Die "Mythen" der EU-Kommission

Teil 3: Behauptet Russland, dass die Ukraine als Staat nicht existiere?

Die EU-Kommission hat 13 angebliche Mythen über den Krieg in der Ukraine veröffentlicht, die ich in einer Artikelserie vorstelle. In diesem Teil geht es unter anderem darum, dass Russland angeblich behauptet, die Ukraine existiere als Staat gar nicht.

Ich beschäftige mich in dieser 13-teiligen Artikelserie mit einer Seite, die die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland online gestellt hat und die den Titel „13 Mythen über den Krieg Russlands in der Ukraine – und die Wahrheit“ trägt. Man sollte meinen, dass die EU-Kommission in der Lage ist, angebliche russische „Mythen“ mit überzeugenden Belegen für „die Wahrheit“ zu widerlegen. Doch weit gefehlt.

In diesem dritten Teil der Artikelserie beschäftigen wir uns mit dem dritten von der EU-Kommission genannten „Mythos“, der lautet:

„Mythos 3: Die Ukraine als Staat existiert nicht. In Referenden haben die Menschen dort entschieden, nach Russland zurückzukehren.“

Leugnet die russische Regierung die Eigenstaatlichkeit und Souveränität der Ukraine?

Die EU-Kommission schreibt (Links aus dem Original):

Die Eigenstaatlichkeit und Souveränität der Ukraine zu leugnen, ist ein weiteres typisches Narrativ, das kremlfreundliche Experten schon seit Jahren verbreiten. Präsident Putin hat selbst häufig die Geschichte verdreht, um zu behaupten, dass es keine Ukrainer gegeben hätte, bis die Bolschewiken sie erschufen. Doch die Ukraine ist ein souveräner Staat mit eigener Identität und einer langen Geschichte.“

Als Beleg für die Behauptung, die russische Regierung leugne die „Eigenstaatlichkeit und Souveränität der Ukraine“, verlinkt die EU-Kommission auf einen Artikel des von ihr selbst gegründeten, finanzierten und gelenkten Projektes East StratCom Task Force, das die EU-Kommission schon 2015 zum Aufspüren angeblicher russischer Propaganda gegründet hat und das in Ermangelung russischer Propagandalügen selbst gerne Fake News produziert.

Das EU-Projekt zitiert in dem verlinkten Artikel ein Zitat aus russischen Medien, in dem der Satz fällt, es gäbe „so ein Land wie die Ukraine“ gar nicht. Das ist korrekt zitiert, allerdings ist das eine Meinungsäußerung von russischen Redakteuren und keinesfalls die offizielle Linie der russischen Regierung.

Das ist ungefähr so seriös, als wenn man irgendeine Meinungsäußerung eines Bild-Redakteurs nehmen und als offizielle Position der Bundesregierung oder der EU-Kommission darstellen würde. Aber da die EU-Kommission Probleme hat, ihre ausgedachten angeblichen russischen „Mythen“ zu belegen, muss sie zu so unseriösen Methoden greifen.

Dass Präsident Putin selbst behauptet, es habe keine Ukrainer gegeben, „bis die Bolschewiken sie erschufen“, ist ebenfalls gelogen, woran auch der von der EU-Kommission gesetzte Link zu einem Artikel der New York Times nichts ändert. Wer wissen will, was Putin darüber sagt und denkt, der sollte Putins Artikel über das historische Verhältnis zwischen Russen und Ukrainer vom Sommer 2021 lesen, den ich damals übersetzt habe.

Dass die Ukraine ein „souveräner Staat mit einer langen Geschichte“ sein soll, ist schlicht historischer Unsinn. Selbst im deutschen Wikipedia erfahren wir, dass sich erst im 19. Jahrhundert eine nationale Bewegung gebildet hat, die die Ukrainer als Volk erfunden hat. Davor waren sie Teil des sogenannten dreieinigen russischen Volkes aus Großrussen, Kleinrussen und Weißrussen, wobei die heutigen Ukrainer die Kleinrussen waren, aus denen die Nationalbewegung vor weniger als 200 Jahren Ukrainer machen wollte.

Der Grund für diese Tendenzen war, auch das erfährt man im deutschen Wikipedia wahrheitsgemäß, dass das Gebiet der heutigen Ukraine damals teilweise Teil Russlands und teilweise Teil Österreich-Ungarns war. Den Österreichern gefiel die Idee der Schaffung einer nationalen ukrainischen Identität, weil sie damit die Tendenzen von Teilen der historisch russischen (kleinrussischen) Bevölkerung bekämpfen konnten, die nicht Teil Österreich-Ungarns sein wollten, sondern zu Russland gehören wollten. Dazu wurde der im Grunde aus dem Nichts entstehende ukrainische Nationalismus gefördert.

Und all das kann man so (und noch weitaus detaillierter) auch in dem langen Artikel lesen, den Putin im Sommer 2021 über das historische Verhältnis zwischen Russen und Ukrainern geschrieben hat. Putin hat den Ukrainern darin weder das Recht auf einen souveränen Staat abgesprochen, noch behauptet, erst die Bolschewiken hätten die Ukrainer erschaffen. Die EU-Kommission lügt hier wieder, und wieder ist das sehr leicht nachweisbar.

Dass die Menschen in Russland (und auch Putin) Ukrainer und Russen im Grunde als ein Volk, oder zumindest als eng verwandte Brüdervölker, sehen, ist nun einmal so. Und das kann man auch kaum bestreiten, wenn man weiß, dass beide Völker vor knapp 200 Jahren noch als ein Volk galten, das unterschiedliche russische Dialekte spricht, aber ansonsten die gleiche Geschichte, Kultur und Glauben hatte.

Was Putin damals geschrieben hat – und auch das ist historisch korrekt -, ist, dass im russischen Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution die ersten ukrainischen Pseudostaaten entstanden sind, von denen es in den Wirren des Krieges mehrere gleichzeitig gab und die alle nicht lange existierten.

Aber all das zeigt, dass die Ukraine eben kein „Staat mit einer langen Geschichte“ ist, sondern eine Volksgruppe, die sich vor weniger als 200 Jahren quasi selbst erfunden hat. Dass diese Volksgruppe seit 1991 in einem eigenen Staat lebt, bestreitet in Russland niemand, allerdings bestreitet man, dass das (heute) ein souveräner Staat ist, denn die heutige Ukraine ist vollkommen von den USA abhängig und damit ganz und gar nicht souverän.

In Russland würde man sich freuen, wenn die Ukraine ein wirklich souveräner Staat geworden wäre, der seine eigenen Interessen verfolgt, anstatt den Interessen der USA zu dienen, denn dann gäbe es die heutigen Probleme gar nicht. Für die Ukraine wäre es weitaus vorteilhafter gewesen, wenn sie wirtschaftlich eng mit Russland zusammengearbeitet hätte, anstatt sich den Interessen der USA unterzuordnen und sich damit in den selbstmörderischen Krieg hineintreiben zu lassen.

Das Budapester Memorandum und die Referenden

Weiter schreibt die EU-Kommission (Links aus dem Original):

„Wie oben bereits erwähnt, hat Russland 1994 mit der Unterzeichnung des Budapester Memorandums tatsächlich die Ukraine anerkannt und geschworen, ihr Territorium und ihre Souveränität zu respektieren. Die Führung des Kremls hat seitdem phrasenhaft das Memorandum missachtet, zynische Lügen über dessen Inhalt erzählt und behauptet, die Ukraine würde es missachten. Russland nutzte auch Pseudo-Referenden in besetzten Gebieten, um das Ablassen vom Memorandum zu rechtfertigen und illegal Land zu rauben.“

Da das Budapester Memorandum im Westen gerne als Argument missbraucht wird, müssen wir uns anschauen, was darin geregelt war. Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren Weißrussland, Kasachstan, und die Ukraine Atommächte, weil auf ihrem Gebiet sowjetische Atomwaffen stationiert waren. In dem Budapester Memorandum von 1994 haben sich diese Staaten verpflichtet, ihre Atomwaffen an Russland abzugeben und auch in der Zukunft nicht nach eigenen Atomwaffen zu streben.

Im Gegenzug haben Russland, die USA und Großbritannien sich verpflichtet, sich bei Konflikten zu beraten („will consult“). Außerdem haben sie sich verpflichtet, die Souveränität und bestehenden Grenzen der Staaten zu achten.

Jetzt kommt allerdings das erste von zwei großen „Aber“. Das Memorandum führte 2013 zu Streit, weil die Garantiemächte zum Beispiel auch versprochen hatten, keinen wirtschaftlichen Zwang auf diese Staaten auszuüben. Die USA haben 2013 aber Wirtschaftssanktionen gegen Weißrussland verhängt und damit gegen das Memorandum verstoßen. Auf die Kritik an ihrem Vertragsbruch hat die US-Botschaft in Minsk in einer Stellungnahme geschrieben:

„Die wiederholten Behauptungen der weißrussischen Regierung, die US-Sanktionen verstießen gegen das Budapester Memorandum über Sicherheitsgarantien von 1994, sind unbegründet. Obwohl das Memorandum rechtlich nicht bindend ist, nehmen wir diese politischen Verpflichtungen ernst und glauben nicht, dass irgendwelche US-Sanktionen, ob sie nun aufgrund von Menschenrechts- oder Nichtverbreitungsbedenken verhängt werden, mit unseren Verpflichtungen gegenüber Weißrussland im Rahmen des Memorandums unvereinbar sind oder diese untergraben. Vielmehr zielen die Sanktionen darauf ab, die Menschenrechte der weißrussischen Bevölkerung zu schützen und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und andere illegale Aktivitäten zu bekämpfen, und nicht darauf, den Vereinigten Staaten einen Vorteil zu verschaffen.“

Die USA argumentierten damals also (übrigens mit voller Rückendeckung der EU), dass das Budapester Memorandum gar kein rechtlich bindender Vertrag ist. Warum aber soll das Budapester Memorandum dann für Russland bindend sein und wird von der EU als Argument gegen Russland angeführt?

Das zweite große „Aber“ ist, dass Selensky am 19. Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter dem Applaus des Westens gedroht hat, die Ukraine wieder nuklear zu bewaffnen. Er sagte dort, dass er das Budapester Memorandum nicht mehr als umsetzen wollte, was sicher einer der Gründe dafür war, dass Russland nur wenige Tage später militärisch interveniert hat, um eine atomare Bewaffnung der Ukraine zu verhindern, weil die Ukraine mit ihren Know How im Bereich der Atomkraft schnell eine Atombombe hätte bauen können.

Der Westen hat das Budapester Memorandum 2013 als rechtlich nicht bindend eingestuft und Selensky hat 2019 mitgeteilt, sich nicht mehr an das Budapester Memorandum halten zu wollen. Wie kann die EU Russland danach irgendein Fehlverhalten vorwerfen, dass sie mit dem Budapester Memorandum begründet?

Ich denke, über die Referenden in den neuen russischen Gebieten Donezk, Lugansk, Saporoschje und Cherson muss ich nicht viel schreiben. Stammleser des Anti-Spiegel wissen, dass ich oft in diesen Gebieten war, unter anderem als Beobachter des Referendums (siehe hier und hier). Die Referenden und vor allem ihre Ergebnisse mögen Kiew und dem Westen nicht gefallen, aber dass die Menschen in den Gebieten in großer Mehrheit für Russland gestimmt haben, kann niemand, der in den letzten zwei Jahren in den neuen russischen Gebieten gewesen ist, ernsthaft bestreiten, wie sogar das ZDF Anfang 2024 zugeben musste.

Zum Abschluss schreibt die EU-Kommission noch:

„Unterm Strich hat der Kreml alles getan, um die Eigenstaatlichkeit der Ukraine zu untergraben. Unter diesen Umständen ist es besonders beeindruckend, mit welcher Entschlossenheit die Ukrainer ihren Staat und ihre Identität verteidigen.“

Ich denke, nach den vorherigen Ausführungen erübrigt sich dazu jeder Kommentar.


Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

15 Antworten

  1. Ein Memorandum ist eben kein Vertrag und die Ukraine hat auf gar keine Macht verzichtet, da die Startcodes von Moskau aus verwaltet wurden. Sonst wäre dies wohl einen richtigen Vertrag wert gewesen.

    Dieser Umstand stellt ohnehin jede Form der Verpflichtung in Frage, die eigentlichen Inhalte wurden schließlich vor langer Zeit bereits praktisch umgesetzt.
    War also ein voller Erfolg.

    Was ich noch nicht wusste, ist der Einfluss Österreich-Ungarns auf die Staatwerdung der Ukraine. Meine Güte, auf welcher Zeitlinie wären wir jetzt, hätten die Deutschen damals den Lenin nicht in einen Zug gesetzt?

    Aber so ist es halt und die Sowjetunion hat sich halt entlang seiner Verwaltungsgrenzen zerlegt. Behaupte ich mal, war aber bekanntlich ein eher spontaner Prozess.

    Daher halte ich das heute auch nicht mehr für wichtig. Wir leben heute und wenn man mal bedenkt, wie lange sich der Krieg nun bereits zieht, würde ich mal daraus schließen eine Aktion seitens Russlands war aus militärischer Sicht ganz unbegründet.

    Die Aussagen der EU beschränken sich jedenfalls auf kalten Kaffee oder zurückgreifende Bedingungen von anno tuck, nur um sich in der Gegenwart die Hände in Unschuld waschen zu können.

    Westlicher Götterglaube… er greift viel zu kurz. Die Referenz für Verhaltensweisen liegt im hier und jetzt, sonst nirgends. Die Vergangenheit kann und sollte man berücksichtigen aber nur um Entscheidungen zu verbessern, nicht um sie zu begründen und Entscheidungen zu schlichten Reaktionen zu degradieren.

    Putin wird da auch missverstanden, fürchte ich. Er will die Zukunft gewinnen, nicht die Vergangenheit revidieren. Wie weit diese Idioten mit „ihrem“ Budapester Memorandum kommen ist logisch. Für die Zukunft setzt man dann alternativ wieder frei auf Wahnträume aus irgendwelchen Think Tanks. Weil es da schon längst wieder um Innenpolitik geht. Für mehr hat die Aufmerksamkeitsspanne der Politiker schon nicht mehr ausgereicht.

    1. So langam aber sicher sind Ausblicke in die Vergangenheit über EU-Eierkopf-Idioten schon fast fehl am Platz, nach den neuesten Nachrichten, die man aus Moskau vernehmen kann.

      Putin: Auch Angriff eines Nicht-Nuklearstaates kann Russland zum Atomwaffeneinsatz provozieren
      https://luuul.ru/uv/service/hvtrs8%2F-dg.pt%2Ccmm-iltgrlavimncl-200670-ruvil-cuah%2Falgpidf%2Fnkcjt%2Fnwknecrqtcaveq-ialn%2Frwsqlcnf-ctmmuadfgngilsctx-rrmvmzkepel%2F (Der Link dürfte noch überall funktionieren auch ohne Tor Browser usw. )

      Da in deutsch, kann es sich jeder DIREKT reinziehen.

      Meines Wissens nunmehr das erste mal, dass Putin selbst den Atomwaffeneinsatz in den Mund nimmt.

      1. Nur eines noch: Was bedeutet es denn im Klartext, wenn der Grundlagenentwurf der russischen Nukleardoktrin geändert wird. ?

        Im Klartext bedeutet es, dass Putin selbst die Entscheidung zum Einsatz in die Hände des Generalstabes legt. Eben aufgrund der fast nicht vorhandenen Vorwarnzeit MUSS das Militär sofort und das DIREKT handeln, wenn eben die Bedrohung auch nur auftaucht.

        Da kein Militär am Radar erkennen kann, ob unter einer F16 nun „normale“ oder Kernwaffenbestückte Raketen hängen, sollten die Polen und Rumänen sich hurtigst aus dem Bannkreis des Möglichen verziehen. …

        1. Korrektur:
          wenn der Grundlagenentwurf der russischen Nukleardoktrin geändert wird. ?

          wenn der Grundlagenentwurf der russischen Nukleardoktrin ratifiziert und vom Präsidenten unterschrieben wird. ?…sollte es heißen.

  2. Die „Referenden“ als legitim zu bezeichnen kann echt nur ein Verblendeter behaupten, der überhaupt keine Ahnung von Wahlbeobachtung hat. Wie hoch war die Wahlbeteiligung? Durften denn auch alle Geflüchteten wählen? Russland beansprucht auch die kompletten Oblaste, die aber bis heute nur teilweise unter seiner Kontrolle stehen – selbst Donezk und Lugansk. Wenn man also nur, wie geschehen, die paar Versprengten fragt, die trotz Krieg immer noch vor Ort sind, ist das Ergebnis vorprogrammiert, denn man befragt eindeutig nur die Befürworter des Anschlusses an Russland und bei weitem nicht alle nominell Wahlberechtigten hatten überhaupt die Chance zur Stimmabgabe.

    Da kann ein „Beobachter“ noch so toll von „gut organisierten und durchgeführten Abstimmungen“ fabulieren; er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es handelt sich ganz klar um Augenwischerei und „Pseudoreferenden“ trifft den Kern der Chimäre ganz gut.

    1. @ peter der kleine du kannst dich in die reihe der verblendeten hier einreihen.. das kosovoreferendum wurde nicht mal vom volk durchgeführt,sondern nur vom parlament damals,wie nennst den so etwas? nur weil der wertewesten,der nichts wert ist behaupet das nicht anzuerkennen,heißt es nicht,dass es legitim . wenn ich in bayern wohnen würde und in berlin putschen die schweden,was ich aber nicht will und in bayern abstimme ist das auch nicht legitim? guck dir mal die begründung für ein referendum an,was da steht . und hier noch was zu den damaligen zeitabläufen.

      Am 7. Februar 2014 wird auf Youtube ein Telefongespräch veröffentlicht, welches US-Staatsekretärin Victoria Nuland mit Geoffrey Pyatt führte, dem US-Botschafter in Kiew. Thema waren Pläne für einen Regierungswechsel in der Ukraine. Dieser war offensichtlich zu diesem Zeitpunkt beschlossene Sache. Nuland erörterte mit Pyatt bereits die Kandidaten für die neue Regierung.

      Pyatt meint, der ehemalige Boxer und spätere Politiker Vitali Klitschko wolle zwar Vize-Premier werden, sei aber offensichtlich nicht der richtige Mann. Nuland müsse ihm dies in einem Telefonat klarmachen. So wie sie bereits «Yats» (gemeint ist Arsenij Jazenjuk) telefonisch mitgeteilt habe, er sei der richtige Mann.

      Wörtlich sagt Pyatt:

      «Ich denke, es läuft. Die Klitschko-Sache ist offensichtlich das komplizierte Teilchen hier. Besonders die Ankündigung, er wolle stellvertretender Premierminister werden. Du hast einige meiner Notizen über die Probleme in dieser Beziehung gesehen, also versuchen wir, schnell herauszufinden, wo er in dieser Sache steht. Aber ich denke, Dein Argument, das Du ihm gegenüber vorbringen musst. Ich denke, das nächste Telefonat, das Du führen solltest, ist genau das, das Du Yats [Jazenjuk, Red.] gegenüber vorgebracht hast. Und ich bin froh, dass Du ihn sozusagen auf den Punkt gebracht hast, wo er in dieses Szenario passt.»
      Original auf Englisch siehe Fussnote 1

      Nuland bestätigt, Klitschko solle nicht in die Regierung, das sei keine gute Idee. Hingegen sei Jazenjuk geeignet für den Job des Regierungschefs:

      «Ich denke, dass Yats derjenige ist, der über die wirtschaftliche Erfahrung und die Erfahrung im Regieren verfügt.»
      Original auf Englisch siehe Fussnote 2

      Jen Psaki, Sprecherin des US-Aussenministeriums, behauptete nach Bekanntwerden des Telefonats, die USA mischten sich nicht in die internen Angelegenheiten der Ukraine ein, Diplomaten redeten eben über dies und jenes: «Es sollte nicht überraschen, dass US-Beamte über Probleme in der ganzen Welt sprechen.» Auf die Frage, ob der Telefonmitschnitt authentisch sei, antwortete sie: «Ich habe nicht gesagt, dass dieser nicht authentisch ist.»
      «Der Westen hat diesen Putsch gewollt»

      Drei Wochen nach dem Bekanntwerden dieses Telefongesprächs wurde Jazenjuk der neue Ministerpräsident der Ukraine. Kurz vorher hatte der demokratisch gewählte Präsident Viktor Janukowitsch angesichts der Bedrohung durch einen Lynchmob das Land verlassen, nachdem bei gewaltsamen Protesten auf dem Kiewer Maidan um die hundert Menschen erschossen worden waren.

      Der damalige Premierminister Nikolai Asarow berichtete zwei Jahre später in einem Interview mit Telepolis ausführlich, was sich auf dem Maidan zugetragen hatte und zeigt sich überzeugt: «Ohne Hilfe der USA hätte es 2014 keinen Staatsstreich gegeben».

      Der damalige Präsident Janukowitsch sagte ein Jahr später: «Der Westen hat diesen Putsch gewollt, nun muss er auch die Folgen tragen.» Er forderte die neue Regierung in Kiew auf, mit den prorussischen Aufständischen im Osten der Ukraine das Gespräch zu suchen und der abtrünnigen Region eine weitgehende Selbstverwaltung zu gewähren. Gemäss dem völkerrechtlich verbindlichen Friedensabkommen Minsk II vom Februar 2015 hätte Kiew dieses Recht auf Selbstverwaltung in die Verfassung schreiben müssen, hat dies aber nie getan.

      Offensichtlich war es gar nie die Absicht von Deutschland und Frankreich, für das Umsetzen des Abkommens zu sorgen. Minsk II sollte vielmehr vor allem Moskau davon abhalten, den ganzen Donbass sofort gewaltsam einzunehmen, und gleichzeitig der Ukraine Zeit verschaffen, um aufzurüsten. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel erklärte am 7. Dezember 2022 gegenüber der ZEIT offen:

      «Das Minsker Abkommen 2014 war ein Versuch gewesen, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die Nato-Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.»

    2. Ein Referendum ist ein Referendum und das hat jeder zu Akzeptieren… Punkt..
      Den genau das ist Demokratie und steht ganz oben auf der „ Werte Westen Liest..
      Mal davon abgesehen das sowohl die regionale Politik wie auch Moskau die OSZE und Brüssel zur den Abstimmungen als Beobachter eingeladen haben.. was die natürlich nicht mal zur Kenntnis genommen haben aber danach weit ihr Maul aufgerissen haben wen überhaupt.
      Ich bin und war immer der Überzeugung das die dortigen Bevölkerung das Recht hat zu entscheiden was sie wollen nicht Kiew nicht Russland Brüssel Berlin und erst recht nicht Washington alles andere egal ob West oder Ost ist politisches bla bla bla

  3. Wo steht geschrieben, daß ein Souveränes Volk, organisiert in einem demokratisch verfaßten Nationalstaat, das Verfahren zur Legitimation seiner Staatgewalt durch „Dritte“, wer immer das auch sein mag, beobachten oder gar kontrollieren lassen muß.
    Im Übrigen: Janukowitsch hat das wirklich geholfen … haben wir ja gesehen, was eine Wahl, beobachtet von der OSZE und mit Bestnoten bewertet , „Wert ist“ …

  4. Wer sich noch sehr viel weit früher mit den Referenden am 11.Mai 2014 beschäftigen möchte, dem steht ein tolles Archiv zur Verfügung. Unsere eigenen wurden leider alle von den Drecksäckevetreine auf facebook und all den anderen gelöscht. Zwar alles noch vorhanden, doch die Zeit ist noch nicht reif für die Links. Das kommt dann, wenns den Drecksäcken an den Kragen geht….

    https://colonelcassad.livejournal.com/2014/05/11/

  5. „dass es keine Ukrainer gegeben hätte, bis die Bolschewiken sie erschufen“

    Da fehlt ein Aspekt. So ist der Satz natürlich falsch, aber es gibt die Aussage von russischer Seite, auch von Putin, dass die Ukraine in dieser Form von den Bolschewiken erschaffen, erfunden, was auch immer wurde.

    Da geht es um die Größe. Im Raubfrieden von Brest-Litowsk erschien eine extrem große Ukraine auf der Landkarte, natürlich um Russland zu schwächen und diese „Ukraine“ quasi unter Kontrolle zu behalten. Mit Landesteilen, die gar nichts mit Ukrainern jemals zu tun hatten.

    Das hat sich schnell zerschlagen.
    Aber auch „die Bolschiwiki“ zeichneten eine ukrainische Sowjetrepublik, die eindeutig russische Gebiete, Städte, Provinzen enthielt. „Die schönste Perle an Mütterchen Russlands Krone“, nannte man Odessa, der Donbass, Kharkov, das historische Neurussland, wurde ja niemals von einer ukrainischen Staatlichkeit erobert, es gab sie einfach nicht, viele Orte sind russische Gründungen.

    Die Begründung war damals vielleicht einleuchtend: wir machen die USSR so groß, dass da so viele Russen leben, dass die insgesamt nie auf separatistische Ideen kommen.

    Natürlich kann die EU nicht die korrekte Aussage „widerlegen“, denn ernste Diskussionen, was eine Ukraine ohne RUssland, ohne das Russische, sein soll, kann man nicht wollen; es bleibt halt nicht viel übrig, nimmt man noch die Teile weg, die Stalin und Chrustschow zugefügt haben.

    1. Die von Ihnen angesprochene Aussage hat V. V. Putin sogar zur besten Sendezeit im Fernsehen getätigt.
      Tatsächlich hatte Stalin, der sich stark für die Souveränität der Republiken einsetzte, auf Lenin eingewirkt und sagte sinngemäß :
      „Es wäre ungerecht den ukrainischen Genossen, die unter härtesten Bedingungen gekämpft haben, ihr Land wegzunehmen. Wenn diese Genossen sehen, dass unsere Gesellschaft gut und erfolgreich ist, werden die sich von alleine immer stärker mit uns verbinden“.
      Stalin hatte sich übrigens sehr – es gibt da auch Bücher und Mitschriften – mit der Nationalitätenfrage beschäftigt und sich immer sehr für die Souveränität eingesetzt. Hintergrund war, dass er davon ausging, dass die sozialistischen Erfolge der UDSSR eine große internationale Anziehungskraft haben.

  6. Tatsächlich gibt es einen »Staat« Ukraine erst seit 1991, die Ukraine gab es vorher nur als Provinz des Zaristischen Russland.

    Die Idee eines Staates Ukraine kam im 19. Jahrhundert von ukrainischen Nationalisten aus Galizien, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Österreich/Ungern gehörte, auf, und die von einer Groß-Ukraine träumten zu der auch die ukrainischen Teile Russlands gehören sollten, von einer »langen Geschichte« kann also nicht die Rede sein.

    https://mf.b37mrtl.ru/deutsch/images/2023.02/original/63f5976448fbef6cd324f5b9.png

    Diese Karte zeigt die 1991 gegründete Ukraine, die 1991 von der Sowjetunion abgetrennt wurde, und sie illustriert welche Teile durch Eroberung russischer Zaren und von Lenin und von Chrustschow angegliedert wurden.

    Der ursprüngliche Teil der Ukraine ist der ORANGE Bereich auf der Karte, der Bereich der Karte, den Katharina die Große erobert hatte, ist GELBE Berich, den GRÜNEN Bereich annektierte Stalin 1939, den BLAUEN Bereich gliederteLenin an die Ukraine an und den LILA Bereich gliederte Chrustschow an.

    1. Das Ukraine ist eigentlich nur ein schmaler Streifen Land an der rumänischen Grenze. Das Ganze ist nur über die Jahrzehnte aufgebläht, aber ohne Substanz. Die wichtige Ost-Ukraine ist rein russisch. Kiew selbst ist der Ort, wo das russische Reich gegründet wurde. Es gibt DIE Ukraine schlicht nicht. Das ist und war schon immer ur-russisches Gebiet!

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