeschlossen, Merkels „Geständnis“ und einiges mehr. Desgleichen Paris und London, die auch an dem Betrug um Minsk II beteiligt waren, und die offizielle EU. Dazu kommt der Eklat von Istanbul.

            Melnyk ist an einem zentralen Ort, Brasilien, wo Russen und Chinesen und weitere in Sachen Ukraine ein und ausgehen, und will sich und Zelensky und Scholz da irgendwie hereinbringen.

            „Telefongespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz
            Auf Initiative der deutschen Seite führte Wladimir Putin ein Telefongespräch mit dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz.“

            „Die Aufmerksamkeit wurde auf die zerstörerische Linie westlicher Staaten, einschließlich Deutschlands, gelenkt, die das Regime in Kiew mit Waffen versorgen und das ukrainische Militär ausbilden. All dies sowie die umfassende politische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine veranlaßt Kiew, jegliche Verhandlungen rundweg abzulehnen. Außerdem ermutigt sie radikale ukrainische Nationalisten, immer mehr blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu begehen.

            Der russische Präsident forderte die deutsche Seite auf, ihr Vorgehen im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine zu überdenken.“

            2. Dezember 2022
            http://kremlin.ru/events/president/news/69971

            Seitdem hat Scholz dreimal öffentlich den Wunsch geäußert, mit Putin zu telefonieren, aber keine Leitung mehr bekommen.

  4. Wenn Putin in Bezug auf die Ukraine ernsthaft um Frieden verhandeln will, muss er mit dem
    Hegemon USA verhandeln. Nur wollen die USA leider keinen Frieden und sie wollen Putin selber weghaben.

  5. Also ich neige dazu eher den jenigen zuzustimmen die sagen, ein „Frieden“ der nicht damit endet, dass die russische Armee an der Grenze zu Polen steht, ist nichts weiter als ein Minsk III und die Frage ist nicht ob sondern wann wieder geschossen wird … (egal wer wem etwas heute garantieren würde …)

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